5. Aufl. (2017), Nomos, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-3106-0, S. 7.836, Euro 448,-.
Seit dem Erscheinen der 1. Auflage 2002/2003 hat sich der Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch als Standardkommentar etabliert und füllt nun seit 15 Jahren als „kleiner“ Großkommentar die Lücke zwischen den Kurz- und Handkommentaren sowie den umfangreicheren Großkommentaren wie Münchener und Systematischer Kommentar kompetent aus. Dabei ist auch der Nomos Kommentar vom Umfang her stets angewachsen, seit der letzten Auflage entschloss man sich zu einer Erweiterung von zwei auf drei Bände. In der nun vorliegenden 5. Auflage sind gegenüber der Vorauflage noch einmal rund 700 Seiten hinzugekommen. In der Neuauflage, die 4 Jahre lang auf sich warten ließ, konnten und mussten diverse Gesetzesänderungen berücksichtigt werden.
So hat beispielsweise das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu Änderungen und Modifizierungen der §§ 63 ff. StGB geführt, die am 1.8.2016 in Kraft getreten sind. Pollähne nennt diese Novellierung den ersten – „wenn auch halbherzig(en)“ – Versuch seit 1969, die tatbestandlichen Voraussetzungen der freiheitsentziehenden Unterbringungsanordnung einzugrenzen (§ 63 Rn. 3). Die „Verhältnismäßigkeits-Novelle“ bleibe in mehrfacher Hinsicht hinter dem Ziel zurück, die Zahl der Unterbringungsanordnungen deutlich zu reduzieren (§ 63 Rn. 49).
Ebenfalls berücksichtigt werden die bereits am 20.6.2015 in Kraft getretenen Änderungen im Terrorismusstrafrecht. Paeffgen hatte schon in der Vorauflage § 89a StGB zutreffend kritisch kommentiert und legt auch in der Neuauflage hinsichtlich des neu eingefügten § 89a Abs. 2a StGB den Finger in die Wunde zunehmender Vorfeldkriminalisierung. Zu Recht hält er jedenfalls die 2. Tatbestandsalternative des neuen Absatzes für verfassungsrechtlich unzulässig. Dem „vorgeblich tatbestandlichen Verhalten“ fehle „jegliches objektives Unrechtssubstrat“ (§ 89a Rn. 58).
Auch die nunmehr in einem selbstständigen Straftatbestand geregelte Terrorismusfinanzierung nach § 89c StGB hält Paeffgen für verfassungsrechtlich bedenklich (§ 89c Rn. 1). So sieht er in der Tatbestandsalternative des Sammelns von Vermögenswerten die Grenzen zum bloßen Gesinnungsstrafrecht als eindeutig überschritten an (§ 89c Rn. 7) und kritisiert die Streichung der Erheblichkeitsschwelle der Vermögenszuwendung (§ 89c Rn. 10).
Neu eingeführt und bereits am 10.12.2015 in Kraft getreten ist die Vorschrift des § 217 StGB zur geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Für Saliger markiert der Paragraf rechtsgeschichtlich eine bedeutende Zäsur, da die Norm den seit über 140 Jahren währenden Grundsatz der ausnahmslosen Straflosigkeit der Suizidteilnahme im deutschen Strafrecht beendet hat (§ 217 Rn. 2). Er hält die Vorschrift für verfassungswidrig (§ 217 Rn. 6) und erkennt zahlreiche Auslegungsprobleme bei der Anwendung der Vorschrift. Dennoch dürfe man nicht der Versuchung erliegen, der Auslegung kriminalpolitische Konzepte zu unterlegen, die der Gesetzgeber nicht verfolgt habe (§ 217 Rn. 8).
Dannecker/Schröder widmen sich erstmalig der Korruption im Gesundheitswesen auf gut 100 Seiten. Dies zeigt, wie dezidiert die Voraussetzungen der §§ 299a, 299b StGB beleuchtet werden. Besonders hervorzuheben ist, dass die Autoren den Weg der Gesetzgebungsgeschichte nachzeichnen und auch die Änderungen zwischen Referentenentwurf und Regierungsentwurf vom Wortlaut her nachvollziehbar machen und die unterschiedlichen kritischen Stimmen wiedergeben. Die Antikorruptionsgesetze im Gesundheitswesen werden als kriminalpolitisch zutreffende Entscheidung gewertet (§ 299a Rn. 58), allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass eine effektive und langfristig Erfolg versprechende Korruptionsbekämpfung vor allem präventiv erfolgen muss (§ 299a Rn. 64).
Kuhlen berücksichtigt die Internationalisierung und Ausdehnung der „klassischen“ Korruptionsgesetze durch das Gesetz zur Bekämpfung der internationalen Korruption. Durch die Neufassung wurde nicht nur der Europäische Amtsträger in den Wortlaut der Korruptionsdelikte mit aufgenommen, sondern der neu eingefügte § 335a StGB, der die Anwendung der Korruptionsdelikte auf ausländische und internationale Bedienstete möglich macht, gegenüber den bisherigen Regelungen im EuBestG und IntBestG erheblich erweitert. Demzufolge bezweifelt Kuhlen auch, dass § 335a StGB dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt (§ 335a Rn. 11). Hier zeigt sich einmal mehr, dass der Nomos Kommentar Raum zur kriminalpolitischen Kritik lässt und so einen wertvollen Grundstein für sich anschließende Diskussionen über Notwendigkeit und Verfassungsgemäßheit einer Vorschrift legt.
Ebenfalls neu eingearbeitet sind die grundlegenden Änderungen im Sexualstrafrecht durch das 49. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht. Das fünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung – wird insofern bedacht, als zwar die ausführlichere Kommentierung von Frommel noch die Altfassung zu § 177 StGB betrifft, aber im Anschluss die Neufassung ebenfalls kritisch kommentiert und „handwerkliche Mängel“ aufgespürt werden (§ 177 Rn. 99). Zudem werden die neu eingefügten Straftatbestände der sexuellen Belästigung (§ 184i) und der Straftaten aus Gruppen (§ 184j) einer kurzen Betrachtung unterzogen. Frommel hält gerade die letzte Vorschrift als unvereinbar mit dem Rechtsstaatsprinzip und kann sich eine verfassungskonforme Auslegung nur schwer vorstellen (§ 184j Rn. 8).
Etwas missverständlich ist die Bewerbung der Neuauflage mit dem Hinweis, es konnten insbesondere das Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung als auch die Verbesserung zum Schutz gegen Nachstellung und das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels bei der Kommentierung bereits berücksichtigt werden. Zu allen drei Komplexen findet sich ausführlich lediglich die alte Gesetzesfassung ausführlich kommentiert.
Beim Straftatbestand der Nachstellung weist der Bearbeiter Sonnen allerdings auf den aktuellen Gesetzesentwurf hin und gibt eine rechtspolitische Einschätzung ab. Der Hinweis im Vorwort des Kommentars klärt dann darüber auf, dass Gesetzesänderungen nur bis 10.10.2016 vollständig kommentiert wurden. Das Gesetz zur Verbesserung zum Schutz gegen Nachstellung ist erst am 2.3.2017 in Kraft getreten. Dem Bearbeiter ist daher kein Vorwurf zu machen. Allerdings sollte dann vom Verlag auch nicht mit einer nicht vorhandenen Kommentierung geworben werden.
Gleiches gilt für die Kommentierung der Vermögensabschöpfung, die erst am 1.7.2017 in Kraft getreten ist. Auch hier werden ausschließlich die Altvorschriften kommentiert. Allerdings enthält der Kommentar zumindest die Wortlautfassung der Neuregelungen. Zudem führt Saliger in Gesetzgebungshintergründe und –motive ein und würdigt zumindest auf einigen wenigen Seiten die Neukonzeption des materiellen Abschöpfungsrechts (Vorb. §§ 73 ff. Rn. 3c ff). Dies tut er gewohnt kritisch und weist auf die verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit einiger der nunmehr geltendes Recht gewordenen Vorschriften hin. Insoweit darf mit Spannung auf eine Neuauflage und die dann kritische Kommentierung der einzelnen Voraussetzungen der komplett neu formulierten Vorschriften zur Vermögensabschöpfung gewartet werden.
Zumindest eine Kurzkommentierung findet sich hinsichtlich der Neuregelungen im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels. Die Neufassungen der Paragrafen werden als Vorbemerkungen zu §§ 232-233b StGB der ausführlichen Kommentierung der Altfassung vorangestellt und in 8 Randnummern von Böse knapp und kritisch besprochen.
In der Werbung wird zudem auf die Berücksichtigung der Gesetzesentwürfe zum Fahrverbot als allgemeine Sanktion und zur Majestätsbeleidigung hingewiesen. So findet sich beispielsweise eine ausführliche Stellungnahme von Kargl zur geplanten Streichung des § 103 StGB (Vorb. §§ 102 ff. Rn. 9 ff.).
Nicht mehr berücksichtigen konnte der Kommentar beispielsweise die neuen Straftatbestände zum Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§§ 265c ff. StGB), die Modifizierungen der §§ 113 ff. StGB und § 323c StGB durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften, die Ausweitungen des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern, die neuen Vorschriften und Modifizierungen durch das Strafrechtsänderungsgesetz zur Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr und die Verschärfungen durch das Fünfundfünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungseinbruchdiebstahl. Der deutsche Gesetzgeber war in der letzten Legislaturperiode äußerst produktiv und irgendwann sind der Bearbeitung eines Kommentars durch den Redaktionsschluss Grenzen gesetzt. Insoweit kann eine Kommentierung nicht alle gesetzgeberischen Aktivitäten berücksichtigen – weil sie sonst nie erscheinen würde. Um Änderungen zu berücksichtigen, gibt es Neuauflagen und so kann man schon jetzt gespannt sein auf die 6. Auflage, die die zuvor genannten und weitere zukünftige Änderungen im Strafgesetzbuch kritisch beleuchtet.
Neben dem kritischen Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen überzeugt die aktuelle Auflage auch hinsichtlich kriminologischer Erwägungen und der Darstellung kriminalpolitischer Hintergründe.
Als Standardkommentar für die Praxis und Wissenschaft bietet der Nomos Kommentar eine vertiefende Darstellung der diversen Probleme des materiellen Strafrechts und überzeugt vor allem durch die Fülle an weiterführender Literatur und die kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsmaterie. Die Gründlichkeit ist es, die den Nomos Kommentar auszeichnet und ihn zum nützlichen, wichtigen Handwerkszeug jedes Strafjuristen macht