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Gesetz zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen

Neunundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen vom 9. Oktober 2020, BGBl. I 2020, S. 2075 ff. 

Gesetzentwürfe:

19. Wahlperiode

18. Wahlperiode

 

Am 2. März 2018 beriet der Bundesrat über einen wegen des Grundsatzes der Diskontinuität erneut eingebrachten Gesetzantrag zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) – Effektive Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ sowie Verbesserung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen: BR Drs. 226/16 (Beschluss). Der Entwurf wurde bereits im Juni 2016 in den Bundestag eingebracht. Hier wurde er bis zum Ablauf der Legislaturperiode nicht weiter verfolgt. Stattdessen wurde das Anliegen, Gaffer hart zu bestrafen, nur teilweise aufgegriffen: Am 27. April 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften verabschiedet. In diesem Zusammenhang wurde der Straftatbestand der „Behinderung von hilfeleistenden Personen“ in den Koalitionsentwurf eingebracht und vom Plenum mit beschlossen (BT Drs. 18/12153). Seitdem können Gaffer wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft werden.

Nun soll auch das Herstellen und Verbreiten von bloßstellenden Fotos und Videos Verstorbener zum Schutz der Persönlichkeitsrechte strafbar werden. Daher starten die Länder Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen mit der Erweiterung des § 201a StGB einen erneuten Vorstoß. Unbefugte Aufnahmen von Toten und deren Verbreitung sollen künftig mit bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Ebenso soll es eine Versuchsstrafbarkeit geben, z.B. wenn Einsatzkräfte die Aufnahme durch ihr Einschreiten noch verhindern konnten.

Am 12. April 2018 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf (BT Drs. 19/1594) entsprechend in den Bundestag eingebracht. 

Am 2. April 2019 hat das Land Baden-Württemberg einen Antrag zur Entschließung des Bundesrates zur effektiven Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ (BR Drs. 142/19) in den Bundesrat eingebracht. Die letzten gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Gaffer seien zu begrüßen, da es der Polizei nun möglich sei, verstärkt gegen Gaffer vorzugehen. Jedoch sei es bislang noch nicht gelungen, die Missstände entscheidend zurückzudrängen. Darum solle der Bundesrat sich weiterhin für eine effektive Bekämpfung von Gaffern einsetzen und den Bundestag auffordern, sich unverzüglich mit dem bereits am 2. März 2018 eingebrachten Entwurf des Bundesrates (BT Drs. 19/1594) zu befassen. Maßgebliche Schritte zu einer abschließenden Behandlung durch den Bundestag seien bislang nicht zu erkennen gewesen. 

Die Bundesregierung hatte im April 2018 zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates wie folgt Stellung genommen:

„Die Bundesregierung unterstützt das Anliegen des Gesetzentwurfs, den strafrechtlichen Schutz gegen die Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen zu verbessern. Auch der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode sieht vor, „Schutzlücken des § 201a Strafgesetzbuch (StGB) hinsichtlich bloßstellender Bildaufnahmen (Herstellung und Verbreitung) von verstorbenen Personen“ zu schließen. Die Bundesregierung prüft derzeit, wie dieses Anliegen rechtstechnisch am besten umgesetzt werden kann.“

Der Antrag des Landes wurde am 12. April 2019 im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss an die Fachausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen. Am 17. Mai 2019 beschloss der Bundesrat in seiner Plenarsitzung eine Entschließung, die es den Ländern ermöglichen soll, Bewegung in die Sache zu bringen. Sie wird nun dem Bundestag und der Bundesregierung zugeleitet, die dann darüber entscheiden, ob sie den Antrag der Länder aufgreifen. Eine festgelegte Frist gibt es dafür nicht. 

Am 9. September 2019 veröffentlichte das BMJV einen Referentenentwurf zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes von Verstorbenen und griff die geplanten Änderungsvorschläge wieder auf. Bislang schützt § 201a StGB lebende Personen vor der Herstellung  von Bildaufnahmen, die ihren persönlichen Lebensbereich verletzten. Ebenso ist die Weitergabe von Bildmaterial an Dritte erfasst, das dazu geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person zu schaden. Ist diese Person jedoch bereits verstorben, gehört sie nicht (mehr) zum geschützten Personenkreis. Dies vermag auch nicht § 33 KunstUrhG auszugleichen, da dieser nur die Verbreitung, jedoch nicht die Anfertigung eines Bildnisses erfasst. Zur Gewährleistung eines effektiven postmortalen Persönlichkeitsschutzes sieht der Entwurf daher vor, den Schutzbereich des § 201a StGB auf Verstorbene auszuweiten. 

In § 201a Nr. 3 StGB-E soll daher das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, vom Straftatbestand erfasst werden. Flankierend soll durch einen angepassten Verweis in den nachfolgenden Nr. 4 und 5 (nach neuer Gliederung) auch das Gebrauchen und Zugänglichmachen von Bildaufnahmen gegenüber Dritten erfasst werden. Auch der Anwendungsbereich des Abs. 2 wird auf Bildaufnahmen Verstorbener erweitert. Im Zuge  dessen wird ebenfalls das Strafantragserfordernis in § 205 StGB an den geänderten Schutzbereich des § 201a StGB angepasst. 

Am 13. November 2019 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen, der nicht nur den Persönlichkeitsschutz von Verstorbenen verbessern soll (§ 201a Nr. 3 StGB-E), sondern auch das sog. Upskirting erfasst (§ 201a Nr. 4 StGB). Damit wird das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme von bestimmten gegen Anblick geschützten Körperteilen zukünftig strafbar. Mehr zum Thema Upskirting finden Sie hier

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Persönlichkeitsschutz bei der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen (BT Drs. 19/17795), der Entwurf des Bundesrates zur Strafbarkeit der Bildaufnahme des Intimbereichs (BT Drs. 19/15825) sowie der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen (BT Drs. 19/18980) wurden am 6. Mai 2020 erstmals im Bundestag beraten und im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 27. Mai 2020 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Experten beschäftigten sich hauptsächlich mit der Frage, wie sich Bildaufnahmen unter den Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs oder als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung einordnen lassen. Prof. Dr. Jörg Eisele ordnete das Upskirting zwischen der unerlaubten Bildaufnahme (§ 201a StGB) und den Pornografiedelikten ein. Bislang sei das Upskirting strafrechtlich nicht hinreichend erfasst. Er begrüßte daher den Vorstoß, das Verhalten entsprechend zu sanktionieren. Hierfür gab er dem Entwurf der Bundesregierung den Vorzug. Dort gebe es jedoch noch Unklarheiten hinsichtlich des Begriffs der Unterbekleidung und der Einbeziehung der weiblichen Brust. Auch Dr. Clemens Prokop sprach sich für den Regierungsentwurf aus. Aus seiner Sicht seien die Anforderungen im Vorsatzbereich jedoch unzureichend. Er sprach sich dafür aus, in § 201a StGB eine wissentliche Tatbegehung einzufügen. Dr. Leonie Stahl vom djb schlug vor, den Entwurf der Bundesregierung dahingehend zu ändern, dass klargestellt sei, dass § 201a StGB neben dem Schutz des Persönlichkeitsrechts auch dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung diene. 

Dr. Veronika Grieser bevorzugte die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung, das Upskirting als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu werten. Der Regierungsentwurf umfasse auch das Fotografieren oder Filmen in den Ausschnitt einer Person, das aber nicht vergleichbar mit dem Upskirting erscheine. Frank Rebmann und Hanna Seidel gaben ebenfalls der Lösung des Bundesrates den Vorzug. Seidel betonte jedoch, dass auch die weibliche Brust durch den neuen Straftatbestand geschützt werden müsse. 

Prof. Dr. Elisa Hoven sah lediglich kriminalpolitische Gründe, das Upskirting eher dem Sexualstrafrecht zuzuordnen. Dr. Jenny Lederer vom DAV sprach sich sowohl gegen die Lösung der Bundesregierung als auch gegen den Vorschlag des Bundesrates aus. Dem Upskirting und Down-blousing könne ausreichend mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht entgegengewirkt werden. 

Am 2. Juli 2o20 nahm der Bundestag in zweiter und dritter Lesung den Regierungsentwurf zum Persönlichkeitsschutz bei Bildaufnahmen in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT Drs. 19/20668) an und lehnte den Entwurf des Bundesrates zum Upskirting (BT Drs. 19/15825) unter Enthaltung der Stimmen der Fraktion Die Linke ab. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Änderungsantrag der FDP (BT Drs. 19/20752) sowie der Gesetzentwurf der AfD „zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen“ (BT Drs. 19/18980).

Am 18. September 2020 billigte auch der Bundesrat den Regierungsentwurf. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt.  Es soll am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft treten.


18. Wahlperiode

Gaffer, die sich um Unglücksstellen scharten, gab es schon immer. Relativ neu ist allerdings der Drang dieser speziellen Spezies, Fotos der Verletzten und Toten zu machen und diese umgehend in sozialen Netzwerken zu posten. So ist das Bild des Unfallopfers schneller Online als der Patient im Krankenhaus.

Daneben können Schaulustige die Arbeit der Rettungskräfte durch ihre Präsenz erschweren und Zugang und Zugriff erschweren. Dies kann dann auch unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit des Unfallopfers haben, das ggf. später in das Krankenhaus gebracht werden kann, als dies ohne Behinderung der Fall ist. Diesen Missstand will eine Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen und Berlin durch eine Strafbarkeitserweiterung zu beheben versuchen.

Wer aus Sensationslust Unfallopfer fotografiert oder Rettungskräfte behindert, soll sich nach § 201 a und § 115 StGB-E strafbar machen. Zwar wurde § 201 a StGB erst im Januar 2015 neu gefasst und erweitert, schützt aber bislang nur lebende Personen gegen unbefugte Bildaufnahmen. Der Gesetzesantrag sieht nunmehr eine Erweiterung des Schutzbereiches auch auf verstorbene Personen vor. Daneben soll mit § 115 StGB-E eine neue Vorschrift ins Strafgesetzbuch eingefügt werden, die es unter Strafe stellt, bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder des Rettungsdienstes behindern. Bislang steht die Behinderung von Rettungs- und Hilfskräften nur dann unter Strafe, wenn beispielsweise gewaltsam gegen die Einsatzkräfte vorgegangen wird. Störungen durch bloße Rücksichtslosigkeit, Neugier und Sensationslust sind derzeit nicht erfasst. Ob sich die fotografierenden Gaffer von solchen neuen Vorschriften abschrecken lassen, bleibt abzuwarten.

Am 9. August 2016 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf an den Bundestag weitergeleitet.

Am 27. April 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften verabschiedet. In diesem Zusammenhang wurde der Straftatbestand der „Behinderung von hilfeleistenden Personen“ in den Koalitionsentwurf eingebracht und vom Plenum mit beschlossen (BT Drs. 18/12153). Wer durch Gaffen an der Unfallstelle oder durch Blockieren der Rettungsgasse die Arbeit der Rettungskräfte erschwert und die Versorgung der Verletzten behindert, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden.

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