Abstract
Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung haben sich im vorherigen Jahrhundert intensiv mit der Behandlung des Sachverhaltsirrtums bezüglich eines Rechtfertigungsgrundes beschäftigt. Der Gesetzgeber hat (bewusst) davon abgesehen, die Rechtsnatur eines solchen Irrtums festzulegen. Der Beitrag geht der Frage nach, ob die bisherigen Lösungsvorschläge geeignet sind, den technologischen Fortschritt angemessen zu berücksichtigen.
I. Einleitung
Was in der theoretischen Physik oder der Philosophie das Gedankenexperiment[1] ist, bedeutet für die Rechtswissenschaft der theoretische Fall. Die (Straf-)Rechtswissenschaft kann der Praxis dadurch einen Schritt voraus sein, damit die Probleme aufgezeigt und die möglichen Lösungen diskutiert sind, bevor der Sachverhalt tatsächlich einer Lösung bedarf.[2] Die Gesetzgebung wird hierdurch in die Lage versetzt, die Notwendigkeit von Änderungen der bestehenden Vorschriften oder der Schaffung von neuen Vorschriften zu erkennen. Die Rechtsprechung kann auf Argumente und Begründungen zurückgreifen. Die folgenden Ausführungen betreffen die Frage nach der Behandlung einer irrtümlich angenommenen rechtfertigenden Situation (sog. Erlaubnistatbestandsirrtum bzw. Erlaubnistatumstandsirrtum) unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts auf dem Gebiet der Robotik.[3
II. Ausgangslage
Die Ausgangslage soll an einem Beispielsfall, wie er sich ähnlich in vielen Lehrbüchern findet[4], erläutert werden:
T geht abends bei leichtem Nieselregen spazieren. Der kräftig gebaute S nähert sich T von hinten. Als T einen kurzen Blick über die Schulter wirft, sieht er, wie S vermeintlich einen Stock erhebt, um ihn zu schlagen. T dreht sich schnell um und schlägt S schmerzhaft mit der Faust ins Gesicht, um den von ihm erwarteten Schlag mit dem Stock abzuwenden. Tatsächlich hat S nur seinen Schirm aufspannen wollen. S wurde verletzt. T hätte den Irrtum vermeiden können.
Die derzeit am häufigsten vertretene Auffassung[5] löst den Fall wie folgt. Nach Bejahung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmäßigkeit der Körperverletzung (§ 223 StGB), wird auch die Rechtswidrigkeit bejaht. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass für einen Angriff i.S.d. § 32 StGB entscheidend ist, ob aus einer Perspektive ex post das menschliche Verhalten ein rechtlich geschütztes Individualinteresse bedroht oder verletzt[6] (für den Gefahrenbegriff des § 34 StGB und der – hier noch nicht relevanten – §§ 228, 904 BGBist die Beurteilungsperspektive umstritten[7]), da der Ausgleich des Handlungsunrechts nicht über den bloßen Willen des Täters zu einem aus seiner Sicht rechtmäßigen Verhalten erfolgen kann.[8] Im Anschluss wird unter dem Aspekt „hypothetische Rechtfertigung“ bei Berücksichtigung der Fehlvorstellung über das tatsächliche Geschehen[9] die Frage aufgeworfen (und bejaht), ob T – trotz der Vermeidbarkeit seiner Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage – nicht wegen vorsätzlicher Körperverletzung, sondern wegen fährlässiger Körperverletzung bestraft werden sollte. Die dieses Ergebnis befürwortende Ansicht[10] soll durch die folgenden Argumente gestützt werden: Erstens wäre es unbillig, einen Täter, der sich die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds vorstellt und bei ihrem Vorliegen rechtstreu handeln würde, allein wegen seines Irrtums hinsichtlich der Bewertung der Tatsituation wegen eines vorsätzlichen Delikts zu bestrafen.[11] Zweitens sei auch zu berücksichtigen, dass der Täter durch die rechtliche Fehlwertung den Tatbestand nicht zu seinen Gunsten ausdehne und deshalb gar nicht von der Appellfunktion des Tatbestandes erreicht werde.[12] Drittens stehe der Erlaubnistatbestandsirrtum von seiner Struktur dem Tatbestandsirrtum des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB näher, sodass die Anwendung des § 17 StGB (und damit die Bestrafung wegen vorsätzlich begangener Tat) nicht angemessen erscheine.[13] Die Bestrafung nur wegen des fahrlässig begangenen Delikts wird deshalb – wenn der Täter den Irrtum hätte vermeiden können – häufig als ausreichend angesehen.[14] Das Ergebnis verliert auch nicht im Fall einer hypothetisch gerechtfertigten Tötung an Überzeugungskraft, sondern erscheint noch viel mehr als das rechtliche gebotene Ergebnis. Die fahrlässige Tötung wird mit Geldstrafe oder Freiheitstrafe bis fünf Jahren bestraft. Die fehlerhafte Einschätzung des Täters hinsichtlich des Sachverhalts kann in diesem Rahmen tat- und schuldangemessen bestraft werden, ein Rückgriff auf den Strafrahmen des § 212 StGB erscheint insoweit unangemessen hart[15], da dieser selbst bei Berücksichtigung der Milderung (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB) zu einer Mindeststrafe von zwei Jahren führt.
Seitens des Gesetzgebers wurde „die Entscheidung, ob es sich bei dem Irrtum über Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen um einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum oder um einen Irrtum eigener Art handelt, […] der Rechtsprechung und Rechtslehre überlassen“[16]. Trotz einiger Gegenstimmen[17] scheint die Lösung – über die Verneinung der Bestrafung aus dem vorsätzlichen Delikt – gefunden und der Gesetzgeber lag mit seiner Einschätzung richtig, die Lösung anderen überlassen zu können. Zur Überprüfung dieses Lösungsweges wird nun der technologische Fortschritt einbezogen.
III. Roboter und Androiden ersetzen (oder ergänzen) den Menschen
Roboter werden in der Industrie schon lange eingesetzt.[18] Über Verwendungsmöglichkeiten von autonomen[19] Robotern[20] und Androiden[21] wird schon jetzt nachgedacht und es werden verschiedene Konzepte diskutiert und erprobt.[22] Die Frage der rechtlichen Behandlung spezifischer Probleme im Zusammenhang mit Robotern (im weiten Sinne) und künstlichen Intelligenzen findet bereits statt.[23]
Wandelt man nun den Ausgangsfall etwas ab, wird sich zeigen, ob die bislang vermeintlich überzeugende Lösung Bestand haben kann. Ersetzt man das Opfer S – also den Menschen – im Ausgangsfall durch einen Roboter bzw. Androiden, stellen sich die Fragen, ob eine Verneinung der Strafbarkeit aus dem vorsätzlichen Delikt noch in Betracht kommt und ob das Ergebnis noch überzeugen kann.
1. Roboter übernehmen Teile der Arbeitswelt
Der Begriff Roboter[24] meint (hier[25]) eine autonome[26], mobile Maschine[27].
T geht abends spazieren. Ihm kommt der Roboter R entgegen. R wird von einem Lieferdienst eingesetzt. Letzterer ist dafür bekannt, die Wartungsroutinen zu vernachlässigen, da hierdurch Kosten beim Betrieb eingespart werden sollen. Deswegen ist es in der Vergangenheit bereits zu Fehlfunktionen gekommen. T bemerkt den Roboter, als dieser direkt auf ihn zukommt. T geht davon aus, dass der Roboter entgegen seiner Programmierung handelt und das „erste Robotgesetz“[28] und ihn verletzen wird. Die einzige Möglichkeit für T der Gefahr zu entgehen, ist den Roboter zu rammen und so zu Fall zu bringen. T handelt dementsprechend. Wie beabsichtigt wird der Roboter schwer beschädigt. Die Reparatur kostet mehrere zehntausend Zahlungseinheiten. Tatsächlich bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für T, was dieser auch hätte erkennen können.
Nun ergibt sich bei Anwendung der Theorien, die die Bestrafung wegen des vorsätzlichen Delikts ablehnen (unabhängig von der exakten Konzeption[29]), eine bedeutende Änderung. Beim Roboter handelt es sich um eine Maschine, somit eine Sache i.S.d. § 303 StGB. Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung scheitert am Irrtum des T. Er hat sich eine Sachlage vorgestellt, bei der er gemäß § 228 BGB[30] gerechtfertigt wäre. Eine fahrlässige Begehung der Sachbeschädigung ist nicht strafbar.[31] Das Ergebnis der Straflosigkeit könnte mit der Anwendung der strengen Schuldtheorie vermieden werden. Die strenge Schuldtheorie behandelt den Irrtum über die tatsächliche rechtfertigende Lage als Irrtum nach § 17 StGB.[32] Im Fall der Vermeidbarkeit des Irrtums bleibt es daher bei der Anwendung des vorsätzlichen Deliktes.[33] Die Strafe des Täters kann gemäß der §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert werden. Im Fall einer Sachbeschädigung (§ 303 StGB) kommt man dann zu einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr und 6 Monaten (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 39 StGB) oder Geldstrafe.
2. Androiden interagieren in der Welt der Menschen
Als Androide wird ein mechanisches Wesen bezeichnet, das ein menschliches Aussehen hat und sich wie ein Mensch verhalten kann.[34]
T geht abends spazieren. Auf einer schmalen Fußgängerbrücke kommt ihm der Androide A entgegen. T hält diesen für einen Menschen. Aufgrund des leicht unheimlichen Gesichtsausdruckes[35] geht T davon aus, dass A ihn töten will. Tatsächlich wollte ihn der Androide A nur grüßen. T hat keine andere Möglichkeit, als dem Angriff durch einen Stoß des A über das Brückengeländer zu begegnen. T stößt A von der Brücke. Er nimmt dabei den Tod des vermeintlichen Menschen A billigend in Kauf. Den Irrtum hätte T vermeiden können.
Beim Androiden A handelt es sich nicht um einen Menschen, daher kommt nur ein versuchter Totschlag (§§ 212, 22, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB) in Betracht. Diese scheitert jedoch bei Anwendung der Theorien, die eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Tat aufgrund des Erlaubnistatbestandsirrtums ablehnen. Eine Bestrafung wegen der Vermeidbarkeit des Irrtums scheitert wiederum an der Nichtstrafbarkeit einer fahrlässigen Sachbeschädigung. Die strenge Schuldtheorie kommt hingegen wegen der Vermeidbarkeit des Irrtums zu einer Bestrafung des T wegen versuchten Totschlags.
III. Die Zukunft – Strenge Schuldtheorie als herrschende Meinung?
Die eingeschränkten Schuldtheorien sind nicht in der Lage alle Fallgestaltungen angemessen zu erfassen.[36] Im Fall eines vermeidbaren Erlaubnistatbestandsirrtums bei der Sachbeschädigung (und anderen Delikten ohne Tatbestand der fahrlässigen Begehung [z.B. § 239 StGB]) überzeugt das Ergebnis nicht vollständig.[37] Die strenge Schuldtheorie ist in der Lage, dem Normbefehl bei vorsätzlicher Begehung über die Tatbestandsmäßigkeit hinaus Geltung zu verschaffen, indem der potentielle Täter zu sorgfältiger Prüfung angehalten wird, ob eine rechtfertigende Lage auch rein tatsächlich besteht.[38] Für die strenge Schuldtheorie spreche, dass die für eine Analogie notwendige Regelungslücke infolge der Existenz des § 17 StGB nicht bestehe.[39] Das vorsätzliche Unrecht werde bei einem vermeidbaren Irrtum nicht zu einem fahrlässigen Unrecht transformiert.[40] Ein „an sich rechtstreues Verhalten“ liege bei einem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht für das eigene Verhalten nicht vor.[41] Ein Einwand gegen die Anwendung der strengen Schuldtheorie hat im Bereich der Tötung eines Menschen aufgrund der Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage jedoch weiterhin Bestand. Die Bestrafung wegen nicht sorgfältiger Prüfung der Rechtfertigungssituation als Totschlag (§ 212 StGB) mit einer Mindestfreiheitstrafe von fünf Jahren (zwei Jahre im Fall der Milderung über § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB) erscheint nämlich zu hart.[42] Bei der irrigen Annahme einen Menschen statt eines Androiden vor sich zu haben, können deshalb im Rahmen des Erlaubnistatbestandsirrtums beide Ergebnisse nicht überzeugen; weder die Straflosigkeit noch die Bestrafung wegen versuchten Totschlags erfassen das Geschehen in einem (auch für die Allgemeinheit[43]) nachvollziehbaren Rahmen. Können jedoch alle Theorien die möglichen Fälle nicht überzeugend lösen, muss ein anderer Lösungsweg gefunden werden. Die Rechtswissenschaft bemüht sich seit Jahrzehnten[44] um die Klärung des Problems, ohne eine vollständig zufriedenstellende Lösung anbieten zu können. Mit den §§ 16 und 17 StGB stellt der Gesetzgeber keine Normen zur Verfügung, die das Problem des Erlaubnistatbestandsirrtums als Irrtum besonderer Art vollständig erfassen können. Aus diesem Grund ist das bestehende Gesetz zu ändern.[45] Ob dies mittels einer Ergänzung der Vorschriften[46] über die Rechtfertigungsgründe in Anlehnung an § 35 Abs. 2 StGB, über eine Orientierung an § 323a StGB[47], über eine Klarstellung in § 16 StGB[48] oder über eine Ergänzung des § 17 StGB[49] erfolgt, ist der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen[50]. Die Rechtswissenschaft sollte zur Erhellung des überzeugenderen Weges (sowohl dogmatisch als auch rechtspraktisch) beitragen und den Streit um die Anwendung des § 16 StGB oder des § 17 StGB ruhen lassen.
IV. Fazit
Mag die Einbeziehung von Androiden in Lehrbuchfälle und Gerichtsentscheidungen noch nicht unmittelbar notwendig erscheinen, so wird die technische Entwicklung[51] diese Notwendigkeit belegen. Die derzeitige gesetzliche Lage kann weder die Fälle des Erlaubnistatbestandsirrtums bei fehlerhafter Annahme einer Gefahr, die von einer Sache ausgeht (z.B. Roboter) noch die irrige Annahme bei der Sache handle es sich zudem um einen Menschen (Stichwort Androide) überzeugend lösen. Aus diesem Grund ist die strenge Schuldtheorie vorzugswürdig. Nicht weil sie insgesamt die überzeugenderen Ergebnisse zulässt, sondern weil sie den Handlungsbedarf des Gesetzgebers eindrücklich bewusst macht. Die Aussicht einen Beschuldigten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren[52] zu verurteilen, dessen strafwürdiges Fehlverhalten allein in der sorgfaltswidrigen Annahme eines Angriffs durch das spätere Opfer liegt, ist eher geeignet den Gesetzgeber zu einem Handeln anzuhalten, als der Hinweis auf ein Missverhältnis in einem Zukunftsszenario.[53]
[1] Ein Gedankenexperiment ist die Vorstellung einer Situation, die sich nicht oder nur sehr schwer bilden lässt, um daraus Folgerungen für die Annahme bzw. Nichtannahme bestimmter Theorien zu finden. Genauer zum Begriff des Gedankenexperiments: Reinmann, in: Csanyi/Reichl/Steiner (Hrsg.), Digitale Medien – Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre, 2012, S. 29 (32 f. m.w.N.).
[2] In dieser Richtung beispielsweise (wegen der thematischen Nähe hinsichtlich des technischen Fortschritts): Weigend, ZIS 2017, 599-605 zur Frage des Notstandsrecht und selbstfahrenden Autos; Peters, ZIS 2017, 662 zur Frage, ob das Strafrecht für den Angriff ziviler Drohen gewappnet ist; Simmler/Markwalder, ZStW 129 (2017), 20 zur Frage, ob es eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Robotern geben kann; Gleß/Weigend, ZStW 126 (2014), 561 (579) zur Frage, wie der Mensch hinter dem intelligenten Agenten (Roboter) bestraft werden kann; Beck, JR 2009, 225 mit grundlegenden Fragen zum rechtlichen Umgang mit der Robotik.
[3] Robotik ist hier im Sinn einer interdisziplinären Wissenschaft gemeint (vgl. hierzu Maier, Grundlagen der Robotik, 2016, S. 15 f.).
[4] Vgl. Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 9. Aufl. (2017), § 30 Fall 1; Kindhäuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (2017), § 29 Fall 2; Jäger, Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (2017), Rn. 212; Hoffmann-Holland, Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl. (2015), Rn. 437; Kaspar, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2015, Rn. 649. Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (2017), § 13 Rn. 69 ausführlich zu Fundstellen in der Ausbildungsliteratur.
[5] Sog. eingeschränkte Schuldtheorien: Vgl. Hillenkamp/Cornelius, 32 Probleme aus dem Strafrecht Allgemeiner Teil, 15. Aufl. (2017), S. 82 ff.
[6] Kühl, § 7 Rn. 21; Kindhäuser, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), Band 1, § 32 Rn. 26; Erb, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), Bd. 1, § 32 Rn. 62, Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, 47. Aufl. (2017), Rn. 492; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. (2014), § 32 Rn. 3; eine Gegenansicht verlangt hingegen eine Ex-ante-Betrachtung aus Sicht des Verteidigers: Schröder, JuS 2000, 235 ff.; Kaufmann, in: FS Welzel, 1974, S. 393 (401).
[7] Vgl. Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 45 ff.; Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 13; Erb, in: MüKo-StGB, § 34 Rn. 61 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 452; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (2006), Bd. 1, § 16 Rn. 18. Der Streit hat keine Auswirkung, wenn sogar der Täter die fehlerhafte Beurteilung der Sachlage hätte erkennen können.
[8] Britz, JuS 2002, 465 (466); Kindhäuser, in: NK-StGB, § 32 Rn. 26.
[9] Erb, in: MüKo-StGB, § 32 Rn. 62; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 492; Rengier, § 18 Rn. 12; Kühl, § 7 Rn. 21.
[10] Ebenfalls zur Verneinung einer vorsätzlichen Körperverletzung gelangt man, wenn man die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen (vgl. hierzu Hillenkamp/Cornelius, S. 86 f.) bzw. die modifizierte Vorsatztheorie (vgl. hierzu Hillenkamp/Cornelius, S. 87 f.) anwendet.
[11] Kühl, § 13 Rn. 72; BGHSt 3, 105 (107) = NJW 1952, 1023 (1023).
[12] Rengier, § 30 Rn. 14.
[13] Trüg/Wentzel, Jura 2001, 30 (33); Kindhäuser, § 29 Rn. 18.
[14] Rengier, § 30 Rn. 21; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 700 ff.; Momsen/Rackow, JA 2006, 654 (659 f.); Esser/Langenauer, JA 2013, 28 ff. Die Rechtsprechung wendet diese Vorgehensweise derzeit auch an (z.B. BGH, NStZ 2012, 272 [273 f.]).
[15] Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 699; Roxin, § 14 Rn. 62; Puppe, in: NK-StGB,§ 16 Rn. 137.
[16] BT-Drs. V/4095 S. 9.
[17] Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB,Vorb. § 32 Rn. 108.
[18] Vgl. die Darstellung bei Jordan, Roboter, 2017, S. 103 ff.; Maier, S. 107 ff. Im Jahr 2016 wurden weltweit fast 300.000 Industrieroboter verkauft: https://ifr.org/downloads/press/Executive_Summary_WR_2017_Industrial_Robots.pdf (zuletzt abgerufen am 26.7.2018).
[19] Autonomie bedeutet hierbei, dass sich der Roboter ohne externe Unterstützung orientieren und über den Einsatz von Funktionen selbstständig (beruhend auf seiner Programmierung) entscheiden kann (Maier, S. 50, dort auch zu den verschiedenen Graden der Autonomie).
[20] Zum Begriff Maier, S. 16 f.
[21] Zum Begriff Jordan, S. 49 f.
[22] Vgl. Gießelmann, Deutsches Ärzteblatt 2017, 402; Gießelmann/Osterloh, Deutsches Ärzteblatt 2017, 405; Maier, S. 270; die Rolle von Robotern im Bereich der Kriegsführung bei Jordan, S. 183 ff. und die Übersicht der Projekte von ECHORD++ (The European Coordination Hub for Open Robotics Development) unter http://echord.eu/experiments/ (zuletzt abgerufen am 26.7.2018).
[23] Beispielsweise: Günther/Böglmüller, BB 2017, 53; Denga, CR 2018, 69; Lutz, NJW 2015, 119;Keßler, MMR 2017, 589; Scheffler, DStR 2017, 2665.
[24] Das Wort Roboter kommt im Theaterstück „R.U.R. – Rossum’s Universal Robots“ des Schriftstellers Karel Capekvor. Zu Herkunft und Verbreitung vgl. Jordan, S. 50 ff.
[25] Zu verschiedenen Definitionen des Begriffs „Roboter“ Jordan, S. 41 ff.
[26] Vgl. Fn. 19.
[27] Zur Einteilung von Robotern nach bestimmten Merkmalen: Maier, S. 26 ff.
[28] Asimov, „Ich der Robot“, 5. Aufl. (1978), S. 34: „Ein Robot darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, daß einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.“ Zur Frage, ob wir die Robotgesetze im Sinn von Asimovbenötigen: Barthelmess/Furbach, in: Horbach (Hrsg.), Informatik angepasst an Mensch, Organisation und Umwelt (GI-Jahrestagung 2013), S. 1077.
[29] Vgl. Fn. 5 und Fn. 10.
[30] Sofern man den Vorrang der zivilrechtlichen Regelungen über den Notstand als speziellere Normen ansieht (Erb, in: MüKo-StGB, § 34 Rn. 14 m.w.N. auch zur Gegenansicht).
[31] Der Gesetzgeber wird hier ausdrücklich vor einer Lösung des Problems durch die Einführung der Bestrafung der fahrlässigen Sachbeschädigung gewarnt. Dies mag ein Problem lösen, schafft aber viele neue und würde das Zusammenleben erheblich erschweren. Zudem würde es die Kriminalstatistik und die Ermittlungsbehörden mit über 2 Millionen Fällen von fahrlässiger Sachbeschädigung aus dem Bereich des Straßenverkehrs belasten (vgl. Statistik Statistisches Bundesamt, Verkehrsunfälle: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/Tabellen/PolizeilichErfassteUnfaelle.html (zuletzt abgerufen am 26.7.2018).
[32] Joecks, in: MüKo-StGB, § 16 Rn. 129; Hartung, NJW 1951, 209 (212); Dornseifer, JuS 1982, 761 (765); Heitzer, NJW 1953, 210 (210 f.).
[33] Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB,Vorb. § 32 Rn. 108;Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 697; Heuchemer, JuS 2012, 795 (799).
[34] Maier, S. 35. Vgl. zu Bildern von Androiden aus der aktuellen Forschung von Hiroshi Ishiguro: http://www.geminoid.jp/en/robots.html (zuletzt abgerufen am 26.07.2018).
[35] Die unheimliche Erscheinung von fast menschlichen Gesichtszügen wird als „uncanny valley“ bezeichnet. Ausführlich zu diesem Phänomen: Mara/Appel, In-Mind 05/15 (abrufbar unter: http://de.in-mind.org/article/roboter-im-gruselgraben-warum-uns-menschenaehnliche-maschinen-oft-unheimlich-sind (zuletzt abgerufen am 26.7.2018); zur aktuellen Forschung: Lischetzke/Izydorczyk/Hüller/Appel, Journal of Research in Personality, 68, 96 (abrufbar unter: http://www.mcm.uni-wuerzburg.de/fileadmin/06110300/user_upload/Publikationen/The_Topography_of_the_Uncanny_Valley_and_Individua.pdf (zuletzt abgerufen am 26.7.2018).
[36] Erb, in: FS Paeffgen, 2015, S. 216 für den Fall einer massiven Gewalteinwirkung mit einer Folge aus § 226 StGB und die Bestrafung (nur) aus § 229 StGB oder bei einer grotesk anmutenden Fehlinterpretation der Situation.
[37] Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB,Vorb. § 32 Rn. 115, bezeichnen diese Folge als „eine schwer nachvollziehbare Straffreiheit“.
[38] Welzel, ZStW 67 (1955), 196 (218).
[39] Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB,Vorb. § 32 Rn. 118. Jedenfalls ist eine Regelungslücke nicht planwidrig. Der Gesetzgeber hat mit der Verweisung an Rechtsprechung und Literatur ausgedrückt, dass die Lösung des Problems möglicherweise im bestehenden Gesetz gefunden werden kann, weshalb keine Regelungslücke vorliegt oder – falls das Gesetz keine Lösung zulässt – die Unvollständigkeit nicht planwidrig ist. Vgl. zur fehlenden unbewussten Regelungslücke: Paeffgen, in: FS Frisch, 2013, S. 405 f.
[40] Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB,Vorb. § 32 Rn. 114. Ausführlich zu weiteren Argumenten: Erb, in: FS Paeffgen, S. 213 ff.; Paeffgen, in: FS Frisch, S. 405 ff.
[41] Jakobs, in: FS Paeffgen, S. 228.
[42] Zur Vermeidung von überhöhten Sanktionen: Erb, in: FS Paeffgen, S. 218 f.
[43] Die Nachvollziehbarkeit wird auch nicht durch die Anwendung von weiteren gesetzlichen oder verfassungsmäßig gebotenen Milderungsgründen erreicht. Den Vorzug verdient eine klare gesetzliche Regelung.
[44] Zur Entwicklung des Problems: Schmidhäuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1970, Kap. 10 Rn. 54 ff. Zur strengen Schuldtheorie: Welzel, SJZ 1948, 368 (369 und 371 m.w.N. in Fußnote 14); Gallas, ZStW 67 (1955), 1 (45 f.) in Fußnote 89.
[45] Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962, BT-Drs. IV/650) sah in § 20 eine Regelung (Irrtum über rechtfertigende oder entschuldigende Umstände) vor. Nach Absatz 1 der Vorschrift sollte ein Täter, der bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche die Tat rechtfertigen oder entschuldigen würden, nicht wegen vorsätzlicher Begehung bestraft werden. Absatz 2 sah jedoch eine Bestrafung wegen fahrlässiger Begehung vor, wenn ihm der Irrtum vorzuwerfen ist und das Gesetz auch fahrlässiges Handeln mit Strafe bedroht. § 20 sollte jedoch nach § 39 Abs. 2 bei einem rechtfertigenden Notstand keine Anwendung finden. Zwar sollte einerseits der Irrtum über die tatsächliche Sachlage bei der Notwehr nicht zu einer Bestrafung wegen vorsätzlicher Tat führen (insoweit wurden die Aspekte der eingeschränkten Schuldtheorie und insbesondere die Sichtweise des BGH im Urt. v. 6.6.1952 (1 StR 708/51; BGHSt 3, 105 ff.) berücksichtigt), andererseits sollte ein solcher Irrtum beim rechtfertigenden Notstand die vorsätzliche Tat nicht entfallen lassen (insoweit wurden die Aspekte der strengen Schuldtheorie und die Sichtweise des BGH im Urt. v. 6.6.1952 (1 StR 13/52; BGHSt 3, 7 ff.) aufgenommen). Die differenzierte Regelung sollte alle Aspekte berücksichtigen und war aufgrund der damit verbundenen fehlenden dogmatischen Verankerung zum Scheitern verurteilt (Kaufmann, ZStW 76 (1964), 543 (546): „von jedem System aus erscheint sie […] als inkonsequent, widerspruchsvoll und fehlerhaft“): „Da im E 62 für die einzelnen Irrtumsgruppen unterschiedliche Lösungen vorgeschlagen wurden, fühlen sich alle wissenschaftlichen Lehrmeinungen in irgendeiner Weise bestritten.“ (BT-Drs. V/4095 S. 9).
[46] „Irrt sich der Täter über die Widerrechtlichkeit seiner Tat, so handelt er schuldlos, wenn sein Irrtum ihm nicht vorzuwerfen ist. Ist ihm der Irrtum vorzuwerfen, so kann die Strafe nach § x gemildert werden. (Ist die Schuld besonders leicht, so kann von Strafe abgesehen werden)“ Welzel, ZStW 67 (1955), 196 (205).
[47] Formulierungsmöglichkeit: Wer wegen eines Irrtum über das tatsächliche Bestehen eines Rechtfertigungsgrundes deshalb nicht wegen vorsätzlicher Tat bestraft werden kann, weil bei tatsächlichem Vorliegen der Sachlage eine Rechtfertigung anzunehmen wäre, wird mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Vgl. zur Schaffung einer Norm über die „Rechtsfahrlässigkeit“: § 17 Abs. 2 des Entwurfs eines deutschen Strafgesetzbuchs i.d.F. der 2. Lesung 1935/36 (Stand: 1. Juli 1936) „Fahrlässig handelt auch, wer die Tat mit Wissen und Willen begeht, aber pflichtwidrig nicht erkennt, daß er damit gegen ein Gesetz verstößt oder sonst Unrecht tut. Ist fahrlässiges Handeln nicht mit Strafe bedroht, so kann der Richter gleichwohl nach freiem Ermessen auf Strafe erkennen; jedoch darf die Strafe nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für die vorsätzliche Begehung der Tat angedrohte Strafe und Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Haft nicht übersteigen. Besondere Vorschriften über die Verfolgung der vorsätzlich begangenen Tat gelten auch hier“.
[48] Im Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches wurde für § 19 StGB vorgeschlagen: „Wer bei Begehung der Tat über einen gesetzlichen Umstand irrt oder irrig Umstände annimmt, welche das Unrecht der Tat ausschließen würden, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.“ (Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. [1969], S. 56).
[49] Formulierungsmöglichkeit: Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2), wenn der (vermeidbare) Irrtum die Annahme einer Sachlage betrifft, bei deren tatsächlichen Vorliegen eine Rechtfertigung anzunehmen wäre (Erlaubnistatbestandsirrtum).
[50] Der Gesetzgeber möge die Warnung von Welzel (ZStW 67 (1955), 196 (218) beachten: „Der Gesetzgeber […] verfehlt seine Aufgabe, wenn seine Regelung wohl eine Gruppe von Fällen befriedigen könnte, für eine andere dagegen eine Wegsperre zur gerechten Beurteilung bildete“.
[51] Die Frage, wie weit die „Künstliche Intelligenz“ (zum Begriff vgl. Maier, S. 272 ff.) reichen wird und was Roboter und Androiden tatsächlich leisten können, wird kontrovers diskutiert (vgl. z.B. die Antworten von 180 Wissenschaftlern zur Frage „Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten?“, Brockman (Hrsg.), 2017).
[52] Aufgrund der Milderung über § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
[53] Mögen es uns die künftigen Androiden auch danken.