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Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze

Gesetzentwürfe: 

Die Fraktion CDU/CSU hat im November 2023 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze auf den Weg gebracht (BT-Drs. 20/9310).

Hintergrund ist der Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023. Infolge dessen kam es in Deutschland zu Pro-Palästina-Demonstrationen. Es sei „unerträglich und nicht hinnehmbar, dass der Hamas-Terrorismus und Antisemitismus auf deutschen Straßen und Schulhöfen bejubelt und propagiert, auf Demonstrationen das Existenzrecht Israels öffentlich geleugnet bzw. zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen wird und es auf den propalästinensischen Demonstrationen – wie beispielsweise in Berlin-Neukölln – zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt“, so der Entwurf. Auch ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin am 18. Oktober 2023 sowie Davidstern-Markierungen an Berliner Wohnhäusern von Jüdinnen und Juden sei ein Alarmsignal. Zudem bewege sich die Anzahl der antisemitischen Straftaten in Deutschland auf einem hohen Niveau. Der Schutz jüdischen Lebens sei Staatsaufgabe und unverhandelbar. Deutschland trage aufgrund der nationalsozialistischen Verbrechen eine besondere geschichtliche Verantwortung und Verpflichtung dafür, den Antisemitismus zu bekämpfen. Daher seien durch den Gesetzgeber bestehende Schutzlücken zu schließen und ein Zeichen gegen Antisemitismus und judenfeindliche Tendenzen zu setzen. Zudem sollen unter generalpräventiven Gesichtspunkten antisemitische Straftaten „konsequent verfolgt und schulangemessen geahndet werden“.

Konkret sollen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

  • „Schließung der Schutzlücken beim Landfriedensbruch und Erhöhung des bisherigen Strafrahmens.“

Die Regelung des Landfriedensbruchs sei zu eng ausgestaltet. Strafbar macht sich nur, wer als Täter oder Teilnehmer Teil einer feindseligen Menschenmenge ist. Die Täter seien aber meist durch die umherstehende Mengen abgeschirmt, so dass dies gar nicht feststellbar ist. Nach § 125 Abs. 1 StGB sollen daher die folgenden Absätze 2 und 3 ergänzt werden:

„(2) Wer sich einer Menschenmenge, die die öffentliche Sicherheit bedroht, anschließt oder sich nicht unverzüglich aus ihr entfernt, obwohl aus der Menge mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit begangen werden und er dies erkennen kann, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Absatz 2 ist nicht anzuwenden auf Personen, die in Ausübung dienstlicher oder beruflicher Pflichten handeln, es sei denn, dass sie das Verhalten der Menge unterstützen.“

Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 4 und wird wie folgt gefasst:

„(4) Soweit die in Absatz 1 Nummer 1 und 2 und Absatz 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Absatz 3 und 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.“

  • „Wiederherstellung der Strafbarkeit der sogenannten Sympathiewerbung im Rahmen von § 129 Abs. 1 und § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB.“
  • „Schließung der Schutzlücken bei der Volksverhetzung (Strafbarkeit für das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und für den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel) und Erhöhung des Strafrahmens der Volksverhetzung; insbesondere durch Einführung eines besonders schweren Falls.“

Bislang ist das Leugnen des Existenzrechts Israels und der Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel nicht durch § 130 StGB erfasst. Zudem sei der Strafrahmen der Volksverhetzung teilweise zu niedrig. Der Fall, dass ein:e Täer:in antisemitisch handelt, wird nun durch einen besonders schweren Fall erfasst.

§ 130 Abs. 1 StGB soll wie folgt gefasst werden:

„(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

    1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen auffordert,
    1. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet oder
    1. das Existenzrecht des Staates Israel leugnet oder zur Beseitigung des Staates Israel aufruft,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter antisemitisch handelt.“

Am 15. Januar 2024 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Die Expert:innen begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Entwurfs, der konkrete Gesetzentwurf der Fraktion CDU/CSU traf jedoch nur bei einigen auf Zustimmung. Kritisiert wurden u.a. verfassungsrechtliche Probleme. So werde bspw. durch den Vorschlag, das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel als Volksverhetzung zu bestrafen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Prof. Dr. Elisa Hoven kritisierte, dass der entsprechende Normvorschlag unzulässigerweise an einen Meinungsinhalt anknüpfe. Daher sei eher eine grundlegende Überarbeitung des § 130 StGB sinnvoll, um Strafbarkeitslücken zu schließen. Dem stimmte Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung zu. Andreas Franck von der GenStA München sowie Prof. Dr. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg sahen dies anders. Bei der von der Fraktion vorgeschlagenen Neuregelung handele es sich um ein allgemeines Gesetz, dass die Meinungsfreiheit beschränke und keinen Meinungsinhalt verbiete. Es sei vielmehr eine Gelegenheit „jüdisches Leben in Deutschland zu schützen“, so Franck. Die vorgesehene Verschärfung des Landfriedensbruchs warf ebenfalls verfassungsrechtliche Fragen auf. Stefan Conen vom DAV betonte, dass das grundrechtlich verankerte Recht der Versammlungsfreiheit tangiert werde und schlug eine Verbindung zum Brokdorf-Beschluss des BVerfG. Rechtsanwältin Kati Lang und Prof. Dr. Ulrike Lembke von der Humboldt-Universität Berlin lehnten den Gesetzentwurf allgemein ab. Bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten bestehe ein „Vollzugs- und nicht ein Regelungsdefizit“, so Lang. Dies liege an der „Mut- und Willenlosigkeit der Justiz“. Auch Lembke betonte, dass das Strafrecht vorhanden sei, es aber eher um eine konsistente und konsequente Anwendung dessen gehe. Lang schlug zudem vor, die Beteiligungsrechte bei antisemitischen Straftaten, bspw. durch eine Nebenklagemöglichkeit, zu stärken.

 

 

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