Editorial

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Es ist kriminalpolitisch viel passiert, seitdem das erste Heft der KriPoZ am 1. Juli 2016 erschienen ist. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, um einen kurzen Rückblick auf Gesetzgebungsvorhaben in den Monaten Juli und August zu geben. Einen Rückblick auf aktuelle Entwicklungen können Sie auch via E-Mail einmal monatlich erhalten, wenn Sie unseren Newsletter abonnieren.

In Kraft getreten ist zum 30.7.2016 das umstrittene Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus (BGBl. I 2016, S. 1818). Durch das Gesetz kann der Verfassungsschutz zum Schutz vor Terroranschlägen in Zukunft mehr Daten mit ausländischen Geheimdiensten austauschen. Erst im November tritt allerdings Art. 4 dieses Gesetzes in Kraft, der Änderungen des VIS-Zugangsgesetzes betrifft. Am 1.8.2016 ist darüber hinaus auch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB und zur Änderung anderer Vorschriften in Kraft getreten (BGBl. I 2016, S. 1610). Im letzten KriPoZ-Heft hat Pollähne die Änderungen kritisch kommentiert.

Der Bundestag hat im Juli einstimmig das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung („Nein heißt Nein“) beschlossen – Papathanasiou wird die wesentlichen Änderungen im aktuellen KriPoZ Heft auf S. 133 ff. vorstellen. Ebenfalls vom Bundestag beschlossen wurde das Prostituiertenschutzgesetz. Intention des Gesetzes ist ein besserer Schutz von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern. Außerdem hat der Bundestag vor seiner Sommerpause den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels angenommen. Dieser ist erforderlich, um eine entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen. Ebenfalls im Juli hat die Bundesregierung dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Korruptionsbekämpfung zugestellt. Durch dieses Vertragsgesetz sollen die Voraussetzungen für die Ratifizierung des Strafrechtsübereinkommens des Europarats über Korruption geschaffen werden. Weitere Änderungen im materiellen Strafrecht sind dadurch nicht vorgesehen, weil Deutschland durch das 48. Strafrechtsänderungsgesetz bereits Anpassungen an die Vorgaben des Übereinkommens vorgenommen hat.  Im August hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen an den Bundestag weitergeleitet. Allerdings ist bis zum 31.12.2025 die elektronische Aktenführung im Strafverfahren lediglich eine Option neben der klassischen Aktenführung. Erst danach sollen neu anzulegende Akten ausschließlich elektronisch geführt werden.

Darüber hinaus hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zum Stalking beschlossen, nach dem die „junge“ Vorschrift des § 238 StGB einen besseren Opferschutz gegen beharrliche Nachstellung erhalten soll. Nach geltender Rechtslage ist der Straftatbestand als Erfolgsdelikt ausgestaltet, so dass es des Nachweises einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung bedarf. Durch die Umwandlung der Vorschrift in ein potentielles Gefährdungsdelikt sollen Beweisschwierigkeiten beseitigt werden. Voraussichtlich im nächsten KriPoZ-Heft wird eine Stellungnahme zum aktuellen Regierungsentwurf erscheinen. Des Weiteren wurde das Gesetz für eine effektivere Rechtshilfe beschlossen, da bis zum 22.5.2017 die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen in nationales Recht umgesetzt werden muss. Schließlich hat das Bundeskabinett noch eine umfangreiche Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beschlossen. Geplant ist eine komplette Neuregelung der Vorschriften zur Vermögensabschöpfung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird kritisch und ausführlich von Bittmann im aktuellen Heft auf S. 120 ff. beleuchtet.

Am 1. Juli haben Nordrhein-Westfalen und Hessen einen Gesetzesantrag zur Strafbarkeit illegaler Autorennen in den Bundesrat eingebracht. Mit § 315 d StGB-E soll ein neuer Straftatbestand „verbotene Kraftfahrzeugrennen“ ins Strafgesetzbuch eingeführt werden. Außerdem sollen die Einziehung des Tatfahrzeugs und der Führerscheinentzug ermöglicht werden. Über den Gesetzesantrag wird Anfang September in den Ausschüssen beraten. In einem der nächsten KriPoZ-Hefte werden wir zum Thema illegale Autorennen einen Beitrag veröffentlichen. Der Bundesrat hat zudem am 9.8.2016 den Gesetzentwurf zur effektiven Bekämpfung von „Gaffern“ an den Bundestag weitergeleitet. Wer aus Sensationslust Unfallopfer fotografiert oder Rettungskräfte behindert, soll sich nach § 201a und § 115 StGB-E strafbar machen.

Im August hat Bundesjustizminister Maas angekündigt, einen Gesetzentwurf für ein Fahrverbot als Hauptstrafe auf den Weg zu bringen. Dies kam ein wenig überraschend, hat er doch mit dem Gesetz zur Änderung des StGB, des JGG und der StPO im Juni 2016 einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem er den Katalog strafrechtlicher Sanktionen um die Möglichkeit der generellen Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe erweitern möchte. Die Nebenstrafe soll nicht nur bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder einer Pflichtverletzung im Straßenverkehr verhängt werden können, sondern nach § 44 Abs. 1 StGB-E bei allen Nebenstrafen. Schon dieser Vorschlag stieß auf ablehnende Stellungnahmen des DRB, DAV und DBH.

In unserem aktuellen KriPoZ-Heft finden Sie neben den genannten Beiträgen von Bittmann und Papathanasiou in der Rubrik „Stellungnahme zu Gesetzentwürfen“ auch wieder „allgemeine Beiträge“ am Puls der Zeit. Unser Mitherausgeber Duttge widmet sich in seinem Aufsatz auf S. 92 ff. der Reform der Tötungsdelikte und zeichnet nicht nur die Arbeit der Expertenkommission und unterschiedlichste Reformansätze nach, sondern gibt auch dezidiert den derzeitigen sich im Umlauf befindlichen Referentenentwurf wieder.

Zwar hat sich die allgemeine Aufregung um die Böhmermann-Satire etwas gelegt, doch ist die Diskussion um die Frage, ob § 103 StGB noch zeitgemäß ist oder gestrichen werden soll, noch nicht verebbt. Neben dem Gesetzentwurf der Länder Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen zur Aufhebung des § 103 StGB (BR-Drs. 214/16) liegen noch zwei weitere Entwürfe vor, die eine Streichung der „Majestätsbeleidigung“ bzw. Neuordnung der Beleidigungsdelikte vorsehen. Daher wirft Mitsch in seinem Beitrag auf S. 101 ff. die Frage auf „§ 103 StGB – ist das noch Recht oder kann das weg?“.

Im Juni hat Hessen einen Gesetzesantrag zur Strafbarkeit des digitalen Hausfriedensbruchs in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 338/16). Mit § 202e StGB-E soll ein neuer Straftatbestand „unbefugte Benutzung informationstechnischer Systeme in das Strafgesetzbuch eingefügt werden. Auf S. 106 ff. beleuchtet Mavany Sinn und Unsinn neuer Gesetze gegen den sog. digitalen Hausfriedensbruch unter dem Titel „Pferde, Würmer, Roboter und das Strafrecht?“.

Dalby widmet sich in seinem Beitrag „Vorratsdatenspeicherung – endlich?!“ den Neuregelungen der §§ 113b, 113 c TKG und § 100g StPO, stellt den Rechtsrahmen dar und bewertet die Änderungen mit Blick auf die Vorgaben des BVerfG. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung verfassungsgemäß ist und liegt damit ganz in der Linie der Entscheidungen des BVerfG, das die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Vorratsdatenspeicherungsgesetz ablehnte. Eine dieser Entscheidungen findet sich abgedruckt in diesem Heft auf S. 140 ff.

Daneben finden Sie noch die Entscheidung des LG Hamburg zur Böhmermann-Satire sowie zwei Buchbesprechungen rund um das Thema Unternehmensstrafrecht und einen Tagungsbericht.

Wie schon im ersten Editorial erwähnt, besteht bei KriPoZ.de die Besonderheit, sich nicht nur passiv über Gesetzesvorhaben und Stellungnahmen zu informieren, sondern durch Nutzung unserer Kommentarfunktion aktiv den kriminalpolitischen Diskurs mitzugestalten. Die Kommentarfunktion bietet zudem die Möglichkeit, auch wissenschaftliche Aufsätze des KriPoZ-Heftes kritisch zu würdigen und so den Meinungsaustausch weiter anzuregen. Leider wurde die Kommentarfunktion bislang nicht genutzt, so dass ich mir abschließend den Apell erlaube, durch konstruktive Stellungnahmen die wissenschaftliche Diskussion weiter voranzutreiben.

 

Prof. Dr. Anja Schiemann


 

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