von Dr. Kim Philip Linoh, M.mel. und Dr. Nico Wettmann
Abstract
Schlafwandeln stellt ein Grenzphänomen zwischen Aktivität und Passivität, zwischen Steuerungsfähigkeit und Bewusstlosigkeit dar. Es irritiert gängige Handlungsverständnisse und stellt soziale und rechtliche Zuschreibungen zwischen Autonomie und Automatismus sowie zwischen Schuld und Unschuld infrage. Der folgende interdisziplinäre Beitrag beleuchtet die rechtlichen und sozialen Implikationen des Schlafwandelns. Ausgehend von der Problematisierung des Schlafwandelns im Alltag und in der gerichtlichen Praxis, der handlungstheoretischen Besonderheit des unkontrollierten und unbewussten Tuns während einer somnambulen Episode sowie der Aushandlung und Integration von Perspektiven, die das Schlafwandeln erst konstituieren, ergeben sich drei Forderungen: die Anerkennung der Möglichkeit, komplexe Handlungen im Schlafwandeln auszuführen, die Verbesserung des Wissens über Schlafwandeln und dessen Feststellung sowie die Notwendigkeit der Verständigung über soziale wie rechtliche Verantwortlichkeit und (Schutz-)Pflichten.
Sleepwalking is a borderline phenomenon between activity and passivity, between control and unconsciousness. It challenges conventional understandings of action and questions social and legal attributions between autonomy and automatism, as well as between guilt and innocence. The following interdisciplinary article examines the legal and social implications of sleepwalking. Based on the problematization of sleepwalking in everyday life and judicial practice, the action-theoretical peculiarity of uncontrolled and unconscious actions during a somnambulistic episode, and the negotiation and integration of perspectives that enables to constitute sleepwalking in the first place, three demands arise: the recognition of the possibility of performing complex actions while sleepwalking, the improvement of knowledge about sleepwalking and its diagnosis, and the need for an agreement on social and legal responsibility and (protective) duties.
I. Schlafwandeln als Grenzfall sozialer und rechtlicher Zuschreibungen
Als relevantes Phänomen findet sich Schlafwandeln seit jeher in den Abschnitten zur Handlungslehre strafrechtlicher Lehrbücher[1], von großer dogmatischer oder praktischer Bedeutung war es bislang jedoch nicht.[2] Das liegt unter anderem auch daran, dass sich national wie auch international nur vereinzelt Gerichtsverfahren finden lassen, in denen Schlafwandeln thematisiert wird, etwa im Zusammenhang mit Straftaten während einer (vermeintlichen) Schlafwandelepisode.[3] Prominent ist etwa der Fall des Kanadiers Kenneth Parks, der schlafwandelnd mit dem Auto zu seinen Schwiegereltern fuhr und dort erst seinen Schwiegervater niederschlug und anschließend seine Schwiegermutter erstach. Parkswurde erstinstanzlich freigesprochen, weil ein nicht krankhafter Automatismus (non-insane automatism) vorlag. Diese Bewertung hat das Berufungsgericht und auch der Supreme Court of Canada gehalten.[4] In Deutschland rückte zuletzt der aufsehenerregende Fall eines ehemaligen Staatsanwalts, dem der sexuelle Missbrauch seines achtjährigen Sohnes vorgeworfen wurde, die Thematik in den Blick der Öffentlichkeit. Ähnlich wie im Fall Parks, konzentrierte sich das Verfahren in diesem Fall nicht auf die Frage der Täterschaft, sondern auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten. Dieser gab an, an Sexsomnia zu leiden und die Tat daher im Zustand des Schlafwandelns begangen zu haben.[5] Für das sachverständig beratene LG war dieser Einwand nicht glaubhaft belegt, sodass es den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilte, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Allerdings hob der BGH das Urteil auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hin wegen fehlerhafter Beweiswürdigung auf und verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.[6] Anhand dieses Falles zeigt sich deutlich die Problemstellung, der sich dieser Beitrag widmet: Schlafwandeln stellt einen Grenzfall zwischen Aktivität und Passivität, zwischen Steuerungsfähigkeit und Bewusstlosigkeit dar und irritiert damit die gängigen Verständnisse von Handlungen – soziologisch wie juristisch.
Die ICD-10-GM 2025 definiert das Schlafwandeln in F51.3 als einen „Zustand veränderter Bewusstseinslage, in dem Phänomene von Schlaf und Wachsein kombiniert sind“[7]; es wird in der medizinischen Diagnostik als Arousalstörung[8], Aufwachstörung beziehungsweise NonREM-Parasomnie klassifiziert. Hierbei handelt es sich um Störungen im Wechsel des Schlafzyklus zwischen Wachphase, REM-, Leicht- und Tiefschlaf. Statt eines gleichmäßigen Wechselrhythmus der einzelnen Schlafphasen, zeichnet sich Schlafwandeln durch einen plötzlichen Wechsel aus, meist von der Tiefschlafphase zur Wachphase ohne vollständiges Erwachen.[9] Trotz dieser Klassifikation ist sich die Schlafforschung und -medizin nicht einig, worum es sich beim Schlafwandeln handelt. So sind Fragen zum Ursprung und Auslöser des Schlafwandelns, zur Verbindung mit Träumen sowie zur Therapie und Heilung von Schlafwandeln weiterhin nicht abschließend geklärt.[10] Auch die Diagnose von Schlafwandeln steht vor Herausforderungen: Anders als viele andere schlafmedizinische Erkrankungen, wie etwa die Schlafapnoe, lässt sich Schlafwandeln nicht direkt über eine Polysomnographie in einer Schlaflabornacht diagnostizieren, sondern benötigt zudem die Berichte und Interpretationen der Betroffenen, um den Zustand einordbar zu machen. Zugleich zeigt sich das Schlafwandeln im Labor oftmals nicht ‚von Natur aus‘. Stattdessen ist die objektive Beobachtung des Schlafwandelns mithilfe medizinischer Apparaturen im Schlaflabor häufig nur durch reaktive Trigger möglich, was der Feststellung eines nicht-reaktiven, ‚natürlichen‘ Schlafwandelns entgegensteht.[11] Zugleich lassen die Messungen im Schlaflabor nur bedingt Rückschlüsse auf vergangene oder zukünftige Episoden zu – Arousal im Schlaflabor heißen nicht automatisch, dass bisher geschlafwandelt wurde und fehlende Arousal im Labor lassen nicht selbstverständlich auf fehlendes somnambules Verhalten schließen. Schlafwandeln wird daher stark an der phänomenalen Selbst- und Fremdbeschreibung von irritierenden und nicht-erklärbaren Handlungen festgemacht, die als somnambule Episode gedeutet wird.[12] Allerdings sind diese Handlungen nicht immer eindeutig als somnambules Verhalten zu erkennen. Das Tun während einer Schlafwandelepisode umfasst „stereotype […] oder komplexe […] Handlungen“[13] wie auch „teilweise sinnvolle Handlungen“[14] und lässt sich somit in unterschiedliche Intensitätsgrade ordnen, die von unkontrolliertem Körpergeschehen wie Aufsetzen, Sprechen und Aufstehen, über komplexere Verhaltensweisen wie sportliche Aktivitäten oder Kochen bis hin zu gefährdenden Verhaltensweisen in Form von Angriffen, Selbst- wie Fremdverletzungen oder sogar sexuellen Missbräuchen und Tötungsdelikten reichen.[15] Diese „Eskalationsstufen des Schlafwandelns“[16] sind damit sozial wie juristisch relevant. So lassen sich historisch betrachtet und in der Gegenwart – wenn auch in begrenztem Ausmaß – Gerichtsverhandlungen von schlafwandlerischen Straftaten finden, wobei Debatten zur Schuldfähigkeit beim Schlafwandeln sowie zur Verteidigungsstrategie aufkommen.[17] Dabei steht übergeordnet aber immer die Aushandlung der Deutung und Zuschreibung von schlafwandlerischem Tun im Raum.
Das Schlafwandeln bricht also mit den sozialen Normen, den Routinen sowie den situativen Erwartungen, was allerdings von den Betreffenden weder bewusst gewollt noch erlebbar ist und sich oftmals einer konkreten Erinnerung entzieht. Wie unter einem Brennglas lässt sich am Schlafwandeln daher untersuchen, wie soziale und rechtliche Zuschreibungen die Grenze zwischen Autonomie und Automatismus sowie zwischen Schuld und Unschuld markieren. Der Beitrag widmet sich nun diesem Grenzphänomen und fokussiert dabei auf die damit aufkommenden Fragen und Probleme in Bezug auf Handlungsfähigkeit und -verantwortung – im soziologischen und juristischen Sinn. Hierfür werden zunächst die Problematisierung des Schlafwandelns aus soziologischer[18] und juristischer Perspektive (II.) und dann die sozialen und rechtlichen Implikationen für Handlung und Verhaltensweisen ohne Erlebnis in Bezug auf Handlungs- und Schuldfähigkeit erörtert (III.). Anschließend geht der Beitrag auf die Aushandlungsprozesse und Perspektivenintegration ein, die Schlafwandeln als solches erst konstruieren – vom Gerichtssaal bis zum heimischen Schlafzimmer (IV.). Letztlich lassen sich aus der soziologisch-juristischen Verschränkung drei wesentliche Forderungen herausarbeiten: die Anerkennung komplexer Handlungen während somnambuler Episoden, die Generierung von weiterem Wissen über Schlafwandeln sowie Pflichten und Verantwortung von Schlafwandelnden (V.). Abschließend wird der Kern der Analyse zusammengefasst (VI.).
II. Problematisierung des Schlafwandelns
Medizinisch wird davon ausgegangen, dass somnambule Episoden als Arousalstörungen aus dem Non-REM-Schlaf „zu erheblichem Leid oder erheblicher Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, ausbildungsbezogenen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen führen oder ein bedeutsames Verletzungsrisiko für die Person oder andere darstellen“.[19] Das Schlafwandeln ist damit nicht einfach nur ein medizinisches Problem, das die Betroffenen beeinträchtigt, sondern gerade ein gesellschaftliches Problem, weil es mannigfaltige soziale Funktionsbereiche stört. Aus soziologischer Perspektive zeigen sich Probleme in drei Dimensionen: Erstens konfligiert das Schlafwandeln mit den normativ-zugeschriebenen Pflichten und den sozialen Etiketten des Schlafs, wonach Menschen grundsätzlich in der Nacht schlafen sollen. In der westlichen Gesellschaft bedeutet das: völlig zurückgezogen, im Bett liegend, abgetrennt vom aktiven Leben und ohne Störung anderer Menschen.[20] In somnambulen Episoden wird diese soziale Ordnung des Schlafs gestört, indem schlafwandlerisches Tun nicht nur gegen den konsolidierten Nachtschlaf und das Nichts-Tun im Schlaf verstößt, sondern auch durch die Beeinträchtigungen von Dritten, die an der Schlafsituation teilnehmen. Insbesondere Bettpartner und Familienmitglieder sind von diesem Verhalten betroffen und können durch das Verhalten der Schlafwandelnden nicht erholsam schlafen. Beim Schlafwandeln handelt es sich somit um ein sozial deviantes Verhalten aufgrund des körperlich-undisziplinierten Tuns, das – auch wenn es unbewusst passiert – als soziales Problem und Störfaktor empfunden wird. Zweitens lässt sich auf individueller Ebene die Frage nach der Handlungsfähigkeit stellen, die sich sowohl von der des Alltags als auch der des Schlafs unterscheidet. Simon J. Williams und Nick Crossley halten dementsprechend fest:
„Sleepwalking and talking further complicate our picture of agency. They constitute forms of action which seemingly lack the reflexive self-monitoring of waking experience and, indeed, its relation to the waking world. On one level these experiences serve to sharpen our sense of what it is to be an alert, wakeful agent. And yet on another they suggest that our agency is not exclusively of that kind. They complicate our sense of what agency is or is not and point to the possibility of our inhabitation and involvement in worlds other that the waking world“.[21]
Den Schlafwandelnden fehlt es also an einem reflexiven Bewusstsein, das kontrolliert am Geschehen teilnimmt und auf das eigene Handeln einwirken kann. Dies führt zu unerwünschten und ungewollten Handlungsakten. Dieses „leibliche Handeln als eigensinniges und widerständigesHandeln“[22] zeichnet sich also dadurch aus, dass der Körper eigenwillig agiert, aber trotz allem von sozialen Verhaltensweisen und Wissensvorräten durchzogen ist. Schlafwandelnde stehen weiterhin in ihrer Welt und richten ihr Verhalten – wenn auch unbewusst – danach aus. Aus diesem Grund kommt es auch zu Interaktionen mit Dritten, die unter Umständen gewalttätig verlaufen können, oder aber zu – ebenfalls möglicherweise problematischen – komplexen Handlungen wie Autofahren. Diese „extreme Passivität des Körpers“[23] kann von den Schlafwandelnden nach dem Erwachen als Widerständigkeit erlebt werden, da „die Herrschaft über den Körper schlagartig verloren“[24] geht, sowohl im Vollzug als auch in der Wahrnehmung. Interaktional wie subjektiv erweist sich Schlafwandeln dann als Problem der Schlafwandelnden nach dem Aufwachen sowie der vom Schlafwandeln Betroffenen, die das eigensinnige Verhalten der Schlafwandelnden miterleben. Das gilt besonders dann, wenn keine eindeutige Gewissheit darüber besteht, dass es sich um Schlafwandeln handelt. Daraus ergibt sich drittens ein Problem der Erkennbarkeit, da sich das Schlafwandeln schwer einfangen lässt – erst mit der Zeit lernen die Schlafwandelnden und ihr Umfeld, mit dem Verhalten umzugehen – oder aber einer Einordnung bedarf, was durch gemeinsame Spurensuche und Erklärungsversuche passiert. So wenden sich etwa Betroffene häufig an entsprechende Gruppen in Online-Foren und schildern die Episoden, um eine Deutungsvorlage zu erhalten. Auch die Schlafmedizin fungiert hier als eine Möglichkeit, um Gewissheit zu erhalten. Allerdings zeigt sich, dass selbst innerhalb der Medizin das Schlafwandeln interpretationsbedürftig ist. Es ist keineswegs so, dass das Schlafwandeln einfach zu rekonstruieren ist. So berichtet ein Schlafmediziner im Interview:
„Und dann, was man dann auch macht als Arzt oder Gutachter, man kann ja einfach nur feststellen, ja, wir sehen bei diesen Menschen eine Disposition zum Schlafwandeln, das könnte schon sein. Was nun aber in der fraglichen Nacht, bei dem fraglichen Ereignis passiert ist, bleibt natürlich immer ein bisschen unklar. Da ist ja meistens kein EEG mitgelaufen. Und dann kann man eben nur so sagen, der und der und der Faktor, und das Argument spricht dafür oder spricht dagegen, dass das nun Schlafwandeln gewesen ist“.
Zwar lassen sich über Polysomnographien Arousalstörungen feststellen, aus diesen Messungen kann aber nicht automatisch und eindeutig auf das Vorliegen oder die Ausprägung von somnambulen Episoden geschlossen werden. Denn solche Störungen finden sich bei den meisten Menschen, auch ohne den Schlaf zu beeinflussen oder zu stören. Aus dem Vorliegen von Arousalstörungen kann also nicht zwingend auf Schlafwandeln geschlossen werden. Zur Diagnose sind daher weitergehende Untersuchungen im Schlaflabor erforderlich. Aber auch wenn hier ein Schlafwandeln festgestellt werden kann, so können schlafmedizinische Gutachter nicht rekonstruieren, was in der Nacht außerhalb des Schlaflabors geschehen ist. Wie ein Schlafmediziner im Interview sagt: „Aber letztendlich, ich glaube, man braucht als Gutachter viel Erfahrung, um das beurteilen zu können. Aber man hat nie die 100%ige Sicherheit“. Diese Erfahrung bildet sich unter anderem durch eine multimodale Integration verschiedener Perspektiven, die einen Rückschluss auf Schlafwandeln und schlafwandlerisches Tun ermöglichen sollen. Zur Interpretation von Verhaltensweisen als Schlafwandeln werden dabei neben objektiven Instrumenten wie der Polysomnographie, Audio- und Videoaufnahmen oder räumlichen Spuren auch subjektive Berichte und Narrationen sowie körperliche Empfindungen ausgewertet und in Beziehung gesetzt.[25]
Diese Problemstellen wirken dann auch auf das Rechtssystem ein. Die Eigensinnigkeit des somnambulen Körpers, das Konfligieren mit Normen über das Verhalten im Schlaf sowie die Interpretations- und Aushandlungsbedürftigkeit der Diagnose ‚Schlafwandeln‘ erschweren auch die Beurteilung von juristisch relevanten Fällen. Erstens stellt sich die Frage nach der (straf)rechtlichen Zurechenbarkeit des schlafwandlerischen Tuns und damit die Frage danach, ob diese Handlungen überhaupt rechtlich relevante Handlungen sind. Zweitens bringt die Unsicherheit über das objektiv nachprüfbare Vorliegen einer schlafwandlerischen Episode zum fraglichen Tatzeitpunkt Schwierigkeiten bei der strafprozessualen Aufarbeitung hervor: Ist die Behauptung, schlafgewandelt zu sein, eine bloße Schutzbehauptung? Ist eine objektiv-sachverständige Beurteilung überhaupt möglich, wenn diese auf die Aussage des potenziellen Täters angewiesen ist? Schließlich bleibt, drittens, die Frage, ob die stattgefundene Verletzung juristisch folgenlos bleibt oder ob eine andere Anknüpfung für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit gefunden werden kann. Das berührt die Problematik der Täterschaft durch Unterlassen von Präventivmaßnahmen, die in einem unmittelbaren Spannungsfeld zwischen möglicher Prävention und rechtlicher Zumutbarkeit steht.
III. Handlung ohne Erlebnis – soziale und rechtliche Implikationen
Trotz aller Problematisierungen ist handlungstheoretisch klar, dass Schlafwandelnde in einer somnambulen Episode aufgrund des unbewussten und unwilligen Tuns keine Schuldzuschreibungen zu erwarten haben. Durchaus kann das somnambule Verhalten aber als peinlich gewertet werden, sofern das Schlafwandeln aus dem Privaten tritt.[26] Daraus ergibt sich allerdings nicht zwangsläufig die soziale Pflicht zur Ergreifung von Maßnahmen zur Kontrolle des Schlafwandelns. Nur die wenigsten Betroffenen überwachen ihr Schlafwandeln mithilfe digitaler Medientechnologien, begeben sich in medizinische Behandlung oder greifen auf sonstige Präventionsmaßnahmen zurück. Stattdessen wird Schlafwandeln von den Betroffenen oftmals nicht als Bruch alltäglicher Alltagsroutinen verstanden und bleibt daher unproblematisch.[27] Schlafwandelnde vertrauen dabei in einem hohen Grad darauf, dass der schlafwandelnde Körper nicht anders handelt als im Alltag. Selbst kleinere Abweichungen bleiben dabei folgenlos. So berichtet eine interviewte Schlafwandlerin etwa, dass sie zwar während einer somnambulen Episode das Hotelzimmer verlassen hat und durch das Hotel gewandelt ist. Dies führte aber nicht dazu, dass sie für zukünftige Situationen Maßnahmen ergreift, um während des Schlafwandelns sicher im Hotelzimmer zu bleiben. Das trifft aber auch nicht auf alle Schlafwandelnden zu. Gerade wenn Selbst- oder Fremdverletzungen wahrscheinlich erscheinen, stehen Interventionen im Raum. So berichtet eine weitere Schlafwandlerin im Interview etwa, dass sie nach der Geburt ihrer Tochter im Schlafzimmer einen Raumtrenner zwischen Bett und Kinderbett aufgestellt hat, um nicht versehentlich dem Kind zu schaden. In einem weiteren Interview berichtet eine andere Schlafwandlerin hingegen, dass ihr Partner als Schutz fungiert, da sie, um aus dem Bett aufzustehen, über ihn steigen müsste und dieser sie davon abhalten können würde. Sie delegiert somit den Schutz auf die soziale Beziehung. Es zeigt sich also, dass es einerseits Betroffene gibt, die ihrem Körper im Schlafwandeln vertrauen und daher keine Maßnahmen zum Schutz oder zur Prävention ergreifen. Sie gehen davon aus, dass ihr Körper nicht gegen die Alltagsroutinen handelt. Anderseits finden sich Betroffene, die hier ein Misstrauen aufweisen und daher auf entsprechende Regulierungen zurückgreifen. Neben Sicherheitsbedenken stehen dabei aber auch soziale Stigmatisierungen durch peinliche Situationen zur Diskussion, wenn das Schlafwandeln nach außen tritt und andere Personen involviert werden. Handlungen ohne Erlebnis, wie sie im Schlafwandeln passieren, führen also trotz aller Passivität und Unbewusstheit zu sozialen Implikationen.
Auch juristisch scheint die Sache klar: Schlafwandeln ist keine (straf-)rechtlich relevante Handlung. Den klassischen strafrechtlichen Handlungstheorien (kausale[28], finale[29] und soziale[30] Handlungslehre) und auch dem natürlichen Handlungsbegriff der Rechtspraxis[31] ist gemein, dass sie ein intentionales, willensgetragenes Verhalten voraussetzen. Joachim Renzikowski drückt es prägnant aus: „Handeln impliziert […] eine Entscheidung“.[32] Während bei hypnotischen und posthypnotischen Verhaltensweisen die wohl herrschende Ansicht die Handlungsqualität aufgrund der psychischen Vermittlung und Umweltanpassung sowie der sog. Charakterschranke dieser Handlungen bejaht und die Frage auf die Ebene der Schuldfähigkeit verlagert,[33] erscheint eine auf dieser Argumentation aufbauende Bewertung des Schlafwandelns verfehlt. Beim Schlafwandeln haben die Betroffenen keine bewusste Kontrolle über ihren Körper und erleben den Zustand und das Tun auch nicht bewusst. Daher fehlt es am willensgetragenen Verhalten, das Tun ist gerade der „geistigen Kontrolle des Betroffenen entzogen“[34], sodass alles, was im Zustand des Schlafwandelns getan wird, juristisch eine Nicht-Handlung ist.[35] Eine Nicht-Handlung ist aber schon kein tauglicher Anknüpfungspunkt für den Vorwurf tatbestandlichen Verhaltens.[36] Diese fundamentale dogmatische Tatsache scheint das LG Lübeck im eingangs erwähnten Fall nicht hinreichend berücksichtigt zu haben. Ausweislich der revisionsgerichtlichen Entscheidung hat das LG die wesentlichen Probleme in der Beurteilung der Schuldfähigkeit gesehen.[37] Diese ist aber – da sie auf einer anderen dogmatischen Ebene angesiedelt ist – nur dann relevant, wenn überhaupt der Unrechtstatbestand erfüllt ist, also ein tatbestandliches und rechtswidriges Handeln vorliegt.[38] Liegt hingegen – wie beim Schlafwandeln – schon keine Handlung vor, so kommt der Frage der Schuldfähigkeit keine Bedeutung zu; es ist egal, ob eine schuldfähige oder schuldunfähige Person schlafwandelt. Der BGH als Revisionsgericht hat sich in seiner Entscheidung ebenfalls primär auf die Beweiswürdigung bezüglich der Schuldfähigkeitsfrage beschäftigt.[39] Das ist aufgrund des revisionsrechtlichen Prüfungsumfangs nachvollziehbar; es überrascht aber, dass kein Hinweis auf eine mögliche Tatbestandslosigkeit des schlafwandlerischen Tuns gegeben wurde.
Im Ergebnis kann strafrechtlich nicht an das ‚eigentliche Tun‘ angeknüpft werden, welches im Zustand des Schlafwandelns begangen wird: Es ist schlicht und ergreifend strafrechtlich irrelevant. Das bedeutet aber auch, dass es an einer entsprechenden Tat fehlt, die Anknüpfungspunkt für eine Bestrafung oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung sein kann.[40] Das mutet zunächst kontraintuitiv an; denn realweltlich hat ja eine Verletzungshandlung stattgefunden, die von den Verletzten und möglicherweise auch Dritten als bewusste Handlung wahrgenommen wird. Diese Perzeption der schlafwandelnden Person als Täter steht im Widerspruch zur Einordnung des Tuns als Nicht-Handlung. Sie ist deshalb nicht eingängig, weil sie sich fundamental von den anderen Nicht-Handlungen unterscheidet. Während Bewegungen eines erkennbar Schlafenden – beispielsweise das Umdrehen, welches zu einer Sachbeschädigung durch Herunterstoßen einer Sache führt –, bei Reflexbewegungen, Krampfanfällen oder auch bei Bewegungen von Kleinstkindern, die noch nicht von Intention getragen sind, die Einordnung als strafrechtliches Nullum sinnvoll und nachvollziehbar erscheint, zeigt sich beim Schlafwandeln – extern betrachtet – ein Grenzfall, weil die Bewegungen der schlafwandelnden Person willensgetragen erscheinen und allein durch ihre eigene Aussage hin als Handlung oder Nicht-Handlung eingeordnet werden.
Andererseits bedeutet Schlafwandeln nicht, dass das Tun keine Konsequenzen hat. Zwar ist eine Anknüpfung an das eigentliche Tun im Zustand des Schlafwandelns nicht möglich, aber es kommt grundsätzlich eine Anknüpfung an das Unterlassen von Sicherungsmaßahmen – nicht aber an das bloße Schlafengehen – in Betracht.[41] Deshalb steht durchaus eine Bestrafung wegen eines Unterlassungsdelikts im Raum, wenn mögliche und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen werden, die eine entsprechende Tatbegehung im Schlaf verhindern würden. Während es für ein vorsätzliches Unterlassen in der Regel am Vorsatz mangeln dürfte – vorstellbar bleibt freilich ein dolus eventualis durch billigende Inkaufnahme von entsprechenden Handlungen im Schlaf – kommt ein fahrlässiges Unterlassen dort in Betracht, wo eine Garantenpflicht besteht. Eine solche Konstruktion knüpft nicht an das eigentliche Schlafwandeln an, sondern an ein vorgelagertes pflichtwidriges Verhalten. Das setzt gem. § 13 StGB eine entsprechende Garantenpflicht voraus, also die Pflicht, rechtlich dafür einstehen zu müssen, dass der entsprechende Erfolg nicht eintritt. Eine solche kann sich aus verschiedenen Aspekten ergeben.[42] Eine Beschützergarantenstellung lässt sich aus enger familiärer Beziehung gegenüber Kindern oder (Ehe-)Partnern herleiten: Gegenüber Kindern folgt sie gleichsam als Kehrseite des Sorgerechts aus der Tatsache, dass Kinder in hohem Maße auf Schutz und Beistand der Eltern angewiesen sind und sich Eigenverantwortlichkeit erst entwickelt.[43] Gegenüber Ehegatten oder nichtehelichen Lebenspartnern lässt sich eine Garantenstellung für Leib und Leben aus dem gegenseitigen (konkludenten) Versprechen des Beistandes und Schutzes begründen.[44] Eine solche Beschützergarantenstellung erscheint aufgrund der Sonderverbindung der Beteiligten grundsätzlich auch angemessen.
Als zweite Möglichkeit erscheint prima facie auch eine Sicherungsgarantenstellung, die gegenüber jedermann gelten würde, möglich.[45] Zwei Anknüpfungspunkte kommen hier in Betracht: Einerseits ließe sich über eine Ingerenzgarantenstellung nachdenken, andererseits könnte sich der Gedanke der Herrschaft über eine Gefahrenquelle heranziehen lassen. Für die Ingerenz wäre ein pflichtwidriges Vorverhalten erforderlich.[46] An ein früheres Schlafwandeln lässt sich hier nicht anknüpfen, weil es sich dabei um eine Nicht-Handlung handelt. Selbst diejenigen, die rechtmäßiges Vorverhalten zur Begründung einer Ingerenz genügen lassen, gehen immer von einer rechtlich relevanten Handlung aus.[47] Das deckt sich auch mit dem Grundgedanken der Ingerenz; denn diese basiert darauf, dass ein früheres Verhalten zu einer möglichen und unzumutbaren Gefährdung Dritter führt, sodass diejenigen, die dafür verantwortlich sind, eine Erfolgsabwendungspflicht trifft.[48] Auf eine Nicht-Handlung lässt sich dies kaum übertragen, weil es gerade an der Verantwortlichkeit für die Herbeiführung der Gefahr fehlt. Auch eine Anknüpfung an das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen als pflichtwidriges Vorverhalten führt nicht weiter; denn die Frage, ob für den Erfolg aus dem Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen eine Einstandspflicht des Garanten besteht, kann nicht durch ebenjenes Unterlassen beantwortet werden. Wenn das Unterlassen von Präventivmaßnahmen für ein Tun im Zustand des Schlafwandelns der maßgebliche Vorwurf ist, muss die Garantenpflicht, damit ja gerade dieser Erfolg verhindert werden muss, bereits vorher und aus einer anderen Quelle begründet werden.
Erfolgversprechender erscheint eine Konstruktion über eine Parallele zur Verkehrssicherungspflicht aufgrund der Herrschaft über die Gefahrenquelle,[49] wenn man den Schlafwandelnden als Gefahrenquelle begreift, die er selbst zu kontrollieren hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Verantwortlichkeit über den eigenen Körper eine genuine Verantwortung ist: der eigene Körper ist der „elementare Organisationskreis, den jeder von Natur aus besitzt“[50].[51] Diese wenig beachtete Frage[52] der Verantwortlichkeit für sich selbst als Gefahrenquelle ist aber nicht nur Lehrbuchliteratur. So hat die Rechtsprechung – allerdings in Bezug auf die Fahrlässigkeit – die Verantwortlichkeit eines Epileptikers bejaht, der trotz der erkennbaren und naheliegenden Möglichkeit eines Anfalls ein Fahrzeug im Straßenverkehr führt.[53] Auch kam es bereits zur Verurteilung eines an Multipler Sklerose Erkrankten, der während einer Autofahrt einen Krampfanfall erlitten hatte, weil dieser mit der Erkrankung nicht hätte fahren dürfen.[54] Erst jüngst verurteilte das AG Berlin-Tiergarten einen herzkranken Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung, der aufgrund seiner Erkrankung einen Ohnmachtsanfall erlitten hatte, weil er trotz Kenntnis der jederzeitigen Möglichkeit eines solches Anfalls das Fahrzeug geführt hatte.[55] Das zeigt, dass dem Strafrecht eine vorgelagerte Verantwortlichkeit für den Schutz anderer gegen – auch unkontrollierbares – Tun des eigenen Körpers nicht fremd ist. Auf die Tatsache, dass ein Kraftfahrzeug selbst eine Betriebsgefahr hervorruft und daher besonderer Verantwortlichkeit beim Führen unterliegt, kommt es richtigerweise nicht an, weil hier die Sonderverantwortlichkeit daraus begründet werden kann, dass der besondere und vom Subjekt selbst erkennbare Zustand des eigenen Körpers eine erhöhte Gefährdung hervorbringt.[56] Damit lässt sich festhalten, dass derjenige, der weiß, dass er an einem Zustand leidet, der naheliegenderweise eine Gefahr für andere Personen hervorbringt, auch die Pflicht hat, Präventivmaßnahmen vorzunehmen.
Die so grundsätzlich begründbare Garantenpflicht – entweder als Beschützer- oder als Sicherungsgarant – greift nicht uferlos, sondern sie ist durch das, was überhaupt möglich und zumutbar ist, begrenzt. Während die Möglichkeit all jene Maßnahmen ausschließt, die überhaupt nicht zum Erfolg führen können (beispielsweise wenn es keine wirksame Therapie für einen Zustand gibt),[57] schließt die Zumutbarkeit als ungeschriebenes Merkmal Maßnahmen aus, die die betroffene Person unverhältnismäßig belasten würden.[58] Die Zumutbarkeit muss dabei immer im Rahmen der Herkunft der Garantenpflicht betrachtet werden, weil die Pflichtenquelle die Schwelle der Zumutbarkeit beeinflussen kann.[59] So hat die Rechtsprechung beispielsweise der Schutzpflicht gegenüber dem eigenen Kind Vorrang vor dem Schutz des Ehegatten vor Strafverfolgung zugesprochen.[60] Betrachtet man den Fall des Schlafwandelnden, der während einer solchen Episode andere Personen körperlich angreift, so sind Versuche der Schlafhygiene, der medikamentösen Einstellung oder Maßnahmen, die für ein Erwachen sorgen oder aber das entsprechende Tun erschweren oder verhindern sollen,[61] grundsätzlich zumutbar. Auch das Selbsteinsperren im Schlafzimmer kann zumutbar sein, sofern es – was nicht bei allen Schlafwandelnden der Fall ist – überhaupt einen Erfolg haben kann. Unzumutbar erscheinen hingegen Maßnahmen wie eine Fixierung am Bett oder eine vollständige medikamentöse Ruhigstellung. Schließlich stellt sich bei verhaltensgebundenen Delikten die Frage, ob das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht (Modaläquivalenz).[62] Entscheidend ist, ob das Unterlassen denselben sozialen Sinngehalt hat wie das vom Gesetzgeber im Tatbestand beschriebene Tun. Das mag man beispielsweise bei Sexualdelikten zurecht bezweifeln: Ein Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen hat schwerlich denselben Sinngehalt wie die Vornahme einer nichtkonsentierten sexuellen Handlung.
Während also ein (fahrlässiges) Unterlassungsdelikt grundsätzlich in Betracht kommt, kann beim Schlafwandeln ein Fahrlässigkeitsdelikt (ohne Unterlassen) nicht begründet werden. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Rechtsprechungsfällen im Straßenverkehr; denn in diesen Fällen lag ein aktives, willensgetragenes Verhalten vor. Beim Schlafwandeln liegt aber eine Nicht-Handlung vor, sodass es bereits an einem tatbestandlich relevanten Verhalten im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts fehlt.[63] Auch das Schlafengehen ist kein tauglicher Anknüpfungspunkt; denn als solches verstößt es gerade nicht gegen eine Sorgfaltspflicht. Der Sorgfaltspflichtverstoß liegt allenfalls im Unterlassen von Präventionsmaßnahmen. Wenngleich sich schließlich ein Vergleich mit der – für sich bereits fragwürdigen – Figur der (vorsätzlichen) actio libera in causa[64] aus dem Bereich der Schuldfähigkeit aufdrängt,[65] kann dieser Gedanke hier nicht Platz greifen. Einerseits erscheint die Übertragung auf den Bereich von Nicht-Handlungen fraglich, weil hier bereits die bewusste Herbeiführung dieser ein Widerspruch zum nicht willensgetragenen Verhalten wäre. Andererseits wäre das einzig vollstellbare Verhalten das bewusste Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen, das letztlich eine Tatbegehung ermöglicht. Dieses ist aber – wie gezeigt – als eigenes Unterlassungsdelikt zu bestrafen. Dem Problem der Modalitätenäquivalenz entgeht auch die actio libera in causa im sog. Tatbestandsmodell[66] nicht, weil diese Lösung bei eigenhändigen und verhaltensgebundenen Delikten an ihre Grenzen stößt.[67]
IV. Aushandlung und Perspektivenintegration
Schlafwandeln berührt also in besonderer Weise die soziale und juristische Sphäre. Die Unsicherheiten, die mit dem Schlafwandeln als Anfechtung sozialer und juristischer Normen einhergehen, führen zu einem multiperspektivischen Aushandlungsprozess. Da sich das Schlafwandeln ungewollt und unbewusst vollzieht, die Betroffenen sich oftmals nicht sicher sein können, ob eine somnambule Episode und wenn ja, was währenddessen stattgefunden hat, erscheint das Schlafwandeln oft als Widerfahrnis beim Aufwachen und bringt damit kognitive Dissonanz hervor. Um Gewissheit über das Schlafwandeln zu erlangen, bedarf es vielmehr der Verhandlung und Integration verschiedener Perspektiven. Im Alltag der Betroffenen konstituiert sich Schlafwandeln dann aus der Eigenperspektive in Form von körperlichen Wahrnehmungen und kleinen Erinnerungen, aus der Interpretation von Spuren im Raum, aus der Fremdperspektive durch Narrative von Dritten, die an der Schlafwandel-Situation beteiligt waren, sowie ggf. durch medientechnologische Aufzeichnungen, die das Schlafwandeln sichtbar machen.[68] Um sich dem Schlafwandeln zu nähern, müssen diese unterschiedlichen Perspektiven auf die fragliche Situation addiert werden, woraus in der Praxis dann immer wieder ein anderes Schlafwandeln produziert wird.[69] Das heißt zunächst einmal, dass das Schlafwandeln erst durch diese Addition als Schlafwandeln hergestellt wird und sich damit stabilisiert. Es wird klar, dass es sich hier um Schlafwandeln handelt, welches Verhalten die Person während einer Episode unbewusst ausführt und das erlaubt letztlich einen entspannteren Umgang damit, weil sich die Ungewissheit des Schlafwandelns reduziert. Zum anderen handelt es sich hier aber immer um eine bedingte Stabilität des Schlafwandelns, da stets neue Perspektiven und Interpretationen des Schlafwandelns die bisherige Definition umformen, was zu Zweifel führen kann – aber nicht muss. Schlafwandeln als Zustand bedarf also der Integration verschiedener Interpretationen, um überhaupt festgestellt zu werden. Das trifft aber nicht nur, wie oben bereits angeklungen, auf den Alltag zu, sondern auch auf die medizinische Praxis. Schlafwandeln lässt sich weder allein an den Selbstbeschreibungen der Betroffenen feststellen und diagnostizieren noch über die apparativen Schlafaufzeichnungen. Auch hier findet eine Perspektivenintegration statt, die – mit einem stets vorhandenen Grad an Unsicherheit – ein finales Urteil über die Situation ermöglicht.[70]
Dies stellt die juristische Verhandlung des Schlafwandelns vor Herausforderungen. Die strafprozessualen Implikationen von behaupteten schlafwandlerischen Episoden sind nicht trivial. So stellt sich zunächst die Frage nach der ‚Beweislast‘. Wie Eberhard Schmidt anmerkt, könne es so etwas wie eine Beweislast im Strafprozess gar nicht geben, weil der Staat in Gestalt der Staatsanwaltschaft alle relevanten Tatbestandsmerkmale zu beweisen hat, und zwar zur Überzeugung des Gerichts, das keine vernünftigen Zweifel haben darf.[71] Die Angeklagten hingegen müssen ihre Unschuld nicht nachweisen, sondern dürfen sich auch schweigend verteidigen – es gilt die Unschuldsvermutung, der Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare[72] und in Zweifelsfällen in dubio pro reo.[73] Das Gericht muss aber auch nicht ‚ins Blaue hinein‘ ermitteln. Es muss nur dort tätig werden, wo Anlass dazu besteht, in die eine oder andere Richtung zu schauen.[74] So müssen beispielsweise Rechtfertigungsgründe – sofern es nicht offensichtlich bereits aus dem angeklagten Sachverhalt folgt – nicht ohne Anlass oder Vortrag der Verteidigung in den Blick genommen werden. Insofern muss der Angeklagte auch an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken, will er rechtliche Nachteile vermeiden – er trägt zumindest die Behauptungslast.[75]
Beim Schlafwandeln führen diese hergebrachten Grundsätze aufgrund des äußerlich indistinkten Verhaltens zu Spannungen. So kann die Staatsanwaltschaft den äußeren Tatbestand, also die gesetzlich mit Strafe bedrohte Handlungsweise, möglicherweise sogar aufgrund objektiver Beweismittel nachweisen, aber die Probleme des Nachweises (und damit auch der Widerlegung) des Schlafwandelns selbst, bringen prozessuale Schwierigkeiten hervor. Selbst für Sachverständige ist die Diagnose Schlafwandeln ex post nicht unzweifelhaft feststellbar, insbesondere auch deshalb, weil erstens schlafwandlerische Episoden auch ohne bekannte Vorgeschichte auftreten können – also die Tat das erstes Mal Schlafwandeln gewesen sein kann. Zweitens ist die Beurteilung der Frage, ob zum konkreten Zeitpunkt der Tat schlafgewandelt wurde, mit erheblichen Unsicherheiten besetzt, weil es jedenfalls an objektiven schlafmedizinischen Messwerten fehlt und die Bewertung oft einzig auf subjektive Berichte gestützt werden kann. Dieses recht hohe Maß an Unsicherheiten würde unter Geltung des Zweifelssatzes dazu führen, dass eine Verurteilung bei einer entsprechenden Behauptung nicht erfolgen könnte.
Dem ist aber nicht so: Erstens genügt die bloße Behauptung eines entlastenden Grundes nicht, es bedarf zumindest der Darlegung von Indizien für diese Behauptung.[76] Zweitens gilt nach herrschender Ansicht der in dubio-Satz für entlastende Indizien gerade nicht.[77] Vielmehr müssen entlastende Indizien, die nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können, als solche – also als Wahrscheinlichkeitsurteil – in die freie richterliche Beweiswürdigung aufgenommen werden.[78] Sie dürfen nicht pro reo als bewiesen angesehen werden, aber auch nicht contra rerum als nichtvorliegend abgetan werden.[79] Das Gericht muss diese Indizien also selbst würdigen und sich eine Überzeugung bilden, das ist seine ureigene Aufgabe. Dies wirft die Frage nach der objektiv-sachverständigen Nachweisbarkeit im Prozess auf, zu der erschwerend hinzutritt, dass eine solche Beurteilung immer nur eine ex post-Beurteilung sein kann, die zudem in hohem Maße auf die Einlassung der Angeklagten angewiesen ist. Hinzu kommt, dass Übergriffe während des Schlafwandelns oftmals Situationen darstellen, an denen nur Täter und Verletzte beteiligt sind, sodass es prozessual zu einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation kommen kann.[80] Das erschwert auch die sachverständig-objektive Beurteilung der Situation, weil die einem entsprechenden Gutachten zugrundeliegenden Tatsachen nicht zweifelsfrei ermittelt werden können und teils hoch subjektive Eindrücke umfassen. Bei allen Unsicherheiten der sachverständigen Beurteilung muss das Gericht sich letztlich eine Überzeugung über das bilden, was geschehen ist. Das kann es auch; denn der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verzichtet gerade auf strenge Beweisregeln und legt es in die Hände der Richter, die Beweise zu würdigen und zu bewerten.[81] Dass die freie richterliche Beweiswürdigung nicht richterliche Willkür bedeutet, ist unstreitig: Das Gericht muss zu einem intersubjektiv begründbaren Ergebnis kommen, das den Regeln der Logik nicht widersprechen darf.[82] Am Ende kommt es auf ein Wahrscheinlichkeitsurteil an, dessen Begründung auch revisionsgerichtlich überprüft werden kann.[83]
V. Juristisch-soziologische Forderungen
Aus der vorgelegten juristisch-soziologischen Analyse ergeben sich rechtlich und soziale Implikationen, wie mit dem Grenzphänomen Schlafwandeln umzugehen ist. Konkret lassen sich drei Forderungen aufstellen:
1. Komplexe Handlungen als Schlafwandeln anerkennen
Schlafwandeln zeichnet sich dadurch aus, dass es zu unbewussten und eigenwilligen Verhaltensweisen kommt, die ungewollt passieren und meistens ohne jegliche Erinnerungen bei den Schlafwandelnden bleiben. Diese Handlungen reichen von einfachen Tätigkeiten bis hin zu komplexen Handlungen. Gerade letztere stehen oftmals zur Diskussion, weil mit ihnen soziale wie rechtliche Konsequenzen einhergehen können, sie aber für Laien kontraintuitiv sind. Komplexe Handlungen wie Autofahren, Kochen oder aber auch Gewalttaten und Sexsomnia dürfen nicht automatisch mit Wachheit verbunden sein und deshalb zum Ausschluss von Schlafwandeln führen. Beim Schlafwandeln fehlt es zwar an einer bewussten Willensentscheidung, das Schlafwandeln ist trotzdem durch soziale Wissensbestände geprägt und ermöglicht daher solches Verhalten. Das „Leibgedächtnis“[84] der Schlafwandlenden in Form von Handlungskompetenzen und Routinen, aber auch soziokulturell vermitteltes Wissen befähigt sie zu ihrem Tun. Es ist damit nicht weniger glaubhaft, dass Schlafwandeln vorliegt, wenn komplexe Handlungen stattfinden. Es bedarf daher einer komplexen und multimodalen Untersuchung zu dessen Feststellung.
2. Feststellung von und Wissen über Schlafwandeln verbessern
Die Feststellung des Schlafwandelns – im sozialen, medizinischen wie auch juristischen Kontext – ist indistinkt. Das liegt zum einen am Phänomen selbst, das aufgrund seines liminalen Zustandes nur schwer einzuordnen ist. Zum anderen hängt dieses aber auch vom gegenwärtigen Wissen über Schlafwandeln ab. Medizinisch ist derzeit vieles noch unklar: Schon die Frage, ob und wie Schlafwandeln diagnostiziert oder therapiert werden kann, ist nicht eindeutig geklärt.[85] Thematisiert werden aktuell auch Auswirkungen von Trauminhalten auf das Schlafwandeln.[86] Auch innerhalb der Gesellschaft ist das Wissen über Schlafwandeln begrenzt. Neben populärkulturellen Deutungsvorlagen, die oft im Kontext schauriger Gruselgeschichten daherkommen, liefern aktuell Selbstaufnahmen von Schlafwandelnden auf Social Media einen Eindruck, wie somnambule Handlungen aussehen können. Trotzdem ist das vorhandene Wissen limitiert, was eine Interpretation des Schlafwandelns erschwert. Problematisch ist das unzureichende Wissen über Schlafwandeln auch für die gutachterliche Tätigkeit – und damit für juristische Kontexte. So lässt sich Schlafwandeln nicht anhand objektivierender Messungen oder klarer Kriterien feststellen. Stattdessen handelt es sich vielmehr stets um eine intersubjektive Rekonstruktion verschiedener Perspektiven, die von Eigen- und Fremdbeschreibungen über Polysomnographien bis hin zu Audio- und Videoaufzeichnungen reichen. Dies kann einerseits Widersprüche erzeugen, etwa zwischen der medizinischen Begutachtung im Schlaflabor und den Erzählungen von bisherigen somnambulen Episoden in vivo. Des Weiteren lassen sich auch biografische Widersprüche feststellen: gegenwärtiges Schlafwandeln muss nicht immer mit vergangenem Schlafwandeln korrelieren et vice versa. Fehlende Erwähnungen von Schlafwandeln oder schlafwandlerischem Tun bedeuten nicht, dass solches Verhalten nicht stattgefunden hat oder haben kann. Die Rekonstruktion des Schlafwandelns ist damit komplex. Hilfreich könnte es daher sein, wenn das Wissen zum Schlafwandeln weiter disseminiert wird, um Schlafwandeln begreifbarer zu machen und weitere Forschung zur medizinischen und apparativen Diagnostik und Rekonstruktion zu ermöglichen. Neben möglichen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten muss die Erforschung von Schlafwandeln auch Präventionsmöglichkeiten in den Blick nehmen, indem etwa die Auswirkung von Träumen, sozialem Stress und weiteren Faktoren auf das schlafwandlerische Verhalten untersucht werden. Zudem muss dieses Wissen auch innerhalb der Gesellschaft zirkulieren, um Schlafwandeln sozial zugänglich und verstehbar zu machen. Schlafwandeln scheint gegenwärtig ein Wissensdesiderat zu sein, das die Geltung von Wissensordnungen irritiert.
3. Verständigung über Verantwortlichkeiten und Pflichten
Wo schlafwandlerisches Verhalten selbst- oder fremdschädigend wird, erlangen Prävention und Schutzvorkehrungen besondere Bedeutung. Während der Eigenschutz zunächst im Belieben der Schlafwandelnden steht – jede Person ist grundsätzlich frei, unvernünftig zu handeln und sich auch selbst zu gefährden – ist das bei der Beeinträchtigung Dritter anders. Die Abgrenzung der den einzelnen Rechtssubjektiven zustehenden Freiheitssphären bringt die Pflicht hervor, mit seiner Freiheitsbetätigung grundsätzlich nicht in die Sphäre des anderen einzugreifen. Der eigene Körper gehört einem genuinen Organisationskreis an, dessen Organisation so zu gestalten ist, dass von ihm keine unzumutbare Gefährdung anderer ausgeht.[87] Der Umfang dieser Pflichten ist abhängig von der jeweils konkreten Konstellation, insbesondere der Beziehung des Schlafwandelnden und der Betroffenen. Ihre Grenzen werden durch Möglichkeit und Zumutbarkeit abgesteckt. In der juristischen Diskussion wird das Phänomen Schlafwandeln kaum beachtet, sodass über die Pflichten, ihre Begründung und ihren Umfang kaum Konsens oder Gewissheit herrscht. Das ist insofern misslich, als der Verstoß gegen entsprechende Pflichten auch rechtliche Konsequenzen haben kann: Einerseits strafrechtliche und andererseits – in diesem Beitrag nicht thematisierte – zivilrechtliche. Auf der strafrechtlichen Ebene findet sich einerseits das schlafwandlerische Tun als konsequenzlose Nicht-Handlung, andererseits eine mögliche Strafbarkeit aus dem Unterlassen von erforderlichen Präventions- oder Sicherungsmaßnahmen. Deutlich wird dabei ein Desiderat von eindeutigen Pflichten und ihren Grenzen, was es Gerichten und Rechtsanwendern erschwert, Fälle von Schlafwandeln angemessen einzuordnen. Es bedarf daher der näheren Untersuchung und Verständigung über diese Pflichten. Das ist nicht nur eine juristische Aufgabe, sondern bedarf auch einer gesellschaftlichen Diskussion über die Fragen von Verantwortlichkeit und Verpflichtung unter der Unsicherheit eines für den Einzelnen nicht kontrollierbaren Zustandes, einer Grenzerfahrung des sozialen Miteinanders.
VI. Fazit
Schlafen und Handeln werden gemeinhin als dichotome Zustände wahrgenommen, weswegen Schlafwandeln als liminaler Zustand die soziale wie juristische Praxis herausfordert. Schlafwandeln ist für die Beteiligten eine Grenzerfahrung, die eine sicher geglaubte Ordnung stört: Es verletzt die normativen sozialen Erwartungen an Schlafende und wird als deviantes Verhalten angesehen, mit dem sowohl die Schlafwandlenden als auch Bezugspersonen oder andere Betroffene einen Umgang finden müssen. Wenn im Schlaf komplexe Handlungen ausgeführt werden, die zu Fremdverletzungen führen, ist das nicht nur ein Problem des sozialen Miteinanders, sondern erlangt auch juristische Bedeutung. Dabei ist die juristische Behandlung von schlafwandlerischen Handlungen nicht trivial. Geht es zunächst um die Einordnung des Tuns in die Dichotomie von Handlung und Nicht-Handlung, so zeigt sich in der Folge ein deutlich komplexeres Bild, wenn es um die Frage von rechtlichen Schutzpflichten gegenüber Dritten und den Konsequenzen bei deren Nichterfüllung sowie der Nachweisbarkeit und ‚Beweislast‘ im Strafprozess geht. Wenn es um Schlafwandeln geht, ist vieles noch unklar: Selbst Schlafmediziner können Schlafwandeln nur anhand einer – auch abschließend mit gewisser Unsicherheit besetzten – multiperspektivischen Interpretation feststellen; eine retrospektive Beurteilung eines nicht objektiv beobachteten Verhaltens bleibt allenfalls ein Wahrscheinlichkeitsurteil. Darum bedarf es – medizinisch, sozial und juristisch – weiterer Forschung, um das Wissen über Schlafwandeln zu erweitern und eine Verständnisbasis für dieses Grenzphänomen zu finden. Dabei geht es nicht nur um die Erkennbarkeit und die Feststellung schlafwandlerischer Episoden, sondern auch um Prävention und Therapieansätze. Nur ausgehend von einer solchen Wissensbasis lassen sich Fragen von sozialen und rechtlichen Pflichten der Schlafwandelnden zum Schutz Dritter sinnvoll erarbeiten, Verantwortlichkeiten zuschreiben und mögliche juristische Konsequenzen an Pflichtverletzungen knüpfen. Über allem steht ein erster, vielleicht unbequemer Schritt: Die Infragestellung von bestehenden Vorstellungen über die klare Trennung und Erkennbarkeit von Schlafen und Handeln. Es ist anzuerkennen, dass Schlafwandeln als sozial geprägtes, unbewusstes und willkürliches Verhalten auch komplexe Handlungen umfassen kann, die trotzdem ohne willentlichen Einfluss und Körperkontrolle stattfinden. Schlafwandeln bei komplexen Handlungen mit Fremdverletzung von vornherein als bloße Schutzbehauptung abzutun, würde weder der Sache noch den verfassungsmäßigen Anforderungen an ein rechtsstaatliches und faires Verfahren gerecht. Vielmehr bedarf es eines interdisziplinären Austausches, um das Verständnis von komplexen Handlungen beim Schlafwandeln zu vertiefen, Erkenntnismöglichkeiten zu verbessern und Unsicherheiten abzubauen. So kann eine angemessene Bewertung des Grenzphänomens Schlafwandeln, das eine epistemische Herausforderung darstellt, erreicht werden.
[1] Statt aller vgl. Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, 54. Aufl. (2024), Rn. 151; Kindhäuser/Zimmermann, Strafrecht AT, 9. Aufl. (2020), § 5 Rn. 20; Roxin/Greco, Strafrecht AT, Bd. I, 5. Aufl. (2020), § 8 Rn. 73; Kühl, Strafrecht AT, 8. Aufl. (2017), § 2 Rn. 6.
[2] Anders beispielsweise im anglo-amerikanischen Bereich, wo von „the sleepwalking defense“, also einer Verteidigungsmöglichkeit, gesprochen wird. Vgl. Horn, Boston College Law Review 46 (2004), 149; Teacher, Duquesne Criminal Law Journal 1 (2009), 127.
[3] Eine Datenbanksuche bei beck-online zum Stichwort „Schlafwandeln“ förderte lediglich sechs strafrechtliche Entscheidungen zutage, bei juris finden sich fünf Entscheidungen (abgerufen jeweils am 25.6.2025); von diesen Entscheidungen sind nur zwei inhaltlich relevant, weil nur dort schlafwandlerisches Tun beim Beschuldigten zu beurteilen war. Diese beiden Entscheidungen beziehen sich auf denselben Fall. Aus dem anglo-amerikanischen Bereich vgl. beispielsweise die Entscheidungen Massachusetts v. Tirrell (1846); Fain v. Commonwealth, 78 Ky. 183 (Ky. App. 1879); R. vs. Parks (1992) 2 S.C.R. 871; State v. Falater, No. CR1997-000928-A (Ariz. App. Jul. 26, 1994).
[4] R. v. Parks, (1992) 2 S.C.R. 871; Kroker, The Sleep of Others and the Transformation of Sleep Research, 2007, S. 417 f.; Penzel/Rätz, Die Vermessung der Seele. Geltung und Genese der Quantifizierung von Qualia, 2015, S. 129 (136); Wolf-Meyer, The Slumbering Masses: Sleep, Medicine, and Modern American Life, 2012, S. 212 f.
[5] BGH, HRRS 2025 Nr. 472 Rn. 1 ff.; das erstinstanzliche Urteil (LG Lübeck, Urt. v. 14.2.2024 – 7a KLs 559 Js 20243/19 [1/23]) ist bislang unveröffentlicht.
[6] BGH, HRRS 2025 Nr. 472 Rn. 1.
[7] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ICD-10-GM Version 2025, abrufbar unter: https://bit.ly/43MnLST (zuletzt abgerufen am 18.8.2025).
[8] Bei Arousals handelt es sich meist um unbemerkte, aber auf der Polysomnografie sichtbare Schlafunterbrechungen in Form von Frequenzbeschleunigung oder abruptem Schlafstadienwechsel in den Wachzustand. Die Zunahme solcher Arousals kann dann zu einer gestörten Schlafarchitektur führen, vgl. Crönlein/Galetke/Young, Schlafmedizin 1×1. Praxisorientiertes Basiswissen. 2. Aufl. (2020), S. 16.
[9] Crönlein/Galetke/Young, S. 9 ff.
[10] Crönlein/Galetke/Young, S. 147; Idir/Oudiette/Arnulf, Journal of Sleep Research 31 (2022), 1–15; Hoppe/Schredl, Schlafwandeln. Wie kann ich damit umgehen?, abrufbar unter: https://bit.ly/3LI1ort (zuletzt abgerufen am 22.8.2025), S. 3; Saletu/Saletu–Zyhlarz, Somnologie 19 (2015), 226 (227 ff.).
[11] Mayer, in: Peter/Penzel/Peter/Peter, Enzyklopädie der Schlafmedizin, 2007, S. 1140 (1141).
[12] Reinhardt, in: Poferl/Schröer/Hitzler/Kreher, Leib-Körper-Ethnographie. Erkundungen zum Leib-Sein und Körper-Haben, 2023, S. 395–405; Wettmann, in: Poferl/Eisewicht/Hitzler/Kirchner/Wustmann/Schröer, Perspektivendifferenz. Zur Ethnographie des kommunikativen Handelns, 2025, S. 279–290.
[13] Pschyrembel-Redaktion, Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch, 269. Aufl. (2023), S. 1567.
[14] Hoppe/Schredl, S. 2.
[15] Wetter/Klösch, Neurotransmitter 25 (2014), 58 (59); Saletu/Saletu–Zyhlarz. Somnologie 19 (2015), 226; Trajanovic/Mangan/Shapiro, Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology 42 (2007), 1024 ff.
[16] Wettmann, in: Benkel/Gugutzer, Extreme Körper. Eine körpersoziologische Zeitdiagnose, 2025, S. 191 (195).
[17] Wolf-Meyer, S. 203–224; Cartwright, American Journal of Psychiatry 161 (2004), 1149–1158; Organ/Fedoroff, Current Psychiatry Reports 17 (2015), 1–8.
[18] Die soziologische Perspektive stammt aus dem DFG-Forschungsprojekt „Schlafwandeln. Widerspenstiges Wissen zu einem liminalen Zustand“ (Projektnummer: 436267559). Empirisch umfasste die Analyse digital verfügbare Selbstberichte und Videos über Schlafwandeln, Schlaflaboraufenthalte sowie Interviews mit Schlafmedizinern und Betroffenen. Weitere Details: www.schlafwissen.net.
[19] Beschreibung zu ICD11 Code 7B00, vgl. WHO, ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics, 2025-01, abrufbar unter: https://icd.who.int/browse/2025-01/mms/en#883900763 (zuletzt abgerufen am 25.8.2025); deutsche Übersetzung aus der Entwurfsfassung, abrufbar unter: https://icdapi-de-prerelease.azurewebsites.net/browse/2025-01/mms/de#151357345 (zuletzt abgerufen am 25.8.2025). Im Alltag der Betroffenen erscheint das Schlafwandeln aber nicht zwangsläufig als Leiden und Problem, siehe hierzu: Wettmann/Zillien, Von Sleep Tracking bis Schlafwandeln: Wissenssoziologische Überlegungen zum Schlaf, in: Soziopolis: Gesellschaft beobachten, 2025, abrufbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-103127-4 (zuletzt abgerufen am 3.9.2025).
[20] Williams, Sociology 41 (2007), 313 (322).
[21] Williams/Crossley, Body & Society 14 (2008), 1 (3).
[22] Gugutzer, Das Pathos des Sozialen. Beiträge zur Neophänomenologischen Soziologie, 2023, S. 158 (Hervorhebungen im Original).
[23] Wettmann, in: Benkel/Gugutzer, S. 191.
[24] Joas, Die Kreativität des Handelns, 4. Aufl (2012), S. 249.
[25] Reinhardt, in: Poferl/Schröer/Hitzler/Kreher, Leib-Körper Ethnographie. Erkundungen zum Leib-Sein und Körper-Haben, 2023, S. 395; Wettmann, in: Poferl/Eisenwicht/Hitzler/Kirchner/Wustmann/Schröer, S. 279–290.
[26] Meadows/Arber/Venn/Hislop, Sleep. Body & Society 14 (2008), 75–91.
[27] Wettmann/Zillien, Von Sleep Tracking bis Schlafwandeln: Wissenssoziologische Überlegungen zum Schlaf, in Soziopolis – Gesellschaft beobachten, 2025, abrufbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-103127-4 (zuletzt abgerufen am 3.9.2025).
[28] v. Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 25. Aufl. (1927), S. 152 ff.; Beling, Die Lehre vom Verbrechen, 1906, S. 9, 17.
[29] Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. (1969), § 8 I.
[30] v. Liszt/Eb. Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 26. Aufl. (1931), S. 153; Eb. Schmidt, JZ 1956, 188 (190); Engisch, in: FS Kohlrausch, 1944, S. 141 (160); Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, 5. Aufl. (1996), § 23 VI 1; Jeschenk, in: FS Eb. Schmidt, 1961, S. 139 (151).
[31] Fischer/Anstötz, in: Fischer/Anstötz/Lutz, StGB, 72. Aufl. (2025), Vorb. § 13 Rn. 7; Eisele, in: TK-StGB, 31. Aufl. (2025), Vorb. § 13 Rn. 37.
[32] Renzikowski, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), Vorb § 13 Rn. 52.
[33] Roxin/Greco, § 8 Rn. 73; Eisele, in: TK-StGB, Vorb. § 13 Rn. 39; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 66. Ed. (Stand: 1.8.2025), § 20 Rn. 44; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. (2023), § 20 Rn. 7; Schild/Zabel in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 20 Rn. 86 m.w.N.
[34] Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 156.
[35] Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 156; Walter, in: LK-StGB, Bd. 1, 13. Aufl. (2020), Vorb. § 13 Rn. 38; Eisele, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, 13. Aufl. (2021), § 9 Rn. 37; Jescheck/Weigend, § 23 VI. 2; vgl. auch Eisele, in: TK-StGB, Vorb. § 13 Rn. 39; Kindhäuser/Zimmermann, § 5 Rn. 20; Freund/Rostalski, in: Erb/Schäfer, MüKo-StGB, Bd. 1, 5. Aufl. (2024), Vorb. § 13 Rn. 140: „Wer schläft, sündigt nicht“.
[36] Eisele, in: TK-StGB, Vorb. § 13 Rn. 37; Wesesls/Beulke/Satzger, Rn. 134; Renzikowski, in: Matt/Renzikowski, StGB, Vorb. § 13 Rn. 51 ff.
[37] BGH, HRRS 2025, Nr. 472, Rn. 5; die Entscheidung des erstinstanzlichen LG Lübeck, Urt. v. 14.2.2024 – 7a KLs 559 Js 20243/19 (1/23), ist bislang unveröffentlicht.
[38] Kühl, § 2 Rn. 2 f.; Eisele, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 9 Rn. 1; Kindhäuser/Zimmermann, § 5 Rn. 9, § 6 Rn. 1 ff.; Roxin/Greco, § 8 Rn. 4; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 132 ff.; Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, Vorb. § 13 Rn. 134; Renzikowski, in: Matt/Renzikowski, StGB, Vorb. § 13 Rn. 1, 40, 51 f.; Puppe/Grosse–Wilde, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Aufl. (2023), Vorb. § 13 Rn. 34.
[39] BGH, HRRS 2025, Nr. 472, Rn. 6 ff.
[40] Alle Maßregeln der Besserung und Sicherung knüpfen an eine strafrechtlich relevante Handlung an: §§ 63, 64, 69 und 70 StGB verlangen eine „rechtswidrige Tat“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB also eine solche die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, § 66 und 68 StGB erfordern jeweils die Verurteilung zu einer Strafe und damit eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung.
[41] Eisele, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 9 Rn. 41; Renzikowski, in: Matt/Renzikowski, StGB, Vorb. § 13 Rn. 59.
[42] Zur folgenden Differenzierung zwischen Beschützer- und Sicherungsgaranten (auch: Überwachergaranten) vgl. nur Haas, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 13 Rn. 53; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 32; Bosch, in: TK-StGB, § 13 Rn. 9 ff. Grundlegend dazu Arm. Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1959, S. 283 ff.
[43] Gaede in: NK-StGB, § 13 Rn. 59; Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 175.
[44] Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 57 f.; Haas, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 13 Rn. 97 f.; Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 174. Auf eine institutionelle Begründung durch das Institut der Ehe kommt es dabei nicht entscheidend an.
[45] Vgl. Kudlich, in: SSW-StGB, 6. Aufl. (2024), § 13 Rn. 16.
[46] BGHSt 25, 218 (220 ff.); 54, 45 (47); Fischer/Anstötz, StGB, § 13 Rn. 52; Haas, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 13 Rn. 75; Bosch, in: TK-StGB, § 13 Rn. 35; über die Pflichtwidrigkeit hinaus bspw. Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 120 ff.
[47] So stellen beispielsweise Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 120 ff. auf „Verhaltensweisen“ ab; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 43 f.: „Vorverhalten“.
[48] Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 21 Rn. 70; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 1200; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 43; Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 23; Kühl, § 18 Rn. 91.
[49] Diese Herrschaft begründet die Gefahrzuständigkeit: Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 30; Haas, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 13 Rn. 56; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 46; Kühl, § 18 Rn. 106 ff. Über den eigenen Organisationskreis begründen dies Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl. (1991), 29/29 ff. sowie Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 113 ff.
[50] Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 113.
[51] Jakobs, 29/31; Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 113 f.; Frister, Strafrecht AT, 10. Aufl. (2023), 22/27.
[52] Kühl, § 18 Rn. 118 a.E.
[53] BGH, NStZ 1984, 183 (184).
[54] Die Urteile des AG Offenbach und das Berufungsurteil des LG Darmstadt sind nicht veröffentlicht und können aktuell nur der Presseberichterstattung entnommen werden: LTOv. 17.4.2018, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-darmstadt-ms-kranker-autounfall-toedlich-fahrlaessige-toetung-urteil-bewaehrung (zuletzt abgerufen am 21.8.2025); Schlegl, in: Frankfurter Rundschau v. 6.1.2019, abrufbar unter: https://www.fr.de/rhein-main/kmh-fussgaenger-ueberfahren-11017390.html (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[55] AG Berlin-Tiergarten, Urt. v. 27.6.2025 – 212 Ls 1/25 (unveröffentlicht), vgl. LTO vom 27.6.2025, abrufbar unter: https://bit.ly/4qBXjW1 (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[56] Freund/Rostalski, MüKo-StGB, § 13 Rn. 114. Gefahrenabwehrrechtlich ist der Zustand vergleichbar mit dem des Zustandsstörers.
[57] Es gilt insoweit der Rechtssatz ultra posse nemo obligatur. Vgl. auch Renzikowski, in: Matt/Renzikowski, StGB, Vorb. § 13 Rn. 39: Verhaltensnormen dürfen nichts Unmögliches verlangen.
[58] Haas, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 13 Rn. 29 ff.; Bosch, in: TK-StGB, § 13 Rn. 156; vgl. auch BGH, NJW 2015, 176 (177). Ähnlich, aber für eine Behandlung auf Schuldebene: Kudlich, in: SSW-StGB, § 13 Rn. 34; Kühl, § 18 Rn. 140; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 21 Rn. 103.
[59] Bosch, in: TK-StGB, § 13 Rn. 156; Stree, in: FS Lenckner, 1998, S. 393 (407).
[60] BGH, NStZ 1984, 164.
[61] Als Beispiel sei auf die schon gebrachten Beschreibungen von räumlichen (Raumtrenner zwischen Bett und Kind) oder personellen (Schlafwandeln würde den Partner zwangsläufig wecken) Sicherungsvorkehrungen verwiesen.
[62] Zur Bewirkungsäquivalenz bei reinen Erfolgsdelikten vgl. statt vieler Kühl, § 18 Rn. 124; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 1209; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 21 Rn. 88 f.
[63] Vgl. nur Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 1118; Kühl, § 17 Rn. 13; s. auch Jakobs, 9/2 ff.
[64] Vgl. zu dieser Rechtsfigur allgemein Roxin/Greco, § 20 Rn. 56 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 657 ff.; Eisele, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 17 Rn. 32 ff.
[65] Vgl. Beck, ZIS 2018, 204 (206 ff.), Frister, 18/21; krit. Streng, in: MüKo-StGB, § 20 Rn. 122.
[66] Das Ausnahmemodell verstößt nach richtiger Ansicht bereits gegen Art. 103 Abs. 2 GG, sodass es nicht weiter zu verfolgen ist; vgl. statt vieler BGHSt 42, 235 (241); Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 20 Rn. 78; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 656; Eisele, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 17 Rn. 35 jeweils m.w.N.; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (565); a.A. Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 31. Aufl. (2025), § 20 Rn. 25a; ähnl. Kühl, § 11 Rn. 18, der allerdings die verfassungsrechtlichen Zweifel nicht ausgeräumt sieht, sondern das Ausnahmemodell nur für „ehrlicher“ hält.
[67] Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 663; Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 20 Rn. 80; Streng, in: MüKo-StGB, § 20 Rn. 121; Roxin/Greco, § 20 Rn. 62; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561 (563); Rönnau, JA 1997, 707 (709).
[68] Wettmann, in: Poferl/Eisenwicht/Hitzler/Kirchner/Wustmann/
Schröer, S. 279–290.
[69] Diese Praktik der „Addition“ beschreibt Annemarie Mol im Fall von Arteriosklerose. Hier konstituiert sich die Erkrankung dann immer wieder neu in den verschiedenen Situationen, in denen Arteriosklerose relevant wird. Arteriosklerose und der Körper, so konstatiert sie, ist damit immer multiple: Mol, The body multiple: ontology in medical practice, 2002, S. 69–79; 84.
[70] John Dewey beschreibt diese Art der Urteilsbildung bereits, wobei Menschen – im Alltag, wie in der medizinischen, juristischen und wissenschaftlichen Praxis – in einem experimentellen Vorgehen durch das Prüfen und Testen von potenziellen Lösungsansätzen auf eine Problemsituationen reagieren und diese umformen: Dewey, Logik. Die Theorie der Forschung, 2002.
[71] Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Teil I, 1952, Rn. 301 f.
[72] Vgl. zu diesem Grundsatz eingehend Dorneck, Nemo-tenetur und Verbandssanktionen, 2024, S. 9 ff. sowie die grundsätzlichen Arbeiten beispielweise von Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, 1977, und Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, 2006.
[73] Kudlich, in: MüKo-StPO, 2. Aufl. (2023), Einl. Rn. 202 f.; Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, 2. Aufl. (2025), § 261 Rn. 85 ff.; Schluckebier, in: SSW-StPO, 6. Aufl. (2025), § 261 Rn. 53 ff.; Murmann, in: Rotsch/Saliger/Tsambikakis, StPO, Bd. 1, 2025, § 261 Rn. 165 ff. Rönnau/Saathoff, JuS 2023, 537 (538 ff.); Walter, JZ 2006, 340 (344 ff.).
[74] Walter, JZ 2006, 340; Eb. Schmidt, Rn. 303; so im Ergebnis auch, wenn davon gesprochen wird, dass die Aufklärungspflicht des Gerichts nur soweit reicht, „wie bekannte oder erkennbare Umstände zum Gebrauch von Beweismitteln drängen oder ihn nahelegen“, vgl. Schmitt, in: Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl. (2025), § 244 Rn. 12; Bock, in: Rotsch/Saliger/Tsambikakis, StPO, Bd. 1, 2025, § 244 Rn. 58 ff.
[75] Walter, JZ 2006, 340; Arzt, Ketzerische Bemerkungen zum Prinzip in dubio pro reo, 1997, S. 16.
[76] Schluckebier, in: SSW-StPO, § 261 Rn. 53; Murmann, in: Rotsch/Saliger/Tsambikakis, StPO, § 261 Rn. 165; Bartel, in: MüKo-StPO, Bd. 2, 2. Aufl. (2024), § 261 Rn. 71.
[77] Murmann, in: Rotsch/Saliger/Tsambikakis, StPO, § 261 Rn. 167; Pegel, in: Radtke/Hohmann, § 261 Rn. 89; Walter, JZ 2006, 340 (347 f.).
[78] Walter, JZ 2006, 340 (348); Pegel, in: Radtke/Hohmann, § 261 Rn. 89; Murmann, in: Rotsch/Saliger/Tsambikakis, StPO, § 261 Rn. 167; Bartel, in: MüKo-StPO, § 261 Rn. 366.
[79] Walter, JZ 2006, 340 (348).
[80] Vgl. zu den Besonderheiten der Aussage gegen Aussage-Konstellationen Tiemann, in: Barthe/Gericke, KK-StPO, 9. Aufl. (2023), § 261 Rn. 100 ff.; Bartel, in: MüKo-StPO, § 261 Rn. 246 ff. Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, 2. Aufl. (2025), § 261 Rn. 57 f.
[81] So ist der Tatrichter bei der Beweiswürdigung grundsätzlich nicht an Beweisregeln gebunden, die Würdigung der Beweise ist „ureigene Aufgabe des Tatrichters“: Schluckebier, in: SSW-StPO, § 261 Rn. 14.; so auch die st. Rspr.: BGHSt 10, 208 (210); BGH, NJW 2002, 2188 (2189); NStZ-RR 2004, 238; NJW 2006, 925 (928); NStZ-RR 2015, 52; Bartel, in: MüKo-StPO, § 261 Rn. 84 ff.; Murmann, in: Rotsch/Saliger/Tsambikakis, StPO, § 261 Rn. 191 m.w.N.
[82] Statt vieler nur Walter, JZ 2006, 340 (342); Pegel, in: Radtke/Hohmann, § 261 Rn. 31 ff.; Murmann, in: Rotsch/Saliger/Tsambikakis, StPO, § 261 Rn. 65 ff.; Beulke/Swoboda, StPO, 17. Aufl. (2025), Rn. 755 ff. Vgl. zur Intersubjektivität – wenn auch in anderem Kontext – Meißner, Die Interessenabwägungsformel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB), 1990, S. 152 ff.; sowie Linoh, Der rechtfertigende Notstand im Medizinrecht, 2023, S. 111 f.
[83] Die grundsätzlich beschränkte Revisibilität der Beweiswürdigung bedeutet aber auch ein Begründungserfordernis; denn nur diese Begründung im Urteil ist Grundlage der revisionsgerichtlichen Prüfung. Zu Umfang und Grenzen der Überprüfung vgl. nur Bartel, in: MüKo-StPO, § 261 Rn. 421 ff.; Schluckebier, in: SSW-StPO, § 261 Rn. 68 ff.; Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 261 Rn. 94 ff. Zur Bedeutung der Begründung im Bereich der „ureigenen Aufgaben des Tatrichters“ vgl. auch Linoh, ZfIStw 2024, 408 ff.
[84] Gugutzer, Das Pathos des Sozialen. Beiträge zur Neophänomenologischen Soziologie, 2023, S. 162.
[85] Idir/Oudiette/Arnulf, Journal of Sleep Research 31 (2022), e13596; Picard–Deland/Cesari/Stefani/Maranci/Hogl/Arnulf, Journal of Sleep Research 2025, e70090.
[86] Oudiette/Leu/Pottier/Buzare/Brion/Arnulf, Sleep 32 (2009), 1621–1627.
[87] Vgl. Jakobs, 29/31; Freund/Rostalski, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 113 f.; Frister, Strafrecht AT, 10. Aufl. (2023), 22/27.
