Schnitzer: Der Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuches: Rechtspolitische Illusion oder zukünftige Rechtswirklichkeit?

von Dr. Sibylle von Coelln

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2016, Peter Lang Verlag, Frankfurt a.M. u.a., ISBN 9783653953534, S. 313, 57,90 Euro

I. Einleitung

Die hier näher untersuchte Monographie wurde im Jahr 2015 von der Universität Passau als Dissertation angenommen. Sie befasst sich mit der Idee der Einführung eines genuinen Unternehmensstrafrechts in Deutschland. Dabei stellt die Verfasserin der Schrift zunächst die historische Entwicklung der Verbandsstrafe – insbesondere in Deutschland und dessen EU-Nachbarländern – voran, setzt sich im Anschluss mit den wesentlichen Argumenten gegen ein Unternehmensstrafrecht auseinander und analysiert schließlich im Hauptteil ihrer Arbeit die materiell-rechtlichen Vorschriften des nordrhein-westfälischen Entwurfs eines Verbandsstrafgesetzbuches (im Folgenden: VerbStrG-E). Die Arbeit schließt mit einem ausgewogenen Fazit.

Das Thema der Arbeit ist hochaktuell, der konkrete Gesetzesentwurf bietet – wie der mit dem Thema vertraute Leser weiß – reichlich Diskussionsstoff. Der mit dem Thema weniger vertraute Leser ahnt es bei einem Blick in das umfangreiche Literaturverzeichnis des Buches.

II. Der rechtsgeschichtliche Teil des Werkes

Der rechtsgeschichtliche Einleitungsteil gibt in aller Kürze und zur Vorbereitung des grundlegenden Verständnisses der mit einem Verbandsstrafgesetzbuch verbundenen Fragen einen guten Überblick darüber, wie in Europa die seit dem Mittelalter in allen historischen Phasen immer wieder neu gestellte Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Verbänden beantwortet wurde. Entscheidend für die jeweilige Handhabung sei die gesamtgesellschaftliche und allgemeine juristische Entwicklung gewesen: So sei man in Zeiten, in denen die Durchsetzung der Reichsgewalt gegenüber untergeordneten Körperschaften ein wesentliches Ziel der Rechtsordnung darstellte, naturgemäß zu anderen Ergebnissen gekommen als im Zeitalter der Aufklärung, in der das Individuum im Vordergrund stand.

Mit Blick auf den Schwerpunkt der weiteren Arbeit setzt sich die Verfasserin mit zwei Entscheidungen deutscher Gerichte – einmal des Bundesverfassungsgerichts sowie einmal des Bundesverwaltungsgerichts – auseinander, die beide belegten, dass eine Strafbarkeit juristischer Personen auch in Deutschland nicht a priori ausgeschlossen sei. Der Verfasserin gelingt es mit dieser Einleitung, auch den Leser abzuholen, der sich mit dem Thema rechtsgeschichtlich noch gar nicht befasst hat.

III. Die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegner eines Unternehmensstrafrechts

Im zweiten Kapitel befasst sich die Autorin mit den gegen ein genuines Unternehmensstrafrecht als solchem vorgetragenen Argumenten – losgelöst von den im folgenden Kapitel zu behandelnden konkreten Vorschlägen zu dessen Einführung. Die hier von ihr zitierten Wissenschaftler sehen bereits das Ob eines Unternehmensstrafrechts grundsätzlich kritisch, befassen sich folglich also weniger bis gar nicht mit der Frage, wie ein solches gestaltet werden könnte oder müsste, um rechtlich zulässig zu sein.

Die Argumente, die die Verfasserin an dieser Stelle referiert, wurden und werden in der Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht immer wieder vorgetragen. Durch die Zusammenfassung erhält der Leser einen guten Eindruck von den gegen ein „echtes“ Unternehmensstrafrecht ins Feld geführten Aspekten. Genannt seien hier insbesondere die „fehlende Straffähigkeit“ von Unternehmen, die „Gefahr eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot“ sowie das Risiko der „Bestrafung Unschuldiger“. Zudem befasst sich die Autorin mit der rechtspolitisch geprägten Einschätzung, das bestehende Ordnungswidrigkeitenrecht reiche zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität aus bzw. für ein Unternehmensstrafrecht bestehe wegen der rückläufigen Wirtschaftskriminalität gar kein rechtliches Bedürfnis.

Das Fazit der Verfasser lautet an dieser Stelle: Die Einführung einer Verbandsstrafe könne zwar „nicht bedenkenlos“ erfolgen, allerdings sei es „im Hinblick auf die Häufigkeit von strafrechtlichen Modellen angemessen,“ sich einem entsprechenden Modell auch in Deutschland „nicht völlig zu verschließen“. Die Autorin gibt sich hier – insbesondere hinsichtlich der Frage der Ausgestaltung – noch bewusst offen und behält sich weitere Stellungnahmen für den Hauptteil ihrer Arbeit vor.

IV. Die Analyse des NRW-Entwurfes

Der Hauptteil ist dem Aufbau des NRW-Entwurfes zu einem Verbandsstrafgesetzbuch nachgebildet: Die Verfasserin untersucht zunächst § 1 VerbStrGE, befasst sich anschließend unter einem jeweils eigenen Gliederungspunkt mit den Folgeparagraphen des Entwurfes und schließt konsequent mit der Analyse von § 5 VerbStrGE.

In den einzelnen Abschnitten zitiert die Verfasserin – erwartungsgemäß – viele Literaturstimmen, die sich zum Zeitpunkt der Abfassung der hier näher beleuchteten Dissertation dem Thema „Verbandsstrafgesetzbuch“ gewidmet haben. Auf diese Weise erhält der Leser auch hier einen sehr guten Überblick über den zum Zeitpunkt der Bearbeitung aktuellen Stand der Diskussion. Die echte inhaltliche Analyse der Vorschriften, die eventuell durch eigene Ideen geprägt ist, gerät an einigen Stellen recht kurz. Die Rezeption der Stofffülle wird dem Leser leider zudem dadurch erschwert, dass den vielen Stellungnahmen keine eigenen Absätze oder gar eigene Gliederungspunkte gewidmet sind und dass sich viele inhaltliche, für das Verständnis bedeutsame Verweise auf hintere Teile der Arbeit finden.

Im Folgenden kann aufgrund des vorgegebenen Rahmens dieser Rezension nur auf einzelne inhaltliche Aspekte der Arbeit eingegangen werden:

1. Die Ausführungen zum Anwendungsbereich des VerbstrG-E

a) Der persönliche Anwendungsbereich

Im Zusammenhang mit § 1 VerbStrG-E diskutiert die Verfasserin, ob der Gesetzesentwurf ausweislich seines legal definierten persönlichen Anwendungsbereiches überhaupt dem Anspruch genügen könne, ein „Unternehmensstrafrecht“ einzuführen, da die Vorschrift den Unternehmensträger in den Mittelpunkt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit stelle. Nach einem Vorschlag, wie der Begriff des „Unternehmens“ in § 1 Abs. 1 VerbStrG-E zu definieren wäre, lehnt sie eine solche Änderung des aktuellen Gesetzesentwurfes jedoch unter Hinweis auf die zu erwartende größere Rechtsunsicherheit ab, die aus diesem Begriff resultieren könnte.

Im weiteren Verlauf des Kapitels untersucht die Verfasserin die Anwendbarkeit des Gesetzesentwurfs auf Vorgesellschaften, fehlerhafte Gesellschaften und Gesellschaften in Liquidation, auf juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie auf nicht rechtsfähige Vereine. Letztere sollten nach Auffassung der Autorin nicht in den Anwendungsbereich eines Verbandsstrafgesetzbuches fallen, da insbesondere „ehrenamtlich organisierte Vereine“ aufgrund „anderer Struktur nicht den gleichen Nährboden für eine kriminelle Verbandsattitüde“ böten wie große Wirtschaftsunternehmen. An dieser Stelle hätte es dem Leser geholfen zu erfahren, was genau die Verfasserin unter einer „kriminellen Verbandsattitüde“ versteht und was der „Nährboden“ einer solchen ist. Nur bei einem Verständnis dieser beiden Begriffe kann man sich inhaltlich mit der zuvor zitierten These der Verfasserin auseinandersetzen.

Zudem spricht nach Auffassung der Autorin gegen eine Einbeziehung nicht rechtsfähiger Vereine in den Anwendungsbereich eines Verbandsstrafgesetzbuches, dass ehrenamtlich organisierten Vereinen (auch angemessene?) Compliance-Maßnahmen nicht zugemutet werden könnten und dass die angedachten Strafen und Maßregeln ihnen gegenüber (offenbar unabhängig von Strafzumessungserwägungen im Einzelfall, also per se) unverhältnismäßig wären. Eine Einschränkung des Anwendungsbereiches für kleine und mittlere Unternehmen hingegen lehnt sie ab.

b) Der sachliche Anwendungsbereich

Die Untersuchung des sachlichen Anwendungsbereichs leitet die Verfasserin mit einer Analyse des Begriffs der „verbandsbezogenen Zuwiderhandlung“ ein und fragt berechtigterweise nach dessen Voraussetzungen. Zudem kritisiert sie den Generalverweis auf die Vorschriften des StGB und präferiert stattdessen aus nachvollziehbaren Gründen die Aufnahme eines Deliktskatalogs in das Verbandsstrafgesetzbuch. Die Diskussion um den Inhalt eines Deliktskatalogs wirf zwar teilweise Fragen auf (Stellt eine Religionsgemeinschaft wirklich eine „untypische Organisation“ dar? „Befasst“ sich eine solche „systematisch mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern“?). Dass ein solcher Katalog das Risiko von Regelungslücken birgt, konstatiert die Verfasserin aber zu Recht.

2. Die Untersuchung des § 2 VerbStrG-E („Verbandsstraftaten“)

a) Zur Begründung der Handlungsfähigkeit von Verbänden

Im Abschnitt B ihres Hauptkapitels befasst sich die Arbeit mit der für die strafrechtliche Zurechnung grundlegenden Frage nach der strafrechtlichen Handlungsfähigkeit von Verbänden. Die Verfasserin kritisiert eingangs, dass die Entwurfsbegründung zum VerbStrG-E sowohl mit einer vom Individuum abgeleiteten als auch mit einer eigenständigen strafrechtlichen Handlungsfähigkeit argumentiere, im Entwurf jedoch nicht eindeutig erkennbar sei, von welcher Konstruktion der vorgeschlagene Gesetzestext tatsächlich ausgehe. Diese Frage bleibt leider bis zuletzt offen.

b) Die Frage der Schuldfähigkeit von Verbänden

Die weiteren für das Verbandsstrafrecht wesentlichen Grundlagen betreffen die Schuldfähigkeit von Verbänden. Die Modelle reichen vom Schuldgrundsatz bei natürlichen Personen, über die Verbandsschuld kraft Zurechnung bis hin zur originären Verbandsschuld sowie zu den Lösungsmodellen, die „auf das Erfordernis der Schuld verzichten“. Im Entwurf werde ausweislich der Begründung von einer „originären Verbandsschuld“ ausgegangen, wobei es sich nach Auffassung der Autorin eher um eine verdeckte Zurechnung der Schuld der hinter dem Verband stehenden natürlichen Personen handelt (zugleich konstatiert sie allerdings auf S. 137 bei ihren Überlegungen zu § 2 Abs. 4 VerbStrg-E, dass aus ihrer Sicht in § 2 Abs. 1 und 2 VerbStrG-E auf das Erfordernis der Schuld zur Bestrafung gänzlich verzichtet worden sei). Die Verfasserin kommt zu dem Ergebnis, dass „eine Zurechnung des strafbaren Verhaltens in gewisser Weise durch den Gedanken der Identifikation möglich ist“, ohne dies freilich näher zu erläutern. Die Verbandsschuld könne – auch dies lässt Fragen offen – nur „unter Zuhilfenahme einer Fehlentwicklung in der Organisation konstruiert werden“.

c) Weitere Überlegungen zum Regelungsinhalt des § 2 VerbStrG

Im weiteren Verlauf der Arbeit befasst sich die Autorin mit den übrigen Themen, die der vorgeschlagene Paragraph bietet, wie etwa mit der „Zuwiderhandlung als objektive Bedingung der Strafbarkeit“ und der „verbandsbezogenen“ Zuwiderhandlung sowie mit dem Merkmal „in Wahrnehmung der Angelegenheiten“ des Verbandes, mit dem „Aufsichts- und Überwachungsverschulden“ und schließlich mit der in § 2 Abs. 4 VerbStrG-E geregelten Verhängung einer Verbandssanktion gegen den Rechtsnachfolger. Diese zuletzt genannte Regelung erachtet die Verfasserin als „aufgrund der im Strafrecht geltenden Grundsätze nicht gerechtfertigt“. Sie könne nur eingeführt werden, wenn auf das Erfordernis der Schuld zur Bestrafung verzichtet werde. Der Frage, ob bspw. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO und die Haftung des steuerlichen Nachfolgers für die Diskussion fruchtbar gemacht werde könnten, geht sie nicht nach. Der wohl einzige Unterschied zum vorgeschlagenen Modell dürfte indes darin bestehen, dass sich der Rechtsnachfolger im Steuerstrafrecht über § 153 AO von den strafrechtlichen Folgen durch die Abgabe einer steuerlichen Berichtigungserklärung befreien kann. Es hätte also – insoweit ist der Verfasserin wieder zuzustimmen – näher gelegen, z.B. eine entsprechende Befreiungsmöglichkeit auch für ein potentielles Verbandsstrafgesetzbuch zu fordern.

Die von der Verfasserin vorgeschlagene Formulierung für § 2 Abs. 4 VerbStrG-E stellt freilich dennoch einen Gewinn dar: Sie präzisiert, auf wessen Kenntnis es bei der Frage der strafrechtlichen Haftung des Rechtsnachfolgers ankommen soll. Entsprechendes gilt für ihre Überlegungen zu den Auslandstaten und das damit verbundene Risiko von Doppelbestrafungen.

3. Der Generalverweis des § 3 VerbStrG-E auf den Allgemeinen Teil des StGB

Kritisch sieht die Verfasserin den pauschalen Verweis des § 3 VerbStrG-E auf den Allgemeinen Teil des StGB. Insbesondere werde nicht deutlich, was eine „sinngemäße“ Anwendung sei. Auch hält sie die Vorschrift wegen der Formulierung „soweit sie nicht ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind“ für zumindest missglückt: Bislang unterfielen dem StGB „aufgrund des geltenden Individualstrafrechts“ ohnehin „ausschließlich natürliche Personen“.

Anschließend überprüft sie ausgewählte Vorschriften des Allgemeinen Teils auf ihre Anwendbarkeit auf Verbände. Hierbei geht sie besonders intensiv auf die Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme (§ 25 StGB), zu den Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen (§§ 32 ff. StGB) und zu den Irrtümern (§§ 16, 17 StGB), auf die Regelung des § 14 StGB sowie auf die Verjährungsvorschriften ein.

In ihrer Stellungnahme schlägt die Verfasserin die ergänzende Formulierung vor, dass eine „strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbandes […] die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Entscheidungsträgers […]“ ausschließt. Wenngleich die Zurechnung der Schuld des Individualtäters auf den Verband den nachvollziehbaren Hintergrund für diese Überlegung bietet, erscheint sie doch unter verschiedenen, vor allem unter Präventionsgesichtspunkten sehr gewagt: Denn so kann sich die eigentlich handelnde und verantwortliche Person von ihrer strafrechtlichen Haftung befreien und die Verantwortung auf den Verband (und damit auch dessen Mitglieder und Arbeitnehmer) abwälzen. Ob dies die Bereitschaft des Verantwortlichen zur Begehung von Straftaten einschränkt, darf doch bezweifelt werden.

4. Die Verbandssanktionen

Ausgehend von dem in Deutschland derzeit geltenden Sanktionssystem analysiert die Verfasserin im Anschluss die vorgeschlagenen Sanktionen, die gegen einen Verband verhängt werden können. Dabei schlägt sie konkrete Strafzumessungsregeln vor, die dem System des § 46 StGB entlehnt sind und dem Grunde nach zu begrüßen wären. Hierbei wären weitergehende Erläuterungen bzw. Definitionen wünschenswert gewesen. Bei den einzelnen Sanktionen hält die Autorin ebenfalls Nachbesserungen für erforderlich, wie etwa die Einführung eines Mindest- und eines Höchstmaßes für die Höhe eines Tagessatzes bei der Geldstrafe.

Zu Recht kritisiert sie, dass im bisherigen Gesetzesentwurf eine Definition der Begriffe „Ertragslage“ und „Gesamtumsatz“ fehlt sowie dass die in § 6 Abs. 5 VerbStrG-E vorgesehene Möglichkeit der „Schätzung der Ertragslage“ wenig praktikabel sein dürfte.

Des Weiteren untersucht sie die Auswirkungen des neben der Verbandsgeldstrafe möglicherweise angeordneten Verfalls auf einen Verband und moniert, dass sich im Entwurf keine Regelung findet, wie sich eine Sanktion nach dem VerbStrG-E zu einer Geldbuße nach §§ 30, 130 OWiG verhält. Ihrem ergänzenden Formulierungsvorschlag, dass bei der Verhängung einer Verbandsgeldstrafe die Verhängung einer Geldbuße nach § 30 OWiG ausgeschlossen ist, ist mit Nachdruck zuzustimmen.

Kritisch zu betrachten ist hingegen die erneute, noch weitergehende von der Autorin befürwortete Freizeichnung des Individualtäters: Sie schlägt die Ergänzung des bisherigen § 6 VerbStrG-E um einen Abs. 8 vor, demzufolge bei der Verhängung einer Geldstrafe ein Regress auf den Entscheidungsträger und tauglichen Täter einer verbandsbezogenen Zuwiderhandlung ausgeschlossen sein soll. Damit geht nach ihrem Konzept der „eigentliche“ Täter nicht nur straffrei aus, sondern muss auch keinen finanziellen Rückgriff des Verbandes befürchten. Die natürliche Person solchermaßen zu entlasten, kann – unabhängig davon, wie man zu der Frage des Regresses steht – nicht Sinn und Zweck der Einführung eines Unternehmensstrafrechts sein.

Im Anschluss analysiert die Verfasserin die übrigen potentiellen Rechtsfolgen für den Verband, die der Entwurf bislang vorsieht. Der mögliche Ausschluss von Subventionen und die Verbandsauflösung dürften nach ihrer Auffassung nur als Strafen normiert werden, nicht hingegen als Maßregeln. Zudem müssten für den Ausschluss von Subventionen die „Strukturen und Gewohnheiten“ im Verband „die Begehung weiterer Straftaten vermuten lassen“. Die Autorin zieht zudem aus nachvollziehbaren Erwägungen in Zweifel, dass den Strafgerichten ohne weiteres die Kompetenz für die Anordnung des Ausschlusses von Subventionen übertragen werden könne. Vielmehr müsse diese Kompetenzänderung gesetzlich geregelt werden. Für die Auflösung des Verbandes ist es nach ihrer Überzeugung schließlich erforderlich, dass „Zweck und Tätigkeit“ des Verbandes „darauf gerichtet“ sind, Straftaten zu begehen. An dieser Stelle wäre ein Beispiel für einen derart organisierten Verband sicherlich hilfreich gewesen.

Schließlich sollte, wie die Verfasserin überzeugend anmerkt, eine weitere Strafe neben der Verbandsauflösung gegen den Verband nicht verhängt werden können.

5. Zu der vorgesehenen Möglichkeit, von einer Bestrafung des Verbandes abzusehen

Die von § 5 VErbStrG-E vorgesehenen Konstellationen, in denen ein Gericht von der Verhängung einer Verbandssanktion absehen kann, befürwortet die Verfasserin dem Grunde nach. Sie konstatiert freilich zu Recht, dass es – wie bislang vom Wortlaut des Entwurfes vorgesehen – nicht sachgerecht wäre, Verbände, bei denen bereits ein Compliance-Management-System besteht, im Hinblick auf § 5 VerbStrG-E schlechter zu stellen als Verbände, die erst nach der Verbandsstraftat ein solches installieren. Auch die Erstgenannten sollten in den Genuss der Rechtsfolgen des § 5 VerbStrG-E kommen. Dies solle jedenfalls dann gelten, wenn die Aufklärung der Tat ergebe, dass es sich bei dieser nur um einen (letztlich durch kein Regelsystem zu verhindernden) Ausreißer handele, der Verband im Übrigen aber regelgerecht organisiert sei. Für den „bedeutenden Schaden“ i.S.d. § 5 Abs. 1 VerbStrG-E schlägt die Autorin eine Definition vor, um diesen unbestimmten Begriff zu konkretisieren.

Mit Blick auf § 5 Abs. 2 VerbStrG-E hebt die Verfasserin berechtigterweise hervor, dass interne Ermittlungen per se Schwierigkeiten bergen, da sie insbesondere den Mitarbeiter, der im Rahmen solcher Ermittlungen befragt wird, vor innere Konflikte stellen: Sagt er aus, belastet er sich möglicherweise selbst, wobei diese Selbstbelastung im Strafverfahren gegen ihn verwendet werden kann. Sagt er nicht (oder falsch) aus, verstößt er womöglich gegen arbeitsrechtliche (interne) Vorschiften. Der Formulierungsvorschlag der Verfasserin, mit dem sie diesem Problem abzuhelfen versucht, zielt in die richtige Richtung. Es hätte sich jedoch angeboten, auf die Voraussetzungen für eine mögliche Verweisung auf die §§ 136, 136 a (sowie § 163a Abs. 3!) StPO sowie die dort normierten Vorgaben näher einzugehen. Auf diese Vorschriften kann schließlich wegen der dort vorausgesetzten „Vernehmung“ durch einen Richter oder Staatsanwalt (bzw. Ermittlungsbeamten) ggf. nur sinngemäß Bezug genommen werden.

V. Ergebnis der Verfasserin

In Kapitel 4 schließlich präsentiert die Verfasserin unter Zusammenfassung ihrer wesentlichen Thesen das Ergebnis ihrer Arbeit: Die Einführung eines Verbandsstrafgesetzbuches sei rechtlich möglich und de facto allein in das rechtspolitische Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Der vorgelegte Entwurf müsse freilich nachgebessert werden. Damit beantwortet sie die mit dem Titel ihrer Arbeit aufgeworfene Frage dahin, dass es sich nicht um pure Illusion handelt, sondern um einen Entwurf, der rechtlich durchaus umzusetzen wäre.

VI. Fazit

In dem Buch werden, wie es der Titel verspricht, die materiell-rechtlichen Vorschriften des VerbStrG-E untersucht, bewertet und um zum größten Teil eigene Formulierungsvorschläge ergänzt. Damit werden vielfältige Anstöße für weitere Diskussionen geliefert. Die zum Thema vorhandene – jedenfalls aktuellere – Literatur hat die Verfasserin, soweit ersichtlich, vollständig erfasst und gründlich ausgewertet. Dies hat sich in vielen Fußnoten (1305) niedergeschlagen. Der Mehrwert für den Leser besteht daher auch darin, einen umfassenden Überblick über die zum jeweiligen Themenbereich vorhandene Literatur zu erhalten.

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