von Prof. Dr. Davi de Paiva Costa Tangerino
Abstract:
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Privatisierung brasilianischer Strafanstalten. Es wird daher zunächst der geschichtliche Sachzusammenhang dargestellt, in der Absicht, die ursprüngliche Idee eines privaten Eingriffes ins Gefängnissystem und auch die Argumente aufzudecken, die zu Gunsten dieser Lösung sprechen. Daraufhin werden verschiedene internationale Modelle, sowie auch einige in Brasilien gemachte Erfahrungen vorgestellt.
Schließlich kommen noch die wichtigsten kritischen Argumente gegen eine Privatisierung der Strafvollziehung zur Sprache. Die Methodologie beruht auf bibliographischen Forschungen, die besonders in Brasilien sehr spärlich vertreten sind, da hier der private Eingriff in die Strafvollziehung erst seit 15 Jahren existiert und noch sehr vorsichtig, jedoch in ständig wachsender Weise weitergeführt wird. Man kommt dann zur Schlussfolgerung, dass die Privatisierungsmodelle keinen Beitrag zur Hebung der Selbstachtung der Häftlinge geleistet und nichts mit einer echten Vorbeugungspolitik zu tun haben, und dass sie auf noch nicht bewiesenen Prämissen beruhen.
The article deals with the privatisation of Brasilian penitentiaries. Therefore, at first the historical context is depicted with the intention to present the original idea of a private intervention in the prison system and also to uncover/reveal the arguments that are indicative for this solution.
Subsequently, various international models will be presented as well as some of the experiences made in Brasil. Finally the most important critical arguments against the privatisation of penal systems will come up for discussion. The methodology is based on bibliographical research which is very low in number especially in Brasil because here the private intervention in the penal system exists for only 15 years and is pursued yet very carefully but in a constantly growing way. One concludes that the privatisation models have made little contribution to highten the self-respect of the inmates and have nothing to do with real prevention politics and that they are based on premises, that are not yet proven.
I. Einführung
Im Juni 2013 war der Leitartikel des monatlichen Mitteilungsblattes des Brasilianischen Instituts für Kriminalforschung der ersten in Brasilien verwirklichten öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) gewidmet, deren Ziel die Verwaltung einer größeren Strafanstalt war, und zwar der Einheit 1 des Gefängnis-Komplexes von Ribeirão das Neves, mit Sitz im Staat Minas Gerais. Es handelte sich in Wirklichkeit um das erste Modell einer gemeinschaftlichen Verwaltung von Gefängnis-Einheiten, denn es gab bei uns schon begrenztere Erfahrungen öffentlich-privater Partnerschaften in diesem Bereich. Die Veröffentlichung brachte damals in ziemlich kritischer Sicht die Idee der Privatisierung von Strafanstalten als politische Alternative zu den verschiedenartigen im Land auftretenden Schwierigkeiten bei der Strafvollziehung zur Sprache, wobei gemäß Daten der Nationalen Behörde für Strafanstalten (DEPEN) diese bis Dezember 2012 bei 318.739 Plätzen mit 548.003 Häftlingen belegt waren, unter Einschluss solcher, die sich im Gefängnissystem und in den Haftanstalten der Polizeikommissariate wortwörtlich anhäufen (inbegriffen die in Untersuchungshaft befindlichen). Die Überbelegung der Strafanstalten ist eine grausame Wirklichkeit, welche die Leiden noch verschärft, die das Strafsystem den Sträflingen auferlegt. Ein einfacher Besuch in einer Strafanstalt legt dies offen. Der Verurteilte ist in den für den Freiheitsentzug bestimmten Anstalten einem vollständigen Mangel an Infrastruktur ausgesetzt.
Man nutzt die Gefängnishaft als prinzipielle Form der Kontrolle, sie führt aber zur sekundären Kriminalisierung der Population.[1] Angesichts dieser Zustände erreicht eine Untersuchung der Privatisierung von Strafanstalten im Hinblick auf die gegenwärtige Situation des Strafvollzuges einen wichtigen Stellenwert, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Überbesetzung der Gefängnisse und der Mangel besserer Lösungen für die im Gefängnissystem bestehenden Probleme zu einem politischen Anliegen wurden, das sich auf private Interessen stützt, wo z.B. die private Intervention mittels öffentlich-privater Partnerschaften (die im brasilianischen Rechtswesen eine relativ neue Erscheinung sind) als ein Ausweg für die gegenwärtigen Zustände der brasilianischen Gefängnisse verteidigt wird.
Vorliegender Artikel setzt sich also zum Ziel, das Thema zu problematisieren, indem er dem Ursprung der privaten Intervention beim Strafvollzug nachgeht, sowie auch den dafürsprechenden Argumenten, den nationalen und internationalen Erfahrungen und den wichtigsten kritischen Einwänden. Damit soll das Thema bekannt gemacht werden und es soll zu einem Schluss über dessen Pertinenz, Ausführbarkeit und Übereinstimmung mit der brasilianischen Gesetzgebung gekommen werden.
II. Privatisierung der Strafanstalten
Der Terminus „privatisieren“ bedeutet, dem größten Wörterbuch der portugiesischen Sprache [Houaiss] gemäß, u.a. den Akt, ein öffentliches Gut unter die Kontrolle eines Privatunternehmens zu stellen, wobei sich das Privatinteresse auf die Nutzung der Bewirtschaftung der betreffenden Tätigkeit richtet. Daher bedeutet die Privatisierung einer Strafanstalt im Grunde genommen, dem Unternehmen die Befugnis zur Ausübung der Bestrafung mittels Freiheitsentzug zu übertragen.
Die Befugnis zur Bestrafung ist in drei grundlegende Momente aufgeteilt: die Erschaffung der Strafe (eine vorrangig dem zentralen Bundesparlament unterstehende Aufgabe); das Ergreifen einer Strafmaßnahme (vorrangig der zentralen Rechtssprechungsgewalt vorbehalten); und die Befugnis zur Anwendung der zuvor auferlegten Strafe. Die Anwendung der Strafmaßnahme weist eine gerichtliche Komponente auf (Richter und Staatsanwaltschaft) und außerdem eine verwaltungsmäßige (Landesministerium für Gefängnisverwaltung, sowie, mit geringerem Einfluss, die vom LEP[2] vorgesehenen Vollziehungsorgane wie, z.B. der Gefängnisverwaltungsrat). Auf diese Weise wird nicht die Strafanstalt (als öffentliches Gut) privatisiert, sondern vorwiegend die Ermächtigung, die Verhaltensweisen bei der Anwendung der Strafe zu bestimmen. Nimmt man sich z.B. das Modell der gemeinschaftlichen Verwaltung in Araguaina vor, so wird dort die interne Sicherheit von einer Drittfirma bestritten, so dass sich die Politik der Durchsuchung von Gütern und Personen, die der internen Verhaltensweisen der Insassen, die Verteilung der Häftlinge in Zellen und Flügel, usw. letztendlich in den Händen der Drittfirma (oder Partnerfirma) konzentriert.
Diese ‚Mikro-Zuständigkeit‘ bestimmt, das muss gesagt werden, sehr wichtige Aspekte im Leben der Gefangenen. Um noch beim Beispiel Araguaina zu bleiben, so haben sich Insassen darüber beschwert, dass sie von der Familie keine Kleidungsstücke empfangen können (und diese Aufgabe liege, so wird vorgegeben, in den Händen der Partnerfirma) und dass sie keine Hängematten haben dürfen (wobei die Anzahl Matratzen für die Häftlinge unzureichend ist). So kommt es – auβer der normalen Debatte über die Machbarkeit bzw. Zweckmäßigkeit der Übertragung einer staatlichen Aufgabe zum Zweck wirtschaftlicher Gewinnerzielung durch ein Privatunternehmen – noch zu einer weiteren Schwierigkeit. Es geht um die Problematik, dass der Staat einen Aspekt seiner exklusiven und unübertragbaren Strafgewalt an ein Privatunternehmen weitergibt. Das Privatunternehmen legt sein Augenmerk aber normalerweise auf den geschäftlichen Aspekt. Dies verstärkt die Polemik ungemein, da es ja nun nicht mehr nur um die Diskussion zwischen Staat, Wirtschaftspolitik und Privatunternehmen geht, sondern Privatpersonen mit ins Spiel kommen, d. h., die Verurteilten, die sich im Gefängnis befinden und ihre Strafe auf diese Weise verbüßen. Für die Verurteilten kann die eingeschränkte Sichtweise privatwirtschaftlicher Unternehmensführung zu einer weiteren Verstärkung der Kriminalisierung führen.
Bevor wir jedoch zur Erörterung der Widersprüchlichkeiten kommen, die das Thema der Privatisierung von Strafanstalten beinhaltet, müssen wir den Ursprung dieser Option und die Argumente kennenlernen, die von den Verteidigern einer Integration Privater in die Strafvollziehung zur Unterbauung ihrer Idee vorgebracht werden.
1. Ursprünge und opportune Argumente
In der Geschichte finden wir embryonale Formen der Privatisierung bei der Strafvollziehung – z.B. das Leasing Gefangener (in Wirklichkeit ihrer Arbeitskraft) und den Zugriff auf private Strafanstalten. Dies war jahrhundertelang üblich, insbesondere in englischsprachigen Ländern, vor allem in Großbritannien, Australien und in den Vereinigten Staaten von Amerika.[3]
Hervorzuheben sind die englischen ‚Workhouses‘ (fabrikmäßige Werkstätten), die im Laufe des 16. Jahrhunderts in die dortige Gesellschaft eingeführt wurden, anfänglich, um den Armen im Volk zu helfen – indem sie für ihre tägliche Arbeitskraft einen Wohnort und Lohn bekamen – wobei sich diese Orte jedoch allmählich in Sammelinternate für örtliche Delinquenten verwandelten, also Unerwünschte, die dort lebten, um die über sie verhängten Strafen abzutragen, und für die ein Gefängniswächter bezahlt wurde. Da zu jener Zeit kein einziges Land über wirtschaftliche Voraussetzungen verfügte, um Gefängnisse zu bauen und zu betreiben, wurde diese Aktivität zu einer Geldquelle für die damaligen Unternehmer, eine weit zurückliegende Form der Privatisierung von Strafanstalten.[4] In den Vereinigten Staaten war die Nutzung von Privatgefängnissen im 18. und 19. Jahrhundert ziemlich verbreitet, insbesondere in Südstaaten wie Texas, wo das Ausleihen bzw. Leasing von Gefangenen das gesamte Gefängnissystem betraf und in Florida, wo es üblich war, den Groβteil der Verurteilten privaten „Gefangenenlagern“ zu überlassen, die an Kohle- und Schwefelabbau-Unternehmen gebunden waren, sowie in Tennessee, einem zu den Vereinigten Staaten gehörenden Territorium, wo 1884 das Unternehmen Tennessee Coal and Iron Company die Gesamtzahl aller Gefängnisinsassen des Staates unter Leasing nahm, um sie seinen Arbeitsbedürfnissen entsprechend zu nutzen.[5]
Wie den vorausgehenden Beispielen entnommen werden kann, ist die Integration zwischen der Notwendigkeit der anzuwendenden Strafmaßnahme von Seiten des Staates und dem geschäftlichen Interesse der Privatinitiative eine Realität, oder, besser gesagt, eine der Gesellschaft seit Jahrhunderten offenstehende Möglichkeit. Im Gegensatz hierzu gilt das Interesse vorliegender Studie weniger altertümlichen und primitiven Privatisierungsideen, sondern vielmehr den in den 70-er und 80-er-Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA (wieder-)entstandenen Tendenzen, denn zu dieser Zeit fing Nordamerika an zu erkennen, welche Konsequenzen die von ihren Regierungsmitgliedern praktizierte offizielle Politik zeitigte.
Die Behandlung des Kriminalthemas von Seiten des nordamerikanischen Staates war während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch eine Neigung zu scharfen Strafen gekennzeichnet, die sich in Sachen der Delikte auf eine „Gesetz und Ordnung“ genannte Strategie stützte, eine Tendenz der Kriminalpolitik, die sich durch eine Verschärfung der Strafgesetze und der vom Richter in Strafangelegenheiten eingesetzten Maβnahmen sowie durch die unerbittliche Aktion der Polizeikräfte auszeichnete, die für die Sicherheit der Staatsbürger in der Öffentlichkeit verantwortlich waren. Diese Haltung hatte ihren Ursprung in den 60-er Jahren, als Reaktion auf politisch-soziale Strömungen gegen eine Verstärkung der Strafgewalt, die als perfekte Konfliktlösung auf Strafverschärfungen setzte.[6]
Die kriminalpolitische Haltung „Gesetz und Ordnung“ lässt erkennen, dass die Strafe durch Freiheitsentzug als eine reine Gegenleistung anzusehen sei. Sie kümmert sich nicht um eine mögliche Wiedereingliederung des Gesetzesbrechers. Sie stimuliert auch eine deutlich sichtbare Aktion der Polizei, was soziale Unstimmigkeiten betrifft. Sie wirkt wie ein Kriegsruf gegen Drogen und Drogenhändler, wodurch, im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren, in den Vereinigten Staaten eine starke Erhöhung der Häftlingszahl entstand, was wiederum zur Überbesetzung und zur Verschlechterung der Unterbringung in den bis dahin existierenden Gefängnissen führte. Es hatte sich eine Krise im Gefängnissystem dieses Landes herausgebildet. Angesichts der ständigen Verletzung der Menschenrechte der Gefangenen, musste die rechtssprechende Gewalt einschreiten – welche bis dahin eine Politik der Nichteinmischung in die Verwaltung der Strafanstalten betrieben hatte („hands off“) – und musste Änderungsmaßnahmen hinsichtlich der miserablen Bedingungen anordnen, denen die Gefangenen von Seiten des Staates ausgesetzt waren. Dies betraf insbesondere den Bau neuer Strafanstalten, die beste Art, das Problem der Überbesetzung wieder auszugleichen.[7] Die Erhöhung des Etats der zum Bau von Strafanstalten bestimmten staatlichen Gelder wurde zu einer vorrangigen Angelegenheit, denn das System befand sich in einer heiklen Situation: Die Anzahl der benötigten Freiplätze war groß und im Wachsen begriffen.
An dieser Stelle muss gesagt werden, dass der Bau einer Strafanstalt etwas sehr Kostspieliges ist. Laut Daten aus São Paulo z. B. kostete der Bau der Zentralanstalt für Untersuchungshaft Franca, die im April 2010 mit einer Kapazität zur Aufnahme von 768 Häftlingen und mit einer Ausdehnung von ca. elftausend Quadratmetern eingeweiht wurde, die Staatskasse ungefähr 29.000.000,00 Reais;[8] die Zentralanstalt für Untersuchungshaft von Riolândia, welche im November 2013 eingeweiht wurde, ebenfalls mit einem Unterbringungsvermögen von 768 Häftlingen und einer Ausdehnung von ca. elftausend Quadratmetern (das ist die von São Paulo befolgte Norm) kostete 37.092.428,67 Reais und die Strafanstalt II für Frauen in Tremembé, die im April 2011 mit einer Kapazität für 660 Häftlinge und einer Ausdehnung von ca. 19 Quadratmetern eingeweiht wurde, kostete 43.039.098,93 Reais, und dies ohne Einbeziehung der von der Regierung für die Unterhaltung der Gefängnisstruktur verauslagten Summen, also ausschließlich der monatlich von der öffentlichen Verwaltung getragenen Kosten pro Häftling. Diese Daten sind aber nicht allgemeingültig, sie variieren je nach Bundesland.
Auβer dem Kostenpunkt muss noch hervorgehoben werden, dass eine Strafanstalt ein Ort der Segregation – des Ausschlusses – von Menschen ist, die man als Delinquenten ansieht, die also gefährlich sind und (so wird angenommen) unfähig, sich den jeweiligen gesellschaftlichen Normen anzupassen, die in der Gemeinschaft gelten, der sie angehören. Sie müssen daher über die Strafe des Freiheitsentzuges wieder in die Gesellschaft zurückgeführt werden. Es ist ein Ort der Segregation aus der Gesellschaft, abgesondert wegen seines negativen Charakters, und er wird von der Bevölkerung gemeinhin nicht als Investitionsobjekt betrachtet, das Verbesserungen erfordert. Schließlich leben dort nur Menschen, die eine Straftat begingen und für die Gesellschaft ganz allgemein „unbedeutend“ sind.
Was die grundlegende Erhöhung des Etats in den USA anbetraf, die zur Behebung des Problems der Strafanstalten notwendig gewesen wäre, so war die öffentliche Meinung dagegen, was die logischste aller Lösungen außerordentlich erschwerte. So wurde die Überbelegung der Strafanstalten für die nordamerikanische Regierung ein weiteres Problem, das die Bereitstellung finanzieller Mittel forderte. Trotz alledem war die Verfügbarmachung offizieller Mittel zwecks Strafvollzugs eine schwer zu überwindende Hürde, und diese Schwierigkeit führte schließlich dazu, die Suche nach alternativen Wegen zur Überwindung des Problems zu stimulieren. In diesem Szenarium gewann die Hypothese der Privatisierung von Strafanstalten an Stärke und stand schließlich als die vielversprechendste Antwort auf das Problem der Strafanstalten in den Vereinigten Staaten im Vordergrund.[9] Die private Lösung erschien somit am Horizont der nordamerikanischen Problematik der Strafanstalten, mit dem Versprechen, den Staat bei der Sanierung des Strafvollziehungssystems, das sich in den 80-er-Jahren in einer vollständig chaotischen Situation befand, zu unterstützen.
Die ersten Unternehmen, die sich auf die frisch entdeckte Marktlücke zur Erstellung privater Gefängnisse in den Vereinigten Staaten stürzten, waren die Corrections Corporation of America (CCA) und die Wackenhut Corrections Corporation (WCC).[10] Laut Laurindo Dias Minhoto war die CCA Pionierin, als sie sich 1983 für den Kompromiss einsetzte, eine Alternative zum Bau und zur Verwaltung der Strafanstalten zu bieten und zur Problemlösung der Überbelegung der Gefängnisse beizutragen, um eine effektive Rehabilitierung der Gefängnisinsassen herbeizuführen.[11]
Heute ist es in Wirklichkeit zum Groβteil der Staat, der den Bau von Strafanstalten finanziert, nicht nur über den Nationalen Strafanstalten-Fonds, sondern auch über Mittel der jeweiligen Staaten. Ein logisches Alternativ-Modell wäre der Bau von U- und H-Bahnen. Dabei kommt das den Bau finanzierende Unternehmen eine bestimmte Zeit lang in den Genuss des betreffenden geschäftlichen Gewinnes. Bei der Verwaltung gelingt es bei den Privatisierungsmodellen, die Kosten über den Einsatz von Drittfirmen als Arbeitsvermittler zu senken. Im Prinzip kann der Kostenpunkt beim Kauf fertiger Mahlzeiten niedriger sein als wenn dieselben intern zubereitet würden, und in diesem Punkt kann es sogar eine effiziente Entscheidung sein. Doch in der brasilianischen Realität ist eine sehr häufige Erscheinung besorgniserregend: Die Übertragung der Leistungen an Drittfirmen ist prekär.
Oft wird bemerkt, dass die Drittfirmen weniger verdienen als die über offizielle Ausschreibungen eingesetzten Gefängnislieferanten. Neben dem niedrigen Gehalt erwerben sie zudem keine Pensionsberechtigung, was weitere Kosten bedeutet. Die Kostensenkung durch Übertragung auf Drittfirmen wird jedoch noch von anderen Problemen begleitet, insbesondere von der erhöhten Bereitschaft zur Korruption, wie sie bei prekären Arbeitsverhältnissen stimuliert wird.
Auf jeden Fall tragen die einer Privatisierung günstigen Argumente zum größten Teil wirtschaftlich-finanziellen Charakter. Angesichts der zahllosen Schwierigkeiten (des Wirtschafts-Etats) der Bundesländer scheint – im Fall der USA – bei der Lösung der durch die Überbelegung der Strafanstalten verursachten Infrastruktur-Probleme, insbesondere was den Bau neuer Gefängnisse betrifft – die Übertragung auf private Unternehmen eine kostengünstigere Alternative zu sein. Sie kann zu einer Senkung der Regierungskosten führen und gleichzeitig effizienter sein, da sie auf die Fähigkeit des Unternehmers setzt, der ergebnisorientiert auf Optimierung der Arbeit gerichtet ist und Verwaltungstechniken beherrscht.[12]
Nach Ansicht der Fürsprecher des die Strafanstalten betreffenden Privatisierungsgedankens könnten also die von der Regierung – der öffentlichen Behörde – geleisteten Dienste billiger und effizienter gestaltet werden, wenn sie vom privaten Sektor ausgeführt würden. Dies wäre eine machbare und interessante Alternative, nicht nur für den Staat, sondern auch für die Häftlinge, die jetzt unter miserablen hygienischen Bedingungen an ungesunden Orten gefangen bleiben. Sie hätten so die Gelegenheit, ihre Strafe auf würdigere Weise hinter sich zu bringen ohne groß zu leiden.
Obgleich diese Idee durch Nordamerika stark verbreitet wurde, ist die Privatisierung, was die Strafvollziehung in den USA betrifft, nicht die Regel, denn nur einige wenige Staaten haben sich die Privatisierung der Strafanstalten zur Vereinfachung ihrer Gefängnisprobleme zu eigen gemacht, und dies bisher nur in einem kleinen Teil der Anstalten, es ist jedoch seit der Einführung der Privatisierung eine entschiedene Ausdehnung derselben zu verzeichnen.[13]
2. Internationale Modelle und Erfahrungen
In der Geschichte der Beteiligung von Privatunternehmen im Bereich der Strafanstalten nahm das Bild, in dem sich dieses Bündnis der Welt zeitige, jeweils unterschiedliche Aspekte an: (a) sei es in der Form des totalen Privatisierungsmodells, wo das Privatunternehmen den Bau, die Verwaltung und die Leitung des Gefängnisses unternimmt und die Häftlinge direkt vom Staat erhält, oder (b) sei es in Form des Leasings der Strafanstalten, wo ein privates Unternehmen seine Mittel der Konstruktion eines Gefängnisses widmet, um es danach an den Staat zu verpachten, der bei Einsatz des eigenen Personals die Verantwortung für die Verwaltung übernimmt, oder sei es (c) durch die Privatisierung der Dienstleistungen, wo der Staat private Unternehmen zur Ausführung bestimmter Dienstleistungen unter Vertrag nimmt, wie z.B. die Bereitstellung von Verpflegung, von Kleidung, Erziehung, Unterhaltung und ärztliche Betreuung – wobei die Strafanstalt von der zuständigen Regierungsbehörde verwaltet wird und dem privaten Sektor keine grundlegenden Funktionen überträgt, wie z.B. die Sicherheit und die Leitung; oder auch (d) durch die Übernahme von Fabrikbetrieben, wie bei den Werks-Gefängnissen, wo das unternehmerische Hauptinteresse auf die Arbeit des Gefangenen gerichtet ist.[14]
Um Beispiele zu nennen: die Gefängnis-Privatisierung in Großbritannien zeichnete sich anfänglich durch eine geringere Intervention der Unternehmen in die Verwaltung der Strafanstalten aus. Aus diesem Grund war es die Privatisierung der Dienstleistungen, die bei diesem Modell vorherrschte: Es war Aufgabe der Privatinitiative, Dienste wie sie als „Hotelservice“ bekannt waren, wahrzunehmen, einschließlich, verbi gratia, der Reinigung, Verpflegung, Kleidung und Unterhaltung.[15] So waren die Dinge Anfang der 90-er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Mit der Zeit kam es jedoch zu der Tendenz, das Modell in eine totale Privatisierung umzugestalten, und zwar durch die Schaffung der Designed, Constructed, Managed and Financed Prisons (DCMF Prisons) – vom Privatsektor bestellte, erbaute, verwaltete und finanzierte Strafanstalten. Gegenwärtig existieren in Großbritannien 14 private Gefängnisse, die von Unternehmen wie G4S Justice Services, Serco Custodial Services und Sodexo Justice Services verwaltet werden. Die Laufzeit der Verträge zwischen dem Staat Großbritanniens und diesen Unternehmen lautet auf 25 Jahre. Nach Ablauf dieses Verfallszeitraumes geht das Eigentum des Gebäudes, die Strafanstalt, an die staatliche Behörde von Her Majesty’s Prison Service über.
Im Fall der USA sind die Erfahrungen ziemlich heterogen. Sie umfassen die Pacht von Strafanstalten, die gesamte Privatverwaltung solcher Strafanstalten und die Untervertragnahme bestimmter Dienstleistungen. Die Praxis unterliegt hierbei jeweils den im betreffenden Bundesland vorherrschenden Interessen.
Besonders wo es sich um eine totale Privatisierung handelt ist es interessant, hervorzuheben, dass dieses Modell im Grunde genommen in drei Segmenten Anwendung findet: (1) bei der Verwaltung der „halfwayhouses“ (Durchgangsheime), Anstalten, die für die Verurteilten reserviert sind, die sich in der Endphase ihres Strafvollzuges befinden; (2) bei für jugendliche Delinquenten bestimmten Institutionen und (3) bei Anstalten, die von illegalen Immigranten besetzt werden.[16] Auβer den obengenannten gibt es noch eine andere Möglichkeit, die der französischen Rechtsprechung entstammt und wo der Eingriff des Privatunternehmens in die Strafvollziehung einem Partnerschaftsmodell folgen muss:
In Frankreich erfolgt die Beteiligung der Privatinitiative bei der Gefängnisverwaltung über eine gemeinsame Leitung, ein „Modell der doppelten Verantwortlichkeit“, wo zwischen dem Staat und der Privatperson ein Mitbestimmungsvertrag zur Leitung und Verwaltung der Strafanstalt geschlossen wird. Dies alles in vertraglicher Form mit einer durchschnittlichen Laufzeit von zehn Jahren, wobei die freie Konkurrenz gewährleistet ist. Dem Staat obliegt die Verantwortung für die äußere Sicherheit des Gefängnisses und für die Ernennung des Generaldirektors der Anstalt. Der Privatinitiative obliegt auβer der Verantwortung für die interne Sicherheit des Gefängnisses die Organisation aller die Gefangenen betreffenden Aufgaben (Arbeit, Erziehung, Verpflegung, ärztliche und juristische Betreuung, Unterhaltung, usw.).[17]
Diese Mitbestimmungs-Modalität, ein für die Privatisierung in Frankreich typisches Modell, kann leicht mit der Privatisierungsmodalität von Dienstleistungen verwechselt werden, über die oben gesprochen wurde, denn es besteht große Ähnlichkeit zwischen beiden. In vorliegender Studie geht es jedoch um das Verständnis einer differenzierten Modalität der Privatisierung, wenn man bedenkt, dass bei der Mitbestimmung zwischen dem Staat und dem Privatbetrieb eine echte Partnerschaft bei der Verwaltung der Strafanstalt entsteht. Diese Partnerschaft hat strukturellen Charakter, während der Staat bei der Privatisierungsmodalität von Dienstleistungen auch lediglich eine einzige bestimmte Leistung vertraglich abtreten kann (wie z.B. die Verpflegung) und verwaltungsmäßig keine echte Teilung der Verantwortlichkeit besteht. Bei der Mitbestimmung ist das Privatunternehmen zusammen mit der öffentlichen Behörde für die Verwaltung des Gefängnisses verantwortlich und da es für die Leitung bestimmter Aspekte der Strafanstalt vertraglich haftet, kann es bei schlechter Erfüllung Geldstrafen und Gewinnverlusten ausgesetzt sein. Bei der Privatisierung von Dienstleistungen hingegen wird das Privatunternehmen zur Ausführung ganz bestimmter Leistungen unter Vertrag gestellt, wie z.B. die Lieferung von warmen Mahlzeiten zur Verpflegung der Gefangenen. Im ersten Fall steht die Leitung der Strafanstalt in Händen beider Agenten, also der öffentlichen Behörde und dem Privatunternehmen. Im zweiten Fall bleibt die Leitung ausschließlich in Händen des Staates, der ein Privatunternehmen vertraglich zur Ausführung der einen oder anderen spezifischen Aufgabe verpflichtet.
Es wird offensichtlich, dass der Einsatz des Privatsektors bei der Strafvollziehung keiner Homogenität gehorcht was seine typischen Charakteristika anbelangt, und dies ist zu erwarten, wenn man in Betracht zieht, dass jedes Land, in dem diese Lösung angewandt wurde, seine eigene kulturelle Prägung, seine einzigartige Weltanschauung und spezifische Staatspolitik besitzt. Es gibt hinsichtlich der dem Privatunternehmen eingeräumten Freiheiten eine Abstufung, die sich zwischen zwei grundlegenden Polen bewegt: zwischen der simplen Privatisierung der im Kontext der Strafanstalt ausgeführten Dienstleistungen und der allumfassenden Privatisierung der Gefängnisse.
3. Brasilianische Modelle der Privatverwaltung
In Brasilien wurde einer der ersten Vorschläge zur Einführung der Privatisierung in das Gefängnissystem im Januar 1992 im Conselho Nacional de Política Criminal e Penitenciária (CNPCP) (Nationaler Rat für Kriminal- und Gefängnispolitik CNPCP) gemacht. Der von dessen damaligen Mitarbeiter Edmundo Oliveira unterbreitete Vorschlag, der auf Studien von Erfahrungen beruhte, die in Strafanstalten anderer Länder gesammelt worden waren – u.a., wie bereits erwähnt, in den Vereinigten Staaten, England und Frankreich – wurde von der Brasilianischen Anwaltskammer (OAB) in den Präliminarien mittels eines zusammen mit den Richtern und Staatsanwälten erstellten Schriftstückes ausgeschlagen. Es gab also damals geteilte Ansichten über die Durchführbarkeit des Vorschlages.[18] Die OAB fand, der Vorschlag sei zur Weiterentwicklung des nationalen Gefängnissystems nicht geeignet, insbesondere wegen der Unübertragbarkeit der Funktion des Strafvollzugs, der ausschließlich dem Staat obliegt. Außerdem könne diese Lösung einer Ausnützung der Arbeitskraft der Häftlinge dienen und somit deren verfassungsmäßige Rechte verletzen. Nach Ansicht der OAB wäre dieser Fall, da verfassungswidrig, ein unbrauchbarer Vorschlag und außerdem, historisch gesehen, eine Retrozession.[19] Der CNPCP (Nationaler Rat für Kriminal- und Gefängnispolitik) nahm den Privatisierungsvorschlag schließlich nicht an, da ihm seiner Ansicht nach eine breit gefächerte nationale Debatte von Seiten verschiedener Gesellschaftssegmente vorausgehen müsse.[20]
Ein paar Jahre später – genauer gesagt am 30. November 1999 – wurde, auf Grund einer Initiative des damaligen Bundesabgeordneten Luis Barbosa (von der Partei‚ Partido Progressista – PPB/BR‘) der Gesetzesentwurf Nr. 2.146/99 unterbreitet, der bezweckte, die Exekutivgewalt gesetzlich zur Privatisierung des nationalen Gefängnissystems zu ermächtigen.[21] Dieses Projekt erlaubte es den Bundesländern, mit Privatunternehmen Konzessionsverträge zum Bau und zur Nutzung von Strafanstalten zur Vollziehung von definitiven Urteilen zu schließen. Die Bedingung war, dass diese von einem für die Logistik der Installationen verantwortlichen Verwaltungsdirektor geleitet würden, der nicht an den Öffentlichen Dienst gebunden war und über einen Dienstleistungsvertrag arbeitete. Außerdem müsste es einen zweiten, aus der Strafvollziehung stammenden Direktor geben, dem die Verantwortung für die Strafverbüßung der Häftlinge obliege und der das Landesministerium für Öffentliche Sicherheit vertreten müsse. Der Vorschlag rechtfertigte sich durch den verheerenden Zustand der brasilianischen Strafanstalten, in denen zu jener Zeit ungefähr hundertachtzigtausend Gefangene untergebracht waren (bei etwas weniger als der Hälfte verfügbarer Plätze – ein Defizit von ca. siebenundneunzigtausend Plätzen). Die Privatisierung wurde als eine mögliche Lösung betrachtet, die dem Häftling zu besseren Lebensbedingungen verhelfen könnte. Als der Vorschlag im April 2000 dem Ermessen des CNPCP (s. oben) unterbreitet wurde, wurde er von dessen Mitglied Kühne negativ beurteilt, wobei sich schließlich alle restlichen Ratsmitglieder, welche die Stellungnahme des Sachverständigen verfolgt hatten, dieser Meinung anschlossen. Nach Beurteilung von Kühne „ist bekannt, dass der die Würde des Gefangenen betreffende Aspekt einer tiefergehenden Analyse bedarf, doch die Lösung hierfür scheint uns nicht in der Privatisierung zu liegen. (…) . Wir sehen also in der grundlegenden Perspektive dieses in unseren Händen liegenden Falles keine Lösung durch den von unserem verehrten Abgeordneten unterbreiteten Vorschlag. Seine Besorgnis ist lobenswert, doch dem Projekt fehlt im Licht unseres Gesetzeswesens verfassungsmäßig und juristisch gesehen jegliche Grundlage. Letztendlich überträgt man dem Privatwesen den Gewahrsam des Gefangenen, und mit dieser Hypothese kann man nicht einig gehen. (…) scheint uns, dass der vorgeschlagene Entwurf, was das Gesetz zur Strafvollziehung anbelangt, große Einwände auf sich zieht, nicht nur verfassungsmäßig, sondern auch juristisch gesehen, weshalb er nicht Gegenstand unserer Empfehlungen sein dürfte.“[22]
Die Haltung des CNPCP blieb im Zeitraum von 1992 bis 2000 unverändert und im Falle des PL 2.146/99 Initiativgesetzentwurf war sie für die Nichtannahme durch das Abgeordnetenhaus entscheidend. Trotzdem kam es in einigen Bundesländern zur Unterzeichnung von Konzessionsverträgen, die eine Absprache zwischen den öffentlichen und den Privatsektoren bei der Nutzung von Strafanstalten beinhalteten.
a) Bundesland Paraná
Pionierin der Privatisierungserfahrungen war in Brasilien die industrielle Strafanstalt Guarapuava (PIG), in Paraná – 1999 während des Regierungsmandats von Gouverneur Jaime Lerner eingeweiht – die eine Art Gemeinschaftsverwaltung (oder Leasing) anwandte wo der Öffentlichen Verwaltung die Kontrolle und Überwachung der Strafanstalt oblag, während das vertraglich verpflichtete Unternehmen (Humanitas – Administração Prisional Privada S/C Ltda.) verantwortlich war für: die Verwaltung und interne Sicherheit der Strafanstalt, wobei ihr alle zu deren einwandfreiem Funktionieren notwendigen Dienstleistungen oblagen, also: Unterbringung, Personalwesen, Instandhaltung, Sicherheit, Verpflegung, Gesundheit, Unterhaltung, psychologischer Dienst, Erziehung und Rechtswesen.[23]
Da es sich um eine industrielle Strafanstalt handelt, gibt es in der Einheit Guarapuava noch eine Fabrik für Polstermöbel und eine weitere für Wäscheklammern und Zahnstocher, wo der Groβteil der Häftlinge arbeitet. Dies zeigt, dass die Mitverwaltung einer Privatisierung in hybridem Stil ähnelt, einer Kombination zwischen Privatisierung von Dienstleistungen und industrieller Strafanstalt (Modelle, die früher schon erwähnt wurden). Was die dort installierten Fabriken betrifft, so sind die Vorteile der Nutzung der Arbeitskraft von Gefangenen beträchtlich, da hier keine Personalkosten wie z.B. Ferien, 13. Jahresgehalt und Einbehaltung von FGTS (Sicherstellungsfonds) anfallen.
Im Bundesland Paraná erreichte das Experiment in Guarapuava einen ziemlich hohen Stellenwert, so dass es als Modell für die industrielle Strafanstalt in Cascavel, die Staatliche Strafanstalt von Foz do Iguaçu, die Staatliche Strafanstalt von Piraquara und sogar für andere Gefängnis-Institutionen in Londrina und Curitiba diente. Diese Anstalten wurden zwischen den Jahren 2000 und 2002 eingeweiht.[24] Die Verträge wurden bis zu ihrem Verfallsdatum im Jahr 2006 erfüllt, doch dann entschied sich der damalige Gouverneur des Bundeslandes Paraná, Roberto Requião, für die Nichterneuerung, so dass die Gesamtkontrolle über die obengenannten Strafanstalten an die Landesregierung zurückfiel.
b) Ceará
Auf das Beispiel von Paraná gestützt, entwickelte das Bundesland Ceará ein Projekt, das dem Modell der gemeinschaftlichen Verwaltung entsprach. So wurde kurz nach der Fabrik in Guarapuava, in Sítio Touro, einem 10 km von der Stadt Juazeiro do Norte (CE) entfernten landwirtschaftlichen Gebiet, die industrielle Regional-Strafanstalt Cariri (PIRC) für ca. 550 in Kollektivzellen untergebrachte Inhaftierte eingeweiht. Die Verwaltung dieser Anstalt wurde dem gleichen Unternehmen übertragen, das Guarapuava geleitet hatte (Humanitas, später in die Companhia Nacional de Administração Prisional = CONAP [Nationale Gefängnisverwaltungsstelle] umgewandelt). Innerhalb der Strafanstalt sind vier kleine Industriebetriebe ansässig, zu denen u.a. einer für Schmuckarbeiten und einer für die Reparatur von Wasserstandsmessern gehört.[25] Daraufhin wurden zwei weitere Anstalten im gleichen Bundesland gebaut, die industrielle Strafanstalt in Sobral und das Instituto Presídio (Gefängnis-Institut) Professor Olavo Oliveira II (IPPO II), die beide 2002 eingeweiht wurden.[26]
2005 haben die Bundesstaatsanwaltschaft und die brasilianische Anwaltskammer eine offizielle gerichtliche Zivilklage gegen das Bundesland Ceará und gegen das oben genannte Unternehmen eingebracht, das die Leitung aller privaten Strafanstalten innehatte (CONAP), mit der Begründung, dass die Strafvollstreckung und die Verwaltung der Strafanstalten typische zum Staat gehörige Aktivitäten sind und nicht der Privatinitiative übertragen werden dürfen und dass auch die Verträge fehlerhaft seien, da die öffentliche Vergabe dem Staat hohe Kosten verursacht hatte. Die Bundesjustizbehörde beschloss im Juli 2007 die Aufhebung der Verträge, so dass die Verwaltung der betreffenden Strafanstalten wieder an den Staat zurückging. 2010 jedoch nahm das TRF-5 (das 5. Bundes-Regionalgericht) eine sofortige Beschwerde an, welche aktive Unrechtmäßigkeit gegen die Brasilianische Anwaltskammer (OAB) des Bundeslandes Ceará und die Bundesstaatsanwaltschaft vorbrachte sowie Unzuständigkeit der Bundesjustizbehörde, wodurch die Angelegenheit ohne jegliche Diskussion über deren Fundierung gelöscht wurde.
c) Weitere Bundesländer
Im Laufe des 21. Jahrhunderts wurden in Brasilien weitere Privatisierungsexperimente mit Strafanstalten gemacht; es gab verschiedene Bundesländer, die auf Grund der oben beschriebenen Erfahrungen eine gemeinschaftliche Verwaltung der Strafanstalten begrüßten. Im Bundesstaat Amazonas werden der Gefängniskomplex Anísio Jobim und die Gefängnis-Einheit von Puraquequara (für Untersuchungshäftlinge) von einem Privatunternehmen verwaltet; im Bundesland Bahia gingen während des Regierungsmandats von Gouverneur Paulo Souto (DEM) von 2003 bis 2007 fünf Gefängnisse zur gemeinschaftlichen Verwaltung über: die Gefängniskomplexe von Itabuna, Juazeiro, Lauro de Freitas, Serrinha und Valença. Letzteres, in dem gleichzeitig Verurteilte und Untersuchungshäftlinge untergebracht sind, zieht besondere Aufmerksamkeit auf sich, denn es ist das erste Experiment einer Gemeinschaftsverwaltung zwischen der öffentlich zuständigen Behörde und der Privatinitiative in diesem Bundesland.[27]
Auch auf der geographischen Achse Süd-Südosten kann man Privatisierungsbeispiele finden: Das Bundesland Espírito Santo verfügt über einige gemeinschaftlich verwaltete Gefängnisse wie die Strafanstalt in Colatina und die Bezirksstrafanstalt von São Mateus, letztere wurde erst 2010 eingeweiht. Im Bundesland Santa Catarina ist die industrielle Strafanstalt Joinville (PIJ) hervorzuheben, die 2005 in Anlehnung an das Modell Guarapuava gegründet wurde und deren Verwaltung von fünf Instanzen betrieben wird, darunter die Verwaltungsfirma Laboral, die für die Unterzeichnung von Verträgen mit Unternehmen verantwortlich ist, die bereit sind, innerhalb der Strafanstalt Werkstätten einzurichten und so die Beschäftigung der Häftlinge zu garantieren.[28]
Man kann eine Tendenz feststellen, dass in Brasilien seit 14 Jahren Versuche im Gang sind, im Bereich der Strafvollziehung öffentlich zuständige Behörden und Privatunternehmen zusammenzuführen. Seit 2004 erhält diese Tendenz unter bestimmten Voraussetzungen einen gewissen gesetzlichen Rückhalt. Trotz verschiedener Experimente, von denen einige von unterschiedlichen Bundesländern (insbesondere Santa Catarina und Paraná) sogar recht positiv bewertet wurden, weil angeblich der Index an Rückfälligkeit zurückging, weil im Gefängnis das Arbeitsangebot erhöht wurde (was für die gesellschaftliche Wiedereingliederung wesentlich ist), oder auch weil die Infrastruktur besser bewertet wird als die der öffentlichen Strafanstalten, gab es immer auch großen Widerstand hinsichtlich der Einführung dieser Modalität in den Strafbereich, wobei die Brasilianische Anwaltskammer (OAB) und die Nationale Kommission für Kriminal- und Gefängnispolitik (CNPCP) sich offen gegen die Privatisierung stellten. Aus verschiedenen Gründen sind viele Forscher und Vertreter der Justiz gegen die Einführung der Privatinitiative in den Strafvollzug. Trotzdem hat der Erlass des Gesetzes Nr.11.079/2004 im Dezember jenes Jahres dem Bündnis zwischen öffentlich zuständigen Behörden und Privatunternehmern im Partnerschaftssystem endgültig die Türen geöffnet.
4. Die öffentlich-privaten Partnerschaften (PPPs) und das brasilianische Strafmodell
Zunächst muss hervorgehoben werden, dass die öffentlich-privaten Partnerschaften auf dem nationalen Szenarium nicht spezifisch mit Hinsicht auf Angelegenheiten des Strafrechtes erscheinen. In Wirklichkeit stellen die PPPs die Verbindung zwischen der Öffentlichen Verwaltung und dem Privatunternehmertum dar, dessen Ziel die Verwirklichung eines für den Staat interessanten Projektes ist, das hohe Investitionsmittel erfordert. Es ist eine interessante Lösung, da sie die Teilung von Risiken und Kosten hinsichtlich der von der Regierung zum Wohl der Gesellschaft auszuführenden Projekte erlaubt und außerdem die gleichzeitige Verwirklichung verschiedener Unternehmungen in kürzeren Zeiträumen ermöglicht.
Die PPPs sind Abmachungen, die zwischen Privatunternehmern und dem Staat zur Verwirklichung eines großen Projektes geschlossen werden. Im Groβen und Ganzen ist die Privatinitiative für den Bau, die Übergabe und die Leitung des Projektes verantwortlich, während der Staat die Verantwortung für die Rentabilität der Investition trägt. Wenn eine PPP geschlossen wird, bestimmt der Staat den Investitionsgegenstand und stellt eine Parzelle der notwendigen Mittel zur Verfügung. Diese öffentlichen Mittel werden von dem für die Unternehmung verantwortlichen Privatpartner ergänzt. Die Bezahlung des Privatpartners kann durch die Benutzungsberechtigten erfolgen, und auch von Seiten des Staates, sofern die von ersteren bezahlten Gelder nicht zur Erhaltung des Projektes ausreichen.[29]
In technischer Hinsicht führte das Gesetz 11.079/04, das die allgemeinen Normen für öffentlich-private Partnerschaften begründete, zwei neue Arten der öffentlichen Untervertragnahme ein: die behördliche Genehmigung zur Förderung (Art. 2º, § 1º) und die behördliche Genehmigung zur Verwaltung (Art. 2º, § 2º). Die zuerst genannte Modalität bezieht sich auf die Genehmigung von Dienstleistungen oder die eines öffentlichen Werkes, bei dem die Dienstbezüge des Konzessionsnehmers (Privatunternehmen) zusätzlich zu dem von den Benutzungsberechtigen zu zahlenden Tarif (die Häftlinge) eine finanzielle Gegenleistung des öffentlichen Partners (Staat) beinhalten. Nach Ansicht Gustavo Binenbojms, gründet sich die wirtschaftliche Rechtfertigung zur Institutionalisierung der PPPs bei der Modalität der behördlichen Genehmigung zu Förderungen auf:
1) die vollständige Erschöpfung der staatlichen Verschuldungskapazität, was die staatliche Investitionskraft drastisch reduziert und zur Inanspruchnahme privater Investitionen führt.
2) die Erschöpfung der finanziellen Mittel des selbsttragenden Öffentlichen Dienstes, wie im Falle der Autobahnen, wenn deren Einnahmen über Mautgebühren die Kosten der Bewirtschaftung und Instandhaltung nicht decken, was eine einfache Konzessionsvergabe ohne Gegenleistung des Staates unmöglich macht.[30] Die behördliche Genehmigung zur Verwaltung bestünde jedoch aus Dienstleistungsverträgen, wo der Öffentliche Dienst selbst direkt oder indirekt Benutzungsberechtigter wäre, auch wenn es sich um die Ausführung von Werken oder die Lieferung und Installation von Gütern handelt.
Im Übrigen ist es nach Maßgabe des PPPs-Gesetzes verboten, Verträge von einem unterhalb von zwanzig Millionen Rais liegenden Wert (Art. 2º, § 4º, Abschnitt I) oder mit einem Dienstleistungstermin unterhalb von fünf Jahren (Art. 2º, § 4º, Abschnitt II) zu schließen, oder wenn der Vertrag ausschließlich die Bereitstellung von Arbeitskraft, die Lieferung und Installation von Ausrüstungen oder die Ausführung eines öffentlichen Werkes zum Gegenstand hat (Art. 2º, § 4º, Abschnitt III). Unter den Partnerschafts-Richtlinien wird die Effizienz hinsichtlich des vom Staat angestrebten Zweckes und der Verwendung der Geldmittel hervorgehoben (Art. 4º, Abschnitt I), aber auch die hinsichtlich der Wahrung der Interessen und Rechte der Empfänger der Dienstleistung und der mit der Ausführung derselben beauftragten Privatunternehmen (Art. 4º, Abschnitt II), sowie die Unübertragbarkeit der Funktionen der juristischen Regelung, der Ausübung der Polizeigewalt und anderer ausschließlich dem Staat vorbehaltener Aktivitäten (Art. 4º, Abschnitt III).
Die Modalität eines öffentlichen Vertrages über eine öffentlich-private Partnerschaft zum Bau und zur Erhaltung von Strafanstalten unter Beteiligung von öffentlichem und privatem Kapital, welche uns bei vorliegender Untersuchung am meisten interessiert, ist die behördliche Genehmigung zur Verwaltung, wo die Bezahlung des Privatunternehmers ganz oder teilweise aus der Staatskasse stammt. Die Hypothese einer vollständig aus der Staatskasse stammenden Bezahlung wirft keine weiteren Zweifel auf, da dies die typische Lösung für Mitarbeitsverträge darstellt. Es wurden Beispiele für den Bau und die Instandhaltung von Strafanstalten gegeben. Die Privatunternehmen würden für das öffentliche Werk unter Vertrag genommen und dann, sobald es funktionsfähig ist, zur Lieferung von Dienstleistungen und Gütern zu dessen Nutzung herangezogen. Ihre Bezahlung würde voll auf Kosten der Staatskasse laufen.[31]
Wie schon früher erwähnt, war die erste, mittels eines behördlichen Genehmigungsvertrages zwecks Verwaltung (PPP) privat entstandene brasilianische Strafanstalt die Einheit I des Gefängniskomplexes in Ribeirão das Neves im Bundesstaat Minas Gerais, die am 28. Januar 2013 eingeweiht wurde. Die Regierung von Minas Gerais schloss einen Poolvertrag mit verschiedenen Firmen, um diesen Gefängniskomplex entstehen zu lassen, wobei 3.040 Plätze zum ganzheitlichen und teilweisen Freiheitsentzug auf 5 Einheiten aufgeteilt wurden. Der Privatpartner wäre für die interne Überwachung, für Dienstleistungen für die Bedürfnisse der Häftlinge, Instandhaltung und alle weiteren, die Infrastruktur betreffenden Einzelheiten verantwortlich (Technische Zeichnung des architektonischen Projektes, Ausarbeitung der Projekte zur Ausführung, zur Finanzierung und zur Konstruktion der Gebäude, usw.). Die Staatsverwaltung ihrerseits würde die Verantwortung für die externe und interne Sicherheit übernehmen und die logistische Handhabung der Insassen. Der Vertrag wurde im Juni 2009 unterzeichnet, mit einer Gültigkeitsdauer von 27 Jahren. Es vergingen vier Jahre bis zur Einweihung der ersten der fünf vorgesehenen Einheiten, und dies geschah während des Mandats von Gouverneur Aécio Neves (begeisterter PPPs-Anhänger). Die private Investition wird auf ungefähr hundertachtzig Millionen Reais geschätzt.
Sollte die Ausführung des Projektes in Minas Gerais der ganzen Vorausplanung seiner Urheber entsprechen, so werden die Gefängnisinsassen über folgende Dienstleistungen verfügen: interne ärztliche Betreuung (für leichtere Fälle), Grund- und Mittelschulausbildung, berufliches Training und Berufsschulkurse, sportliche Freizeitgestaltung und außerdem juristische und psychologische Betreuung. Die Bezüge des Privatpartners wären direkt an die verfügbaren Plätze gebunden und an die bei der Ausführung der Dienstleistungen verzeichneten Ergebnissen, d.h.: an die Zahl von Fluchten und Aufständen, an das schulische Niveau der Gefangenen, an die Anzahl arbeitender Insassen sowie an die Quantität und Qualität des Gesundheitsdienstes und der juristischen und psychologischen Betreuung.
In Übereinstimmung mit der vom Staat Minas Gerais und von dem Verwaltungsunternehmen Gestores Prisionais Associados S/A – GPA unterzeichneten behördlichen Genehmigung zur Verwaltung Nr. 336039.54.1338.09 besteht die Bezahlung des Privatpartners aus drei Teilen:
a) einer monatlichen finanziellen Gegenleistung,
b) einem jährlich zu leistenden Leistungsanteil und
c) einem monatlich anfallenden Anteil, der sich auf den Exzellenz-Parameter stützt.
All diese finanziellen Anteile werden auf Grund von zuvor vertraglich festgelegten Formeln errechnet, wobei sich der Wert des vom Privatpartner erhaltenen Betrags auf Grund von Faktoren wie die verfügbaren Freiplätze, die Belegung, das Arbeitsangebot und das Nicht-Auftreten von Problemen (wie Aufstände und Fluchten) verändern kann. In Übereinstimmung mit dem Inhalt des elek-tronischen Standortes der Regierung von Minas Gerais gewann die GPA die Ausschreibung beim Angebot des Tagesbetrages von 74,63 Reais pro verfügbar gemachtem und besetztem Freiplatz bei ganzzeitlicher Haft; der Betrag für verfügbare Freiplätze für teilzeitliche Haft wurde nicht veröffentlicht und auch nicht welche Anzahl an Freiplätzen für ganzzeitliche Haft vorgesehen sind, doch bei einer einfachen Berechnung belaufen sich die monatlichen Kosten für die Staatskasse pro ganzzeitlichem Häftling ohne Einbeziehung eventueller Änderungen aufgrund der vorgenannten Berechnungsformeln auf 2.238,90 Re-ais, wenn wir unter Beachtung der 3.040 Freiplätze, die im Moment der vollen Funktionsfähigkeit des Gefängniskomplexes geplant sind (worüber jedoch noch einige Jahre vergehen werden, da sich vier der insgesamt fünf Einheiten noch im Bau befinden), bei voller Besetzung der Plätze damit rechnen, dass wenig mehr als die Hälfte derselben für Ganzzeit-Häftlinge bestimmt ist (1.824 Plätze). Damit wird sich der Dienstbezug des Privatpartners auf rund 4.083.753,60 Reais belaufen, wobei sich die jährlichen Ausgaben alleine bei Ganzzeithäftlingen auf ca. 50 Millionen Reais belaufen. Man kann beim derzeitigen Stand der Entwicklung der PPPs in Minas Gerais nicht genau aussagen, wie hoch die dem Privatpartner geschuldeten Beträge sind. Es wäre korrekter, wenn man diese Information offiziell, direkt vom Landesministerium von Minas Gerais für Öffentliche Sicherheit erhalten würde.
Auch andere brasilianische Bundesländer haben sich für die Einführung der PPPs zum Bau und zur Instandhaltung von Strafanstalten interessiert. Im gleichen Zeitraum, als die Regierung von Minas Gerais den Vertrag über eine behördliche Genehmigung zur Gefängnisverwaltung unterzeichnete, tat das Bundesland Pernambuco desgleichen, und zwar zum Bau des Centro Integrado de Ressocializaçao [NdT: Integrationszentrum zur gesellschaftlichen Wiedereingliederung] von Itaquitinga. Das Projekt des Komplexes war für eine Kapazität von 3.126 Internen vorgesehen. Der Bau sollte zwischen 2009 und 2011 erfolgen, erlitt jedoch Verzögerungen, u.a. wegen Konkurs des Unternehmens, das dem Pool bevorstand. Auβer dem Bundesland Pernambuco manifestierten zwischen Ende des Jahres 2011 und Anfang des Jahres 2012 auch Alagoas, Ceará, Goiás e Santa Catarina durch Veröffentlichungen ihr Interesse an dem Verfahren (PMI) für Partnerschafts-Projekte zum Bau, zur Instandhaltung, zur Pflege, Führung und zur Verwaltung von Strafanstalten.
Es muss hervorgehoben werden, dass angesichts der Befürwortung öffentlich-privater Partnerschaften von Seiten so vieler Bundesländer im Oberhaus bereits ein Gesetzesentwurf läuft, der die allgemeinen Richtlinien der PPPs für Strafanstalten festlegen soll. Es handelt sich um den Gesetzesentwurf PLS Nr. 513 von 2011, der von Senator Vicentinho Alves eingebracht wurde. Es scheint, dass seine Bearbeitung im Senat schon in Kürze zu einer spezifischen gesetzlichen Regelung der Angelegenheit führen wird.
Wie den vorausgehenden Informationen und Beispielen zu entnehmen ist, haben sich die PPPs in kurzer Zeit zu einer echten Alternative bei der Lösung des problematischen Mangels an Strukturen bei der Strafvollziehung in Brasilien entwickelt. Da es sich um eine relativ neue Lösung handelt – die erste Einheit des Gefängniskomplexes in Minas Gerais wurde erst 2014 eingeweiht – wird eine konkrete Bewertung ihrer positiven und negativen Aspekte erst im Laufe der nächsten Jahre möglich sein, d.h. wenn die Regierung und die Pool-Verwalter der bereits funktionierenden Strafanstalten eine genügend große Datenbank verfügbar machen können.
III. Kritische Stellungnahmen zur privaten Intervention im Strafsystem
Das Thema der Privatisierung der Anstalten zur Strafvollziehung muss sich natürlich auch mit Kritiken auseinandersetzen. Die Dissertationen verschiedener Autoren tragen widerstreitenden Charakter, doch beiderlei Argumenten, den der Lösung günstigen wie auch den kritisch bewertenden fehlt noch eine konkrete Informationsgrundlage. Sie stützen sich nicht immer auf echte Daten, auf empirische Forschungen, welche faktisch die für eine Einführung der Privatintervention in das Strafsystem sprechenden Vorteile und/oder die demselben innewohnende Ungeeignetheit nachweisen. Bei kritischer Beurteilung werden gewöhnlich die mögliche Unvereinbarkeit mit dem geltenden Gesetzeswesen, sowie ideologische Fragen und auch bestimmte politische Haltungen eingebracht. Die Verteidiger des Privatisierungsprogramms wiederum bringen Argumente vor, die sich auf wirtschaftliche Faktoren konzentrieren: Bei der Partnerschaft mit dem Unternehmertum würden die Leistungen für die Gesellschaft effizienter und kostengünstiger ausfallen.
Ohne Gegenüberstellung der Meinungen kommt es zu keiner Debatte. Es ist unerlässlich, die dem Privatisierungsprogramm günstigen und die ihm entgegenlaufenden Argumente zu verstehen, um an diesem Diskussionsvorschlag auf guter Grundlage teilnehmen zu können. Nach Ansicht von João Marcello de Araújo Júnior existieren zum Gedanken einer Privatisierung der Strafanstalten in Brasilien Hindernisse ethischen, juristischen und politischen Charakters. Was die ethischen Hindernisse betrifft, meint dieser Autor:
„Dem ethischen Prinzip der persönlichen Freiheit entspricht verfassungsgemäß die Garantie des Rechtsanspruches auf Freiheit. Diese Garantie anerkennt im Bereich der Rechtsordnung den ethischen Anspruch auf moralische Unvertretbarkeit der Ausübung irgendeiner Art von Gewalt von Seiten eines Menschen über einen anderen, weder über einen Macht- noch über einen Gewaltanspruch. […] Daher ist der Staat weder unter dem moralischen noch unter dem juristischen Gesichtspunkt dazu bemächtigt, einer physischen oder einer juristischen Person die Macht zu der ihr übertragenen oder ihr ausschließlich angehörenden Gewalt zu übertragen, […] da dies einer Verletzung des Rechtes auf Freiheit entspricht.“[32]
Daher könne ein Privatunternehmen nicht die Aufgabe der Bestrafung ausüben, die unter einem ethischen Aspekt dem Staat vorbehalten bleibt und bei der Ausübung dieser Macht von Seiten einer Privatperson über eine andere zur Immoralität wird. Außerdem sei unter dem gleichen Gesichtspunkt die Erzielung irgendeines wirtschaftlichen aus der Arbeit der Sträflinge kommenden Vorteils von Seiten eines Unternehmens oder einer Privatperson untragbar. Nach Ansicht von João Marcello hätte sich sogar die ONU gegen eine Privatisierung gestellt, da aus ihren Minimalregeln zur Behandlung von Gefangenen aus dem Jahr 1955 in der Regel Nr. 73.1 eine Bestimmung hervorgeht, nach welcher es vorzuziehen sei, dass industrielle Gefängnisse und Gefängnis-Bauernhöfe von der zuständigen öffentlichen Behörde und nicht von privaten Vertragspartnern zu verwalten seien.[33]
Die juristischen Hindernisse entsprächen der Verfassung und dem Gesetz. Die Verfassungswidrigkeit der Privatisierung liege in der Übertragung, von Seiten des Staates, einer demselben ausschließlich zustehenden Gewalt – der Strafgewalt – und die zweite rechtliche Illegalität beziehe sich auf den gerichtlichen Aspekt der brasilianischen Strafvollziehung. Was die politischen Hindernisse angehe, so seien diese auf die Tatsache gestützt, dass die Wiege der Privatisierung in den USA stand, wo sie sich auf die Idee gründete, das Gefängnis könne die Person ‚reformieren‘, nach dem Gedanken der „Ideologie der Behandlung“, welche sich jedoch als Fiasko entpuppte. Daher bedeutet für João Marcello „die Privatisierung von Gefängnissen die Verherrlichung eines Strafanstalts-Modells, das die kriminologische Wissenschaft schon als Misserfolg entlarvt hatte und das außerdem als eine Verletzung der grundlegenden Menschenrechte zu betrachten sei“.[34]
Auβer den bereits erwähnten Hindernissen, wird scharfe Kritik an dem Versprechen geübt, diese Modalität bringe der Staatskasse wirtschaftliche Vorteile ein. Nach Aussagen von David Shapiro existieren Studien, nach denen Privatgefängnisse keinen finanziellen Gewinn erbringen; sie können keine relevanten Gewinnsummen nachweisen oder kommen den Staat häufig sogar teurer zu stehen als öffentliche Strafanstalten. Nach Angaben des Autors berichtete 2007 das Government Accountability Office (GAO) – eine dem Bundesrechnungshof ähnliche Behörde – dass das Federal Bureau of Prisons keine passenden Daten vorweisen konnte, um zu bestimmen, ob private Bundesstrafanstalten teurer oder billiger seien als die auf dem Bundesgebiet von der öffentlichen Verwaltung betriebenen. Im gleichen Jahr wies eine gezielte Analyse der Universität von Utah nach, dass keinerlei Garantie dafür besteht, dass durch die Privatisierung Kosten gesenkt würden und auch nicht dafür, dass sie die Qualität der Dienstleistungen verbessere. 2010 berichtete der Oberste Rechnungsprüfer des Staates Arizona von einer vom Arizona Department of Corrections ausgeführten Analyse, die angab, es sei kostspieliger, Häftlinge in Privatgefängnissen als in öffentlichen Anstalten unterzubringen. Schließlich brachte der Autor noch vor, dass im September 2011 ein Richter aus Florida durch einen Gerichtsentscheid das Department of Corrections daran hinderte, die Gefängnisse von 18 Bezirken zu privatisieren, und zwar weil keine Vorkehrungen zum Nachweis einer bei Einsatz dieser Maßnahme erreichten effektiven Kostensenkung getroffen worden waren.[35]
Und um nochmals zum wirtschaftlichen Argument zu kommen, so führt Augusto Thompson an, dass keinerlei stichhaltigen Beweise dafür existieren, dass das private System wirtschaftlich interessanter sei als das öffentliche; so dass die Nachteile des Staates weiterhin bestünden, mit dem Unterschied, dass der Privatsektor den Gewinn einstriche.[36]
Eine groβe Besorgnis richtet sich auch auf die Ausnützung der Arbeitskraft der Häftlinge in den privaten Strafanstalten. Es wird befürchtet, dass das für die Gefängnisverwaltung verantwortliche Unternehmen, ausschließlich motiviert durch den aus der Tätigkeit gezogenen Gewinn, der Gefängnisarbeit den Charakter einer Sklavenarbeit aufzwingen könne. Nach Ansicht von Celso Barros Leal ist dies eines der schärfsten kritischen Argumente, die in den Vereinigten Staaten geäußert werden, wo die Gefängnisinsassen „[…] gezwungen seien, für einen unbedeutenden Lohn Alles zu fabrizieren (von Schuhen und Möbeln bis zu Militärhelmen, Flugzeugteilen und Stromkreisleisten für Computer, und zwar in ‚Hunger-Werkstätten‘).“ [37]
Weitere relevante Probleme, die häufig von Gegnern der Privatisierung aufgegriffen werden, beziehen sich auf die Schwierigkeit, private Interessen (erwirtschafteter Gewinn) mit den Interessen des Staates zu vereinbaren was die Strafvollziehung betrifft. Da das Unternehmen auf Gewinn zielt, sei es nicht wirklich um die gesellschaftliche Wiedereingliederung des Häftlings bemüht und es sei nicht wirklich daran interessiert, in die Untervertragnahme und persönliche Qualifizierung seiner Angestellten Geldmittel zu investieren, was dann zu prekären Dienstleistungen führe. Es sorge sich weniger um die Qualität der Dienstleistungen als um die Kontrolle der Kosten, um eine höhere Gewinnausschüttung zu erreichen, was dann Unzulänglichkeiten bei grundlegenden Aspekten eines Gefängnisses, wie, z. B. bei der Verpflegung, Reinigung und Beleuchtung offenlegen würde. [38]
Schließlich gibt es noch einige ziemlich beunruhigende Argumente, wie das Risiko, dass eine kriminelle Organisation die Kontrolle einer Privatstrafanstalt übernehmen könnte – eine Hypothese, die zumindest als plausibel anzusehen ist – sowie auch das Risiko, dass der in Privatstrafanstalten investierende Unternehmer im Hinblick auf den zu erzielenden Gewinn, der in direktem Verhältnis zu der Besetzung der Anstalten steht, nach einer Erhöhung der Inhaftiertenzahl streben kann: Damit private Gefängnisunternehmen ihre Gewinne aufrecht erhalten können, ist es unerlässlich, dass die Anzahl der Plätze, die von ihnen verwaltet werden, voll belegt bleiben. Daher ist es nicht zu verwundern, dass man sich mit aller Kraft der Schützenhilfe von Lobbyisten bedient, damit der Staat in gröβerem Umfang zu Inhaftierungen schreitet. Den Beweisen nach scheint es unmöglich, die Gesetzgeber und andere Politiker gegen den Einfluss unternehmerischer Lobbys zu immunisieren, weshalb sich dieses Vorgehen schon auf Grund der existierenden Strafen durchsetzt. Die Unternehmen ziehen langjährige Strafen vor, besonders für nicht gewalttätige, sondern gutmütige und erstmalige Gesetzesbrecher, die billiger sind und die man als Arbeiter mit guter Produktivität leicht manipulieren kann.[39]
IV. Schlussfolgerungen
Die Einbeziehung von Privatinteressen in den Bereich des Strafrechtes, oder, besser gesagt, in die Infrastruktur der Strafvollziehung ist keine neue Idee. Wie aufgezeigt wurde, handelt es sich um eine Alternative, die über Jahrhunderte nachgewiesen werden kann, insbesondere in angelsächsischen Ländern, und dies aus unterschiedlichen Gründen.
Historisch gesehen, entstand sie in der Absicht, ganz verschiedenartigen Interessen zu entsprechen, ob es sich nun um Interessen des Staates handelte, der Privatmittel benützte, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, ob es sich um das private Interesse an der billigen Arbeitskraft der Verurteilten handelte, oder an der finanziellen Gegenleistung, welche vom Staat für die Dienstleistungen geboten werden könnte. Es kann sogar gesagt werden, dass auch der Häftling selbst ein gewisses Interesse an der Privatisierung haben könnte, sei es wegen des Arbeitsangebotes, um seine Zeit auszufüllen, sei es wegen der Bereitstellung besserer struktureller Bedingungen zur Verbüβung seiner Strafe.
Die Argumente zugunsten der Anwendung dieser Lösung bewegen sich zwischen folgendem: einer wesentlichen Kosteneinsparung von Seiten des Staates, was diesem ermöglicht, in andere grundlegende, die Entwicklung der Gesellschaft fördernde Bereiche zu investieren, wie z.B. städtische Kanalisationsanlagen, Gesundheitswesen, Schulbildung, usw.; die Überlegenheit einer privaten im Vergleich zur öffentlichen Verwaltung, nicht nur was die Infrastruktur anbelangt, sondern auch die Wahrung der Rechte und Garantien des Gefangenen, wie sie das Gesetz zur Strafdurchführung (LEP – Gesetz Nr. 7.210 von 1984), umreiβt, d.h. die materielle, schulische, juristische, soziale und religiöse Betreuung; ein umfassendes Angebot an produktiver Arbeit für interessierte Häftlinge und schlieβlich die den Privatunternehmen eigene gröβere Schnelligkeit bei der Ausführung von Verbesserungen, da dieselben nicht der bürokratischen Langsamkeit des öffentlichen Dienstes unterworfen sind. Gewöhnlich versichern die Verteidiger der Privatisierung, alle würden davon profitieren: der Staat würde die chaotische Situation seiner Strafvollziehung lösen (wo Überbesetzung der Gefängnisse herrscht und Mangel an Infrastrukturen), die Privatinitiative könne ihre Unternehmensgewinne erhöhen und der Häftling bekomme bessere Voraussetzungen, um seine Strafe in würdiger Weise zu verbüβen, bei gleichzeitiger Wahrung der Rechte, die in der spezifischen Gesetzgebung verankert sind.
Andererseits bringen die Skeptiker hinsichtlich der Idee einer Privatisierung der Strafanstalten folgendes vor: Verletzungen ethischer Natur, da der finanzielle Gewinn des Privatunternehmens aus der Arbeit von Menschen stamme, die zur Verbüßung der von ihnen begangenen Straftat im Gefängnis sitzen und dort ihr Kreuz auf sich nehmen. Auβerdem sei es eine Verfassungswidrigkeit, denn der Carta Magna gemäβ obliegt die Aufgabe, dem Verurteilten die Verbüβung seiner Strafe aufzuerlegen, ausschließlich dem Staat und ist daher unübertragbar. Auch die Kosteneinsparung von Seiten des Staates sei ein irreführendes Argument, wenn man bedenke, dass in den Ländern, wo die Privatisierung schon längere Zeit angewandt wird – insbesondere in den USA –, keinerlei gut fundierte Nachforschung existiert, die bei der Wahl der Privatisierung finanzielle Vorteile nachweisen könnte (sehr im Gegenteil, wie schon oben argumentiert wurde). Des Weiteren gilt die Kritik dem Mangel an Verantwortlichkeit des Privatsektors hinsichtlich der gesellschaftlichen Wiedereingliederung, sowie auch der Indifferenz, was die Qualität der angebotenen Güter und Dienstleistungen angeht, die auf einem rein unternehmerischen Gesichtspunkt beruhten, wo lediglich die Gewinnabsicht im Vordergrund stehe. Es komme noch die Gefahr hinzu, dass die Gefängnisse unter die Kontrolle von kriminellen Organisationen gelängen. Die Privatisierung der Strafanstalten habe sich in Ländern, wo es zu einer weiten Verbreitung derselben kam, zu einem ziemlich einträglichen Geschäft entwickelt und sogar Unternehmen bereichert, die börsengängig sind. Ein weiteres Falschargument bestehe in der Aussage, Häftlinge aus Privatstrafanstalten zeigten eine geringere Rückfälligkeit als aus dem nationalen Index hervorgeht, denn gegenwärtig existiert nicht einmal eine einzige verlässliche Angabe über die Rückfälligkeit bei Privatstrafanstalten im Allgemeinen. Es heiβt auch, die Privatisierung könne nicht etwa einen Rückgang, sondern sogar eine Erhöhung der bereits erschreckenden Anzahl Gefangener im brasilianischen Gefängnissystem verursachen, und zwar weil die Privatunternehmen hauptsächlich auf Grund der zur Verfügung gestellten und belegten Plätze bezahlt werden, wobei es auf Grund eines Interessenspiels zu einer Lobby zwecks Erhöhung der Inhaftierungszahl kommen könne. Die Privatisierung von Strafanstalten sei aufgrund von Argumenten kriminologisch-soziologischer Prägung Teil des Neoliberalismus bei der Intensivierung der auf das Elend angewandten Strafmaβnahmen (Kriminalisierung der Armen), insofern als „(…) der Mangel an sozialem Investment die Notwendigkeit eines Super-Investments in Gefängnisse verursacht, das alleine diese vom Abbau des Versorgungs-Staates herrührenden Verzerrungen auffangen kann“,[40] wobei mit Sicherheit gesagt werden kann, dass wir in Brasilien nicht den Wohlstandsstaat kennen, der in Europa und den Vereinigten Staaten herrscht, weshalb Letzteres vielleicht, wie viele andere emphatische Argumente keine auf unser Land anwendbare Kritik darstellt.
Was ganz spezifisch den Fall des brasilianischen Gefängnissystems angeht, so ist die Situation in Wahrheit völlig chaotisch, so dass Brasilien heute als eines der Länder betrachtet wird, dessen Inhaftiertenzahl in den letzten 20 Jahren am stärksten angestiegen ist (von ca. hunderttausend anfangs der Neunzigerjahre auf ca. fünfhundertfünfzigtausend bis Juni 2013, was einem Anwachsen von ca. 550% entspricht, also mehr als dem Fünffachen). Der Anstieg der Gefangenenzahl verursachte einen totalen Zusammenbruch der Struktur des Gefängnissystems, das sich schon vorher nicht durch seine Groβartigkeit auszeichnete und heute angesichts der Gesamtzahl Gefangener ein Defizit von über zweihunderttausend Plätzen ausweist. Angesichts dieser Realität muss zu irgendeiner Alternative gegriffen werden, damit die Verurteilten bei ohnehin vollkommen ungesunden Lebensverhältnissen nicht auch noch länger einer Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte ausgesetzt bleiben.
Bei diesen Zuständen darf keine einzige Lösung nur auf Grund rein ideologischer Kriterien verworfen werden. Die Analyse hinsichtlich der Zweckmäβigkeit einer Nutzung der Privatisierungsmodalität von Strafanstalten muss auf freie und verantwortliche Weise erfolgen. Dies bedeutet, den Informationen nachzugehen und eine dem brasilianischen Gesetzeswesen entsprechende Privatisierungsart ausfindig zu machen, die dem Staat, der sie bereits einführte, wirtschaftliche Einsparungen und den Verurteilten würdige Bedingungen verschafft hat.
Nach Wortlaut des gesetzten Rechtes gibt es in der brasilianischen Gesetzgebung weder in der Bundesverfassung noch im Strafvollziehungsrecht ein Verbot zum Einsatz vom Privatsektor verwalteter Strafanstalten. Sollte diese Lösung wenigstens dazu verhelfen, die Situation des nationalen Gefängnissystems zu verbessern, so sollte man für ihre Einführung stimmen. Es muss nach einem Modell gesucht werden, das für den brasilianischen Staat als ideal betrachtet werden kann und wo die Dienstleistungen aus der Nähe überprüft und die vorbestimmten Ziele eingehalten werden.
Es ist offensichtlich, dass die Lösung der Frage in Brasilien nicht nur nach der Einführung einer spezifischen Modalität verlangt. Der Privatisierung von Strafanstalten grünes Licht zu geben kann lediglich als Linderungsmittel dienen. Das Problem der Strafvollziehung in Brasilien ist viel tiefgründiger und komplizierter. Ihre Dysfunktion kann nicht einfach durch den Bau von Strafanstalten behoben werden.
Ideologisch kann man der Zustimmung zur Konfliktlösung über die Nutzung privater Beiträge beim Strafvollzug widersprechend gegenüberstehen und diese von vorne herein als eine den Staat schädigende Option verstehen. Doch sollte man trotzdem, bevor man sie effektiv als für eine Verbesserung des Strafsystems untaugliche Alternative verwirft, unbedingt die bereits auf nationaler wie auf internationaler Ebene gemachten Erfahrungen eingehend durchforschen, um festzustellen, wo und wie man zu einer harmonischen Lösung zwischen einer Kostensenkung für den Staat und guten Voraussetzungen zur Strafverbüβung von Seiten der Verurteilten gekommen ist.
Die Modalität der Privatisierung von Strafanstalten ist in Brasilien bereits eine Realität. Daher besteht die Notwendigkeit, die Ergebnisse der laufenden Experimente (PPPs) zu analysieren, was in den kommenden Jahren möglich sein wird. Sollten die privaten Strafanstalten ihre Versprechungen nicht halten, indem sie sich für die Regierung als zu kostspielig erweisen und die Rechte der Häftlinge nicht fördern, so müssen sie umgehend abgeschafft werden.
Manchmal verursacht die Bestätigung bekannter Tatsachen die Einschränkung einer Debatte, und so scheint es hier: Die Gegenpositionen malen das Schreckgespenst privater Strafanstalten an die Wand und stellen so, wie es meist geschieht, die wichtigen unterbauenden Debatten in den Schatten. Anstatt sich die unbeweisbare Maxime gröβerer verwaltungsmäßiger Effizienz und finanzieller Rationalität zu eigen zu machen, sollte man sich mit den Experimenten, mit den Prüfungsberichten des CNPCP und den staatlichen Kommissionen befassen sowie mit denen der verschiedenen Regierungs- oder anderweitigen Instanzen, die mit dem System in Verbindung stehen und so zu einer Diagnose über das Bestehen von Privatkapital beim Strafvollzug kommen. Bisher jedoch konnte keine bedeutende Besserung festgestellt werden.
[1] Zaffaroni/Batista, Direito Penal Brasileiro: primeiro volume – Teoria Geral do Direito Penal. 3. ed. Rio de Janeiro: Revan, 2006, S. 47.
[2] Gesetz zum Strafvollzug.
[3] King, A history of private prisons, in: Price/Morris (Eds.), Prison privatization: the many facets of a controversial industry – v.1. The environment of private prisons, 2012, S. 12.
[4] King, 2012, S. 12-13.
[5] Carceral/Bernard (Ed.), Prison, Inc. – A convict exposes life inside a private prison, 2006, S. 10.
[6] Batista, Introdução crítica à criminologia brasileira, 2011, S. 102.
[7] Cordeiro, Privatização do sistema prisional brasileiro, 2006, S. 96.
[8] 1 Euro entspricht ca. 3,99 brasilianischen Real.
[9] Cordeiro, 2006, S. 97-98.
[10] Nathan, Privatização da prisão: acontecimentos, temas internacionais e suas implicações para a América Latina, in: Carranza, Cárcere e justiça penal na América Latina e Caribe: como implementar o modelo de direitos e obrigações nas Nações Unidas, 2009, S. 239.
[11] Minhoto, Prisões do mercado, in: Lua Nova: Revista de Cultura e Política, CEDEC, n. 55-56, pp. 133-154, 2002a, S. 139.
[12] Minhoto, 2002a, S. 140-141.
[13] Cordeiro, 2006, S. 91.
[14] Araújo Júnior, Prisões privadas, in: Fascículo de Ciências Penais, Porto Alegre, v. 5, n. 3, pp. 161-167, jul./ago./set., 1992, S. 91.
[15] Cordeiro, 2006, S. 111.
[16] Araújo Júnior, 1995, S. 97-99.
[17] Cordeiro, 2006, S. 109.
[18] Kühne, Privatização dos presídios – algumas reflexões, Mundo Jurídico, März 2002, http://www.mundojuridico.adv.br/sis_artigos/artigos.asp?codigo=266> (abgerufen am 7.9.2013).
[19] Cordeiro, 2006, S. 113.
[20] Kühne, 2013.
[21] Cordeiro, 2006, S. 113.
[22] Kühne, 2013.
[23] Cordeiro, 2006, S. 122.
[24] Cordeiro, 2006, S. 123.
[25] Minhoto, Nota crítica à política penal de privatização de presídios, in: Revista Transdisciplinar de Ciências Penitenciárias, Pelotas, v. 1, n. 1, SS. 13-25, Jan-Dec., 2002b, S. 24.
[26] Cordeiro, 2006, S. 125.
[27] Leal, A privatização das prisões, in: Maia Neto et al (org.), Notáveis do Direito Penal: livro em homenagem ao emérito professor René Ariel Dotti, 2006, S. 110-111.
[28] Gelinski Neto/Franz, A crise carcerária e a privatização do sistema prisional, in: Encontro de Catarinense, V, 2011, Florianópolis. Crescimento e sustentabilidade. Florianópolis: UDESC/ESAG, 2011, S. 20-23. http://www.apec.unesc.net/V_EEC/sessoes_tematicas/Temas%20Especiais/> (abgerufen am 2.10.2013).
[29] Araújo, Parcerias Público-Privadas: breve panorama da Lei Federal nº 11.079 de 30/12/2004, in: Osório, SOUTO, Marcos Juruena Villela (Coord.). Direito administrativo: estudos em homenagem a Diogo Figueiredo Moreira Neto, Rio de Janeiro: Lumen Juris, 2006, S. 736-737.
[30] Binenbojm, As parcerias público-privadas e a constituição, in: Binenbojm, Temas de direito administrativo e constitucional: artigos e pareceres, 2008, S. 124.
[31] Justen Filho, Curso de direito administrativo, 5. ed., 2010, S. 786.
[32] Araújo Júnior, S. 161-162.
[33] Idem, S. 162.
[34] Idem, S. 165-166.
[35] Shapiro, Banking on bondage: private prisons and mass incarceration (Relatório). Nova Iorque: American Civil Liberties Union, 2011; https://www.aclu.org/prisoners-rights/banking-bondage-private-prisons-and-mass-incarceration (abgerufen am 2.12.2013), S. 19-20.
[36] Thompson, Privatização prisional, in: Shecaira, Estudos em homenagem a Evandro Lins e Silva: criminalista do século, 2001, S. 86.
[37] Leal, S. 118.
[38] Idem, S. 119-121.
[39] Thompson, S. 91.
[40] Wacquant, As prisões da miséria. trad. André Telles, 2001, S. 139.