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Eine neue Ära im Gesundheitswesen – Was bringen die §§ 299a, 299b StGB?

von Dr. Matthias Dann, LL.M

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Abstract
„Pharmareferenten müssen draußen bleiben“
[1] lautete die Überschrift eines Zeitungsartikels, der von vorteilsbasierten Marketingmaßnahmen gegenüber Ärzten berichtete. Dieses Beispiel soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsförderungsmaßnahmen bei allen am Gesundheitsmarkt agierenden Anbietern von Waren und Dienstleistungen Gang und Gäbe sind. Solchen von ihnen, die in unlauterer Weise auf heilberufliche Entscheidungen Einfluss nehmen sollen, will der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen entgegenwirken. Es ist am 4.6.2016 in Kraft getreten (BGBl. I 2016, 1254) und hat im Wesentlichen das Strafgesetzbuch um zwei neue Vorschriften – §§ 299a, 299b StGB – ergänzt. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet vorwiegend die Tatbestandsmerkmale des § 299a StGB und versucht, Gedankenanstöße zu der Bewertung einiger Fälle aus der Praxis zu geben.

I. Einleitung

In Zeiten, in denen eine zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens beklagt wird,[2] sollen die §§ 299a, 299b StGB dazu beitragen, heilberufliche Kern-Entscheidungen vor vorteilsgesteuerter Beeinflussung bzw. Kommerzialisierung zu schützen. Ein praktisches Bedürfnis für die Implementierung dieser Vorschriften ergab sich, nachdem die Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29.3.2012[3] klargestellt hatte, dass niedergelassene Ärzte weder Amtsträger noch Beauftragte i.S.v. § 299 StGB sind. Eine Regelungslücke wurde auch deswegen diagnostiziert, weil die auf den Vermögensschutz ausgerichteten Straftatbestände der Untreue (§ 266 StGB) und des Betrugs (§ 263 StGB) das Geben und Nehmen bestechender Vorteile nur sehr eingeschränkt erfassen und den Unrechtsgehalt von Korruption nicht hinreichend abdecken. Hinzu kam, dass sich berufs- und  sozialrechtliche  Sanktionsmöglichkeiten bei nüchterner Betrachtung als gänzlich ineffektiv erwiesen haben.[4] Nach kriminologischen „Erfahrungen“ soll davon auszugehen sein, dass von den mehr als 250 Milliarden Euro, die jährlich im öffentlichen Gesundheitssystem verteilt werden, 3 bis 5 % korruptiv „versickern“.[5]

Während § 299a StGB als echtes Sonderdelikt die Bestechlichkeit von Angehörigen eines Heilberufes unter Strafe stellt, ist § 299b StGB ein Jedermann-Delikt, welches spiegelbildlich die Bestechung als aktive Begehungsform pönalisiert.[6] Nach der Streichung des sog. Berufsrechtsmodells sind die §§ 299a ff. StGB auf den ersten Blick reine Wettbewerbsdelikte, die allenfalls reflexhaft Patienteninteressen zu schützen scheinen.[7] Ob sich Wettbewerbs- und Patientenschutz tatsächlich feinsäuberlich voneinander trennen lassen, ist zweifelhaft, wenn man wettbewerbsrechtliche Argumentationsmuster zum Topos der sog. „Drittverantwortlichkeit“ betrachtet.[8] Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit eines umworbenen Dritten dann gegeben, wenn die Umworbenen die Interessen Dritter vernachlässigen, zu deren Wahrung sie aber eigentlich verpflichtet sind.[9] Dies betrifft vor allem Ärzte[10], bei denen sich die besondere Verantwortlichkeit aus der jeweils gültigen Berufsordnung ergibt, die sie gegenüber den Patienten zu Neutralität/Objektivität verpflichtet, vgl. z.B. §§ 2, 30 MBO-Ä. Jedoch muss beachtet werden, dass die ärztliche Drittverantwortung nicht automatisch zu einer Unlauterkeit der in Rede stehenden Verkaufsförderungsmaßnahme führt.[11] Es ist immer noch zu prüfen, ob die Maßnahme im konkreten Fall geeignet ist, die Fähigkeit des Patienten, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.[12] Darüber hinaus wird im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum die nachvollziehbare Annahme geäußert, dass es weniger um den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Drittverantwortlichen (hier: z.B. Ärzte) geht, als vielmehr um den Schutz ihrer „Kunden“ (hier: Patienten) vor nicht sachgerechter Beratung und vor nicht objektiven Empfehlungen.[13] In Übereinstimmung damit kann man vertreten, dass der Wettbewerb auf dem Gesundheitsmarkt in sog. Zuführungsfällen in erster Linie dadurch beeinträchtigt wird, dass Angehörige von Heilberufen als Werkzeuge eingesetzt werden, um Nachfragentscheidungen ihrer Patienten zu manipulieren. Hier schließt sich der Kreis. Gleichzeitig eröffnet sich ein Blick auf die Notwendigkeit, in Zuführungsfällen die Manipulationseignung ärztlichen Handelns zu hinterfragen (siehe unten).

II. Die neuen Straftatbestände

Nachdem der Anlass und die Zielsetzung der neuen Tatbestände bereits angerissen worden, soll im Folgenden auf die wesentlichen Tatbestandsmerkmale der §§ 299a, 299b StGB eingegangen werden.

1. Täterkreis

299a StGB richtet sich als echtes Sonderdelikt zunächst an die Angehörigen eines akademischen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert. Angesprochen sind z.B. Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und Apotheker.[14] Darüber hinaus zielt der gesetzgeberische Wille darauf ab, auch nicht akademische Heilberufsgruppen zu erfassen, da diese einem vergleichbaren Risiko der Konfrontation mit korruptiven Verhaltensweisen ausgesetzt sein sollen.[15] So können auch die Angehörigen bestimmter Gesundheitsfachberufe wie z. B. Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten, deren Ausbildung ebenfalls staatlich geregelt ist, taugliche Täter i.S.d. §§ 299a, 299b StGB sein.[16]

Dagegen steht das neue Gesetz dem Handeln von Apothekern weitgehend indifferent gegenüber. Denn heilberufliche Abgabe-Entscheidungen sind auf Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz nicht in die Tatbestände der §§ 299a, 299b StGB aufgenommen worden.[17] Diese Abweichung vom Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist zum einen damit begründet worden, dass eine Harmonisierung mit der Bezugs-Variante erforderlich gewesen sei, die in der jetzt geltenden Fassung nur den Bezug solcher Arznei-, Hilfsmittel und Medizinprodukte abdecke, die zur unmittelbaren Anwendung und nicht zur bloßen Weitergabe bestimmt seien. Zum anderen sei davon auszugehen, dass die Bezugs-Variante auch die Vereinbarung von rückwirkend gewährten Zielrabatten für die unmittelbare Anwendung bestimmter Produkte erfasse. Das bedeutet im Ergebnis, dass Apotheker durch den Ausschluss der Abgabeentscheidung als Tathandlungsvariante faktisch als taugliche Täter ausscheiden.[18]

2. Tathandlungen und Vorteil

Die in §§ 299a, 299b StGB kodifizierten Tathandlungen sind zum einen das „Fordern, Sich versprechen lassen und Annehmen“ und zum anderen, als Gegenstück, das „Anbieten, Versprechen und Gewähren“ eines Vorteils, jeweils im Zusammenhang mit der Berufsausübung. Sie entsprechen den Tathandlungen des § 299 Abs. 1 StGB, sodass auf die hierzu entwickelten Auslegungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann.[19]

„Vorteil“ im Sinne der neueingeführten Vorschriften ist jede materielle oder immaterielle Zuwendung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die die rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Lage des Empfängers objektiv verbessert.[20] Von Relevanz sind u.a. Hilfestellungen bei Promotions- oder Forschungsvorhaben, Einladungen zu Kongressen, die Übernahme der Kosten für Fortbildungsveranstaltungen,[21] die Einräumung von Vermögens- und Gewinnbeteiligungen sowie Rabatte, Skonti und Lagerwertverlustausgleiche.[22] Als Beispiele für immaterielle Vorteile sind Ehrungen und Ehrenämter und die Aufnahme in Expertengremien zu nennen.[23]

Selbst der Abschluss eines gegenseitigen Vertrages, bei dem sich Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis gegenüber stehen, kann ein strafrechtlich relevanter Vorteil sein, weil hierdurch ein Verdienstmöglichkeit eröffnet wird.[24] Man denke z.B. an einen Vertrag über die Teilnahme an einer Anwendungsbeobachtung[25] sowie an Sponsoring- oder Referentenverträge.

3. Unrechtsvereinbarung

Herzstück aller Korruptionstatbestände ist die so genannte Unrechtsvereinbarung. Sie verlangt, dass der Vorteil für einen selbst oder einen Dritten bestimmt ist und auf eine zukünftige Gegenleistung in Form einer unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb gerichtet sein muss. Aus dem Erfordernis einer Unrechtsvereinbarung ergibt sich, dass ein Austauschverhältnis im Sinne einer inhaltlichen Verknüpfung zwischen Vorteil und konkreter Heilberufsentscheidung vorliegen muss.[26]  Daraus folgt, dass die bloße Annahme eines Vorteils[27] ebenso wenig strafbar ist wie eine Förderung allgemeinen „Wohlwollens“.[28] Eine nachträgliche Belohnung für eine bereits erfolgte Handlung ist so lange nicht tatbestandsmäßig wie es keine vorhergehende Absprache zu einer derartigen zeitlichen Abfolge gibt.[29] Auch sozialadäquate Zuwendungen, die von vornherein nicht geeignet sind, heilberufliche Entscheidungen zu beeinflussen, werden von §§ 299a, 299b StGB nicht erfasst.[30] Im Rahmen der Prüfung, ob eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, können Indizien aus wettbewerbs-, berufs-, und sozialversicherungsrechtliche Regelungen extrahiert werden (siehe unten).[31]

Präzisiert wird die Unrechtsvereinbarung dadurch, dass die intendierte Bevorzugung auf eine Verordnungs- (Nr. 1), Bezugs- (Nr. 2) oder Zuführungshandlung (Nr. 3) gerichtet sein muss. Genauer: Die Bevorzugung muss auf die Abgabe oder die Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder auf die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial abzielen.[32]

4. Verordnung, Bezug und Zuführung im Sinne von §§ 299a, 299b Nr. 1-3 StGB

Der Begriff der „Verordnung“ meint die Verschreibung von Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten zugunsten von Patienten, unabhängig davon, ob für das verschriebene Mittel oder Produkte eine Verschreibungspflicht besteht.[33] Daneben sind zur Definition der Begriffe „Arzneimittel“, „Medizinprodukte“ und „Heil- und Hilfsmittel“ die einschlägigen Begleitgesetzen heranzuziehen. (§ 2 Abs. 1 AMG, §§ 32, 33 SGB V). Ebenfalls erfasst sind Tätigkeiten, die mit dem Verordnen in einem engen inneren Zusammenhang stehen, wie beispielsweise die Übersendung der Verordnung an einen anderen Leistungserbringer.[34]

„Bezug“ ist dagegen jegliche Form des Sich-Verschaffens, sei es auf eigene oder fremde Rechnung.[35] Auch Teil-Handlungen wie Bestellen, Abnahme oder die Bezahlung[36] sollen hierunter fallen.

Laut Regierungsentwurf soll der in §§ 299a, 299b Nr. 3 StGB normierte Begriff der „Zuführung“ inhaltlich dem sozial- und berufsrechtlichen Zuweisungsbegriff entsprechen.[37]

Grundsätzlich soll darunter jede Einwirkung auf einen Patienten zu verstehen sein, um dessen Auswahl eines Arztes oder eines anderen Leistungserbringers zu beeinflussen. Erfasst werden danach Zuweisungen und Überweisungen sowie Verweisungen und Empfehlungen.[38] Der Umstand, dass der Gesetzgeber hier anstelle des Begriffs der Zuweisung mit dem (vermeintlich) weitergehenden Begriff der Zuführung eine Vielzahl von über § 31 MBO-Ä[39] hinausgehende Verhaltensweisen erfassen wollte, sieht sich der Kritik ausgesetzt, diffuse und unter Strafwürdigkeitsgesichtspunkten problematische Interpretationen zu provozieren.[40]

5. Unlauterkeit

Eine Bevorzugung ist unlauter, wenn sie geeignet ist, Mitbewerber durch die Umgehung der Regeln des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen.[41] Der Begriff der Unlauterkeit ist damit normativ aufgeladen und eingeschränkt wettbewerbsakzessorisch ausgestaltet. Das wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Referentenentwurf für eine unlautere Bevorzugung beim Bezug verlangte, dass die Annahme der als Gegenleistung gewährten Vorteile „gegen gesetzliche oder berufsrechtliche Vorschriften“ verstößt.[42] Nach Auffassung der SPD-Fraktion im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wird durch das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit klargestellt, dass gewünschte Kooperationen, die auch Kosten sparen würden, straflos seien.[43] Ob das Merkmal „in unlauterer Weise“ überhaupt eine eigenständige Bedeutung hat, wird in der Literatur zu
§ 299 StGB kontrovers beurteilt. Jedoch mehren sich die Stimmen, die das Merkmal wettbewerbsakzessorisch auslegen möchten[44] und infolgedessen verlangen, dass als Mindestvoraussetzung ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften – insbesondere die des UWG – vorliegen muss.[45] Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass wettbewerbsrechtlich erlaubte Handlungsweisen kein strafbares Verhalten darstellen können. Nach dieser Auffassung käme es ansonsten zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch innerhalb der wettbewerbs- und strafrechtlichen Rechtsordnungen. Diejenigen, die der „Unlauterkeit“ ihre Eigenständigkeit als Tatbestandsmerkmal absprechen, sehen diese als bloßes Motiv des Gesetzgebers an, das nur für die Auslegung des Straftatbestandes eine Rolle spiele.[46] Nach hier vertretener Auffassung führt die inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung nur grundsätzlich zu Unlauterkeit. Diese Einschränkung stellt sicher, dass das Tatbestandsmerkmal nicht in unzulässiger Weise überflüssig gemacht wird.[47] Denn es kann sein, dass die Verknüpfung (ausnahmsweise) erlaubt ist. Was aber z.B. sozial- oder wettbewerbsrechtlich legal ist, kann nicht strafbar sein. Es reicht allerdings nicht aus, wenn lediglich die Annahme eines Vorteils berufsrechtlich gestattet ist (z.B. die Einladung zu Fortbildungsveranstaltungen).

Badle ist zuzustimmen, dass es entscheidend auf die mit einem Leistungsaustausch verfolgte Zielsetzung ankommt.[48] Das präzise Herauspräparieren der Motivlage kann sowohl für Berater als auch für Ermittlungsbehörden eine große Herausforderung sein. Insbesondere auch deswegen, weil man auf Motivbündel stoßen kann und es nicht per se unzulässig ist, mit Kooperationen wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Im Zentrum steht zunächst die Frage, ob eine Kooperation für den Vorteilsgeber oder einen Dritten einen Nutzen hat, der nicht in einer unlauteren Bevorzugung i.S.d. §§ 299a ff. StGB besteht?[49] Ein solcher Nutzen kann z.B. in einer Verbesserung der Versorgungsqualität zugunsten der Patienten oder in der Verfolgung legitimer wirtschaftlicher Ziele liegen. Exemplarisch auf den Labor-Sektor bezogen: Dient ein Vorteil der sachfremden Beeinflussung zwecks Vermehrung von Laboraufträgen oder einer medizinisch indizierten, qualitativ hochwertigen Labordiagnostik? Ist ein positiver Nutzen gegeben, stellt sich die Frage, ob aufgrund objektiv nachvollziehbarer Gegebenheiten positiv festgestellt werden kann, dass der Vorteilsgeber daneben weitere Ziele erreichen möchte. Gradmesser wird häufig die Angemessenheit einer Vergütung sein. Unangemessenheit wird als starkes Indiz für ein unlauteres Hintergrund-Motiv angesehen werden. Dabei ist u.a. von Schneider herausgearbeitet worden, dass Angemessenheit ein relativer Begriff ist und kein Fixum beschreibt. Es gibt eine Unter- und eine Obergrenze, die den Bereich des Angemessenen einhegt. Präzisierungen müssen anhand objektiver Kriterien erfolgen, die unter Compliance-Gesichtspunkten präzise dokumentiert werden sollten.[50] Zu diesen Kriterien zählen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Zeitaufwand, Schwierigkeit der Leistung, Kompetenz und Renommee des Leistungserbringers, Angebot und Nachfrage im Hinblick auf die zu erbringende Leistung sowie die mögliche Bezugnahme auf GOÄ, EMB oder DRG.[51] 

Noch geklärt werden muss, welche Konsequenzen sich für die Auslegung von § 299a Abs. 1 StGB aus der Streichung der ursprünglich vorgesehenen Berufsrechtsvariante ergeben („Verletzung der Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit“). Wenn man „Bedenken im Hinblick auf die Unbestimmtheit und Uneinheitlichkeit bei einem Teil der in Bezug genommenen Berufsordnungen“ Rechnung tragen will,[52] müsste man dann nicht auch eine mittelbare Anwendung des Berufsrechts bei der Prüfung der Unlauterkeit einer Bevorzugung ausschließen? Wenn es um einen strafbarkeitsbegründenden Rekurs geht, dürfte ein solcher in der Tat unzulässig sein.[53] Darüber hinaus wäre mit ihm auch kein echter Mehrwert verbunden, wenn man dem obigen Vorschlag zur Bestimmung von Unlauterkeit folgt. Zu einem anderen Ergebnis kommt man, wenn das Berufsrecht oder andere Regelungsmaterien eine vorteilsgesteuerte Bevorzugung zulassen sollten (siehe oben). Die eigentliche Bedeutung von Berufs- und Sozialrecht wird man darin sehen müssen, dass gesteigerte Anforderungen an die Darlegung eines Anfangsverdachts gelten sollen, wenn Kooperationen ausdrücklich anerkannt und erwünscht sind. Sofern keine besonderen Umstände hinzutreten, spricht der erste Anschein in solchen Fällen nicht für eine Unrechtsvereinbarung. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass auch grundsätzlich erwünschte Kooperationsmodelle mit genügend Energie und Phantasie pervertiert werden können.

Eine Strafbarkeit soll entfallen, wenn ein Heilberufsangehöriger ihm beim Bezug gewährte Rabatte oder Vorteile zugunsten des Patienten bzw. des zuständigen Kostenträgers annimmt, um sie an diesen weiterzureichen. Derartige Rabatte dienten dem Wettbewerb und seien im Interesse des Patienten bzw. des Kostenträgers. Es bestehe eine Parallele zu einer straflosen Geschäftsinhaberbestechung i.S.d. § 299 StGB.[54] Gleiches gelte in den Fällen, in denen der Heilberufler nicht als Beauftragter des Patienten handele, sondern auf eigene Rechnung für seinen Geschäftsbetrieb.[55] In diese Kategorie fallen nach hier vertretener Auffassung auch solche Fälle, in denen z.B. Medizinprodukte von Ärzten zulässigerweise zu einem Pauschalpreis abgerechnet werden können.[56] Mit der Einräumung dieser Möglichkeit wird bewusst auf eine Abrechnung in Höhe des realen Einkaufspreises verzichtet. Chancen und Risiken des Einkaufs werden bewusst auf den Arzt verlagert. Damit wird diesem die Möglichkeit eröffnet, einen Gewinn zu erwirtschaften.[57] Auf die Weitergabe eines etwaigen Gewinns an den betroffenen Kostenträger wird so lange verzichtet, wie  keine ausdrücklich geregelte Verpflichtung dazu besteht. Im Ergebnis steht es dem Arzt frei, die Preisvorteile aus einem erwünschten Anbieterwettbewerb zu ziehen. In Ansehung der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung dürfte dieser Wettbewerb nicht grenzenlos zulässig sein.[58] Bei permanenten Angeboten unter Selbstkostenpreis kann je nach Sachverhalt der Verdacht entstehen, dass es nicht allein um den Absatz des angebotenen Produktes, sondern um eine Vorteilsgewährung im Hinblick auf andere Bezugsentscheidungen geht.

Darüber hinaus soll es bei branchenüblichen und allgemein gewährten Rabatten und Skonti an einer Unrechtsvereinbarung fehlen, da diese nicht als Gegenleistung für eine konkrete Bezugsentscheidung gewährt, sondern allgemein gegenüber jedermann angeboten werden. Aufgrund der Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 lit. A HWG unterfielen Preisnachlässe beim Bezug grundsätzlich nicht dem Straftatbestand des § 299a StGB, sofern diese nicht gezielt in verdeckter Form gewährt würden.[59]

Der in den Gesetzgebungsmaterialen enthaltene Verweis auf die zutreffend als straflos qualifizierte „Geschäftsinhaberbestechung“ konfligiert aber in gewisser Weise mit der Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29.3.2012[60]. Danach sind niedergelassene Vertragsärzte gerade keine Beauftragten der gesetzlichen Krankenkassen. Wer diese immer noch als Geschäftsinhaber i.S.d. § 299a StGB einordnet, wie es oben anklang, negiert letztlich die Notwendigkeit der neu geschaffenen Tatbestände. Geschäftsherr der Normadressaten des § 299a StGB ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Großen Strafsenats allein der Patient. Dessen Rechtsposition muss jedenfalls in Zuführungsfällen stärker in Mittelpunkt gerückt werden, um zu tragfähigen und strafrechtsautonomen Auslegungsergebnissen zu gelangen. Patienten müssen nur dort vor Instrumentalisierung mit den Mitteln des Strafrechts geschützt werden, wo dies unter Zugrundelegung eines modernen Patientenbildes notwendig ist. Patienten sind mangels eigener Fachkunde bzw. aufgrund von Informationsasymmetrien nicht dazu in der Lage, die Angemessenheit von Medikamentenverordnungen etc. zu beurteilen. Folglich sind sie an dem damit verbundenen Entscheidungsprozess nicht zu beteiligen. Der Arzt entscheidet hier aufgrund besonderer Fachkompetenz alleine und darf deswegen nicht vorteilsgeleitet handeln. Im Hinblick auf die Fähigkeit, selbstbestimmt zu entscheiden, verhält es sich, trotz des berufsrechtlichen Empfehlungsverbots (vgl. § 31 Abs. 2 MBO-Ä) anders. Dieser Umstand kann bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial relevant werden. Die Entscheidung, wo man sich oder z.B. sein Blut untersuchen lassen möchte, obliegt dem betroffenen Patienten. Dass die Freiheit, sich insoweit zu entscheiden, bereits durch eine Empfehlung in strafwürdiger Weise ausgehebelt wird, drängt sich nicht unbedingt auf.[61] Das Wettbewerbsrecht verlangt auch beim Vorliegen von Vertrauensverhältnissen eine Einzelfallprüfung, ob die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar beeinträchtigt wird.[62] In Zeiten, in denen sich ärztliche Bewertungsportale im Internet großer Beliebtheit erfreuen, bedürfte es genauerer Erkenntnisse zu der vielfach apostrophierten Patientenhörigkeit, bevor man in diesem Bereich das Strafrecht zur Anwendung bringt. Nach einer Studie der Universität Witten, in der 1925 Patienten befragt wurden, wählen 60% das Krankenhaus selbst aus, bei den übrigen entscheidet die Notfallrettung (11%), der Facharzt (10%), der Hausarzt (8%), Angehörige (3%) oder andere (8%).[63] 91% aller Befragten seien mit ihrer Beteiligung an der Entscheidung zufrieden bzw. sehr zufrieden gewesen. Die wichtigsten Informationsquellen vor der Krankenhausaufnahme (Mehrfachnennung) seien die eigene Kenntnis des Krankenhauses durch einen früheren Aufenthalt (46%), Angehörige (18%), der Facharzt (15%), das Internet (11%) und der Hausarzt (10%). Im Ergebnis werden die ambulanten Behandler in einer prominenten Position als Informationsvermittler gesehen. Nach Erkenntnissen des Bundeskartellamtes sucht der weit überwiegende Teil der Patienten grundsätzlich Krankenhäuser in enger räumlicher Nähe zum Wohnort auf, um problemlos von Familienangehörigen und Freunden besucht werden können.[64]

Um auf den oben als erheblich identifizierten Aspekt der Patientenmanipulation zurückzukommen: Wenn ein Arzt Gesellschafter eines Gesundheitsunternehmens ist, von dessen Qualität er überzeugt ist, und nach Empfehlungen fragende Patienten darüber aufklärt, dass er von den Einnahmen dieses Unternehmens mittelbar profitiert, kann der Patient eine autonome Entscheidung fällen, ob er sich für dieses oder ein anderes Unternehmen entscheidet. In diesem Fall liegt keine Störung des freien Wettbewerbs vor.[65] Es liegt weder eine Instrumentalisierung des Patienten durch Machtausübung oder Irreführung noch eine strafwürdige Benachteiligung von Konkurrenz vor. Das gilt m.E. auch dann, wenn der Arzt einen Patienten ungefragt informiert, mag in diesen Konstellationen auch das Berufsrecht auf den Plan treten. Damit bedarf es in der Zuführungsvariante einer einengenden Tatbestandsauslegung.

6. „Im inländischen oder ausländischen Wettbewerb“

Zu dem Tatbestandsmerkmal „im inländischen oder ausländischen Wettbewerb“ findet man in den Gesetzgebungsmaterialen keine weiterführenden Erläuterungen. Dieser Umstand dürfte dadurch zu erklären sein, dass der Gesetzgeber sich erkennbar an § 299 StGB orientiert hat und die diesbezüglichen Auslegungsgrundsätze angewendet wissen will. Da der Tatbestand keine Beschränkung auf deutsche Heilberufler enthält, findet er auch auf die Bestechung ausländischer Angehöriger von Heilberufen im Rahmen ausländischen Wettbewerbs Anwendung:

Durch die Gesetzesformulierung „im (…) Wettbewerb“ kommt jedoch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der intendierten Bevorzugung eine Wettbewerbslage subjektiv bestehen muss. Der Vorsatz des Vorteilsgewährenden muss sich daher auf das Bestehen einer Wettbewerbslage zum Zeitpunkt der Bevorzugung richten, mithin darauf, dass zu diesem Zeitpunkt ein Kreis von Mitbewerbern besteht, auf deren Ausschaltung die Zuwendung abzielt.[66] Wer seine Marktstellung langfristig absichern und nur denkbare Wettbewerber in der Zukunft ausschalten möchte, handelt nach hier vertretener, aber umstrittener Auffassung nicht tatbestandsmäßig.

7. Strafrahmen

Als Strafrahmen sehen die §§ 299a, 299b StGB Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. In einem besonders schweren Fall (§ 300 StGB) kann das Strafmaß auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe erhöht werden. Die aktuelle Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Vorteil großen Ausmaßes i.S.v. § 300 S. 2 Nr. 1 StGB dann vorliegt, wenn unter Berücksichtigung einzelfallbezogener Umstände eine Wertgrenze von 50.000 Euro erreicht ist.[67]

8. Verfallaspekte

Noch nicht endgültig geklärt ist, ob sich Ärzte Rückforderungsansprüchen ausgesetzt gesehen, wenn die von ihnen erbrachten Leistungen auf eine strafbare Unrechtsvereinbarung im Sinne einer Zuweisung gegen Entgelt zurückzuführen sind. Die Beantwortung dieser Frage entscheidet auch über die Anwendbarkeit von § 73 Abs. 1 S. 2 StGB, wonach die Anordnung eines Verfalls ausgeschlossen ist, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des erlangten Etwas entziehen würde. Verletzter kann auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sein. Zunächst ist zu klären, wer im Hinblick auf die §§ 299a, 299b StGB als Verletzter anzusehen ist. Danach sind dessen Ansprüche aus der Tat zu prüfen: Räumt man der sog. streng formalen Betrachtungsweise einen extrem weiten Anwendungsbereich ein, so wird man zu dem Ergebnis kommen, dass auf Korruption beruhende Leistungen vertragsarztrechtlich nicht abrechenbar sind, sofern gleichzeitig ein Verstoß gegen § 73 Abs. 7 oder § 128 SGB V vorliegt. Einige Amtsgerichte haben bereits in diese Richtung entschieden. Auch das LSG Niedersachsen-Bremen hat in einem Urteil vom 8.6.2016 judiziert, dass Honorarabrechnungen nicht nur im Falle rechnerischer oder gebührenordnungsmäßiger Fehler rechtswidrig sind, sondern immer dann, wenn der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale und inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat.[68] In diesem Kontext seien auch Leistungen zu berücksichtigen, die der Vertragsarzt in Ausnutzung einer unerlaubten Zuweisung von Patienten oder von Untersuchungsmaterial erbracht hat. Hiergegen bestehen durchgreifende Bedenken. Es besteht kein Grund, unter Abweichung von zivilrechtlichen Maßstäben eine Infektion lege artis und wirtschaftlich erbrachter Leistungen das Wort zu reden und Korruptionsverbote zu Abrechnungsvoraussetzungen zu stilisieren. Auch wenn man, wie der Verfasser, einer streng formalen Betrachtungsweise im Strafrecht ablehnend gegenübersteht, mag man gerade noch konzedieren, dass es nicht einer gewissen Logik entbehrt, Honoraransprüche nur bei strikter Beachtung von Abrechnungsregeln anzuerkennen. Hinzu kommt, dass sich der Gesetzgeber in § 128 SGB V mit den Rechtsfolgen von Verstößen auseinandergesetzt und keinen Verlust der Abrechenbarkeit vorgesehen hat. Festzuhalten bleibt, dass in Zukunft Fälle denkbar sind, in denen der Staat ein wirtschaftliches Interesse an einer punktuellen Einschränkung der streng formalen Betrachtungsweise haben kann. 

III. Überlegungen zu Praxisfällen

Die nachfolgenden Gedanken sind überwiegend fragmentarischer Natur. Sie sollen die Notwendigkeit vertiefter Diskussion aufzeigen. Eine Beschränkung strafrechtlicher Falllösungen auf das ungefilterte Aufsaugen berufsrechtlicher Wertungen würde der Autonomie des strafrechtlichen Subsystems nicht gerecht.

1. Zuweisungen zwischen MVZ und Krankenhaus

Die §§ 299a, 299b StGB verlangen, dass Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer nicht identisch sind. Anders ausgedrückt: Der Nehmer muss im Verhältnis zum Geber ein Anderer/Dritter sein. Es wird an anderer Stelle herauszuarbeiten sein, unter welchen Voraussetzungen eine tatbestandsausschließende Identität besteht. Hier können nur erste Überlegungsansätze anhand eines Beispiels präsentiert werden:  Wenn in einem Medizinischen Versorgungszentrum (im Folgenden: MVZ) ambulant tätige Ärzte zugleich in einem unter gleicher Trägerschaft stehenden Krankenhaus stationär arbeiten, führt diese Paralleltätigkeit automatisch zu Wettbewerbsvorteilen. Denn ein Patient, der mit der ambulanten Versorgung in einem MVZ zufrieden ist, wird sich regelmäßig dafür entscheiden, sich von dem dortigen Behandler auch stationär betreuen zu lassen.[69] Da Krankenhäuser gegenüber Patienten nicht mit Preisen, sondern nur mit Qualität und Spezialisierungen punkten können,[70] ist das Herstellen einer engen Bindung qua ambulanter MVZ-Behandlung ein großer strategischer Vorteil. Möller/Dahm/Remplik sehen die Gefahr, dass jedenfalls auf lange Sicht die freie Arztwahl und das Wahlrecht bei der Inanspruchnahme stationärer Einrichtungen unterlaufen werden können.[71]

Es gibt im Strafrecht jedenfalls kein allgemeines Konzernprivileg, das die Bestechung von Mitarbeitern eines Konzernunternehmens bereits dem Grunde nach ausschließt.[72]  Tatbestandsreduzierungen, die im Rahmen von § 299 StGB diskutiert werden, wenn ein Angestellter eines Konzern-Unternehmens Vorteile für ein anderes Konzern-Unternehmen fordert, können auf § 299a StGB nicht übertragen werden. Der in einem MVZ angestellte Arzt hat eine Drittverantwortung gegenüber seinen Patienten und ist insoweit nicht ausschließlich den Interessen seines Arbeitgebers verpflichtet. Mag es sich bei einem MVZ und einem Krankenhaus unter gleicher Trägerschaft auf übergeordneter Ebene auch um wirtschaftliche Einheiten handeln, so geht es doch um unterschiedliche Rechtssubjekte, die unterschiedlichen Sektoren (ambulant/stationär) zuzuordnen sind. Dass Zuweisungsverbote und das Recht auf freie Arztwahl selbst dann gelten, wenn die Behandlung innerhalb einer Teilberufsausübungsgemeinschaft    oder eines Krankenhauses erfolgt, spricht tendenziell ebenfalls für eine Anwendbarkeit der §§ 299a, 299b StGB in Konzernkonstellationen. Das Vorliegen einer subjektivierten Wettbewerbskonstellation wird man in solchen Fällen regelmäßig nicht bestreiten können, solange der Patient die freie Wahl hat, sich zwischen verschiedenen „Anschlussbehandlern“ zu entscheiden.

Eine echte Apparategemeinschaft ist entgegen einer unlängst geäußerten Auffassung kein Dritter im Verhältnis zu demjenigen Arzt, der in dieser Gemeinschaft als Gesellschafter persönlich Leistungen erbringt.[73] Das Labor ist als ausgelagerter Teil seiner Praxis zu betrachten, in dem ihm zuzurechnendes Personal arbeitet. Es handelt sich allenfalls um Fälle einer zulässigen Selbstzuweisung und nicht um solche einer tatbestandlichen Drittzuweisung. Dementsprechend scheint in der Gesetzesbegründung auf, dass es bei Selbstzuweisungsfällen einer Einzelfallprüfung bedarf, ob eine Unrechtsvereinbarung i.S.d. §§ 299a ff. StGB vorliegt.[74] Hierbei ist zu berücksichtigen, dass – auch wenn der Begriff der Selbstzuweisung nirgends verbindlich definiert ist – darunter in der Regel solche Fälle subsumiert werden, in denen der Zuweisende die Leistung anschließend selbst erbringt.[75]

2. Medizintourismus

Ökonomisch betrachtet sind ausländische Patienten für einige Krankenhäuser eine bedeutende Einnahmequelle. Medienberichten zufolge sind häufig externe Betreuer dafür zuständig, die Anreise nach Deutschland zu planen, Fahr- und Dolmetscherdienste zu organisieren, als Ansprechpartner für Angehörige zu fungieren oder andere nicht-medizinische Dienstleistungen zu erbringen. Häufig sollen Privatpersonen oder Agenturen aber auch nur reine Vermittlungsleistungen gegen Entgelt erbringen. Zwei Drittel aller im Geschäftsfeld „Internationale Patienten“ tätigen Kliniken sollen mit solchen Dienstleistungsagenten zusammenarbeiten.[76] Sofern solche Betreuer/Vermittler von den Kliniken und nicht von den Patienten bezahlt werden, stellt sich die Frage, ob solche Kooperationen als Vehikel für die Steuerung von Patientenströmen genutzt werden. Ein entsprechender Verdacht könnte entstehen, wenn die Vergütung des Betreuers unangemessen hoch ist und kein professioneller Werbeauftritt vorliegt. Aus spezifisch strafrechtlicher Sicht geht es um die Plausibilität der Annahme, dass ein Betreuer ohne Weitergabe von Vorteilen an ausländische Ärzte dazu in der Lage ist, Patienten zum Besuch eines bestimmten Krankenhauses in Deutschland zu motivieren. Wie immer entscheiden die Umstände des Einzelfalls. Wenn ein Betreuer nachvollziehbare Werbe-Aktivitäten zugunsten seines renommierten deutschen Vertragspartners entfaltet, z.B. durch Messe-Auftritte und Annoncen in ausländischen Zeitschriften und Fachmedien, drängt sich die Bestechung eines ausländischen Arztes nicht auf. Sollte sich allerdings herausstellen, dass ein Betreuer mit Wissen einer deutschen Klinikleitung Teile seiner Vergütung an medizinische Entscheidungsträger im Ausland weitergibt, um die Zuführung von Patienten zu erreichen, kommt eine Strafbarkeit nach § 299b StGB in Betracht. Die Vorschrift ist ersichtlich nicht auf deutsche Heilberufler beschränkt und dient auch dem Schutz des internationalen Wettbewerbs, wobei hier schon der nationale Wettbewerb um die Behandlung solcher Patienten tangiert sein wird. Sofern ein Krankenhausarzt erfolgsabhängige Provisionen gegenüber Vermittlern verspricht, verletzt er nach einer zivilrechtlichen Entscheidung des LG Kiel[77] das ärztliche Berufsrecht.

3. Beteiligung an Unternehmen

Die Beteiligung von Ärzten an Unternehmen, deren Gewinn sie unmittelbar beeinflussen können,[78] wird aus berufsrechtlicher Warte äußerst kritisch gesehen. Nach den Gesetzesmaterialen soll es auch für die strafrechtliche Bewertung darauf ankommen, ob ein Gesellschafter „bei objektiver Betrachtung durch seine Patientenzuführung einen spürbaren Einfluss auf den Ertrag aus seiner Beteiligung nehmen kann“.[79] Diese Perspektive ist nach der Auffassung des Verfassers nicht zielführend. Von einer Missbrauchsmöglichkeit darf nicht vorschnell auf eine tatsächliche Missbrauchsabrede geschlossen werden. Es soll hier nicht angezweifelt werden, dass es überaus verlockend sein kann, einem Unternehmen, an dem man beteiligt ist, Patienten zuzuführen, wenn man hiervon wirtschaftlich profitiert. Daraus zu folgern, dass die Beteiligung des Gesellschafters tatsächlich auf eine Zuweisung gegen Entgelt bzw. eine Unrechtsvereinbarung gerichtet ist, erscheint zumindest nicht zwingend.[80] Daher wären die Ermittlungsbehörden auch in solchen Fällen gehalten, durch Patientenbefragungen zu überprüfen, ob überhaupt gezielte Zuweisungen erfolgt sind oder ob sich der beteiligte Arzt an die Regeln des Berufsrechts gehalten hat. Dass die §§ 299a, 299b StGB die bloße Gefahrschaffung bezüglich einer Unrechtsvereinbarung pönalisieren, ist nicht ersichtlich. Gleichwohl empfiehlt es sich unter Vorsichtsgesichtspunkten derzeit, entsprechende Beteiligungsmodelle entsprechend kritisch zu prüfen.     

IV. Ausblick

Bis Oktober 2016 ist noch nicht über die Einleitung einschlägiger Ermittlungsverfahren berichtet worden.[81] Nach der Einschätzung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis es aufgrund anonymer oder offener Anzeigen zu entsprechenden Verfahren kommen wird. Es bleibt abzuwarten, mit wie viel Sensibilität die neu eingeführten Normen angewendet werden und ob, die Befürchtung, dass Strafanzeigen dazu missbraucht werden könnten, gesundheitspolitische oder wirtschaftliche Partikularinteressen entgegen der eigentlichen Zielsetzung durchzusetzen[82], sich bewahrheiten wird. Wünschenswert ist jedenfalls, dass Kostenträger, Körperschaften und Interessenvertreter von Leistungserbringern und Warenanbietern zu einem belastbaren Konsens über Kooperations- und Vergütungsmodelle kommen. Der im SGB V vorgesehene Erfahrungsaustausch – allein zu Unregelmäßigkeiten –  reicht insoweit nicht aus. Die Möglichkeiten, Rechtssicherheit durch formelle und faire Verfahren herzustellen, sind ebenfalls maximal auszuloten.[83]

 

[1]     https://www.welt.de/wissenschaft/article944971/Pharmavertreter-muessen-draussen-bleiben.html, zuletzt besucht am 11.10.2016.

[2]     Vgl. z.B. DGIM Positionspapier; „Der Patient ist kein Kunde, das Krankenhaus kein Wirtschaftsunternehmen“, 2016.

[3]     BGH, NJW 2012, 2530.

[4]     Fischer, StGB, 63. Aufl. (2016), § 299 Rn. 10e.

[5]     a.a.O.

[6]     Dann/Scholz, NJW 2016, 2077.

[7]     Dann/Scholz, a.a.O, Kölbel, medstra 2016, 193 (193): „reines Wettbewerbsstrafrecht“.

[8]     S. hierzu auch Brettel/Mand, A & R 2016, 99 (102); Köber, A&R 2014, 262 (264). sowie Geiger, CCZ 2016, 172 (174).

[9]     Stuckel, in: Harte/Bavendamm, UWG, 3. Aufl. (2013), § 4 Rn. 117.

[10]    Heermann, in: MüKo-Lauterkeitsrecht, Bd. 1, 2. Auf. (2014), § 4 Nr. 11 UWG Rn. 252.

[11]    Heermann, in: MüKo-Lauterkeitsrecht, § 4 Nr. 11 UWG Rn. 228.

[12]    Vgl. Köhler, in: ders./Bornkamm, UWG, 29. Aufl. (2011), § 4 Rn. 1.191; Pahlow, in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl. (2013), § 4 Nr. 1 Rn. 224.

[13]    Pahlow, in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl. (2013), § 4 Nr. 1 Rn. 232.

[14]    BT-Drs. 18/6446, S. 17.

[15]    vgl. Wissing/Cierniak, a.a.O. Zu Einschränkungen siehe Geiger, CCZ 2016, 172 (174).

[16]    BT-Drs. 18/6446, S. 17.

[17]    BT-Drs. 18/8106, S. 15.

[18]    Vgl. Momsen/Laudien, in: BeckOK-StGB § 299a Rn. 15; Tsambikakis, medstra 2016, 131 (132).

[19]    BT-Drs. 18/6446, S. 17.

[20]    BGH, Urt. v. 11.4.2001 – 3 StR 503/00.

[21]    BT-Drs. 18/6446, S. 18.

[22]    Geiger, medstra 2016, 9 (11).

[23]    Vgl. Fischer, § 331 Rn. 11 e.

[24]    Vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82.

[25]    Vgl. Jäkel, PharmaR 2016, 301.

[26]    Tsambikakis, medstra 2016, 131 (134); Großkopf/Schanz, RDG 2016, 220 (225).

[27]    Tsambikakis, medstra 2016, 131 (134); Geiger, medstra 2016, 9 (14).

[28]    Kritisch zu Maßnahmen der straflosen „Stimmungsarbeit“ Kölbel, medstra 2016, 193 (194).

[29]    BT-Drs. 18/6446, S. 18.

[30]    Vgl. BT-Drs. 18/6446, S. 17; Fischer, § 299 Rn. 16.

[31]    Vgl. Brettel/Mand, A&R 3/2016, 99 (102); Badle, medstra 2015, 139 (140).

[32]    BT-Drs. 18/6446 S. 20.

[33]    A.a.O., S. 20.

[34]    A.a.O, S. 20.

[35]    A.a.O., S. 22

[36]    Tsambikakis, medstra 2016, 131 (135) m.w.N.

[37]    BT-Drs. 18/6446, S. 21.

[38]    A.a.O, S. 20.

[39]    Zur Abgrenzung und Interpretation des Begriffs der „Zuweisung“ i.S.v. § 31 MBO-Ä s. Schmidt, Grenzen finanzieller Einflussnahme auf ärztliche Entscheidungen bei der Kooperation von Ärzten mit anderen Leistungserbringern in der Gesundheitswirtschaft, 2014, S. 87 ff.

[40]    So auch Tsambikakis, a.a.O.

[41]    Vgl. Referentenentwurf, S. 20.

[42]    A.a.O.

[43]    BT-Drs. 18/8106, S. 15.

[44]    Rönnau, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. (2015), S. 324.

[45]    Rönnau, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, a.a.O. mit Verweis auf Altenburg, Die Unlauterkeit in § 299 StGB, 2012, S. 108 ff., 160 f.

[46]    Dannecker, in NK-StGB, 4. Aufl. (2013), § 299 Rn. 53; Fischer,
§ 299 Rn. 16.

[47]    Vgl. Dann, in: FS Wessing, 2016, S. 283 (293).

[48]    Badle, medstra 2015, 139.

[49]    Vgl. Schneider, medstra 2016, 202(195), der allerdings allein auf einen plausiblen ökonomischen Nutzen abstellt.

[50]    Vgl. Heil/Oeben, PharmaR 2016, 217 (222), die ebenfalls für eine ordnungsgemäße Dokumentation der Zusammenarbeit plädieren.

[51]    S. hierzu auch die von einigen Medizinrechtlern im Jahr 2016 veröffentlichte sog. „Würzburger Erklärung“, in der detailliertere Angemessenheitserwägungen angestellt werden. Abrufbar unter http://www.medstra-online.de/pdf/Wuerzburg.pdf, zuletzt abgerufen am 16.10.2016.

[52]    BT-Drs. 18/8106, S. 16; Bedenken gegen das Berufsrechtsmodell hinsichtlich der Uneinheitlichkeit und der Entscheidungsgewalt der Selbstverwaltungsorgane über die Bestimmung, welche Art von Zusammenarbeit zwischen Angehörigen von Heilberufen und Dritten als legitim angesehen werden kann, finden sich bei Dieners, PharmaR 2015, 529 (531) und Geiger, medstra 2015, 97 (103)

[53]    S. aber auch Brettel/Mand, A & R 2016, 99 (103), die in die entgegengesetzte Richtung denken.

[54]    BT-Drs. 18/8106, S. 16.

[55]    Referentenentwurf, S. 20.

[56]    S. hierzu auch das im Internet abrufbare Gutachten von Wigge/Steinhäuser, Zur Auswirkung des Antikorruptionsgesetzes auf die Abrechnung von KM-Pauschalen“, Stand: Juni 2016.

[57]    Vgl. dazu in allgemeiner Hinsicht LSG NRW, Beschl. v. 28.12.2010, L 11 KA 60/10 B ER, Rn. 91.

[58]    Vgl. BGH, GRUR 2005, 1059 (1060).

[59]    Referentenentwurf, S. 20.

[60]    BGH, NJW 2012, 2530.

[61]    Vgl., in allgemeiner Hinsicht, Heermann, in: MüKo-Lauterkeitsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. (2014), § 4 Nr. 11 UWG Rn. 254. S. auch Köber, A&R 2014, 262 (267).

[62]    Vgl. Pahlow, in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl. (2013), § 4 Nr. 1 Rn. 224.

[63]    Abstract abrufbar über: http://www.egms.de/static/de/meetings/dkvf2013/13dkvf219.shtml zuletzt besucht am 19.10.2016.

[64]    BKartA, Beschl. v. 14.5.2014 – B3-135/13, BeckRS 2015, 09383, Rn. 71.

[65]    So auch Schneider, medstra 2016, 195 (202).

[66]    Fischer, § 299 Rn. 15.

[67]    BGH, NStZ-RR 2015, 278 (280).

[68]    LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 8.6.2016 – L 3 KA 6/13, BeckRS 2016, 70991.

[69]    BKartA, Beschl. v. 14.5.2014 – B3-135/13, BeckRS 2015, 09383, Rn. 260.

[70]    BKartA, BeckRS 2015, 09383, Rn. 207.

[71]    Möller/Dahm/Remplik, in: Ratzel/Luxenburger (Hrsg.), Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl. (2015), 9 Rn. 107.

[72]    Pfaffendorf, NZWiSt 2016, 8 (14 m.w.N.).

[73]    Vgl. aber Badle/Raschke, medstra 2016, 259 (264 f.).

[74]    BT-Drs. 18/6446, S. 19.

[75]    Vgl. auch BGH, GRUR 2012, 1050, (1052): „Nichts anderes gilt, wenn er ein solches Labor auslagert und von einem Dritten betreiben lässt“.

[76]    Instruktiv Juszczak, Internationale Märkte – Potenziale für deutsche Krankenhäuser, in: Debatin u.a. (Hrsg.), Krankenhausmanagement, 2. Aufl. (2013), S. 151 (155).

[77]    LG Kiel, Urt. v. 28.10.2011 – 8 O 28/11, BeckRS 2012, 04667.

[78]    Und damit auch die Höhe ihrer Gewinnausschüttung.

[79]    BT-Drs. 16/6446, S. 19; Pragal/Handel, medstra 1/2016, 22 (25).

[80]    Vgl. Travers, Kopplungsangebote, S. 177: Interessenkonflikt kann Indiz für Unrechtsvereinbarung sein. „Das Vorliegen derselben muss allerdings auch in solchen Fällen im Einzelnen anhand der hohen strafrechtlichen Beweisvoraussetzungen belegt werden.“

[81]    Vgl. Deutsches Ärzteblatt vom 14.10.2016; 113(41): A-1789 / B-1509 / C-1501.

[82]    Dann/Scholz, NJW 2016, 2077 (2080).

[83]    Vgl. Scholz, MedR 2015, 572 (576).

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