von Dr. Anneke Petzsche und Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Heger
Abstract
Der vor kurzem vom Kabinett beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung soll nach deutlicher Rüge von Umsetzungsdefiziten im deutschen Recht und einem eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission das deutsche Terrorismusstrafrecht an die europäischen Vorgaben anpassen. Der vorliegende Beitrag analysiert die darin enthaltenen zentralen Änderungen kritisch und untersucht sie auf ihre europarechtliche Determinierung. Dabei werden auch die von der Kommission behaupteten Umsetzungsdefizite kritisch hinterfragt. Der Beitrag kritisiert die im Entwurf enthaltenen weiteren erheblichen Vorverlagerungen im Bereich des Terrorismusstrafrechts, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehenen Versuchsstrafbarkeiten, und mahnt eine Berücksichtigung der europarechtlich bestehenden Spielräume im weiteren Gesetzgebungsverfahren an.
The draft law on the implementation of Directive (EU) 2017/541 on combating terrorism, which was recently passed by the German cabinet, is intended to bring German criminal law on terrorism into line with European requirements, following clear criticism of implementation deficits in German law and the initiation of infringement proceedings by the European Commission. This article critically analyses the central changes contained in the draft law and examines them with regard to their determination by European law. It also critically examines the transposition deficits alleged by the Commission. The article criticises the further significant expansion of substantive terrorism law in the proposed draft, especially with regard to the planned introduction of further inchoate offences, and calls for the existing scope under European law to be taken into account in the further legislative process.
I. Die Vorgeschichte
Der internationale und insbesondere europäische Einfluss auf das deutsche Terrorismusstrafrecht hat eine lange Geschichte.[1] Schon früh hat die internationale Staatengemeinschaft erkannt, dass die Bekämpfung des Terrorismus eine internationale Aufgabe ist.[2] Verstärkt wurde diese Tendenz durch die fortschreitende Globalisierung des Terrorismus, u.a. durch die grenzüberschreitende Nutzung des Internets sowie die weltweite Vernetzung verschiedener terroristischer Gruppen und die damit einhergehende Reisetätigkeit sog. ausländischer terroristischer Kämpfer (foreign terrorist fighters). Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt durch spektakuläre terroristische Anschläge in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Zu nennen sind die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon (9/11) in den USA, deren Täter zum Teil ihre Flugausbildung in Deutschland absolviert hatten, und verschiedene terroristische Taten auf europäischem Boden beginnend mit den Anschlägen in Madrid im März 2004 und London im Mai 2005[3] sowie ein Jahrzehnt später die eine riesige Welle beginnenden Anschläge in Paris im Januar (u.a. Charlie Hebdo) und im November 2015, im März 2016 in Brüssel, im Juni 2016 in Nizza, im Dezember 2016 in Berlin oder im Mai 2017 in Manchester, die allesamt von ausländischen terroristischen Organisationen wie Al-Qaida oder dem IS begangen wurden oder diesen zuzurechnen sind. Als Reaktion darauf traten auch internationale und supranationale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UNO) oder die Europäische Union (EU) vermehrt als Akteure auf, die gezielt rechtliche Entwicklungen oder vielmehr Verschärfungen im Bereich des Terrorismusstrafrechts und seinen Begleitregelungen durchsetzten.[4]
Speziell auf Ebene der EU wurde die Bedeutung der Terrorismusbekämpfung schon früh betont.[5] So trat im Jahr 2002 ein Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung (im Folgenden: Rb 2002)[6] in Kraft, der die Pönalisierung bestimmter terroristischer Handlungen vorsah.[7] Der Schwerpunkt lag dabei auf den sog. terroristischen Straftaten und der terroristischen Vereinigung. Dieser Rahmenbeschluss erfuhr bereits 2008 eine Reform und Erweiterung durch den Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28. November 2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (in der Folge: Rb 2008), der insbesondere eine Ausweitung auf terroristische Vorbereitungshandlungen vorsah.[8]
Basierend auf den Veränderungen im Primärrecht durch den Vertrag von Lissabon[9] erfolgte eine Konsolidierung und erneute Erweiterung des Terrorismusstrafrechts durch die Richtlinie 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (im Folgenden: RL 2017/541),[10] die am 20. April 2017 in Kraft trat und bis zum 8. September 2018 von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Während Deutschland der Kommission eine fristgerechte Umsetzung meldete, bestanden nach einem Bericht der Kommission noch gewisse Defizite.[11] Auf die darin geäußerte Kritik reagierte Deutschland zunächst nicht. Nachdem die Europäische Kommission jedoch im April 2023 die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens u.a. gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der RL 2017/541 beschlossen hatte,[12] legte das Bundesministerium der Justiz (BMJ) im November 2023 einen Referentenentwurf (RefE) vor, der Mitte Mai 2024 im Bundeskabinett als besonders eilbedürftig beschlossen und dem Bundesrat zugeleitet wurde.[13] Dieser Entwurf soll – laut der enthaltenen Erläuterungen – der Umsetzung der RL 2017/541 dienen und die „Rügen – soweit sie nachvollziehbar erscheinen – unter Wahrung der deutschen Strafrechtssystematik“[14] ausräumen. Inwieweit dies gelungen ist und wie die vorgeschlagenen Änderungen des deutschen Rechts zu bewerten sind, soll hier im Folgenden näher beleuchtet werden.
Dabei ist vorwegzunehmen, dass der deutsche Gesetzgeber europarechtlich an die zwingenden (Mindest-)Vorgaben der Richtlinie gebunden ist. Insofern gilt es, den Umsetzungsspielraum auszuloten, den das Instrument der Richtlinie belässt, die „nur“ hinsichtlich der normierten Ziele Bindungswirkung entfaltet, in der Umsetzung den Mitgliedstaaten aber Freiheit gewährt. Damit gilt aber zugleich, dass viele – dies sei vorweggenommen – problematische Elemente europarechtlich bindend gemacht worden sind, auch wenn sie aus deutscher Sicht verfassungsrechtlich problematisch erscheinen mögen.[15] Insofern wurde eine Intervention durch Deutschland bereits im Vorfeld der Schaffung der RL 2017/541 versäumt. Die Folge davon zeigt sich in dem Reformversuch durch den vorgelegten Referentenentwurf, dessen Änderungsvorschläge für das deutsche Anti-Terrorstrafrecht im Folgenden dargestellt, auf ihre europarechtliche Determinierung hin untersucht und einer kritischen Analyse unterzogen werden sollen.
II. Kernregelungen der Richtlinie
Zunächst soll ein kurzer Überblick über die zentralen Regelungen der RL 2017/541 gegeben werden: Die im Jahr 2017 in Kraft getretene Terrorismusrichtlinie stellt eine Fortentwicklung des Rechtsrahmens für die strafrechtliche Terrorismusbekämpfung der EU-Mitgliedstaaten dar. Inhaltlich knüpft die Terrorismusrichtlinie an die Terrorismus-Rahmenbeschlüsse von 2002 und 2008 an. Deren Regelungen wurden im Wesentlichen übernommen. Darüber hinaus enthält die Richtlinie einige Erweiterungen. Neben der grundlegenden Definition terroristischer Straftaten (Art. 3) und weiteren Begriffsbestimmungen (z.B. „terroristische Vereinigung“) enthält die RL 2017/541 eine Pönalisierungspflicht für verschiedene terroristische Straftaten, nämlich für Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung – wobei sowohl das Anführen als auch die Beteiligung erfasst werden soll (Art. 4) – sowie für verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten. Letztere können zwar auch im Rahmen terroristischer Vereinigungen begangen werden, zielen aber insbesondere auf das Handeln von Einzeltätern ab. Geregelt werden die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat (Art. 5), die Anwerbung für terroristische Zwecke (Art. 6), die Durchführung und Absolvierung einer Ausbildung für terroristische Zwecke (Art. 7 und 8), die Reisetätigkeit für terroristische Zwecke (Art. 9) einschließlich deren Organisation oder sonstiger Erleichterung (Art. 10) sowie die Terrorismusfinanzierung (Art. 11). Im Vordergrund steht damit das Vorfeld terroristischer Anschläge, was durch die ausdrückliche Feststellung unterstrichen wird, dass generell weder die tatsächliche Begehung einer terroristischen Straftat noch ein Bezug zu einer konkreten terroristischen Straftat erforderlich ist (Art. 13). Dass – anders als bisher – nunmehr auch die Beihilfe, Anstiftung und der Versuch zu nahezu allen geregelten Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt werden muss (Art. 14), führt zu einer weiteren – von der Richtlinie vorgesehenen – Ausweitung der Strafbarkeit. Neben den Pönalisierungsanforderungen enthält die Richtlinie auch Regelungen zu verschiedenen „angrenzenden“ Rechtsbereichen wie Ermittlungsinstrumente (Art. 20), Maßnahmen gegen Online-Inhalte (Art. 21) sowie Opferrechte (Art. 24 ff.).
III. Änderungen im deutschen Strafrecht und Strafprozessrecht
Deutschland erfüllt im Bereich des Terrorismusstrafrechts bereits viele Anforderungen der RL 2017/541.[16] Gleichwohl ergeben sich durch die Erweiterung der Richtlinie im Vergleich zum Rb 2008 einige Lücken, die durch den RefE durch verschiedene Änderungen – oder treffender: Erweiterungen – insbesondere im materiellen Strafrecht geschlossen werden sollen.[17]
1. Neue Begrifflichkeit:„terroristische Straftat“
Die zentrale Neuerung des Referentenentwurfs stellt eine rein sprachliche Änderung dar. Der für die §§ 89a, 89b und 91 StGB zentrale Begriff der „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ wird durch den Begriff der „terroristischen Straftat“ ersetzt. Dies entspricht dem Wortlaut der Richtlinie, die in Art. 3 von „terroristischen Straftaten“ („terrorist offences“, „Infractions terroristes“, „Delitos de terrorismo“) spricht. Art. 3 RL 2017/541 stellt für die Umschreibung einer solchen terroristischen Straftat auf die terroristische Zielsetzung ab und verknüpft diese mit einem Katalog bestimmter Straftaten, die zudem objektiv ein zusätzliches Gefährdungsmoment aufweisen müssen. Art. 3 RL 2017/541 wird nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers im Wesentlichen durch § 89a StGB abgebildet.[18] Mit dem vorgelegten Referentenentwurf soll § 89a StGB weiter an Art. 3 RL 2017/541 angenähert werden, insbesondere durch eine stärkere Anpassung an den dort enthaltenen Straftatenkatalog sowie durch die Übernahme der Bezeichnung als „terroristische Straftat“.
Hintergrund dieser sprachlichen Änderung ist, dass die fehlende Bezeichnung als „terroristische Straftaten“ von der Kommission ausdrücklich gerügt wurde, die in ihrem Bericht betont, dass Art. 3 Abs. 1 RL 2017/541 nicht nur die Verpflichtung beinhalte, bestimmte Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen, sondern auch, diese ausdrücklich als „terroristische Straftaten“ zu bezeichnen („does not just entail a requirement to criminalise specific acts, but also that such acts are labelled as terrorist offences in national legislation“).[19] Diese fragwürdige[20] Forderung ist vor dem Hintergrund der Notwendigkeit eines Informationsaustausches auf europäischer Ebene im Bereich des Terrorismus zu verstehen. So weist die Kommission selbst in ihrem Umsetzungsbericht darauf hin, dass eine gemeinsame Einstufung als „terroristische Straftat“ wichtig sei, um die Instrumente der Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung effektiv nutzen zu können.[21] Bereits der in diesem Zusammenhang zitierte Beschluss 2005/671/JI des Rates vom 20. September 2005 über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten offenbart jedoch die Zirkularität dieses Arguments. Der genannte Beschluss bezeichnet „terroristische Straftaten“ ausdrücklich als die später in der Richtlinie (EU) 2017/541 aufgeführten Straftaten. Insofern spielt die Bezeichnung als terroristische Straftat für den Informationsaustausch selbst keine Rolle, sondern Grundlage hierfür sind die nationalen Normen, die eben diese Richtlinie – unabhängig von ihrer Bezeichnung – umsetzen.
Darüber hinaus ist mehr als fraglich, ob die EU überhaupt die Kompetenz hat, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, bestimmte Straftatbestände mit einer bestimmten Bezeichnung zu versehen. Die primärrechtliche Kompetenz des Art. 83 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV besteht ausdrücklich (nur) für „Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen“. Als Instrument ist die Richtlinie vorgesehen, die eben (nur) in ihrer Zielsetzung (hier: dass das genannte Verhalten unter Strafe gestellt wird) verbindlich ist. Sie regelt das „Ob“ („Straftat“), nicht das „Wie“ (u.a. bestimmte Bezeichnung der Straftat). Art. 288 UAbs. 3 AEUV stellt das generell für Richtlinien noch einmal klar, wenn es dort heißt: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“. Auch vor dem Hintergrund des für das Unionsrecht zentralen Grundsatzes der Subsidiarität (Art. 5 Abs. 3 EUV) besteht daher wohl keine Kompetenz, bei der Umsetzung einer Richtlinie vorzuschreiben, wie ein bestimmter Straftatbestand zu bezeichnen ist. Dies würde angesichts der unzähligen Sprachfassungen innerhalb der EU[22] und der nationalen Besonderheiten gerade im Strafrecht auch schon praktisch auf erhebliche Hindernisse stoßen. Dass die Verpflichtung zu einer bestimmten Bezeichnung nicht besteht, zeigt sich auch daran, dass es nicht zwingend ist, ein bestimmtes strafbares Verhalten über seine konkrete Beschreibung hinaus überhaupt zu benennen. Bester Beleg hierfür ist die deutsche Strafrechtsgeschichte selbst, denn bis zum 31. Dezember 1974, d.h. auch während der ersten 17 Jahre nach den Römischen Gründungsverträgen der Europäischen Gemeinschaften, trugen die Bestimmungen des StGB keinerlei amtliche Bezeichnung. Und weil nach Art. 67 Abs. 1 AEUV gerade für den Titel über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in welchem sich die Strafrechtsharmonisierungskompetenzen des Art. 83 AEUV befinden, die individuellen „Rechtsordnungen und -traditionen“ berücksichtigt werden müssen, müsste es Deutschland natürlich jederzeit möglich sein, zu seinem über mehr als hundert Jahre tradierten System des Verzichts auf amtliche Bezeichnungen zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund geht die von der EU behauptete (vorgebliche) Verpflichtung aller Mitgliedstaaten zu einer bestimmten Terminologie über die ihr in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV gegebene Mindestharmonisierungskompetenz hinaus. Da diese aber eben nur Mindestvorgaben enthalten kann, können die Mitgliedstaaten nach ihrem Ermessen über die verbindlichen Vorgaben hinausgehend auch terminologische Anregungen der EU aufgreifen.
Wenngleich die Kritik an der Bezeichnung als „schwere, staatsgefährdende Gewalttat“ berechtigt[23] und eine Bezeichnung als „terroristische Straftat“ gerade aus Opfersicht vorzugswürdig sein mag,[24] ist im Hinblick auf die vorgeschlagene sprachliche Änderung wichtig festzuhalten, dass es dem deutschen Gesetzgeber freisteht, eine neue Bezeichnung für die erfassten Taten zu wählen; europarechtlich zwingend ist dies hingegen nicht.
Abschließend sei noch auf ein kleines Detail hingewiesen: Auch wenn die Bedeutung des innereuropäischen Informationsaustausches für die Kritik der Kommission an der deutschen Bezeichnung handlungsleitend gewesen sein mag,[25] wird das Problem durch die vorgesehene begriffliche Änderung nicht vollends gelöst. Die Ausgestaltung des § 89a StGB als reines Vorbereitungsdelikt[26] führt dazu, dass vermeintlich eindeutige Fälle wie der rechtsterroristische Anschlagsversuch in Halle 2019 nicht zwingend einen Informationsaustausch auslösen.[27] Bei dieser Tat hatte der rechtsextreme Täter Stephan Balliet versucht, an Jom Kippur einen Massenmord in einer Synagoge in Halle zu begehen. Er versuchte – per Helmkamera als Livestream übertragen – mit Waffengewalt in die Synagoge einzudringen, um die dort versammelten Menschen zu töten, was ihm jedoch nicht gelang. Auf der Flucht erschoss er zwei Personen. Der Täter wurde wegen Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes in einer Vielzahl von Fällen und weiterer Delikte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.[28] Da sich die Ermittlungen in einem solchen Fall richtigerweise auf die (versuchten) Tötungsdelikte sowie ergänzende Delikte wie Volksverhetzung konzentrieren, bleiben die Vorbereitungshandlungen (nach §§ 89a, 89b oder 91 StGB) zumeist ausgeklammert. Nur diese stellen jedoch unzweifelhaft die nationalen Umsetzungsnormen der europarechtlich determinierten (ausdrücklich als solche bezeichneten oder nicht) terroristischen Straftatbestände dar. Einen „terroristischen Mord“ kennt das deutsche Recht hingegen nicht.[29] Damit verbleibt bei einer Mordermittlung die Einschätzungsprärogative bei den deutschen Behörden, ob ein – zu meldender – terroristischer Mord(-versuch) vorliegt oder nicht. Dient mithin die sprachliche Änderung der Erfüllung der – rechtlich gesehen nicht bindenden – Forderung aus Brüssel, ist damit noch nicht in jedem Fall das erreicht, was sich dahinter verbirgt: die Pflicht zum Informationsaustausch über alle „terroristischen Straftaten“ im Sinne der RL 2017/541.
2. Erweiterungen des Straftatenkatalogs von § 89a StGB
Neben der rein sprachlichen Änderung der Bezeichnung soll § 89a StGB auch eine inhaltliche Änderung und Erweiterung erfahren. Er wird (noch) stärker an Art. 3 RL 2017/541 ausgerichtet und strukturiert. Art. 3 RL 2017/541 stellt für die Bestimmung einer terroristischen Straftat auf eine terroristische Zielsetzung ab und verknüpft diese mit einem Katalog bestimmter Straftaten, denen objektiv ein zusätzliches Gefährdungsmoment zukommt. Der Art. 3 RL 2017/541 umsetzende § 89a StGB hat bisher einen – durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnenden – Aufbau: Absatz 1 Satz 1 umschreibt den Tatbestand und nennt das mögliche Strafmaß („Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.“). Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 konkretisieren den Tatbestand, indem ersterer eine Legaldefinition der schweren staatsgefährdenden Gewalttat enthält („Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.“) und letzterer die möglichen Vorbereitungshandlungen aufführt („Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er […]“). Im Ergebnis macht sich danach strafbar, wer eine im Katalog des § 89a Abs. 2 StGB aufgeführte Vorbereitungshandlung begeht und dadurch eine – in § 89a Abs. 1 S. 2 StGB legaldefinierte – schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet.
Als Vorbereitungshandlung nennt der abschließende Katalog des § 89a Abs. 2 StGB u.a. die Unterweisung einer anderen Person oder das Sichunterweisenlassen in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen oder in sonstigen Fertigkeiten sowie die Herstellung, das Verschaffen oder Verwahren solcher Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen. Eine Einschränkung in subjektiver Hinsicht ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt jedoch in verfassungskonformer, einschränkender Auslegung des subjektiven Tatbestandes, dass der Täter bei Vornahme der in § 89a Abs. 2 StGB normierten Vorbereitungshandlungen bereits fest entschlossen sein muss, die schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.[30] Durch die Beibehaltung dieser unglücklichen Gesetzestechnik soll nach dem Willen des Referentenentwurfs auch die bisherige Rechtsprechung zu § 89a StGB weiterhin Anwendung finden,[31] die leider nicht ausdrücklich in den Gesetzeswortlaut aufgenommen werden soll, was jedoch zu befürworten wäre.[32]
Inhaltlich werden damit reine Vorbereitungshandlungen strafrechtlich erfasst. An diesem komplizierten Aufbau ändert auch der Regierungsentwurf im Grundsatz nichts. § 89a Abs. 1 S. 1 RefE beschreibt den Tatbestand nach wie vor als Vorbereitung einer – nunmehr terroristischen – Straftat. Diese wird in § 89a Abs. 1 S. 2 RefE legaldefiniert und § 89a Abs. 2 RefE beschreibt – mit einigen wenigen inhaltlichen Änderungen – weiterhin die konkreten Vorbereitungshandlungen. Die größte Änderung erfährt dabei die in § 89a Abs. 1 S. 2 RefE geregelte Legaldefinition, die sich inhaltlich nunmehr deutlich stärker an Art. 3 RL 2017/541 orientiert. Während sich die ursprüngliche Fassung der Legaldefinition der schweren staatsgefährdenden Gewalttat an der Staatsschutzklausel des § 120 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a, b GVG orientierte,[33] folgt die vorgeschlagene Ausgestaltung nunmehr Art. 3 RL 2017/541, indem sie einen (erweiterten) Deliktskatalog an eine subjektive Zielrichtung und objektive Gefährlichkeit knüpft. Damit nähert sich § 89a StGB auch den Regelungen in §§ 89c und 129a StGB weiter an, die bereits zuvor die Struktur der Rahmenbeschlüsse (und nunmehr der RL 2017/541) abbildeten. Der so geschaffene Gleichlauf ist aus Gründen der besseren Verständlichkeit zu begrüßen. Auch wenn gegen diese Neustrukturierung grundsätzlich nichts einzuwenden und eine Vereinheitlichung mit den §§ 89c, 129a StGB zu befürworten ist, ist darauf hinzuweisen, dass mit der Umstrukturierung auch eine erhebliche Erweiterung des Katalogs der erfassten Taten einhergeht, die jedoch europarechtlich determiniert ist:
Der neue Absatz 1 Satz 2 des § 89a StGB enthält neben dem Straftatenkatalog (Nr. 1 bis 8) nunmehr auch eine Androhungsvariante (Nr. 9).[34] Auch dies entspricht europarechtlichen Vorgaben. Darüber hinaus enthält der an den europäischen Wortlaut angepasste Katalog eine deutliche Erweiterung der erfassten Straftaten über die bisher (nur) genannten §§ 211, 212, 239a, 239b StGB hinaus, die jedoch weiterhin in Nr. 1 bzw. Nr. 3 geregelt sind. Der neue Katalog versucht die weiteren aufgeführten Straftaten – in ihren Entsprechungen im deutschen Recht – abzubilden. Interessant ist Nr. 2, die nunmehr ausdrücklich auch Körperverletzungen im Sinne der §§ 224 und 226 StGB erfasst, darüber hinaus aber auch jede Körperverletzung, die „schwere körperliche oder seelische Schäden“ verursacht.[35] Dafür spricht der Wortlaut, der nur beispielhaft auf die Folgen des § 226 StGB verweist („Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art“). Diese Formulierung findet sich (ohne Nennung des § 224 StGB) bereits in § 129a Abs. 2 Nr. 1 StGB, ist aber unter Bestimmtheitsgesichtspunkten zu kritisieren. Die RL 2017/541 spricht in diesem Zusammenhang von Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit („attacks upon the physical integrity of a person“, „les atteintes à l’intégrité physique d’une personne“, „atentados contra la integridad física de una persona“; siehe Art. 3 Abs. 1 b) RL 2017/541). Die Wahl des Begriffs „Angriffs“ (attacks, atteintes, atentados) verdeutlicht dabei, dass eine gewisse Schwere der Tat erforderlich ist. Wenngleich die Aufnahme der §§ 224 und 226 StGB in den Katalog im Hinblick auf die in den letzten Jahren vermehrt aufgetretenen, terroristisch motivierten Messerattacken sinnvoll und durch Art. 3 Abs. 1 b) RL 2017/541 determiniert ist, stellt sich die Frage, ob auch eine Erweiterung über die Folgen des § 226 StGB hinaus erforderlich ist. Denn ob es darüber hinaus der Nennung (weiterer) schwere körperlicher oder seelischer Schäden bedurft hätte und ob es dafür überhaupt einen Anwendungsbereich gibt, ist mit Blick auf den Wortlaut der Richtlinie sowie die Bestimmtheit fraglich. Insofern wäre eine Beschränkung des § 89a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und des § 129a Abs. 2 Nr. 1 RefE auf den Regelungsgehalt der §§ 224, 226 StGB vorzugswürdig.
Auch die in § 89a StGB bereits enumerativ aufgelisteten Vorbereitungshandlungen erfahren eine – wenn auch geringfügige – Erweiterung. Zunächst wird der (engere) Begriff der Schusswaffe durch Waffen im Allgemeinen ersetzt. Hinsichtlich der (zumeist) gefährlichen Gegenstände, auf die sich die Vorbereitung einer terroristischen Straftat bezieht, erfolgt ebenfalls eine Erweiterung der erfassten Tathandlungen, da nunmehr auch die Beförderung dieser Gegenstände[36] und hinsichtlich bestimmter (atomarer, biologischer, chemischer) Stoffe bereits die Forschung[37] im Hinblick auf deren Entwicklung oder Herstellung erfasst wird. Gerade im Hinblick auf die letztgenannte Ergänzung stellt sich die Frage, ob diese Handlung zumindest im Hinblick auf Kernwaffen nicht bereits durch § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKonG, „entwickeln“) hinreichend erfasst ist. Eine einheitliche Regelung im Rahmen des § 89a StGB mag jedoch der Übersichtlichkeit dienen.
3. Die Strafbarkeit von Reisetätigkeiten
Auch hinsichtlich der strafbaren Reisetätigkeiten sieht der Regierungsentwurf eine deutliche Erweiterung vor. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass das geltende Recht in § 89a Abs. 2a StGB nur die Ausreise bzw. – genauer – das Unternehmen der Ausreise aus Deutschland unter Strafe stellt.[38] Die dadurch entstehenden Lücken, die durch § 129a StGB teilweise, aber nicht vollständig geschlossen werden, hat die Mitautorin dieses Beitrags bereits 2019 identifiziert.[39] Während sie bei der Schließung dieser Lücken für Zurückhaltung plädierte,[40] geht die Regierung mit dem beschlossenen Entwurf einen anderen Weg. In Umsetzung von Art. 9 RL 2017/541 soll die Reisetätigkeit gänzlich neu strukturiert und sowohl eine Ausreise- (§ 89a Abs. 2 Nr. 4 RefE) als auch eine Einreisevariante (§ 89a Abs. 2 Nr. 5 RefE) ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen werden.
Neben dieser Ergänzung auch um die Einreise (§ 89a Abs. 2 Nr. 5 RefE) soll der subjektive Tatbestand neu geregelt werden. Bisher war die subjektive Zielsetzung wie folgt formuliert: „unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen [= Unterweisen oder Unterweisenlassen in terroristischen Fähigkeiten] aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.“ Der Tatbestand regelt damit die Ausreise aus Deutschland zu bestimmten terroristischen Zwecken. Nunmehr soll das subjektive Element der Ausreise wie folgt differenziert werden: „um a) zum Zweck der Begehung einer terroristischen Straftat oder einer in Nummer 1 genannten Handlung sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne der Nummer 1 erfolgen, oder b) sich an einer Vereinigung im Sinne des § 129a, auch in Verbindung mit § 129b, als Mitglied zu beteiligen“. Dies bildet die Formulierung der Richtlinie ab, in der das objektive Element der Ausreise um drei subjektive Zielrichtungen ergänzt wird: 1. die Begehung einer terroristischen Straftat (oder zu ihrer Begehung beizutragen), 2. die Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung oder 3. eine Ausbildung für terroristische Zwecke. Auch wenn die Ausreisevariante bereits zuvor vollständig durch die §§ 89a und 129a erfasst war[41] und insofern diese Änderung zur Umsetzung der Richtlinie nicht zwingend ist, dient sie der Klarstellung und dem Gleichlauf mit der neuen Einreisevariante.
Nach dem Referentenentwurf soll die Einreise in das Bundesgebiet in Verbindung mit den folgenden subjektiven Zielsetzungen unter Strafe gestellt werden: „um a) eine terroristische Straftat oder eine in Nummer 1 genannten Handlung zu begehen oder b) sich an einer Vereinigung im Sinne des § 129a, auch in Verbindung mit § 129b, als Mitglied zu beteiligen oder um eine solche Vereinigung zu unterstützen.“ Damit wird auch hier der Dreiklang der RL 2017/541 – Ziel der Begehung einer terroristischen Straftat, der Unterweisung oder Beteiligung/Unterstützung einer terroristischen Vereinigung – übernommen.
Mit dieser Neuformulierung der Reisezwecke sowie der Einführung einer Einreisevariante wurde sicherlich auch dem Vorwurf des Umsetzungsberichts Rechnung getragen, dass die Ausreise mit Ziel der Teilnahme an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung mangels ausdrücklicher Bezugnahme nicht ausreichend abgebildet wurde.[42] Ob für diesen speziellen Fall aber tatsächlich eine Strafbarkeitslücke besteht, ist zweifelhaft.[43] Zum einen gilt angesichts der Kompetenzgrundlage auch hier, dass die europäischen Vorgaben (nur) inhaltlich umzusetzen sind, nicht aber eine bestimmte Form oder Formulierung vorschreiben können. Dass eine Regelung in § 129a StGB grundsätzlich ausreicht, ergibt sich zudem aus der Terrorismusrichtlinie selbst. In Erwägungsgrund 12 wird klargestellt, dass nicht die Reise als solche unter Strafe gestellt werden muss, sondern das entsprechende Verhalten auch als Vorbereitungshandlung zu einer terroristischen Handlung geregelt werden kann. Handelt es sich bei dem Ausreisenden um ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung, wird in der Regel entweder eine mitgliedschaftliche Beteiligung (nach § 129a Abs. 1 oder 2 StGB) oder eine Unterstützungshandlung nach § 129a Abs. 5 S. 1 StGB vorliegen. Es liegt nahe, dass der Täter, der ausreist, um sich an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung zu beteiligen, einen hinreichenden Bezug zu der Vereinigung hat, um zumindest eine der beiden Varianten zu erfüllen. Gegebenenfalls sind die entsprechenden Tatbestandsmerkmale im Einklang mit der Richtlinie weit auszulegen. Reisetätigkeiten mit dem Ziel, sich an den Bestrebungen einer terroristischen Vereinigung zu beteiligen, sind daher in den allermeisten Fällen bereits nach geltendem Recht von § 129a StGB erfasst. Vor diesem Hintergrund steht die Neuregelung dieser Variante dem deutschen Gesetzgeber frei; europarechtlich zwingend ist sie nicht.
Die klare Benennung der Tathandlung als Ein- bzw. Ausreise ist sicherlich gegenüber dem „Unternehmen“, d.h. auch dem Versuch der bislang genannten Tathandlung (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB) vorzugswürdig. Auch die Neustrukturierung des Reisezweckes trägt zur Verständlichkeit bei. Die in dieser Norm enthaltene erhebliche Vorverlagerung der Strafbarkeit ist zwar generell zu bedauern, aber zum Teil den – zwingenden – europarechtlichen Vorgaben geschuldet. Verbleibende Spielräume sollte der Gesetzgeber jedoch dringend nutzen und von einer umfassen Ausweitung absehen.
4. Die Strafbarkeit der Terrorismusfinanzierung
Auch der 2015 neu geschaffene Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung in § 89c StGB soll nach dem vorgelegten Referentenentwurf erweitert werden. Da er bereits zuvor in seiner Struktur stärker an die europäischen Vorgaben angepasst worden war, sind die Änderungen hier weniger tiefgreifend. Zum einen ist eine Vereinfachung des Absatzes 1 vorgesehen durch den Verweis auf die – nunmehr in § 89a Abs. 1 S. 2 RefE legaldefinierte – terroristische Straftat. Die dort vorgenommene Erweiterung des Katalogs wirkt damit auch im Rahmen des § 89c StGB.[44] So wird beispielsweise auch die Finanzierung von Ein- und Ausreisetätigkeiten nach § 89a Abs. 2 Nr. 4 und 5 RefE ausdrücklich erfasst. Geregelt ist – wie bisher – die Finanzierung sowohl geplanter fremder als auch eigener terroristischer Straftaten. Absatz 2 soll darüber hinaus künftig auch die Finanzierung bestimmter terroristischer Vorbereitungshandlungen – wenn auch mit einem geringeren Strafrahmen – unter Strafe stellen, wie es die RL 2017/541 in Artikel 11 i.V.m. Artikel 3 Abs. 1 j) und Artikel 5, 6, 7, 8 und 10 vorsieht. § 89c Abs. 1 und 2 RefE (letzterer mit entsprechend geringerem Strafrahmen) differenzieren sinnvollerweise entsprechend der Schwere der finanzierten Tat. Insofern enthält die Neuregelung keine wesentliche Erweiterung, sondern stellt vor allem eine (noch) engere Umsetzung der RL 2017/541 dar.
Darüber hinaus soll in § 89c Abs. 8 RefE eine – bisher nicht vorgesehene – Versuchsstrafbarkeit eingeführt werden. Dies stellt eine weitere erhebliche Ausweitung der Strafbarkeit in Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 i.V.m. Art. 11 RL 2017/541 dar. Zu diesem problematischen Bereich der deutlichen Erweiterungen auch auf den Versuch der normierten terroristischen Vorbereitungshandlungen sogleich.
5. Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit
Die deutliche Ausweitung bereits auf den Versuch der normierten terroristischen Vorbereitungshandlungen ist eine zentrale Erweiterung gegenüber den bisherigen Rahmenbeschlüssen 2002 und 2008 durch die Richtlinie 2017/541. Während der Rb 2002 eine Versuchsstrafbarkeit nur für terroristische Straftaten und terroristische Aktivitäten vorsah (dort Art. 4 Abs. 2), da die weiteren Vorbereitungshandlungen erst mit der Änderung durch den Rb 2008 eingeführt wurden, überließ dieser Rahmenbeschluss den Mitgliedstaaten immerhin noch die Entscheidung, ob sie eine Versuchsstrafbarkeit hinsichtlich der dort normierten Vorbereitungshandlungen der Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke unter Strafe stellen wollen („kann“, siehe dort Art. 4 Abs. 4). Dies hat sich durch Art. 14 Abs. 3 RL 2017/541 geändert, der nunmehr eine Versuchsstrafbarkeit für die Art. 3, 6, 7, Art. 9 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 a), Art. 11 und 12 vorsieht, wobei der Besitz nach Art. 3 Abs. 1 f) sowie die Androhungsvariante nach Art. 3 Abs. 1 j) ausgenommen sind. Gleichwohl handelt es sich auch hier wieder um eine erhebliche Erweiterung, wenn man sich den weitreichenden und vorverlagerten Regelungsgehalt der genannten Artikel vergegenwärtigt. Als Beispiel sei nur Art. 6 RL 2017/541 genannt, der zwar nach seiner Bezeichnung (nur) die Anwerbung für terroristische Straftaten erfasst. Inhaltlich ist aber neben der Bestimmung zur Begehung einer terroristischen Straftat auch die Bestimmung zur Beihilfe zu deren Begehung erfasst („soliciting another person to […] contribute to the commission“, „instar a otra persona a que […] contribuya a la comisión“, „solliciter une autre personne […] pour contribuer à la commission“). Damit wird bereits im Rahmen des Art. 6 eine Form der Anstiftung zur Beihilfe geregelt. Eine solche kann nach deutscher Dogmatik (noch) als Beihilfehandlung erfasst werden. Durch die umfangreiche Verweisung in Art. 14 Abs. 3 RL 2017/541 soll nun aber nicht nur die bereits problematische versuchte Anstiftung, sondern sogar die versuchte Anstiftung zur Beihilfe unter Strafe gestellt werden. Dieser unerträglichen Ausweitung hätte deutscherseits angesichts der offensichtlichen Friktion mit § 30 StGB eigentlich bereits bei der Formulierung der Richtlinie entgegengewirkt werden müssen. Dies ist leider nicht geschehen. Es ist zu vermuten, dass die erhebliche Ausweitung des Art. 14 Abs. 3 RL 2017/541 möglicherweise nicht allen Mitgliedstaaten klar war, da ansonsten sicherlich das Ziehen der „Notbremse“ des Art. 83 Abs. 3 AEUV in Betracht gekommen wäre.
Nach Art. 14 Abs. 3 RL 2017/541 besteht daher grundsätzlich eine europarechtliche Umsetzungspflicht für eine solche erweiterte Versuchsstrafbarkeit, die allerdings für einige extreme Teilaspekte in Frage gestellt werden kann. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu bedenken, dass sich die Versuchsstrafbarkeit ausschließlich nach dem nationalen Recht des jeweiligen Landes richtet. Nicht alle Mitgliedstaaten der EU kennen jedoch wie Deutschland die Strafbarkeit bereits des untauglichen Versuchs, vor allem wenn das Versuchsunrecht primär objektiv begründet wird.[45] Damit erfasst der „deutsche“ Versuch schon nach der inneren Logik des Strafrechts deutlich mehr Verhaltensweisen als dies in anderen Ländern der Fall ist. Um dies und die damit verbundenen weitreichenden Konsequenzen zu verdeutlichen, mag das folgende Beispiel hilfreich sein. Da das deutsche Recht den untauglichen und sogar den grob unverständigen untauglichen Versuch kennt und unter Strafe stellt (vgl. § 23 Abs. 3 StGB), wäre von der Versuchsstrafbarkeit auch erfasst, wenn ein Täter einen anderen (erfolglos) dazu zu überreden versucht, ein Flugzeug (aus terroristischen Motiven) mit Pfeil und Bogen abzuschießen. Dies würde nach den (nicht umgesetzten) Vorgaben der Richtlinie für eine Strafbarkeit der versuchten Anstiftung zur Beihilfe sogar dann gelten, wenn der Täter einem anderen Pfeil und Bogen übergibt, damit dieser sie wiederum einem Dritten überlässt, damit dieser damit ein Flugzeug abschießt. Zwar steht die Bestrafung im Ermessen des Gerichts, § 23 Abs. 3 StGB, doch dürften hier erhebliche Zweifel an der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit eines solchen Verhaltens bestehen.[46]
Die grundsätzliche Versuchsstrafbarkeit für das Delikt des § 89a soll in § 89a Abs. 2a RefE umgesetzt werden, wobei auch hier die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen, insbesondere hinsichtlich des Besitzes, ausgenommen werden. Darüber hinaus sieht § 89a Abs. 2b RefE – in Erweiterung des auf Verbrechen beschränkten § 30 StGB – eine Regelung der versuchten Anstiftung für alle Varianten des § 89a StGB vor. Damit wird weit in den bisher begrenzten Bereich des § 30 StGB als der Norm mit der weitestgehenden Vorverlagerung überhaupt im StGB für Vergehen hineingeregelt. Zwar findet sich die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen auch in wenigen anderen Normen, so etwa in § 159 StGB, doch handelt es sich dabei um seltene Ausnahmen, bei denen der Unrechtsgehalt dem eines Verbrechens (vgl. § 159 und §§ 154 i.V.m. § 30 Abs. 1 StGB) so nahe kommt, dass der Gesetzgeber für eine Differenzierung keinen Raum sah. Ob diese Wertung auf alle Varianten des § 89a StGB übertragen werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Damit kommt man in einen Bereich, in dem es zweifelhaft ist, ob man ihn überhaupt regeln muss.[47] Immerhin hat der deutsche Gesetzgeber davon abgesehen, die versuchte Anstiftung zur Beihilfe nach Art. 14 Abs. 3 i.V.m. Art. 6 Var. 2 RL 2017/541 unter Strafe zu stellen. Das deutsche Recht kennt eine solche Strafbarkeit nicht, wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 30 Abs. 1 StGB ergibt. Dies ist sicherlich auch der Bereich, in dem eine Umsetzung nicht erfolgen sollte, sondern das sehr geringe Umsetzungsdefizit wegen des ansonsten bestehenden erheblichen Bruchs mit der Gesamtrechtsordnung hinzunehmen ist.[48]
Darüber hinaus sieht ein neuer § 89c Abs. 8 RefE eine Versuchsstrafbarkeit im Rahmen der Terrorismusfinanzierung vor sowohl für Absatz 1 als auch für Absatz 2 Nr. 1 bis 4 RefE, da Art. 14 Abs. 3 RL 2017/541 für die Versuchsstrafbarkeit umfassend auf die verschiedenen terroristischen Straftaten verweist. Ausgenommen ist lediglich die Finanzierung der Androhung einer terroristischen Straftat nach § 89a Abs. 8 RefE. Eine Versuchsstrafbarkeit soll auch für den – im Übrigen von der geplanten Reform inhaltlich nicht berührten – § 91 Abs. 1 Nr. 1 StGB[49] eingeführt werden, § 91 Abs. 4 RefE. Damit wäre künftig der Versuch des Zugänglichmachens, aber auch des Anpreisens einer – vereinfacht ausgedrückt –Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat strafbar, was auch hier eine kritikwürdige, aber europarechtlich determinierte Ausweitung darstellt.
Schließlich ist noch die geplante Erweiterung im Rahmen des § 129a StGB von Interesse. Auch hier wird im Rahmen des § 129a Abs. 5 S. 3 i.V.m. Abs. 5 S. 1 Alt. 1 RefE eine Versuchsstrafbarkeit eingeführt, um die versuchte Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu erfassen. Verweist der Referentenentwurf hier auf das gerügte Umsetzungsdefizit hinsichtlich Art. 11 i.V.m. Art. 14 Abs. 3 RL 2017/541 in Bezug auf die versuchte Finanzierung einer terroristischen Vereinigung,[50] so ist anzumerken, dass die Rüge aus Europa hier wohl auch als willkommener Anlass gesehen wurde, um eine schon länger bestehende politische Forderung durchzusetzen.[51] So hatte die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder bereits 2017 einen Beschluss gefasst, wonach die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit für die Unterstützung terroristischer Vereinigungen geprüft werden soll.[52] Die Erweiterung durch die geplante Einführung der Versuchsstrafbarkeit bezieht sich im Übrigen selbstverständlich nicht nur auf versuchte finanzielle Unterstützungshandlungen, sondern auf Unterstützungshandlungen im Allgemeinen. Damit würde – da das deutsche Recht, wie oben dargelegt, den untauglichen Versuch kennt, vgl. § 23 Abs. 3 StGB – auch das Brauen und Versenden eines Zaubertranks zur vermeintlichen Stärkung der Kämpfer einer terroristischen Vereinigung, der diese im Übrigen gar nicht erreicht, weil er vom Zoll beschlagnahmt wird, mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren bedroht, die aber zumindest gemildert werden kann (§ 23 Abs. 2 StGB) oder von der Bestrafung sogar abgesehen werden kann (§ 23 Abs. 3 StGB). Beides liegt im Ermessen des Gerichts. Zwar wäre die Regelung einer Rückausnahme für den untauglichen Versuch über § 23 StGB möglich, doch stellte dies einen erheblichen Bruch mit der bisherigen Regelungstechnik des StGB dar. Diese erhebliche Ausweitung ist kritisch zu sehen. Eine europarechtliche Determinierung besteht nur für einen kleinen Bereich – den Versuch der Finanzierung einer terroristischen Vereinigung. Insofern kann sich der deutsche Gesetzgeber hinsichtlich der generellen Strafbarkeit der versuchten Unterstützung einer terroristischen Vereinigung auch nicht auf die europäischen Vorgaben berufen. § 129a Abs. 5 S. 3 RefE sollte daher dringend wieder gestrichen werden.[53] Vorzugswürdig wäre stattdessen eine Regelung im Rahmen des § 89c StGB, die den engeren Vorgaben der RL 2017/541 hinreichend Rechnung trägt.
6. Androhung
Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie ist eine Erweiterung hinsichtlich der Strafbarkeit der Androhung terroristischer Straftaten vorgesehen. Es soll – entsprechend Art. 3 Abs. 1 j) RL 2017/541 – nunmehr sowohl die Androhung terroristischer Straftaten selbst eine terroristische Straftat darstellen, s. § 89a Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RefE als auch die Androhung einer terroristischen Straftat (ausgenommen ihrerseits deren Androhung) mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden können, § 89a Abs. 8 RefE. Eine solche Androhungsvariante war bereits in § 129a Abs. 3 StGB geregelt. Interessanterweise sieht dieser denselben Strafrahmen vor, obwohl es sich hier um eine Drohung im Rahmen einer terroristischen Vereinigung handelt, die im Gegensatz zum Handeln eines Einzeltäters deutlich gefährlicher ist. Angesichts der ohnehin erheblichen Vorverlagerung durch § 89a StGB mag man den Unrechtsgehalt der Androhungsvariante bezweifeln. Sie ist jedoch europarechtlich determiniert.
Zumindest wirft der vorgesehene Strafrahmen aber Verhältnismäßigkeitsbedenken auf, sieht die Androhungsvariante doch denselben Strafrahmen vor wie der in § 89a Abs. 5 StGB geregelte minder schwere Fall. Aufgrund der in § 89a StGB ohnehin vorgesehenen starken Vorverlagerung dürfte die Anwendung des Strafrahmens des minder schweren Falles bereits bei der Regelstrafbarkeit nach § 89a StGB regelmäßig angezeigt sein.[54] Überdies ist der vorgesehene Strafrahmen auch in systematischer Hinsicht bedenklich. So ist zu berücksichtigen, dass die Bedrohung mit Verbrechen nach § 241 Abs. 2 StGB „nur“ eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vorsieht und damit deutlich unter der Androhung der Vergehen des § 89a StGB liegt. Selbst der vergleichbare und auch auf Vergehen verweisende § 126 StGB sieht mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe einen deutlich niedrigeren Strafrahmen vor. Wird die Androhungsvariante in Umsetzung der Richtlinie 2017/541 in das deutsche Strafgesetzbuch aufgenommen, so sollte zumindest der Strafrahmen aus Verhältnismäßigkeitserwägungen noch weiter abgesenkt werden.
7. Strafanwendungsrecht
89a Abs. 3 StGB enthält bereits aufgrund der bisherigen europäischen Vorgaben eine sehr weit gefasste Klausel für die Erfassung auch von Auslandstaten; für die Territorien der anderen EU-Staaten gilt nach Satz 1 das Weltrechtsprinzip.[55] Dies ist deshalb nicht übergriffig, weil diese ja ihrerseits von Europarechtswegen die gleichen Strafnormen in ihre nationalen Strafgesetze zu implementieren hatten. Gleichwohl gab es seitens der EU Kritik an der in den deutschen §§ 3 ff. StGB in der Tat nicht vorgesehenen Erfassung auch bloß gebietsansässiger Täter, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.[56] Art. 19 Abs. 1 S. 1 RL 2017/541 verpflichtet nämlich die Mitgliedstaaten in Bezug auf ihr Strafanwendungsrecht für die vorgegebenen Tatbestände u.a. wie folgt: „Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit in Bezug auf die Straftaten nach den Artikeln 3 bis 12 und 14 in folgenden Fällen zu begründen: […] c) der Täter ist Staatsangehöriger oder Gebietsansässiger des Mitgliedstaats.“
Das in § 89a Abs. 3 S. 1 StGB aktuell geregelte Weltrechtsprinzip erlaubt es selbstverständlich auch Gebietsansässige, die im EU-Ausland handeln, zu erfassen. Zudem regelt § 89a Abs. 3 S. 2 StGB für Handeln außerhalb der EU, dass § 89a Abs. 1 StGB auch dann gelten soll, wenn der Täter Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland ist. Gebietsansässige sind folglich sowohl inner- als auch außerhalb der EU vom deutschen Recht nach § 89a Abs. 3 StGB erfasst. Mithin kommt es auf das Verhältnis von § 89a Abs. 3 StGB zu den §§ 3 ff. StGB an. Entscheidend ist, dass der deutsche Gesetzgeber mit § 89a Abs. 3 StGB nicht bloß – wie wohl bei der Pate stehende Regelung des § 129b StGB, der bloß eine Ausdehnung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs auf ausländische kriminelle und terroristische Vereinigungen vorsieht, ohne dass damit zugleich das Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB überspielt würde, – den Tatbestand auf Auslandshandlungen ausgedehnt, sondern damit zugleich auch das Strafanwendungsrecht in einer Spezialvorschrift zu den §§ 3 ff. StGB ausgeweitet hat.[57] Daher ist das Monitum der EU in der Sache gar nicht begründet; das deutsche Strafanwendungsrecht ergibt sich für die Taten nach § 89a Abs. 3 StGB und erfüllt damit seit jeher alle EU-Vorgaben.[58]
8. Änderungen der StPO
Abschließend ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber in dem Referentenentwurf tatsächlich bemüht ist, die Ausweitung der materiellen Strafbarkeit nicht mit einer deutlichen Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse einhergehen zu lassen. Dort, wo sich die §§ 89a, 89c und 129a StGB in verschiedenen Ermittlungskatalogen finden (u.a. § 100a StPO, die Überwachung der Telekommunikation; § 100b StPO, die Online-Durchsuchung; § 100c StPO, die Akustische Wohnraumüberwachung; § 103 StPO, die Durchsuchung bei anderen Personen; – § 111 StPO, die Errichtung von Kontrollstellen an öffentlich zugänglichen Orten; § 443 StPO, die Vermögensbeschlagnahme), werden die Formulierungen dahingehend geändert, dass als Anknüpfungstat nur die auch bisher der Norm unterfallende Handlungen dienen können. In der Tat kommt es so nur zu einer geringfügigen Erweiterung, die sich überwiegend aus den Änderungen in § 89a Abs. 2 Nr. 1 und 2 RefE ergibt, in denen der Begriff der Schusswaffe auf Waffen im Allgemeinen ausgedehnt und auch die Forschung zu bestimmten Gegenständen erfasst wird. Interessant ist, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, die Einreisevariante nach § 89a Abs. 2 Nr. 5 RefE durch Verweisung in den Katalog aufzunehmen, so dass (weiterhin) nur die Ausreisevariante die Ermittlungsbefugnisse auslöst.
Problematisch ist allerdings, dass die Anwendung durch die komplizierte Verweisungs- und Regelungstechnik erheblich erschwert wird. Zur Verdeutlichung sei nur das Beispiel des § 100a StPO genannt, der bisher u.a. auf die §§ 89a und 89c Abs. 1 bis 4 StGB verwies und für den nunmehr wortwörtlich die folgende Verweisung vorgesehen ist: „89a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 erste und zweite Alternative und Nummer 3 jeweils in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1, 2, 3 und 4 erste Alternative, Absatz 2a in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 erste und zweite Alternative und Nummer 3 jeweils in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 4 erste Alternative, Absatz 3 und 4, § 89c Absatz 1, 3 und 4 mit Ausnahme der Finanzierung von Handlungen nach § 89a Absatz 1 Satz 2 Nummer 9, Absatz 2 Nummer 2, 4 zweite und dritte Alternative und Nummer 5“. Die Schwierigkeiten sowohl für den Rechtsanwender als auch für die Betroffenen dürften bei dieser Formulierung auf der Hand liegen. Dass das lobenswerte Anliegen der Regierung, die strafprozessualen Befugnisse nicht auszuweiten, in der Umsetzung Schwierigkeiten bereitet, wird zudem durch die enthaltene Bezugnahme auf „Absatz 2 Nummer […] 4 erste Alternative“ deutlich. § 89a Abs. 2 Nr. 4 RefE (Ausreisevariante) enthält eine Variante a) und eine Variante b) mit verschiedenen Zielsetzungen für die Reise, nicht aber zwei Handlungsalternativen. Worauf wird also genau Bezug genommen? Es liegt auf der Hand, dass diese Frage angesichts der Komplexität des Verweises nicht einfach zu beantworten ist. Die gewählte Regelungstechnik ist aus Gründen der Normenklarheit und Bestimmtheit bedenklich und sollte dringend überarbeitet werden.
IV. Fazit
Alles in allem ist mit dem vorgelegten Referentenentwurf sicherlich nicht der große Wurf gelungen; es handelt sich vielmehr um eine weitere Ausdehnung eines Bereichs, der ohnehin schon wegen seiner Überdehnung erheblicher und berechtigter Kritik ausgesetzt ist. Dabei darf nicht übersehen werden, dass viele der vorgeschlagenen Änderungen – wie auch der Umsetzungsbericht der Kommission deutlich macht – europarechtlich determiniert sind und der deutsche Gesetzgeber daher wenig bis gar keinen Gestaltungsspielraum hat. Um die schlimmsten Auswüchse (insbesondere durch die weitgehende Versuchsstrafbarkeit in Art. 14 Abs. 3 RL 2017/541) zu verhindern, hätte es bereits im Gesetzgebungsverfahren der Richtlinie einer Intervention bedurft (etwa durch das Ziehen der „Notbremse“ des Art. 83 Abs. 3 AEUV). Dies ist jedoch unterblieben. Ein interessanter Nebenaspekt dieser somit grundsätzlich bestehenden europarechtlichen Verpflichtung ist, dass mit dem Umsetzungsbericht auch in Bereichen Druck ausgeübt wurde, in denen die Kompetenz der EU zweifelhaft ist. Die oben erläuterten Beispiele der Einstufung als terroristische Straftat und der Formulierung des subjektiven Bezugs bei der Reisestrafbarkeit verdeutlichen dies. Die genannten Regelungen stehen dem nationalen Gesetzgeber frei, europarechtlich zwingend sind sie hingegen nicht.
Bei der Umsetzung sollten gerade vor dem Hintergrund der europarechtlichen Verpflichtung die bestehenden Spielräume genutzt werden. Der deutsche Gesetzgeber sollte in Nutzung dieser Spielräume von einer über die Vorgaben der RL 2017/541 hinausgehende Ausdehnung des materiellen Terrorismusstrafrechts möglichst absehen. Dies gilt insbesondere für den Versuch der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 S. 3 RefE), der wieder gestrichen werden sollte. Weitere Bedenken bestehen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit einzelner Regelungen, wie z.B. der Androhungsvariante in § 89a Abs. 8 RefE. Hier sollte zumindest eine Absenkung der Strafandrohung erfolgen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die komplizierte Struktur des § 89a StGB eine Bezugnahme auf ihn deutlich erschwert und – wie die Änderungen der Kataloge verschiedener Ermittlungsmaßnahmen der StPO zeigen – erhebliche Bedenken hinsichtlich der Normenklarheit und -bestimmtheit aufwirft.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der vorgelegte und kürzlich nunmehr als besonders eilbedürftig im Kabinett beschlossene Entwurf die bereits durch die letzten Reformen eingeleitete Entwicklung einer Ausweitung des deutschen Terrorismusstrafrechts in nahezu unerträglicher Weise fortsetzt. Es ist zu hoffen, dass es noch zu einer Überarbeitung und Rücknahme der größten – europarechtlich nicht determinierten – Auswüchse im weiteren Gesetzgebungsverfahren kommt und es nicht einfach weiter und weiter ins Vorfeld geht.
[1] Siehe dazu Petzsche, GLJ 2012, 1056–1065; Petzsche, Strafrecht und Terrorismusbekämpfung, 2013, 58 ff.; Petzsche/Coenen, in: Rothenberger/Krause/Jost/Frankenthal, Terrorismusforschung: Interdisziplinäres Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2022, S. 463 f.; allgemein zu der historischen Entwicklung des deutschen Terrorismusstrafrechts Heger, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, 2019, S. 47 ff.
[2] Siehe beispielsweise das internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9.12.1999
[3] Dazu Heger, ZIS 2015, 537; Cancio Meliá, ZIS 2015, 538 ff.; Walker, ZIS 2015, 545 ff.; Petzsche, ZIS 2015, 556 ff.
[4] Petzsche/Coenen, in: Rothenberger/Krause/Jost/Frankenthal, Terrorismusforschung, S. 463 f
[5] So wurde deren Bedeutung nicht nur in verschiedenen Programmen der EU betont (z.B. Tampere Programm 1999, Stockholmer Programm 2009), sondern der Bereich fand auch ausdrücklich Erwähnung bei der durch den Vertrag von Lissabon neu geschaffenen strafrechtlichen Richtlinienkompetenz (Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV); zu dem bisherigen europäischen Einfluss auf das deutsche Terrorismusstrafrecht Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 210 ff.
[6] Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung, 2002/475/JI.
[7] Vertiefend dazu Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 61 ff.
[8] Vertiefend dazu Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 66 ff.
[9] Konkret zu der Bedeutung für das „Europäische Strafrecht“ Heger, ZIS 2009, 406 ff.
[10] Dies ist zwar die zentrale Richtlinie, was das Terrorismusstrafrecht betrifft, daneben gibt es aber weitere Richtlinien, die Teilbereiche betreffen. Insbesondere für Bezüge zu Finanzfragen siehe auch die Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 73).
[11] European Commission, Report from the Commission to the European Parliament and the Council based on Article 29(1) of Directive (EU) 2017/541 of the European Parliament and of the Council of 15 March 2017 on combating terrorism and replacing Council Framework Decision 2002/475/JHA and amending Council Decision 2005/671/JHA, v. 30.9.2020; siehe auch zuvor bereits Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 209 ff.
[12] https://germany.representation.ec.europa.eu/news/vertragsverletzungsverfahren-deutschland-muss-bei-regeln-fur-saisonarbeitskrafte-und-2023-04-19_de (zuletzt abgerufen am 30.4.2024).
[13] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/gesetzentwurf-bmj-bundeskabinett-terrorismus-bekaempfung-stgb-buschmann/ (zuletzt abgerufen am 16.5.2024).
[14] Bundesministerium der Justiz, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung, 2023, S. 1.
[15] Dazu siehe insbesondere Zöller, Terrorismusstrafrecht: Ein Handbuch, 2009, S. 562 ff.; siehe auch Zöller, Stellungnahme des Instituts für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung, v. 22.12.2023, S. 6 ff.
[16] Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 217 ff.
[17] Auf die Änderung der Selbstständigen Einziehung nach § 76a StGB wird hier nicht näher eingegangen, da sich die Verweisung in Abs. 4 Nr. 1 a) und b) zwar künftig deutlich komplizierter liest, es sich inhaltlich aber um keine Ausweitung, sondern die Beibehaltung des status quo handelt.
[18] Bundesministerium der Justiz (Fn. 14), S. 18.
[19] European Commission (Fn. 11), S. 4 (Hervorhebung durch Verf.).
[20] Dazu siehe sogleich.
[21] European Commission (Fn. 11), S. 19.
[22] Zu den Konsequenzen für das Strafrecht vgl. nur Langheld, Vielsprachige Normverbindlichkeit im Europäischen Strafrecht, 2016.
[23] Zöller, in: SK-StGB, Bd. 3, 9. Aufl. (2019), § 89a Rn. 12 ff.; Gazeas, in: Leipold/Tsambiakis/Zöller, AnwK-StGB, 3. Aufl. (2020), § 89a Rn. 24 ff.
[24] Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 273.
[25] European Commission (Fn. 11), S. 19.
[26] Zu der Kritik Zöller (Fn. 15) 2009, S. 564 ff.; Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 131 ff.
[27] Ein weiteres Beispiel ist der Anschlag von Halle, bei dem sich am Ende der Täter jedoch selbst das Leben nahm, so dass es nicht zu einem Strafprozess kam. Auch hier hätten sich die Ermittlungen und das Strafverfahren aber wohl auf die tatsächlichen Morde konzentriert, so dass es wiederum der Einschätzung der deutschen Ermittlungsbehörden überlassen gewesen wäre zu entscheiden, ob die Meldepflicht nach Beschluss 2005/671/JI ausgelöst ist.
[28] OLG Naumburg, Urt. v. 21.12.2020 – 1 St 1/20, bestätigt durch BGH, Beschl. v. 22.3.2022 – 3 StR 270/21.
[29] Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass solche Motive nicht berücksichtigt würden. Sie können u.a. die „niedrigen Beweggründen“ im Rahmen des Mordparagraphen, § 211 StGB, begründen. Eine ausdrückliche Bezeichnung bzw. Verurteilung wegen terroristischer Motive würde jedoch nicht erfolgen.
[30] BGHSt 62, 102; siehe dazu auch Petzsche, HRRS 2015, 33 ff.
[31] Bundesministerium der Justiz (Fn. 14), S. 18.
[32] Zöller (Fn. 15) 2023, S. 7.
[33] Siehe Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 124 ff.; kritisch auch Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (594 f.).
[34] Dazu vertiefend unter III.6.
[35] Konsequenterweise soll § 224 StGB auch in § 129a Abs. 2 Nr. 1 StGB aufgenommen werden, was dem Verständnis der RL 2017/541 entspricht.
[36] Konsequenterweise soll auch § 310 Abs. 1 S. 1 StGB – Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens – dementsprechend ergänzt werden.
[37] Auch darauf wurde ausdrücklich in dem Bericht der Kommission hingewiesen, siehe European Commission (Fn. 11), S. 5.
[38] Vertiefend dazu Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 221.
[39] Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 221 ff.
[40] Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 225 f.
[41] Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 222 f.
[42] European Commission (Fn. 11), S. 8.
[43] So bereits Petzsche, in: Petzsche/Heger/Metzler, Terrorismusbekämpfung in Europa im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 222 f.
[44] Damit wird dem Vorwurf der unzureichenden Umsetzung, siehe European Commission (Fn. 11), S. 9, begegnet.
[45] Vgl. dazu Schubert, Der Versuch – Überlegungen zur Rechtsvergleichung und Harmonisierung, 2005, S. 281
[46] Für die Möglichkeit einer Ausklammerung untauglicher Förderungshandlungen aus der deutschen Versuchsstrafbarkeit aufgrund von Versuchsvorgaben der EU Brons, Binnendissonanzen im AT, 2014, S. 295 ff.
[47] So mit Blick auf § 233a StGB a.F. Brons (Fn. 46), S. 295.
[48] Brons (Fn. 46), S. 575.
[49] Vertiefend zu dieser Strafnorm siehe Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 200 ff.
[50] Bundesministerium der Justiz (Fn. 14), S. 25 f.
[51] Zu der gesetzgeberischen Tendenz Europa als Anlass für erhebliche Erweiterung zu nehmen, die auch über die europäischen Vorgaben hinausgehen, siehe Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 429 f.
[52] 89. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (2018): Einführung einer Versuchsstrafbarkeit bei Unterstützung terroristischer Vereinigungen – Beschluss abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2018/Fruehjahrskonferenz_2018/II-15-BY—Einfuehrung-einer-Versuchsstrafbarkeit-bei-Unterstuetzung-terroristischer-Vereinigungen.pdf (zuletzt abgerufen am 30.4.2024); kritisch Petzsche/Coenen, in: Rothenberger/Krause/Jost/Frankenthal, Terrorismusforschung, S. 470.
[53] So auch Zöller (Fn. 15) 2023, S. 9.
[54] Dafür plädiert bereits Petzsche (Fn. 1) 2013, S. 165.
[55] Vgl. nur Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. (2023), § 89a Rn. 5.
[56] European Commission (Fn. 11), S. 13 f.
[57] Vgl. nur Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 89a Rn. 21.
[58] Die geltende Regelung erfasst nur bisher die neu geschaffene Versuchsstrafbarkeit in § 89a Abs. 8 RefE; nicht diese wäre ggf. zu ergänzen.