von Rechtsanwältin Simone Klaffus und Rechtsanwältin Melanie Steuer
„Lex injusta non est – Ein ungerechtes Gesetz gibt es nicht“: So lautete der Titel der von „The European Law Students´ Association“ (el§a) organisierten Podiumsdiskussion zur aktuellen Thematik der Reform der Tötungsdelikte am 11.02.2016 im Zentralen Hörsaalgebäude der Georg-August-Universität Göttingen.
Bis heute ist dieses Reformprojekt eines der meist diskutierten juristischen Themen in der Öffentlichkeit. Kritikpunkte an den geltenden §§ 211 ff. StGB sind insbesondere die sprachliche Fassung, die „vom Ungeist der Nazizeit“ geprägt sei, sowie der Umstand, dass der Mordparagraf einzig die lebenslange Haft als absolute Strafe festlegt und Ausnahmen nicht vorgesehen sind. Als äußerst problematisch sehen viele Kritiker zudem das Mordmerkmal der „Heimtücke“, welches bei den sog. „Haustyrannen-Fällen“ regelmäßig den Schwerpunkt der Betrachtung bildet. Das geltende Recht benachteilige „die physisch Unterlegenen, und das sind oft Frauen“, kritisierte Justizminister Maas zum Auftakt der Beratungen der eigens hierzu eingesetzten Expertenkommission im Mai 2014. Der Bericht der Kommission liegt seit Ende Juni 2015 vor, ein erster Referentenentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung.
Vor diesem Hintergrund und aufgrund der hochkarätigen Referenten wunderte es nicht, dass die Veranstaltung auf breites Interesse in der Öffentlichkeit und unter den Studierenden stieß. Als Gäste und Referenten waren eingeladen worden Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan, frühere Vorsitzende des 2. Strafsenats des BGH und Mitglied der Expertenkommission, Prof. Dr. Wolfgang Mitsch, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht mit Jugendstrafrecht und Kriminologie der Universität Potsdam, Vorsitzender Richter am Landgericht Göttingen Tobias Jakubetz und Prof. Dr. Stefan König, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, zugleich Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen und ebenfalls Mitglied der Expertenkommission.
Die Podiumsdiskussion wurde von Prof. Dr. Gunnar Duttge, Direktor der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht an der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen, moderiert.
„Was ist Gerechtigkeit?“ „Kann es gebilligt werden, gegen den Täter, der als ‚Opfer’ den sog. ‚Haustyrannen’ tötet, eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen?“ „Ist die aktuelle Gesetzeslage, die seit dem Jahr 1941 unverändert fortbesteht, noch zeitgemäß?“
Diese Kernfragen des Moderators aufgreifend, wies Prof. Dr. Rissing-van Saan in ihrem Eingangsvortrag darauf hin, dass sowohl das RG als auch der BGH der Tätertypenlehre eine Absage erteilt haben und mehrere Reformvorschläge in den letzten Jahrzehnten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, keinen Niederschlag gefunden haben. Dies habe u. a. auch an der Höhe der zu nehmenden Hürden gelegen. Die Rechtsprechung habe es insoweit leichter, da diese das Gesetz „nur auslegen“ müsse. Sie habe im Laufe der Jahre ihren eigenen „Lösungsweg“ für die vielfach bemängelten Ungerechtigkeiten gefunden und den Anwendungsspielraum genutzt, z. B. in Form der Rechtsfolgenlösung. Über §§ 20, 21 StGB seien Strafrahmenverschiebungen durch die Gerichte vorgenommen worden, um Ungerechtigkeiten beim Vorliegen eines Mordmerkmals zu vermeiden. Für diese „Kunstgriffe“ sei der BGH vielfach kritisiert worden, teilweise, wie die Referentin meint, sogar zu Recht, da es sich bei dieser Vorgehensweise offensichtlich um Umgehungsstrategien handele. Angesichts diverser Einwände der Wissenschaft gegen die Rechtsprechung des BGH habe sich daher ein Korrekturbedarf über die Eliminierung der Worte „Mörder“ und „Totschläger“ hinaus ergeben. Aus Sicht von Prof. Dr. Rissing-van Saan erscheint zur Herstellung einer größeren Einzelfallgerechtigkeit das Regelbeispielsmodell vorzugswürdig, weil dieses einen Einschätzungs-spielraum für den Tatrichter biete, der Rechtssicherheit dienlich und auch mit Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbaren sei. Das Modell gehe von vorsätzlicher Tötung als Grundtatbestand aus, ergänzt um strafschärfende Regelbeispiele. Erforderlich sei natürlich, dass die Voraussetzungen der Regelbeispiele im Gesetz hinreichend bestimmt werden.
Dem Regelbeispielskonzept stimmt auch Jakubetz zu, der einführend seine Sichtweise aus der tatrichterlichen Praxis darstellte und eine Auflösung des starren Zusammenhangs zwischen Tatbestand und Rechtsfolge für notwendig erachtet. Die lebenslange Freiheitsstrafe solle grundsätzlich erhalten bleiben. Zur Lösung des Problems des großen Abstands zwischen der höchsten zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren und der lebenslangen Freiheitsstrafe könne erstere angehoben werden. Auch er stellt sich in diesem Zusammenhang jedoch die Fragen, wie drängend der Reformbedarf und warum Jahrzehnte nichts passiert sei. Gründe hierfür sieht Jakubetz darin, dass sich zum einen durch die Rechtsprechung eine Kasuistik entwickelt habe, mit der sich die Justiz „halbwegs wohlfühlt“, zum anderen nähmen die Totschlagsdelikte nur einen geringen Anteil an der Gesamtkriminalität ein und es gebe bereits die Möglichkeit der Strafmilderung bspw. im Rahmen des § 21 StGB oder aber einer Verkürzung der Vollstreckung gem. § 57a StGB. Zudem werde häufig neben der Strafe eine Maßregel angeordnet und bei Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Strafe oft nicht vollstreckt. Daraus folge, dass sich die praktische Relevanz einer Reform reduziere, dennoch sei – so Jakubetz – eine solche notwendig, da speziell das Mordmerkmal der „Heimtücke“ bei den „Haustyrannen-Fällen“ problematisch sei.
In Abgrenzung zu den vorgenannten Ansichten hob Rechtsanwalt Prof. Dr. König das von ihm favorisierte Privilegierungsmodell hervor, welches sich vor allem durch eine grundlegende Umgestaltung der aktuellen Rechtslage auszeichne: Es müsse von einem nicht steiger-baren Grundtatbestand der Tötung ausgegangen werden, der lediglich eine Öffnung „nach unten“ vorsehe. Damit werde Mord zum Grundtatbestand gem. § 211 StGB und der Totschlag zur Privilegierung nach § 212 StGB. Gerade dadurch, dass nach diesem Konzept die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bereits dann möglich sei, wenn eine vorsätzliche Tötung vorliege und täterbegünstigende Aspekte nicht vorhanden seien, erfahre das Rechtsgut Leben eine Aufwertung. Er wies insoweit jedoch ebenso darauf hin, dass im Rahmen des Reformprojekts nicht nur der Fokus auf das materielle Strafrecht zu legen sei, sondern auch verfahrensrechtliche Änderungen notwendig seien, wie bspw. die frühzeitige Einbeziehung eines Verteidigers ab der ersten Vernehmung des Beschuldigten und die audiovisuelle Dokumentation der Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen. Fraglich sei jedoch, ob die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft werden solle, denn das gesamte Gefüge der geregelten zeitigen Freiheitsstrafen sei damit zur Disposition gestellt, was aus Sicht des Verteidigers nicht wünschenswert sei. Dies solle eher auf der Vollstreckungsebene gelöst werden.
Letzteres wurde auch von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch goutiert, der die Flexibilisierung auf der Vollstreckungsseite ebenfalls für sachgerecht erachtet. Allerdings wäre seiner Ansicht nach bei den Reformüberlegungen der Expertenkommission mehr Einfallsreichtum bei der Ausgestaltung der Mordmerkmale wünschenswert gewesen. Mord werde gerade durch die Mordmerkmale bestimmt und bedürfe angesichts des Umstandes, dass der Allgemeine Teil des Strafrechts die starke Tendenz zur Strafbarkeitsausdehnung habe – bspw. bei der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs –, einer engen Umgrenzung. Insgesamt bewertet Prof. Dr. Mitsch den Abschlussbericht als „recht vernünftig“. Die von der Expertenkommission vorgenommenen Präzisierungen und Ergänzungen bedeuten seiner Auffassung nach bereits einen Fortschritt.
Nach den kurzen Eingangsstatements stellte Prof. Dr. Duttge noch einmal die beiden Hauptkritikpunkte, d. h. die lebenslange Freiheitsstrafe auf der Rechtsfolgen- und die Unbestimmtheit einzelner Mordmerkmale auf der Tatbestandsseite, heraus und leitete in die Podiumsdiskussion mit den Grundfragen über: „Was ist die Zielrichtung der Reform?“ „Ist insbesondere eine stärkere Gesetzesförmlichkeit durch detaillierte Regelung der Mordmerkmale überhaupt erreichbar oder sollte Unbestimmtes akzeptiert und die nötige Konkretisierung der Rechtsprechung überlassen, d. h. auf Gesetzesebene Flexibilität ermöglicht werden?“. Nach Auffassung von Prof. Dr. Rissing-van Saan bietet sich gerade mit Blick auf die vorgenannten Fragen das von ihr favorisierte Regelbeispielsmodell an, denn die Rechtsprechung handhabe ja – wie auch von Jakubetz ausgeführt – die Mordmerkmale schon längst nicht mehr wie einen starren Katalog, der unterschiedliche Wertungen der Gerichte ausschließe, sondern versuche durch einschränkende oder ausweitende Subjektivierungen und Normativierungen dem jeweiligen Einzelfall gerecht zu werden. Das Hauptproblem in der Praxis liege beim Sachverhalt, der eine vorsätzliche Tötung betreffe: Mit Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestandes sei die Rechtsfolge zwingend; beim Regelbeispielsmodell hingegen fänden sich im Gesetz lediglich beispielhaft Anwendungsfälle benannt. Wenn ein Mordmerkmal gegeben sei, komme man jedenfalls nach geltendem Recht an der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht vorbei. Diese habe generell Symbolkraft. Wenn ihr der Boden entzogen werde, stehe der Rest des Systems in Frage.
Was das etwaige Auftreten von Gerechtigkeitsproblemen anbelangt, betonte Prof. Dr. Mitsch, dass das bestehende Strafrecht insoweit in Gänze unterentwickelt sei. So fallen z. B. die Tötungsfälle von Babys regelmäßig nicht unter das Mordmerkmal „Heimtücke“. Das Strafrecht sei fragmentarisch. Vor diesem Hintergrund sei die Schaffung einiger neuer Mordmerkmale in jedem Fall erforderlich. Nur ein Leitgedanke sei wenig zielführend, stattdessen die Entwicklung mehrerer Leitideen für das gesteigerte Unrecht des § 211 StGB geboten. So erscheine beim Heimtückemerkmal eine Ausdehnung auf andere Fälle, in denen eine besondere Wehrlosigkeit des Opfers die Tötung erleichtere, sinnvoll. Insofern würde das Mordmerkmal auf bestimmte Opfergruppen wie Kranke und Gebrechliche abstellen und damit Wertungen aufgreifen, die z. B. in § 221 StGB bereits im geltenden Strafrecht Niederschlag gefunden haben. Ein weiteres Leitprinzip könne die Übermacht des Täters sein, wie bei der gefährlichen Körperverletzung i. S. des § 224 Nr. 4 StGB. Es gehe insgesamt gar nicht darum, einen abschließenden Katalog zu entwerfen, sondern vielmehr einzelne Mordmerkmale neu und umfassender zu regeln.
Jakubetz sprach sich grundsätzlich für mehr Flexibilität aus, deren Grundlage aber bestimmte Vorgaben sein müssen, denn es habe keinen Sinn, unbestimmte Tatbestände zu schaffen, um diese dann wiederum von der Justiz ausfüllen zu lassen.
Die Frage, warum die lebenslange Freiheitstrafe nicht gänzlich abgeschafft werde, veranlasste Rechtsanwalt Prof. Dr. König zu der Überlegung, dass dies zwangsläufig eine Ausweitung der Diskussion auch auf andere Tatbestände zur Folge hätte. Darüber hinaus seien die Fälle, in denen tatsächlich eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werde, gar nicht so häufig. Denn, so Jakubetz insofern weiterführend, jedes Gericht würde sich, sofern ihm nach zulässigen Kriterien die Wahl bleibe, eher für eine zeitige Freiheitsstrafe entscheiden.
Mit Blick auf die seitens des Auditoriums hernach kritisierte Erhöhung der Mindeststrafe bei beiden Modellen sprach sich Prof. Rissing-van Saan im Sinne des Regelbeispielsmodells konkret dafür aus, die Strafandrohung auf 10 Jahre anzuheben, da das Rechtsgut „Leben“ nicht zuletzt auch aus Symbolgründen herausgehoben werden müsse. Eine Androhung von lediglich 5 Jahren sei dafür zu gering. Daher sollen der Grundtatbestand auch zugleich in „Mord“ umbenannt und die einzelnen Abstufungen angemessen ausgestaltet werden. Mit der gleichen Zielrichtung erachtet Rechtsanwalt Prof. Dr. König i. S. des Privilegierungsmodells eine Mindeststrafandrohung von 8 Jahren Freiheitsstrafe als sachgerecht. Dahinter stehe die Überlegung, dass die Abgrenzung zu einem minder schweren Fall deutlich werden müsse.
„Hat das Mordmerkmal der ‚niedrigen Beweggründe’ eine Zukunft?“, so ein weiterer Einwurf aus dem Auditorium und daran unmittelbar anknüpfend die Frage des Moderators, ob nicht gerade dieses Mordmerkmal anfällig für außerrechtliche „Moralisierung“ sei. Mordmerkmale seien generell anfällig für Moralisierungen – so die Feststellung von Prof. Dr. Mitsch. Um dem entgegenzuwirken, könne die Einführung gewisser Gefährlichkeitskriterien, die an den Täter anknüpfen, zielführend sein. Wenn man insgesamt an den Mordmerkmalen festhalten wolle, müsse man deren Inhalt konkretisieren. Dies bestätigte auch Prof. Dr. Rissing-van Saan: Beispiele bzw. Motive müssen im Rahmen einer gesetzlichen Neuregelung in jedem Fall konkret benannt werden, dieses sei gerade auch das Bestreben der Expertenkommission gewesen. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Prof. Dr. König solle hingegen das Mordmerkmal der „niedrigen Beweggründe“ schon als Öffnungsklausel erhalten bleiben. Eine evtl. Strafbarkeit des „versuchten Regelbeispiels“ könne allerdings, so Prof. Dr. Rissing-van Saan auf eine entsprechende Anmerkung aus dem Publikum hin, nicht explizit geregelt werden: Dies sei Aufgabe der insoweit sachgerecht entscheidenden Rechtsprechung. Diesem beipflichtend betonte Jakubetz auch aus praktischer Sicht, dass dieser Punkt keiner gesetzlichen Regelung bedürfe.
„Wie aber lässt sich nun das ‚Haustyrannenszenario’ im Zuge einer gesetzlichen Neuregelung befriedigend lösen und muss nicht nach Maßgabe des Bestimmtheitsgebotes auf tatbestandlicher Seite sichergestellt werden, dass solche Fälle vom Mordtatbestand ausgespart bleiben?“ Nach Rechtsanwalt Prof. Dr. König werde dieses Problem bei beiden Modellen dadurch gelöst, dass die Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe „gelockert“ und den Gerichten damit ein größerer Einschätzungsspielraum im Rahmen der Strafzumessung zugestanden werde. Gemäß Prof. Dr. Mitsch müsse eine entsprechende Berücksichtigung jedoch bereits auf Tatbestandsseite erfolgen, bspw. durch Hinzufügung bestimmter Voraussetzungen, wie dies auch in § 213 StGB erfolgt sei. Prof. Dr. Rissing-van Saan zeigte sich insoweit verwundert über den Umstand, dass die „Haustyrannenfälle“ in der Öffentlichkeit und auch unter Juristen so sehr im Vordergrund stünden, obgleich doch deren praktische Relevanz unter 1% liege.
Zum Abschluss der inspirierenden Podiumsdiskussion betonten die Experten in ihren Schlussworten einhellig, dass sie sich für den weiteren Gang der Reformbestrebungen und den letztendlichen Gesetzesinhalt erhoffen, dass überhaupt Reformvorschläge umgesetzt werden. Prof. Dr. Rissing-van Saan wünschte sich zudem ein „Aufbrechen“ der bisherigen Mordmerkmale wie auch des Grundsatzes lebenslanger Freiheitsstrafe als absoluter Sanktion beim Vorliegen eines Mordmerkmals.
Inwieweit finden sich nun die vorstehenden Überlegungen in den kürzlich bekannt gewordenen Kernpunkten des Referentenentwurfs des BMJV wieder? In welchem Maße wurden dabei die Vorschläge der Expertenkommission umgesetzt? Wie zu vermuten war, soll offenkundig die bisherige Systematik der Tötungsdelikte (im Verständnis der h. L.) beibehalten werden, d. h. mit dem Totschlag als Grunddelikt und dem Mord als Qualifikation. Dabei sollen jedoch die überholten Bezeichnungen „Mörder“ bzw. „Totschläger“ entfallen, die lebenslange Freiheitsstrafe beim Mordtatbestand weiterhin den Regelfall darstellen, allerdings mit der Möglichkeit einer Strafmilderung bis hin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Im Hinblick auf den Totschlagstatbestand ist offenbar beabsichtigt, die lebenslange Freiheitsstrafe besonders schweren Fällen vorzubehalten und minder schwere Fälle in einem weiteren Absatz zu erfassen. Zudem sollen einzelne Mord-merkmale neu gefasst (wie die „Heimtücke“, die bei Verzicht auf die Arglosigkeit allein die „Ausnutzung der Wehrlosigkeit des Opfers“ beinhaltet) oder ergänzt (wie die Motivgeneralklausel, die ausdrücklich auch rassistische und fremdenfeindliche Motive einbezieht) werden.
Eine Quadratur des Kreises? Mit Blick auf die in Rechtspolitik und Literatur vorherrschenden, unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich des Reformbedarfs ist festzustellen, dass die bekannten Aspekte des Referentenentwurfs das Bemühen dokumentieren, einerseits seit langem bestehende Kritikpunkte an dem aktuellen System aufzugreifen, anderseits aber radikale Lösungen in die eine oder andere Richtung zu vermeiden. Anerkennenswert dürfte sein, dass es gelungen ist, die weitgehende Einigkeit über die Notwendigkeit einer Reform nach etlichen Plänen in der Vergangenheit nunmehr in einen Gesetzesentwurf münden zu lassen und hierbei auch Vorschläge der Expertenkommission zu berücksichtigen. Dass keine der konträren Meinungen vollumfänglich abgebildet wird, dürfte kaum anders zu erwarten gewesen sein, kann aber vor dem Hintergrund des regelmäßigen Verlaufs demokratischer Prozesse und darin implizierter Konsens-erfordernisse nicht überraschen. Mit dem Referentenentwurf ist die Reform noch längst nicht abgeschlossen, sondern der Gesetzgebungsprozess hat gerade erst begonnen. Bis zur tatsächlichen Änderung der Tötungsdelikte wird es noch einige Zeit dauern, sodass nunmehr Gelegenheit zu konstruktiver Kritik besteht.