Abstract
Betreten die Mitarbeiter von Geheimdiensten im Rahmen von polizeilichen/staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen Räumlichkeiten, so eröffnet ihnen dies unvermeidbar die Möglichkeit zu eigener Inaugenscheinnahme und damit Informationsgewinnung. Die entsprechende Praxis basiert auf einer Verwaltungsvorschrift, eine explizite Befugnis im Verfassungsschutzrecht existiert nicht. Der Beitrag geht nicht zuletzt den damit aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen nach. In deren Beantwortung ist die ausnahmslose Ablehnung der entsprechenden Verfahrensweise enthalten.
If employees of intelligence services enter the premises during police/prosecutorial searches, this inevitably gives them the opportunity to inspect the premises themselves and thus, obtain information. This practice is based on an administrative regulation. It cannot be founded on any explicit provision in the law governing the protection of the constitution. This article examines, inter alia, the constitutional questions raised by this practice. The answer submitted by the author is that this practice must be rejected without exception.
I. Einleitung
Bei den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) handelt es sich um ein Regelungswerk, das keine Gesetzeskraft besitzt.[1] Es versteht sich daher von selbst, dass ihre Bestimmungen keine Befugnisse im Zusammenhang mit strafprozessualen Ermittlungen begründen können. Indessen wird in den RiStBV mit Blick auf bestimmte Strafverfahren eine Option angesprochen, die zu Überlegungen grundsätzlicher Natur herausfordert. Unter der Überschrift „Unterrichtung der Behörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und anderen Verfahren“ heißt es in Nr. 205 Abs. 5:
„Angehörige der Behörden für Verfassungsschutz können als Sachverständige oder Auskunftspersonen zu Vernehmungen und anderen Ermittlungshandlungen (z.B. Tatortbesichtigung, Durchsuchung oder Beschlagnahme) zugezogen werden. Ihre Zuziehung ist in den Akten zu vermerken.“
Die damit angesprochene Kooperation von Strafverfolgungsbehörde und Angehörigen des Verfassungsschutzes ist schon deshalb von Bedeutung, weil auf diese Weise unweigerlich – aber möglicherweise intendiert – geheimdienstliche Erkenntnisse in bestimmte Ermittlungsverfahren einfließen (sollen), ohne dass diese interbehördliche Interaktion zwingend den Rechtscharakter einer Datenübermittlung besitzen soll. Durch die Bezeichnung der Funktion der Geheimdienstmitarbeiter[2] als „Sachverständige“ oder „Auskunftspersonen“ wird vielmehr der Eindruck erweckt, als handele es sich um eine schlichte Amtshilfe,[3] womit sich spezialgesetzliche Regelungen erübrigten. Diese bestimmte sich nach allgemeinen Grund-sätzen (vgl. § 4 Abs. 1 VwVfG) und wäre damit aus der Perspektive der Beschuldigten gleichsam „grundrechtsneutral“.[4]
Vor diesem Hintergrund soll die Tätigkeit von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes anlässlich von bestimmten Ermittlungshandlungen im Rahmen von Strafverfahren einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Weil es sich bei der in Nr. 205 Abs. 5 RiStBV angesprochenen (Wohnungs-)Durchsuchung um einen Eingriff in ein verfahrensmäßig speziell gesichertes Grundrecht handelt (Richtervorbehalt in Art. 13 Abs. 2 GG),[5] die zudem regelmäßig ohne vorherige Anhörung des Betroffenen durchgeführt und überdies auch mittels unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden darf, erscheint diese – den Verfassungsschutzbehörden im Rahmen eigener Aufgabenwahrnehmung nicht gestatteten! – Ermittlungshandlung als besonders geeignetes Untersuchungsobjekt. Dazu bedarf es zunächst der Betrachtung des von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV offenbar „gedachten“ Unterstützungs-Modells (näher unter II.) und der anschließenden Erörterung, ob die Umstände einer solchen Verfahrensweise nicht doch mit Grundrechtseingriffen einhergehen und sich mithin die Frage ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung stellt (näher unter III.).
II. Das Mitwirkungs-Modell und seine Charakterisierung
Die in Rede stehende Verwaltungsvorschrift qualifiziert die zuzuziehenden Personen als „Sachverständige“ (näher unter 1.) und „Auskunftspersonen“ (näher unter 2.). Während erstere zumindest in begrifflicher Hinsicht der Strafprozessordnung durchaus bekannt sind, lässt sich dies von letzteren nicht sagen.
1. Geheimdienstmitarbeiter als Sachverständige
Das Regelungsmodell von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschreibt eine teilweise verdeckte Sachverständigentätigkeit (unter a). Es hat – obgleich dies der Wortlaut suggerieren könnte – nicht nur einen Informationsfluss zugunsten der Strafverfolgungsbehörde zum Gegenstand (unter b), sondern besitzt für die Verfassungsschutzbehörden auch eine Türöffnerfunktion (unter c).
a) Besonderheiten der Geheimdienstmitarbeiter als Sachverständige
Mit Blick auf die in Nr. 205 Abs. 5 RiStBV zuerst genannten Sachverständigen ist sogleich zu bemerken, dass es sich hierbei nicht um solche im Sinne der §§ 72 ff. StPO handelt, denn diese sind persönliche Beweismittel, die richterlich bestellt werden und sich dadurch auszeichnen, dass sie auf einem bestimmten Wissensgebiet eine dem Gericht fehlende Sachkunde besitzen.[6] Zwar kommt auch bereits im Ermittlungsverfahren eine Heranziehung von Sachverständigen durch Polizei oder Staatsanwaltschaft in Betracht, die dann aus bestimmten Gründen zur Begutachtung eines Sachverhalts verpflichtet sein können.[7] Eine solche Verpflichtung eines Geheimdienstmitarbeiters kann aus der in Rede stehenden Verwaltungsvorschrift jedoch nicht herausgelesen werden, weil dort schon nicht seine Namhaftmachung vorgesehen ist und die zugezogene Person in der Folge auch nicht als Beweismittel zur Verfügung steht bzw. stehen soll. Folglich handelt es sich bei den Mitarbeitern einer Verfassungsschutzbehörde um Sachverständige, die lediglich der Polizei und Staatsanwaltschaft und dies auch nur im Ermittlungsverfahren beratend zur Verfügung stehen. Weder die Verteidigung noch das Gericht haben hiernach die Möglichkeit, die Art, den Umfang und den Inhalt der Sachverständigentätigkeit nachzuvollziehen.
Obgleich es sich bei einer Wohnungsdurchsuchung um eine ausnahmslos offen durchzuführende Ermittlungsmaßnahme handelt,[8] legt es Nr. 205 Abs. 5 RiStBV offenbar darauf an, dass ein Teilbereich der bei dieser Gelegenheit bewirkten Kenntniserlangung von den übrigen Verfahrensbeteiligten abgeschirmt wird: Die Regelung spricht diesbezüglich nur davon, dass der Umstand der Zuziehung in den Akten zu vermerken ist, nicht aber von den Einzelheiten der sachverständigen Tätigkeit. Allerdings schließt die Regelung umgekehrt auch nicht aus, dass sich die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Einzelfall als solche zu erkennen geben, wie dies in der Vergangenheit vereinzelt bereits der Fall war.[9]
Auch kann der ansonsten geltende Grundsatz, wonach während des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwalt dem Verteidiger vor der Auswahl eines Sachverständigen grundsätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat (Nr. 70 Abs. 1 RiStBV), keine Geltung beanspruchen. Freilich bekennt sich die Vorschrift hierzu nicht. Obgleich damit von der „Teilverdeckung“ einer Wohnungsdurchsuchung in personeller Hinsicht gesprochen werden kann, lohnt der Versuch einer Annäherung an die tatsächlichen Möglichkeiten einer derartigen Sachverständigen-(Hin‑)Zuziehung. Insbesondere soll nachfolgend der Frage nachgegangen werden, welche Informationszugänge bei entsprechenden Gelegenheiten möglich, unvermeidbar oder auch intendiert sind.
b) Informationsfluss in Richtung der Strafverfolgungsbehörden
Allgemein kommen als Sachverständige nicht nur Personen in Frage, die auf komplexen wissenschaftlichen, künstlerischen oder technischen Gebieten besondere Kenntnisse besitzen und Laien auf diesem Gebiet bestimmte Vorgänge näher erläutern können.[10] In Betracht kommen auch Personen, deren Sachkunde nicht-wissenschaftlicher Natur ist.[11] Im Falle von Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden kann deren Sachkunde zumindest im Ansatz (dazu sogleich) aus sämtlichen Erkenntnissen bestehen, über die sie aufgrund eigener Aufgabenwahrnehmung – namentlich der Beobachtung der in § 3 Abs. 1 BVerfSchG genannten Bestrebungen und Tätigkeiten – verfügen. Dabei handelt es sich um sämtliche Datenbestände, die im Rahmen der Sammlung und Auswertung von Informationen – etwa über verfassungsfeindliche Kräfte, Gruppen und Parteien im Vorfeld möglicher Gefährdungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung[12] – erhoben wurden. Allerdings dürfte im Rahmen einer Amtshilfe von vornherein nur auf denjenigen Teil des geheimdienstlichen Wissens-Reservoirs zurückgegriffen werden, der nicht personenbezogen ist. Andernfalls besäße die sachverständige Zuarbeit den Charakter einer Datenübermittlung.
Der Wortlaut von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV legt es in diesem Kontext zunächst nahe, dass es der Regelung alleine um eine Dienstbarmachung von geheimdienstlichen Erkenntnissen für strafverfolgerische Belange geht. Sie beschriebe damit einen Informationsfluss ausschließlich zugunsten bzw. in Richtung der Strafverfolgungsbehörde. Die Unterstützung durch die zugezogenen Angehörigen der Verfassungsschutzbehörde hätte sich dabei auf eine reine Sachverständigentätigkeit zu beschränken.
Auf welche Art und Weise sich die Tätigkeit der Geheimdienstmitarbeiter im Rahmen der Durchsuchung gestalten darf bzw. soll, regelt Nr. 205 Abs. 5 RiStBV nicht. Da insoweit jegliche Restriktionen fehlen, kommen sämtliche Beteiligungsformen in Betracht, die nicht als selbstständige Durchsuchungshandlungen zu bewerten sind.[13] In der Sache dürfte es sich um eine Beratung der durchsuchenden Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft handeln,[14] die von der Erläuterung der Bedeutung bereits aufgefundener Beweisstücke bis hin zur Anregung weiterer, konkreter Durchsuchungshandlungen reichen kann. Beschränkte sich die Tätigkeit der Geheimdienstmitarbeiter hierauf und spielten personenbezogene Informationen tatsächlich keine Rolle, wäre etwa von einer beratend-unterstützenden Amtshilfe zugunsten der Strafverfolger zu sprechen.
Zusammenfassend wäre eine solche, rein beratende Tätigkeit dadurch zu charakterisieren, dass sie einen Informationsfluss ausschließlich zugunsten der Strafverfolgungsbehörde zum Gegenstand hätte. Tatsächlich dürfte der Wirkmechanismus einer Zuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu Ermittlungshandlungen damit aber nur unvollkommen umschrieben sein.
c) Gleichzeitige Gelegenheit zur geheimdienstlichen Informationserlangung
Schon die Betitelung der hier interessierenden Verwaltungsvorschrift, die von der „Unterrichtung“ der Verfassungsschutzbehörden über bestimmte Strafverfahren spricht, liefert einen Hinweis auf die anlassbezogene und gleichsam strafverfolgerisch vermittelte Möglichkeit zur geheimdienstlichen Informationsgewinnung. Denn Unterrichten meint seinem Wortsinn nach u.a. das Verschaffen von Kenntnissen und Informationen.[15] Aber selbst wenn eine solche Gelegenheit zur geheimdienstlichen Informationsgewinnung von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV nicht intendiert sein sollte – was auf einen verfehlten Regelungsstandort hindeutete –, stellt sich eine solche als unvermeidbar dar:
Um die sachverständige bzw. beratende Tätigkeit in genanntem Sinne überhaupt durchführen zu können, sind die geheimdienstlichen Mitarbeiter vor allem auch mit den räumlichen Verhältnissen einer durchsuchten Wohnung in „visuell-wahrnehmenden Kontakt“ zu bringen. Denkbar ist diesbezüglich ihre zeitgleiche, persönliche Anwesenheit in der durchsuchten Räumlichkeit ebenso wie beispielsweise die Anfertigung von Foto- und/oder Videoaufnahmen, mithilfe derer unter den Bedingungen einer räumlichen Trennung eine sachverständige Unterstützung der durchsuchenden Ermittler ermöglicht werden kann. Neben der Erfassung der räumlichen Verhältnisse kann auf diese Weise auch die Anwesenheit von Personen registriert werden.
Unabhängig aber davon, wie sich die Inaugenscheinnahme der räumlichen Verhältnisse einschließlich der Einrichtung einer durchsuchten Wohnung im Einzelfall gestaltet, ist diese zwingend mit sinnlichen, insbesondere visuellen Wahrnehmungen durch die Mitarbeiter des hinzugezogenen Geheimdienstes verbunden, denn hierbei handelt es sich um eine unabdingbare Voraussetzung für die bewertende Sichtung bzw. begutachtende Tätigkeit. Solche Einblicke können im Falle der Durchsuchung von Privatwohnungen bis hin zur Kenntnisnahme von der Intimsphäre zuzurechnenden Sachverhalten reichen. Zwar handelt es sich bei diesem Umstand keineswegs um eine Besonderheit der hier interessierenden Sachverständigentätigkeit. Jedoch ist in den gegenständlichen Konstellationen zu berücksichtigen, dass die hinzugezogenen, geheimdienstlichen Sachverständigen qua eigener beruflicher Tätigkeit die Aufgabe haben, Informationen über bestimmte Bestrebungen und Tätigkeiten, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, zu sammeln und auszuwerten (vgl. § 3 Abs. 1 BVerfSchG). Es handelt sich bei Durchsuchungen im Rahmen von staatsschutzrelevanten Ermittlungsverfahren mithin nicht nur um Gelegenheiten zur Erlangung von Beweismitteln, sondern auch um solche zur Sammlung von verfassungsschutzrelevanten Informationen. Richtigerweise wird gerade mit Blick auf die hier interessierende Verwaltungsvorschrift konstatiert, dass trotz der unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Vorgehensweisen erkenntnisinteressebezogene Überlappungsbereiche von Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutzbehörden existieren.[16] In diesem Sinne handelt es sich bei Wohnungsdurchsuchungen unter der Anwesenheit von strafverfolgenden Ermittlern und Geheimdienstmitarbeitern um eine situativ-räumliche Manifestation dieser Überlappungen. Daraus folgt, dass von einer Gelegenheit zur Informationssammlung durch hinzugezogene Geheimdienstmitarbeiter nur dann nicht ausgegangen werden könnte, wenn deren originäre Aufgabe für den Zeitraum der Anwesenheit in durchsuchten Räumen suspendiert wäre. Bildlich gesprochen hätten diese Mitarbeiter den Ort der Durchsuchung mit demselben Kenntnisstand zu verlassen, mit dem sie ihn zuvor betreten hatten. Eine solche Vorstellung ist nicht nur lebensfern, sondern enthält auch keine Konkretisierung im geltenden Geheimdienstrecht. Indessen begründet das Fehlen eines Verbots zur Informationsgewinnung noch keine entsprechende Befugnis (hierzu näher unter III.).
In der Praxis soll das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zur gutachterlichen Tätigkeit regelmäßig erst nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen hinzugezogen werden.[17] Bei einer solchen Verfahrensweise fände die geheimdienstliche Beratung allerdings erst nach dem Ende der Durchsuchung[18] statt, womit sich die Frage stellt, auf welche Weise bzw. auf welcher rechtlichen Basis eine Verfassungsschutzbehörde in den Besitz der sachverständig zu begutachtenden Beweismittel gelangt (näher dazu unter IV.). Überdies unterscheidet sie sich von dem nach Nr. 205 Abs. 5 RiStBV geregelten Modell (Hinzuziehung zur Durchsuchung) dadurch, dass die Sachverständigentätigkeit sich auf die Durchsuchungsergebnissebezieht bzw. beschränkt. Es ließe sich mithin von einer unechten Zuziehung sprechen.
Zusammenfassend kann bis hierhin festgestellt werden, dass die Informationsgewinnung durch Verfassungsschutzmitarbeiter zu geheimdienstlichen Zwecken anlässlich der hier gegenständlichen Wohnungsdurchsuchungen aus tatsächlichen Gründen als Begleiteffekt notwendig bzw. unvermeidbar ist. Deshalb liegt nach hier vertretener Auffassung ein Verständnis der solchermaßen durchgeführten Maßnahmen als doppelfunktional nahe. Von untergeordneter Bedeutung erscheint demgegenüber, ob diese Doppelfunktionalität als echt oder unecht[19] charakterisiert wird. Unabhängig davon, wie das von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschriebene Modell insoweit qualifiziert wird, lässt sich die Mitwirkung der Geheimdienstmitarbeiter nicht als bloße Amtshilfe verstehen, denn dann müsste sich ihre Tätigkeit als rein fremdnützig[20] darstellen. Tatsächlich kann oder soll diese aber auch geheimdienstlichen Zwecken dienen.
Ob sich deshalb die datenschutzseitig erhobene Forderung, die Zusammenarbeit der Angehörigen von Strafverfolgungsbehörden einerseits und Geheimdienstmitarbeitern andererseits möge sich auf eine rein unterstützende Beratung beschränken,[21] jemals realisieren lässt, erscheint mehr als fraglich. Vielmehr spricht nach dem Gesagten viel dafür, die Strafverfolger aus der Perspektive der Geheimdienstmitarbeiter – und dies auch im Tatsächlichen – als Türöffner zu betrachten.
2. Geheimdienstmitarbeiter als Auskunftspersonen
Neben der Zuziehung der Geheimdienstmitarbeiter als Sachverständige im Sinne einer beratenden Unterstützung kommt nach Nr. 205 Abs. 5 RiStBV auch deren Eigenschaft als Auskunftspersonen als Anknüpfungspunkt in Betracht. Während der StPO Sachverständige nicht fremd sind, kennt diese eine personale Kategorie namens „Auskunftspersonen“ nicht. Es ist deshalb keineswegs offenkundig, welche Angehörigen der Verfassungsschutzbehörden zur Durchsuchung zugezogen werden dürfen, ohne dass diese zugleich beratend bzw. unterstützend tätig und damit als Sachverständige anzusehen wären. Darauf, dass diese aus der Perspektive der Strafverfolgungsbehörde jedenfalls unterschiedliche Funktionen erfüllen können oder sollen, weist der Wortlaut hin („oder“).
Im polizeilichen Sprachgebrauch werden als Auskunftspersonen u.a. auch Hinweisgeber bezeichnet, die in ein kriminelles Milieu eingebunden sind und mit Hinweisen den Auftrag zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung unterstützen können.[22] Dies könnte bedeuten, dass die Vorschrift beispielsweise solche Mitarbeiter meint, die unter einer ihnen verliehenen Legende zur Aufklärung von verfassungsschutzrelevanten Bestrebungen eingesetzt sind (vgl. § 9a Abs. 1 BVerfSchG). Deren Funktion im Rahmen einer Durchsuchung bestände dann vor allem darin, den strafverfolgenden Ermittlern als Auskunftsquelle zur Verfügung zu stehen. Anders als bei der beratenden Unterstützung als Sachverständige beschränkte sich deren Mitwirkung dann tatsächlich auf eine passive Rolle. Freilich wäre auch in diesem Falle das Verbot der Preisgabe personenbezogener Daten zu beachten, wenn sich diese Art der Mitwirkung als bloße Amtshilfe darstellen soll. Das von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschriebene Modell hätte in dieser Erscheinungsform dann einen einseitigen Informationsfluss zugunsten der Strafverfolgungsbehörde zum Gegenstand.
Unabhängig davon erscheint eine persönliche Anwesenheit von solchen – in beobachtete Bestrebungen eingeschleusten – Geheimdienstmitarbeitern aus Gründen der Geheimhaltung kaum vorstellbar. Zwar käme eine Zuziehung per fernmündlicher Konsultation o.ä. in Betracht. Aber auch eine solche wäre in den Akten zu vermerken und offenbarte die Existenz des Angehörigen des Verfassungsschutzes in einer von ihm beobachteten Bestrebung. Ob dies jemals mit der grundsätzlich verdeckten Informationsbeschaffung durch einen Geheimdienst vereinbar ist, erscheint zumindest schwer vorstellbar.
Insgesamt ist damit unklar, wie sich die Zuziehung von Verfassungsschutzmitarbeitern zu Durchsuchungen in deren Funktion als Auskunftsperson überhaupt darstellen kann. Noch mehr, als dies bei der Zuziehung als Sachverständige der Fall ist, bleibt offen, inwieweit diese Vorgehensweise als Ausprägung der Unterrichtung der Verfassungsschutz- durch Strafverfolgungsbehörden (s.o.) verstanden werden kann.
3. Zu weiteren Mitwirkungsmöglichkeiten an strafrechtlichen Ermittlungen
Das von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschriebene Kooperationsmodell umschreibt eine weit reichende Einbeziehung von Geheimdiensten in ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren: Weder erfolgt eine Beschränkung auf die hier besonders interessierenden Durchsuchungen, noch eine solche auf eine nur punktuelle Zuziehung. Der Wortlaut schließt nicht einmal eine Kooperation bei sämtlichen Ermittlungshandlungen der Strafverfolgungsbehörden im Sinne einer ständigen Beratung bzw. Unterstützung in oben genanntem Sinne aus. Dazu, ob jede einzelne Zuziehung in den Akten zu vermerken ist, äußert sich die Vorschrift nicht. Es ist mithin nicht ausgeschlossen, dass lediglich „die Zuziehung“ als solche aktenmäßigen Niederschlag findet, so dass ggf. der tatsächliche Umfang der geheimdienstlichen Beteiligung vor den anderen Verfahrensbeteiligten (insbesondere dem Gericht und der Verteidigung) verborgen bliebe. Freilich stehen diesen Beteiligten entsprechende Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung, die an dieser Stelle indessen keine nähere Betrachtung erfahren sollen.
Nur am Rande soll der Blick gelenkt werden auf eine weitere Ermittlungshandlung, die in der in Rede stehenden Vorschrift explizit genannt wird: Die Zuziehung der Geheimdienstmitarbeiter kommt namentlich in Betracht bei Vernehmungen und damit – mangels Ausschluss – auch bei Zeugenvernehmungen. Dies erscheint von Bedeutung, weil eine solche Ermittlungshandlung wiederum mit Zwang(smitteln) durchsetzbar ist. Dies folgt unmittelbar aus § 161a Abs. 2 StPO, wonach der Staatsanwaltschaft bei unberechtigter Zeugnisverweigerung die Befugnis zur Verhängung von Maßregeln zusteht. Damit wird den Geheimdienstmitarbeitern eine Erkenntnisquelle eröffnet, die ihr – wiederum – qua eigener Befugnisse nicht zur Verfügung stände.
III. Zu geheimdienstlichen Eingriffen in das Wohnungsgrundrecht
Nachdem zuvor vor allem die tatsächlichen Aspekte der geheimdienstunterstützten Wohnungsdurchsuchungen im Vordergrund standen, ist nachfolgend die verfassungsrechtliche Tragfähigkeit dieses Vorgehens zu betrachten.
1. Zur (Un-)Vermeidbarkeit von Eingriffen und den daraus folgenden Konsequenzen
Durch die Zuziehung der Angehörigen der Verfassungsschutzbehörden wird diesen die Möglichkeit zum Betreten der durchsuchten Wohnung sowie zur Inaugenscheinnahme der räumlichen Verhältnisse eröffnet. Indessen ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein eigenständiges Vorgehen der Geheimdienstmitarbeiter handelt, sondern um ein solches, das aus strafverfolgerischer Aufgabenerfüllung abgeleitet wird. Für sich genommen bzw. ohne Weiteres ist nicht festzustellen, dass ihre Anwesenheit mit einer Intensivierung des Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG oder gar einem selbstständigen Eingriff führen würde. Mit Blick auf andere Sachverständige (IT-Fachleute, Beamte der Steuerfahndung etc.) wird demzufolge – indessen ohne explizite Problematisierung – auch richtigerweise angenommen, dass deren Zuziehung zulässig ist, ohne dass erhöhte tatbestandliche Voraussetzungen zu erfüllen wären.[23] In diesem Sinne ist ein zusätzlicher Sachverstand bei der Durchführung einer Durchsuchung, genügt dieser denn dem Gebot der Unparteilichkeit,[24] grundrechtlich „neutral“ und kann sogar zu einer Reduzierung von sichergestellten, beweiserheblichen Gegenständen führen.[25]
Indessen können diese (Vor-)Überlegungen angesichts der zuvor konstatierten Doppelfunktionalität der hier interessierenden Durchsuchungsmaßnahmen nicht dazu führen, einen Eingriff in das Wohnungsgrundrecht durch die geheimdienstliche Zuziehung zu negieren. Denn nach dem zugrunde zu legenden modernen Eingriffsverständnis bedarf es nicht notwendig einer finalen, also gezielten Beeinträchtigung von Art. 13 Abs. 1 GG. Ausreichend ist vielmehr jede staatliche Maßnahme, die den Schutzbereich des Grundrechts tatsächlich verkürzt. Ausreichend ist, dass die Beeinträchtigung einem Hoheitsträger zuzurechnen ist.[26] Insoweit muss sich nach hier vertretener Ansicht entscheidend auswirken, welche Vorstellung die betroffenen Grundrechtsträger von der Anwesenheit der Geheimdienstmitarbeiter in den von ihnen genutzten Räumen haben bzw. vernünftigerweise haben und dies unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie von diesem Umstand erfahren. Nahe liegend werden diese davon ausgehen, dass die Angehörigen des Verfassungsschutzes die Gelegenheit zur beratenden Unterstützung der Strafverfolger zugleich – und in oben bezeichnetem Sinne zumindest unvermeidbar – zur Erhebung von personenbezogenen Informationen nutzen und anschließend auf beliebige Weise in die geheimdienstliche Aufgabenerfüllung einfließen lassen. An einem Eingriff in das Wohnungsgrundrecht wäre selbstredend noch weniger zu zweifeln, wenn die Zuziehung der Geheimdienstmitarbeiter von vornherein dazu dienen soll, diesen die Erhebung von Informationen in den durchsuchten Räumen zu ermöglichen, was angesichts der Verortung von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV in einer Regelung über die Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden zumindest nicht abwegig ist.
Wenn demzufolge die Anwesenheit von Geheimdienstmitarbeitern mit einem Eingriff in das Wohnungsgrundrecht einhergeht, so ist zwingend die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu beantworten. Eine Ermächtigungsgrundlage müsste sich in den für die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden geltenden Regelungswerken finden. Dies indessen ist weder auf Bundes- noch auf Landesebene der Fall. Keiner näheren Begründung bedarf, dass Nr. 205 Abs. 5 RiStBV aufgrund ihres einleitend (unter I.) genannten Charakters keine Befugnis begründen kann.
Zusammenfassend lässt sich bis hierhin konstatieren, dass das in dieser Verwaltungsvorschrift beschriebene Vorgehen verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist. Damit ist und war die Hinzuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu Wohnungsdurchsuchungen nach Strafverfahrensrecht ausnahmslos rechtwidrig. Weil sich eine entsprechende Rüge gegen die Teilnahme bestimmter Beteiligter und damit gegen Art und Weise einer Durchsuchung zu richten hätte, wäre als Rechtsbehelf ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zu wählen.[27] Zu erwägen wäre darüber hinaus, ob wegen der geheimdienstlichen Grundrechtseingriffe auch der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.
2. Rechtspolitische Überlegungen de lege ferenda
Dieses Ergebnis wirft die Frage auf, ob die Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene die Möglichkeit zur Beteiligung von Geheimdienstmitarbeitern an Wohnungsdurchsuchungen nach Strafverfahrensrecht durch die Verabschiedung einer Befugnisnorm schaffen und die beschriebene Praxis damit legalisieren sollten. Als Regelungsstandorte kämen die Verfassungsschutzgesetze in Betracht.
Eine solche Legalisierung beträte auf der Ebene des Bundesrechts schon deswegen Neuland, weil das Bundesverfassungsschutzgesetz bislang keine Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG zulässt, die tatbestandlich auf geheimdienstliche Zwecke bezogen sind. So darf das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur dann heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerlässlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Die identischen Voraussetzungen gelten für die Anfertigung von Bildaufnahmen und –aufzeichnungen (vgl. § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG). Bei solchen Lausch- und Spähangriffen handelt es sich erkennbar um funktional gefahrenabwehrende Befugnisse,[28] mithin nicht um solche, die der geheimdienstlichen Aufgabenerfüllung (sondern der polizeilichen) dienen sollen. Art. 13 GG wird auch lediglich in diesem Kontext als eingeschränktes Grundrecht genannt (§ 9 Abs. 2 S. 9 BVerfSchG), woraus sich ohne weiteres ergibt, dass das BfV darüber hinausgehend keine entsprechenden Befugnisse besitzt. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass auch verdeckte Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres Beobachtungsauftrags (§ 9a Abs. 1 BVerfSchG) Wohnungen nicht betreten dürfen.[29] Der Bundesgesetzgeber übt damit – anders als das mitunter auf Landesebene der Fall ist[30] – größte Zurückhaltung bei der Befugung des BfV zu Eingriffen in das Wohnungsgrundrecht aus. Als jüngste Ausprägung dieser Zurückhaltung mag das jüngste Gesetzgebungsverfahren angesehen werden, in dem bei einem früheren Entwurf zu einem Gesetz zur „Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ noch eine Betretungsbefugnis für Geheimdienstmitarbeiter im Kontext mit der Vorbereitung von verdeckten Eingriffen in IT-Systeme vorgesehen war (§ 9e Abs. 6 BVerfSchG‑E),[31] diese Regelung nach medialer Aufmerksamkeit[32] jedoch aus dem in den Jahren 2020/2021 diskutierten Entwurf[33] wieder entfernt wurde.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nicht zuletzt die Gesetzesvorbehalte der Art. 13 Abs. 2 bis 7 GG ein Bild von der Wohnung als grundsätzlich „geheimdienstfreier Sphäre“ zeichnen. Es sind lediglich die dort gemeinten (Absatz 2) oder explizit genannten (Absätze 3 bis 5 und 7) Zwecke, die Beschränkungen zulassen. Zu ihnen gehört die geheimdienstliche Aufgabenerfüllung nach aktueller gesetzgeberischer Wertung nicht. Eine Legalisierung von Betretungsrechten im Kontext mit Wohnungsdurchsuchungen durch Strafverfolgungsbehörden ließe dieses Bild verschwimmen.
IV. Exkurs: Übermittlung von „Art. 13-Daten“ an Geheimdienste?
Ungeachtet der vorstehend erwogenen Bedenken gegen eine Befugung von Geheimdiensten zu eigenständigen Datenerhebungen in oder aus Wohnungen ist aus zweierlei Gründen zu klären, ob in einem Strafverfahren durch Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht erhobene Informationen (im Folgenden: Art. 13-Daten) für eine Übermittlung an Verfassungsschutzbehörden de lege lata überhaupt in Betracht kommen: Einerseits sind die Strafverfolgungsbehörden unter den in § 18 Abs. 1 lit. b BVerfSchG genannten Voraussetzungen zu Übermittlungen – jedenfalls im Grundsatz, näher dazu im Folgenden – verpflichtet („unterrichten von sich aus …“),[34] wenn dies zur geheimdienstlichen Auflagenerfüllung erforderlich erscheint. Und andererseits kommt eine Übermittlung auch im strafverfolgerischen Interesse in Betracht, wenn nämlich die sachverständige Begutachtung von Durchsuchungsergebnissen eine Übergabe von sichergestellten oder beschlagnahmten Beweisgegenständen oder die Weiterleitung von anderen Art. 13-Daten an eine Verfassungsschutzbehörde erforderlich macht. Hierdurch werden unvermeidbar Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht bewirkt.[35] In diesem Sinne ist auch eine solchermaßen motivierte, zweckändernde Datenübermittlung (echt oder unecht) doppelfunktional. Freilich existiert für eine solche Übermittlung de lege lata keine Befugnis.[36]
Damit ist die Frage der Verhältnismäßigkeit sowohl von bereits existierenden als auch von noch zu schaffenden Befugnissen zu Datenübermittlungen durch Strafverfolgungsbehörden an Geheimdienste, namentlich ihrer Angemessenheit angesprochen. Das BVerfG hat als entsprechendes Kriterium die hypothetische Datenneuerhebung durch die empfangende Behörde entwickelt. Nach seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung ist insoweit maßgeblich, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck neu erhoben werden dürften.[37] In einer früheren Entscheidung wird konkretisierend gefordert, dass dies der empfangenden Behörde auch mit „vergleichbar schwerwiegenden Mitteln“ erlaubt sein müsse.[38] Damit schiede die Übermittlung von solchen Daten aus Strafverfahren an Verfassungsschutzbehörden aus, die durch Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht erlangt wurden. Denn den deutschen Geheimdiensten sind entsprechende Grundrechtsbeschränkungen zu eigenen Zwecken aus den oben genannten Gründen (unter III.2.) untersagt.
Indessen erfährt dieses Prinzip nach der jüngsten Entscheidung des BVerfG eine Relativierung: So stehe die Tatsache, dass die Zielbehörde einer Datenübermittlung bestimmte Datenerhebungen, zu denen die Ausgangsbehörde berechtigt ist, ihrerseits wegen ihres Aufgabenspektrums nicht vornehmen darf, einem Datenaustausch nicht prinzipiell entgegen.[39] Und: In Abgrenzung zu gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen an Vorschriften, „welche die Nutzung nachrichtendienstlicher Informationen durch Polizei- und Sicherheitsbehörden ermöglichen“[40], gelte anderes bei einem umgekehrten Datenfluss. Solche Daten seien bereits nach den strengeren Anforderungen erhoben worden, die für operativ tätige Behörden mit der Befugnis zu Zwangsmaßnahmen gegenüber Einzelnen gelten. Diese Anforderungen könnten also durch eine anderweitige Nutzung nicht unterlaufen werden.[41]
Aus alledem könnte gefolgert werden, dass gegen die hier interessierenden Übermittlungen von Art. 13-Daten im Allgemeinen und solchen, die durch Wohnungsdurchsuchungen im Besonderen erlangt wurden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben wären. Zu bedenken ist allerdings, dass diese Daten nicht nur durch „operativ tätige Behörden mit der Befugnis zu Zwangsmaßnahmen“ erhoben wurden, sondern dies ggf. auch mittelsBefugnissen zur Anwendung unmittelbaren Zwangs geschah. Eine hypothetische Datenneuerhebung durch das BfV scheiterte mithin aus zweierlei Gründen: Ihm sind zu eigenen Zwecken weder Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht gestattet, noch darf es Daten unter Inanspruchnahme von Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs erheben. Würde die Übermittlung also gestattet, so entspräche dies einem Unterlaufen von verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Kautelen. Dies steht nach hier vertretener Auffassung einer Übermittlung von nach Strafverfahrensrecht erlangten Art. 13-Daten an Geheimdienste grundsätzlich entgegen. Selbst eine entsprechende Befugung wäre mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.
V. Fazit
Nach alledem erweist sich die von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschriebene Verfahrensweise als unvereinbar mit der Gewährleistung aus Art. 13 Abs. 1 GG. Überdies ermöglicht die Zuziehung von Angehörigen der Verfassungsschutzbehörden zu strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen zwar nicht gemeinsame, wohl aber gleichzeitige Informationserhebungen. Dies kontrastiert mit der verfassungsgerichtlichen Maßgabe, dass aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung – und damit auch seiner spezifischen Ausprägung in Art. 13 Abs. 1 GG – ein informationelles Trennungsprinzip folgt. Danach dürfen Daten zwischen den Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden.[42] Dieses grundsätzliche Datenaustauschverbot wird nachgerade konterkariert, wenn anlässlich der strafprozessualen Aufgabenwahrnehmung auch eine geheimdienstliche Datenerhebung ermöglicht wird. Insoweit erübrigt sich ein Datenaustausch. Oder – noch pointierter: Wenn ein Geheimdienstmitarbeiter einem Polizeibeamten bei der Ermittlungsarbeit über die Schulter blickt, sehen beide denselben Sachverhalt.
Nach hiesigem Verständnis kann das informationelle Trennungsprinzip nur dann verwirklicht werden, wenn es von einem operativen Trennungsgebotflankiert wird. Dieses schlösse nicht nur die Zuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu Wohnungsdurchsuchungen, sondern auch zu anderen Ermittlungshandlungen im Rahmen strafrechtlicher Verfahren aus.
Unabhängig von solchen verfassungsrechtlichen Erwägungen bedeutet die hier thematisierte Vorgehensweise auch eine partielle, aber „planmäßige“ Aushebelung der Kontrolle der Durchsuchung durch den Berechtigten (vgl. § 106 Abs. 1 StPO): Zwar wird sein Anwesenheitsrecht durch ein Vorgehen gemäß Nr. 205 Abs. 5 RiStBV nicht relativiert, wohl aber sein Wissen darüber, welche Personen sich in den durchsuchten Räumen aufhalten bzw. dieselben in Augenschein nehmen. Erst im Nachhinein wird ihm die entsprechende Kenntnis über den in den Akten befindlichen Vermerk vermittelt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Maßnahme jedoch regelmäßig bereits erledigt.
Insgesamt erscheint das in Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschriebene Vorgehen unter verschiedenen rechtsstaatlichen Aspekten nicht vertretbar. Es obliegt den Staatsanwaltschaften, eine verfassungskonforme Durchführung von Wohnungsdurchsuchungen zu gewährleisten und hierbei ggf. von den in den RiStBV angesprochenen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen.
[1] Vgl. dazu nur Graf, in: BeckOK-StPO, 38. Ed. (Stand: 1.10.2020), RiStBV Einführung, Rn. 1 ff.
[2] Zur Bezeichnung der Verfassungsschutzämter als „Geheimdienste“ vgl. Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. (2018), Kap. C Rn. 99 f.; a.A. etwa Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 54 ff.
[3] Demgegenüber ist der Verf. der Ansicht, dass innerhalb eines sicherheitsbehördlichen Verfahrens eine die auf die Inhalte der Ermittlungen bezogene, amtshelfende Beteiligung von Geheimdiensten ausnahmslos unzulässig ist, vgl. KriPoZ 2018, 109 (111 ff.); ohne nähere Begründung a.A. OVG Berlin- Brandenburg, Beschl. v. 10.12.2018 – OVG 1 S 13.18 Rn. 19 – juris.
[4] Entsprechend ist wohl Krauß, in: BeckOK-StPO, RiStBV 205 Unterrichtung der Behörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und anderen Verfahren, Rn. 50 zu verstehen; ausf. zum Verhältnis der Übermittlungsregelungen zum Amtshilferecht Gazeas, S. 552 ff.
[5] Vgl. statt vieler nur Stern, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. (2019), Art. 13 Rn. 72.
[6] Vgl. dazu statt vieler nur Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. (2020), Vor § 72 Rn. 1.
[7] Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 163 Rn. 39.
[8] Ausf. Roggan, in: FG Graulich, 2019, S. 115 ff.
[9] Vgl. BayLfD, 27. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz – Berichtszeitraum 2015/2016 (2017), S. 79.
[10] Möllers, in: Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. (2018), Stichwort: Sachverständiger.
[11] Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vor § 72 Rn. 1.
[12] Ausf. dazu etwa Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. (2019), § 4 BVerfSchG Rn. 87.
[13] So wohl auch Krauß, in: BeckOK-StPO, RiStBV 205 Unterrichtung der Behörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und anderen Verfahren, Rn. 50: Es ist ausgeschlossen, dass „die eingesetzten Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden in gleicher Weise wie die Ermittlungspersonen handeln“.
[14] Vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 572: „bewertende Sichtung“.
[15] Vgl. etwa Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 9. Aufl. (2019), Stichwort „unterrichten“.
[16] Vgl. Krauß, in: BeckOK-StPO, RiStBV 205 Unterrichtung der Behörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und anderen Verfahren, Rn. 7.
[17] Droste, S. 572.
[18] Vgl. dazu nur Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105 Rn. 14.
[19] Der Begriff wird vor allem bei der Beschreibung der strafverfolgenden und gefahrenabwehrenden Zweckrichtung von polizeilichen Maßnahmen verwendet, vgl. etwa Roggan, Die Polizei 2008, 112 (113).
[20] Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. (2018), § 4 Rn. 35.
[21] BayLfD, S. 81.
[22] Borsdorff, in: Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. (2018), Stichwort: Auskunftsperson.
[23] Vgl. nur Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105 Rn. 8b.
[24] BVerfG, HRRS 2007, Nr. 961, Rn. 6; vgl. auch Wohlers/Jäger, in: SK-StPO, 5. Aufl. (2016), § 105 Rn. 51; Tsambikakis, in: LR-StPO, 27. Aufl. (2019), § 105 Rn. 122.
[25] Hauschild, in: MüKo-StPO, 2014, § 105 Rn. 35.
[26] Zusammenfassend etwa Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313; jüngst auch Hebeler/Berg, JA 2021, 89 (92).
[27] BVerfG, HRRS 2007, Nr. 961 Rn. 2.
[28] Mallmann, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. (2019), BVerfSchG § 9 Rn. 22 ff.
[29] Ausf. dazu Roggan, DÖV 2019, 425 (428 ff.).
[30] Vgl. etwa Art. 9 Abs. 1 S. 2 BayVSG.
[31] Meister/Biselli, abrufbar unter: https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-den-gesetzentwurf-seehofer-will-staatstrojaner-fuer-den-verfassungsschutz/ (zuletzt abgerufen am 12.3.2021).
[32] Steinke, Süddeutsche Zeitung v. 16.8.2019, S. 6.
[33] BT-Drs. 19/24785 – Entwurf eines „Gesetzes zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts“.
[34] Vgl. Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BVerfSchG § 18 Rn. 20 ff.
[35] Vgl. dazu nur BVerfGE 141, 220 (327, Rn. 285).
[36] Näher dazu Roggan, KriPoZ 2018, 109 (112).
[37] Zuletzt BVerfG, NVwZ 2021, 226 (232, Rn. 99) mwN – ATDG II.
[38] BVerfGE 141, 220 (328, Rn. 287) – BKAG.
[39] BVerfG, NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 100).
[40] BVerfG, NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 105).
[41] BVerfG, NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 106).
[42] Vgl. dazu BVerfGE 133, 277 (329, Rn. 123) – ATDG I; BVerfG, NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 101) – ATDG II.