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Zur Idee eines Bundespolizeibeauftragten – Verkörperung eines Generalverdachts oder erforderliche Kontrollinstanz für polizeiliches Handeln?

von Prof. Dr. iur. Dr. rer. publ. Markus Thiel

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Abstract
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in der laufenden Legislaturperiode (erneut) den Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) in den Bundestag eingebracht. Damit soll ein(e) Bundespolizeibeauftragte(r) beim Bundestag errichtet werden, der für die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundeszollverwaltung und die Polizei beim Deutschen Bundestag zuständig sein soll. Seine Aufgaben sollen darin liegen, individuelles Fehlverhalten im Einzelfall auf der Grundlage von Eingaben und Hinweisen von natürlichen oder juristischen Personen sowie von Beschäftigten der in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden Behörden aufzuklären. Darüber hinaus soll er strukturelle Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen bzw. aufdecken. Er soll aufgrund eigener Entscheidung, aber auch als Hilfsorgan des Bundestages im Auftrag tätig werden. Ziele sind die Förderung von Transparenz und eines professionellen Umgangs mit Fehlern sowie die Stärkung der Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit, der Wertschätzung und Anerkennung der Behörden und ihrer Beschäftigten in der Öffentlichkeit. Dieser Beitrag untersucht, ob es der Einrichtung eines solchen Bundespolizeibeauftragten bedarf.

I. Einleitung

Die Rechtsordnung sieht für vielfältige Bereiche die Funktion einer bzw. eines „Beauftragten“ vor.[1] Beauftragte können organisatorisch einem Parlament zugewiesen sein – so ordnet etwa Art. 45b S. 1 GG die Berufung eines Wehrbeauftragten des Bundestages „zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle“ an.[2] Beauftragte können vorübergehend bestellt oder als Dauereinrichtung etabliert werden: Im Verteidigungsfall ermöglicht es Art. 115f Abs. 1 Nr. 2 GG der Bundesregierung, einem Mitglied der Landesregierung als „Bundesbeauftragtem“ (vorübergehend) Weisungsbefugnisse gegenüber der Bundesverwaltung, den Landesregierungen und den Landesbehörden zu übertragen.[3] Auf Bundesebene finden sich „Beauftragte der Bundesregierung“, z. B. für Migration, Flüchtlinge und Integration (§§ 92 ff. AufenthG), für Belange von Menschen mit Behinderungen, für Digitalisierung, für Informationstechnik, für die Nachrichtendienste des Bundes, für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle, für Wirtschaftlichkeit der Verwaltung[4] und für Tourismus. Sie nehmen im Wesentlichen unterstützende und beratende Aufgaben wahr und sind nicht in die Verwaltungshierarchie eingegliedert. Bei anderen Beauftragten handelt es sich um eigenständige Behörden; dies gilt etwa für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,[5] der ohne Aussprache auf Vorschlag der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag gewählt wird. In den Ländern finden sich ebenfalls Beauftragte der Landesregierungen und Landesdatenschutzbeauftragte, und auch die Kommunen können Beauftragte zum Zwecke der Vertretung von Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen bestellen (§ 27a S. 1 GO NRW: „Die Gemeinde kann zur Wahrnehmung der spezifischen Interessen von Senioren, von Jugendlichen, von Menschen mit Behinderung oder anderen gesellschaftlichen Gruppen (…) Beauftragte bestellen“).

Organisationsformen, Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse der Beauftragten sind heterogen ausgestaltet. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie für ein regelmäßig klar abgegrenztes Themenfeld weitestgehend unabhängig mit einer besonderen Expertise Beratungs-, Unterstützungs- und gegebenenfalls Kontrollfunktionen insbesondere bezüglich des Parlaments, der Regierung bzw. der Verwaltung ausüben. Diese Kontrollfunktionen werden häufig als Kompensation für das komplexer und autonomer gewordene Verwaltungshandeln, die Beauftragten als „Accountability-Institutionen“[6] verstanden, also als Organe zur Förderung von Verantwortung und zur Realisierung von Rechenschaftspflichten. Beauftragte können zudem als Ansprechpartner und Berater für bestimmte Bevölkerungsgruppen und Einzelpersonen – etwa in Fach- und Rechtsfragen – wirken, als „Obleute“ in schiedsrichterlicher Funktion eingesetzt werden sowie Aufklärungs-, Berichts- und „Lobby“-Tätigkeiten wahrnehmen. Damit erweist sich der Beauftragte als flexibel nutzbares Organ, das mittels Unabhängigkeit und Fachkenntnis die Rationalität von Entscheidungsprozessen und -ergebnissen erhöhen, andere Stellen überwachen, Akzeptanz schaffen und (Partikular-)Interessen in der „Mehrheitsgesellschaft“ effektiv vertreten soll. Die Erfahrungen mit den Beauftragten sind dabei im Ganzen sehr positiv.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das „Beauftragtenwesen“ eine Tendenz zur Expansion zeigt. Namentlich für solche Politikfelder und Verwaltungsbereiche, in denen – tatsächliche oder vermeintliche – Defizite wahrgenommen werden, wird schnell der Ruf nach einem unabhängigen Beauftragten laut. Dies erscheint grundsätzlich nachvollziehbar, allerdings sind bei der Bewertung solcher Forderungen verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: Erstens müssen sich Aufgaben und Befugnisse des Beauftragten in die bereits bestehenden parlamentarischen, politischen und rechtlichen Kontrollmechanismen „einpassen“ (lassen), zweitens ist darauf zu achten, die Kompetenzen so zuzuschneiden, dass die Tätigkeit der übrigen gesetzlich vorgesehenen Organe, Gremien und Einrichtungen nicht eingeschränkt wird, und drittens ist die Neuerrichtung von Beauftragten – insbesondere bei einer Ausgestaltung als eigene Behörde – mit erheblichen Kosten verbunden, so dass sich auch mit Blick auf die haushaltsrechtlichen Vorgaben die Frage nach der Erforderlichkeit stellt. Politische „Kosmetik“ oder ein schlichtes „nice to have“ helfen Vorstößen zur Schaffung neuer Beauftragter nicht über diese Erforderlichkeitsschwelle hinweg.

Diese Erwägungen gelten auch für die Vorschläge zur Einrichtung von „Polizeibeauftragten“.[7] Am 27. Februar 2019 hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) vorgelegt.[8] In einem begleitenden Antrag zur Erleichterung der Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens[9] fordert die Fraktion die Bundesregierung zur Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) auf, um insbesondere Defizite bei der Mitwirkung von Polizeibeamtinnen und -beamten an Ermittlungsverfahren wegen polizeilichen Fehlverhaltens zu korrigieren. Der Gesetzentwurf befindet sich in der parlamentarischen Beratung; derzeit ist der Innenausschuss mit ihm befasst. Schon in der 18. Legislaturperiode hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN inhaltlich weitestgehend identische Anträge eingebracht.[10] Der Innenausschuss hat damals im Anschluss an eine Sachverständigenanhörung die Empfehlung ausgesprochen, die entsprechenden Vorlagen abzulehnen;[11] der Gesetzentwurf ist dann auch im Plenum gescheitert.

Der neuerliche Vorstoß auf Bundesebene trägt der Tatsache Rechnung, dass in einigen Bundesländern in den zurückliegenden Jahren bereits Beauftragte für die Landespolizei eingerichtet worden sind, greift jüngste Ereignisse auf, die ein rechtsstaatliches Versagen von Polizeibehörden vermuten lassen, und folgt Stellungnahmen im Schrifttum, die sich für die Errichtung unabhängiger Kontrollorgane zur Verbesserung der „Fehlerkultur“ und als vertrauensbildende Maßnahme aussprechen.[12] In diesem Beitrag werden zunächst die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfs dargestellt (u. II.). Es schließen sich eine eingehende Auseinandersetzung mit den Argumenten für und wider die Einrichtung eines Bundespolizeibeauftragten  (u. III.) sowie ein Fazit (u. IV.) an.

II. Gesetzesinitiative zur Einrichtung eines Bundespolizeibeauftragten

Der aktuelle Gesetzentwurf sieht die Einrichtung einer bzw. eines Bundespolizeibeauftragten beim Bundestag vor (§ 1 Abs. 1 BPolBeauftrG-E). Im Hintergrund stehen die Erkenntnis, dass der Polizei als Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols besondere Verantwortung und Vorbildfunktion zukommen, und die Tatsache, dass in einigen Bundesländern bereits unabhängige Stellen als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Bediensteten der Landespolizeibehörden geschaffen worden sind.[13] Der Gesetzentwurf sieht ein Bedürfnis für eine solche Einrichtung auch auf Bundesebene für die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, den Zoll und die Polizei beim Deutschen Bundestag. Er hebt die Bedeutung einer externen unabhängigen Kontrolle hervor und betont die Notwendigkeit einer Aufarbeitung behördlichen Fehlverhaltens sowie einer Behebung struktureller Mängel. Zudem erwartet der Entwurf eine Förderung und Erleichterung der parlamentarischen Kontrolle der Polizeibehörden des Bundes.[14] Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerden werden als „nach innen gerichtete Verfahren“ nicht für ausreichend erachtet, eine wirksame und unabhängige Selbstkontrolle der Polizei zu ermöglichen und Vertrauen zu fördern.

Der Gesetzentwurf soll die gesetzlichen Grundlagen für die Schaffung der unabhängigen Stelle einer Polizeibeauftragten oder eines Polizeibeauftragten des Bundes als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages bereitstellen,[15] der nach § 18 Abs. 1 S. 1 BPolBeauftrG-E „in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund“ stehen und seinen Dienstsitz in Berlin (§ 19 Abs. 1 des Entwurfs) haben soll. Seine Zuständigkeit soll sich auf die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundeszollverwaltung und die Polizei beim Deutschen Bundestag erstrecken (§ 1 Abs. 2 S. 1 BPolBeauftrG-E); die Bezeichnung als „Bundespolizeibeauftragter“ ist daher etwas unglücklich, weil sie suggeriert, dass nur die Bundespolizei erfasst ist. Das Aufgabenportfolio des Beauftragten erstreckt sich nach § 1 Abs. 2 S. 2 des Entwurfs einerseits darauf, „1. Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall, die auf eine Verletzung von Rechtsstaatlichkeit, insbesondere von Grundrechten und der Diskriminierungsfreiheit schließen lassen“, sowie „2. entsprechende strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zu erkennen und ihnen vorzubeugen“. Normtechnisch eigentümlich erscheint die Festlegung der Ziele der Aufgabenerfüllung des Bundespolizeibeauftragten in § 1 Abs. 2 S. 3 BPolBeauftrG-E. Die Norm erläutert, dass Transparenz und ein professioneller Umgang mit Fehlern gefördert sowie die Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit, die Wertschätzung und Anerkennung der Behörden und ihrer Beschäftigten in der Öffentlichkeit gestärkt werden sollen. Die Funktion dieses Satzes bleibt unklar – es handelt sich nicht um normative Tatbestandsmerkmale, sondern um eine Beschreibung der Zielvorgaben für das gesamte Gesetz, die aber nicht so formuliert sind, dass sie als klare Maßstäbe für die Aufgabenerfüllung – etwa im Sinne einer Beschränkung, einer Handlungsvorgabe o.ä. – herangezogen werden könnten. Der Satz ist entbehrlich, weil sich die Zielsetzungen der Regelungen ohne weiteres auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergeben. Der Normtext sollte nicht mit Formulierungen überladen werden, deren normative Funktion im Unklaren bleibt.

Aktiv soll der Beauftragte als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle (ohne dabei aber an Weisungen gebunden zu sein), aber auch nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund eigener Entscheidungen (§ 1 Abs. 3 des Entwurfs) werden – aufgrund von Eingaben oder wenn ihm auf sonstige Weise Umstände aus seinem Aufgabenbereich bekannt werden (§ 5 des Entwurfs). Im Rahmen seiner Funktion als Hilfsorgan können ihm der Bundestag, eine Fraktion, fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages sowie der Innen-, Finanz- oder Petitionsausschuss „Aufträge zur Überprüfung von Strukturen, Entwicklungen und Einzelfällen“ in seinem Aufgabenbereich erteilen (§ 3 BPolBeauftrG-E).

Gemäß § 4 Abs. 1 BPolBeauftrG-E kann jede natürliche oder juristische Person dem Bundespolizeibeauftragten mündlich, schriftlich oder elektronisch Hinweise auf strukturelle Mängel, Fehlentwicklungen, Fehler oder Fehlverhalten geben. Nach Absatz 2 der Vorschrift können sich auch Beschäftigte der vom Zuständigkeitsbereich des Beauftragten erfassten Behörden unmittelbar und ohne Einhaltung des Dienstweges (und ohne vorherige Remonstration[16]) an diesen wenden.

Zentrale Vorschrift des Gesetzentwurfs ist § 6 Abs. 3: Enthalten Hinweise oder Eingaben hinreichende Informationen über Fehlverhalten oder Fehlentwicklungen in einer oder mehreren Behörden, so klärt der Bundespolizeibeauftragte den Sachverhalt und die Hintergründe auf. Dazu stehen ihm die in § 7 geregelten Befugnisse zu: Er kann Stellungnahmen anfordern, Auskunft und die Beantwortung von Fragen verlangen, Akten und elektronische Datenträger der den Bundesministerien des Innern und der Finanzen unterstellten Dienststellen einsehen, Kopien oder Ausdrucke mitnehmen sowie Bedienstete der Behörden, Betroffene und andere Personen, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, anhören. Damit sind dem Bundespolizeibeauftragten und seinen Beschäftigten umfangreiche Ermittlungsinstrumente an die Hand gegeben. Seine Tätigkeit mündet in das Recht nach § 7 Nr. 6, festgestellte Rechtsverstöße gegenüber der zuständigen obersten Bundesbehörde förmlich zu beanstanden.

Bedeutsam sind zudem die Regelungen in § 13 BPolBeauftrG-E zum Verhältnis der Untersuchungen des Beauftragten zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und zum Disziplinarverfahren. Gemäß Absatz 1 kann der Beauftragte einen Vorgang der für die Einleitung des Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle zuleiten, soweit dem Einsender nicht die vertrauliche Behandlung zugesagt wurde. Die Untersuchungen des Beauftragten werden nach Absatz 2 parallel zum Straf- oder Disziplinarverfahren fortgeführt, „wenn damit ein eigenes Erkenntnisinteresse (…) verbunden ist“. Ein solches Interesse wird – sofern ein Einzelfall untersucht wird – insbesondere dann gegeben sein, wenn dieser Einzelfall über sich selbst hinausreichende Aufschlüsse über strukturelle Fehlentwicklungen geben kann.

Gemäß § 16 Abs. 1 BPolBeauftrG-E ist der Bundespolizeibeauftragte dem Bundestag gegenüber berichtspflichtig; er hat alle zwei Jahre einen schriftlichen Gesamtbericht vorzulegen, der auch Empfehlungen für strukturelle Änderungen in den in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Behörden und über Maßnahmen zur Verbesserung der Fehlerkultur enthalten soll. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann er jederzeit dem Bundestag bzw. seinen Ausschüssen Einzelberichte vorlegen und diese auch veröffentlichen, nachdem der betroffenen Behörde zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist. Einen Einzelbericht muss der Beauftragte nach Absatz 3 schließlich dann abgeben, wenn er mit der Untersuchung von Vorfällen oder Entwicklungen durch den Bundestag oder einen seiner Ausschüsse beauftragt worden ist – dies soll über den Wortlaut hinaus wohl auch für eine Auftragserteilung durch eine Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 BPolBeauftrG-E) gelten.

III. Rechtliche und rechtspolitische Würdigung

Sollte diesen Vorschlägen des Gesetzentwurfs gefolgt werden? Die Einrichtung eines Bundespolizeibeauftragten ist – anders als die Position des Wehrbeauftragten – jedenfalls nicht ausdrücklich verfassungsrechtlich geboten. Auch die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger bzw. der Polizeibeamtinnen und -beamten bzw. das Recht auf effektiven Rechtsschutz in Art. 19 Abs. 4 GG fordern seine Schaffung nicht. Die Rechtsordnung sieht vielfältige Beschwerde- und Rechtsschutzmöglichkeiten bei polizeilichem Fehlverhalten vor, auch für Bedienstete der Polizeibehörden selbst. Strukturellen Fehlentwicklungen haben Politik und Gesetzgeber entgegenzuwirken.

Die vorhandenen Instrumente sind freilich nicht deckungsgleich mit der im Gesetzentwurf konzipierten „Doppelfunktion“ eines Bundespolizeibeauftragten. Beispielhaft lassen sich dazu die folgenden Einrichtungen nennen: Von den Gegnern eines Bundespolizeibeauftragten wird in der Diskussion häufig auf den Petitionsausschuss des Bundestags verwiesen.[17] Dessen Kontrollmöglichkeiten bleiben allerdings hinter denjenigen zurück, die der Gesetzentwurf dem Bundespolizeibeauftragten zuweist. Es erfolgt keine polizeifachliche Bewertung, und der Ausschuss wird allein aufgrund einer entsprechenden Eingabe tätig, nicht aber auf Anregung bzw. im Auftrag anderer Stellen.[18]

Beim Bundespolizeipräsidenten ist – als unmittelbare Reaktion auf Vorwürfe der Misshandlung von Flüchtlingen und des Rassismus bei der Bundespolizeiinspektion Hannover – im Jahre 2015 eine Vertrauensstelle geschaffen worden.[19] Sie ermöglicht es, als problematisch wahrgenommene Sachverhalte auch ohne Beschreiten des Dienstweges an die Behördenleitung herantragen zu können. Der Zugang zu dieser ist jedoch nur den Bediensteten der Bundespolizei eröffnet, nicht aber etwa den Bürgerinnen und Bürgern und auch nicht den Angehörigen des Bundeskriminalamtes, des Zolls und der Polizei beim Deutschen Bundestag. Zudem ist die Stelle organisatorisch unmittelbar dem Bundespolizeipräsidenten unterstellt. Aufgrund dieser Einbindung unterliegt ihre Tätigkeit dem Legalitätsprinzip,[20] so dass eine „ergebnisoffene“ Beratung nicht erfolgen kann. Diese Stelle bleibt also ebenfalls hinter den Aufgaben eines Bundespolizeibeauftragten nach dem Modell des Gesetzentwurfs zurück. Auch die Personalvertretungen, die Gleichstellungsbeauftragten, die Polizeiseelsorge, die Sucht- und Sozialberatung, die Datenschutzbeauftragten und die Gewerkschaften der Polizei nehmen unterstützende und beratende Aufgaben wahr – allerdings wiederum ausschließlich für die Bediensteten der Polizeibehörden. Eine Unterstützung der parlamentarischen Kontrolle findet damit nicht statt. Dennoch zeigt die Vielzahl der genannten Stellen, dass das „Netz“ an Unterstützungsangeboten, Ansprechpartnern und Anlaufstellen für die Beschäftigten der Sicherheitsbehörden dicht gespannt ist.

Daneben tritt die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, Beschwerde bei der zuständigen Polizeibehörde auf der Grundlage eines ausdifferenzierten Beschwerdemanagements, Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden sowie Rechtsmittel gegen behördliche Entscheidungen einzulegen. Ähnliche Optionen stehen den Polizeibeamtinnen und -beamten und anderen Bediensteten der Polizeibehörden zur Verfügung. Die Beamtinnen und Beamten trifft nach § 63 Abs. 2 S. 1 des Bundesbeamtengesetzes sogar die Pflicht, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich bei der oder dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen, bei Aufrechterhaltung der Anordnung und Fortbestand der Bedenken beim nächsthöheren Vorgesetzten (sog. „Remonstrationspflicht“). Die Fülle der denkbaren „rechtsförmlichen“ Handlungsvarianten kann hier nicht nachgezeichnet werden; deutlich werden soll aber, dass sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch den Behördenbediensteten eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung steht, sich gegen als rechtswidrig wahrgenommenes Verhalten zur Wehr zu setzen. Auch diesbezüglich gilt das Legalitätsprinzip: bei Bestehen eines Anfangsverdachts einer Straftat müssen Ermittlungsmaßnahmen aufgenommen werden. Was die Bediensteten der Polizeien des Bundes angeht, ist vor dem Hintergrund dieses komplexen Geflechts interner Optionen zu erwarten, dass sie sich möglicherweise nur in solchen Fällen an einen Bundespolizeibeauftragten beim Bundestag wenden werden, in denen sie eine behördeninterne Aufarbeitung nicht (mehr) für möglich halten, oder in denen sie Repressionen fürchten. Denn mit der Unabhängigkeit des Beauftragten wird meist auch eine Wahrnehmung als „Polizeiexterner“ verbunden sein, dem sich (vielleicht auch zum Schutz der eigenen Behörde und der Kolleginnen und Kollegen) nicht unbedingt jeder Betroffene anvertrauen mag. Gerade in solchen Fällen wird aber ohnehin die Einleitung weiterer Untersuchungen einschließlich strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen zwingend erforderlich sein, hinsichtlich derer ein Bundespolizeibeauftragter an seine Kompetenzgrenzen stieße.

Der Bundespolizeibeauftragte soll sich nach der Konzeption des Gesetzentwurfs allerdings nicht (nur) mit Einzelfällen befassen, sondern (auch anhand dieser Einzelfälle) die Polizeien des Bundes und die Bundeszollverwaltung als Institutionen insgesamt im Blick halten, um Fehlentwicklungen namentlich „systematischer“ Natur frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ihrer politischen Behebung einleiten zu können.[21] Vorteile eines Bundespolizeibeauftragten werden auch in der Funktion einer „Kanalisierung“, einer Zuleitung von Missständen an das Parlament gesehen.[22] Ob aber ein Beauftragter nach dem Zuschnitt des Gesetzentwurfs als ein solches „Frühwarnsystem“ für drohendes strukturelles Versagen der Sicherheitsbehörden des Bundes funktionieren würde, ist mit erheblichen Zweifeln belastet. Auch in diesem Kontext dürfte sich die Eigenschaft als externes und unabhängiges Organ als nachteilhaft erweisen – strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen nehmen ihren Ausgang im Regelfall innerhalb einer Behörde; treten sie solchermaßen zu Tage, dass sie im Wege von Eingaben, belastbaren Hinweisen oder Prüfaufträgen der auftragsberechtigten Organe (§ 3 BPolBeauftrG-E) an den Beauftragten herangetragen werden oder er diese im Rahmen seiner eigenständigen Tätigkeit wahrnimmt, wird es häufig schon zu spät sein. Aufgrund der Personalstärke der von seinem Zuständigkeitsbereich erfassten Behörden und ihres räumlichen Verbreitungsfeldes werden die Befugnisse zur Anforderung von Stellungnahmen, zur Einsicht von Akten und elektronischen Datenträgern und zur Betretung von Dienststellen kaum weiterhelfen, strukturelle Fehlentwicklungen frühzeitig auszumachen. Selbst bei entsprechender Personalausstattung des Bundespolizeibeauftragten ist eine gewissermaßen „begleitende Beobachtung“, wie sie sich der Gesetzentwurf vorstellt, eine unerfüllbare Aufgabe. Letztlich wird seine Betätigung daher vor allem „reaktiver“ Natur sein – in Bezug auf die ihm vorgelegten Einzelfälle und hinsichtlich bereits manifester struktureller Fehlentwicklungen.

Dies vorausgesetzt, stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit eines Bundespolizeibeauftragten. Denn seine Einrichtung ist mit nicht unerheblichen finanziellen Lasten verbunden. Der Gesetzentwurf geht von jährlichen Kosten für Personal- und Sachmittel von 1,85 Millionen Euro aus.[23] Dies stellt zwar nicht per se einen Verstoß gegen die Haushaltsgrundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit[24] (vgl. § 7 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung) dar, da mit der Wahrnehmung der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben durchaus ein gewisser „Mehrwert“ verbunden sein kann, führt aber jedenfalls zum Erfordernis einer Rechtfertigung der Schaffung eines Bundespolizeibeauftragten.

Keinerlei Rechtfertigungskraft entfaltet die Tatsache, dass einzelne Bundesländer bereits Landespolizeibeauftragte (bzw. vergleichbare Einrichtungen) geschaffen haben. Zum Beispiel wurde in Schleswig-Holstein durch eine Änderung des Gesetzes über die Bürgerbeauftragte oder den Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein und die Beauftragte oder den Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein (Bürger- und Polizeibeauftragtengesetz – BüPolBG) das Amt der Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein geschaffen, die sich u. a. mit Beschwerden natürlicher oder juristischer Personen gegen ein persönliches Fehlverhalten einzelner Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten oder die Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahmen, aber auch mit Eingaben von Polizeibeschäftigten befasst (§§ 10 ff.).[25] Übergeordnete Aufgabe ist es dabei, „das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bürger und Polizei zu stärken“ (§ 10 Abs. 1). Das Landesgesetz über den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz und den Beauftragten für die Landespolizei sieht ähnliche Aufgaben für den Beauftragten für die Landespolizei vor (§§ 16 ff.).[26] Ein anderes Modell hat Baden-Württemberg mit der Schaffung eines Bürgerbeauftragten durch das Gesetz über die Bürgerbeauftragte oder den Bürgerbeauftragten des Landes Baden-Württemberg gewählt: Der Beauftragte ist dort für die Stärkung der Bürgerinnen und Bürger im Verkehr mit allen Behörden des Landes zuständig (§ 1 S. 1); die Förderung des partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Bürgerschaft und Polizei ist in diesem Rahmen nur eine Teilaufgabe. In Nordrhein-Westfalen hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Landtag mit Datum vom 9. Mai 2019 den Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Beauftragte oder den unabhängigen Beauftragten für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (Polizeibeauftragtengesetz Nordrhein-Westfalen – PolBeaufG NRW)[27] vorgelegt. Nicht verwechselt werden darf das darin enthaltene Konzept mit dem in Nordrhein-Westfalen bereits durch die Landesregierung ernannten „Polizeibeauftragten“, der unmittelbar dem Innenminister zugeordnet und als unabhängiger und weisungsungebundener Ansprechpartner für die Beschäftigten der Landespolizei tätig ist.Aus dem Spektrum der weiteren Modelle kann die Einrichtung einer „Polizeikommission“ genannt werden.[28] Dass die Länder für ihre Polizeibehörden teilweise Beauftragte eingerichtet haben, beruht auf ihrer eigenen politischen Entscheidung; Folgerungen für den Bund und die Rechtfertigung der Schaffung eines Bundespolizeibeauftragten lassen sich daraus nicht gewinnen.

Auch der häufig gezogene Vergleich mit dem Wehrbeauftragten[29] des Deutschen Bundestages führt nicht weiter. Seine Berufung ist in Art. 45b S. 1 GG verfassungsrechtlich vorgeschrieben. Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen vom Bundestag genehmigt werden. Die deutschen Streitkräfte werden als „Parlamentsheer“ charakterisiert; der parlamentarischen Kontrolle kommt damit eine besondere Bedeutung zu. Die Bundespolizei ist hingegen keine „Parlamentspolizei“[30]– auch nicht, wenn sie gemäß § 8 BPolG im Ausland eingesetzt wird. Die Entscheidung über ihre Verwendung etwa zur Mitwirkung an polizeilichen oder anderen nichtmilitärischen Aufgaben im Rahmen von internationalen Maßnahmen nach § 8 Abs. 1 S. 1 BPolG erfolgt durch die Bundesregierung (Satz 3).[31] Der Wehrbeauftragte ist „Anwalt der Soldatinnen und Soldaten“,[32] was auch deren eingeschränkten grundrechtlichen Schutz kompensieren soll, während dem Bundespolizeibeauftragten nach dem Gesetzentwurf gewissermaßen als „erste Säule“ seiner Aufgaben im Wesentlichen Kontrollfunktionen zugewiesen werden. Gemäß § 7 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages besteht ein Eingaberecht (nur) für die Soldatinnen und Soldaten; anonyme Eingaben werden nach § 8 WBeauftrG nicht bearbeitet. Auch diese einfachgesetzliche Ausgestaltung der Funktion des Wehrbeauftragten zeigt, dass erhebliche Unterschiede zu derjenigen des Bundespolizeibeauftragten nach der Konzeption des Gesetzentwurfs bestehen.

Verantwortung und Rechtstreue, Accountability[33] und Compliance[34] sind bedeutsame Ziele und Eigenschaften jeglicher Verwaltungstätigkeit, namentlich derjenigen der Sicherheitsbehörden. Polizeiliches Fehlverhalten im Einzelfall ist ohne jede Einschränkung aufzuklären und im Falle einer Vorwerfbarkeit zu ahnden. Strukturelle Defizite und unerwünschte Entwicklungen in der Polizei müssen frühzeitig erkannt und zeitnah und nachhaltig mit politischen, gesetzgeberischen und verwaltungsinternen Mitteln behoben werden. Auch die Fortentwicklung und Verbesserung einer polizeilichen „Fehlerkultur“ ist eine wichtige Aufgabe. Ob aber das Modell eines Bundespolizeibeauftragten nach dem Zuschnitt des Gesetzentwurfs zur Förderung dieser Aspekte eine geeignete und erforderliche Lösung darstellt, muss nach den vorstehenden Überlegungen in Zweifel gezogen werden.

Ganz im Gegenteil: Es bestehen durchgreifende Bedenken gegen den Nutzen eines solchen Beauftragten und damit – auch angesichts der zu erwartenden Kosten – gegen die Erforderlichkeit seiner Schaffung. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Aufgaben wird ein Bundespolizeibeauftragter letztlich nur „reaktiv“ erfüllen können, und es sind aufgrund des breit aufgespannten, dichten „Netzes“ an Kontroll-, Beschwerde-, Rechtsschutz- und Sanktionsmöglichkeiten im Ergebnis keine Lücken festzustellen, die durch die Schaffung eines solchen Beauftragten mit seinen Ermittlungsbefugnissen geschlossen werden müssten. Der hiervon zu erwartende rechtsstaatliche Ertrag erscheint damit gering, bieten doch die geltende Rechtsordnung und die interne Behördenorganisation vielfältige Varianten eines Vorgehens gegen Fehlverhalten und Fehlentwicklungen. Für die Behebung struktureller Defizite im Polizeiapparat sind das jeweilige Innenressort der Regierung und der jeweilige Gesetzgeber berufen. Dass das Parlament dabei der Beratung und Unterstützung bedarf, ist evident; hierfür aber einen Bundespolizeibeauftragten einsetzen zu wollen, verkennt die bereits bestehenden Informations- und Kommunikationswege und die Möglichkeiten der Heranziehung anderweitiger externer Expertise.

Die Errichtung eines angesichts dieses Befundes im Wesentlichen „symbolisch“ agierenden Beauftragten, um den Bürgerinnen und Bürgern und den Behördenbediensteten die Beschreitung der längst schon vorgesehenen und bewährten Beschwerdewege und Rechtsschutzoptionen zu ersparen, erscheint dann doch als sehr dünne Legitimationsgrundlage für eine weitere Kostenposition dieser Größenordnung. Gewiss: Sich an eine unabhängige Stelle wenden zu können, kostet die Bürgerinnen und Bürger wohl meist weniger Überwindung, als sich etwa im Rahmen des Beschwerdemanagements „bei der Polizei über die Polizei zu beschweren“. Aber fördert es tatsächlich – wie die Befürworter von Polizeibeauftragten regelmäßig behaupten – das Vertrauen in die Polizei, wenn man sich nicht traut, dort vorzusprechen, Zuflucht zu einem Externen nehmen muss, und diese Notwendigkeit eines Herantretens an eine Stelle außerhalb des Behördenapparats dann auch noch institutionalisiert und verstetigt wird? Wie soll ein externer „Sonderermittler“ das Vertrauen in eine von ihm überwachte Institution fördern, wenn seine Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, Fehlverhalten und Missstände aufzudecken und öffentlich zu machen? Die These von der Vertrauenssteigerung durch Polizeibeauftragte ist damit wenig überzeugend.

Die Gesetzesinitiativen zur Errichtung eines unabhängigen Bundespolizeibeauftragten sind von dem Wunsch getragen, polizeilichem Fehlverhalten und strukturellen Fehlentwicklungen möglichst frühzeitig entgegenzuwirken, in Einzelfällen sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Polizeibeamtinnen und -beamten selbst eine zusätzliche Anlaufstelle und Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung zu stellen und damit insgesamt zur Transparenz und Akzeptanz polizeilichen Handelns beizutragen. Es schwingt dabei freilich ein gewisser Missklang mit: Die Annahme nämlich, dass die Organisation „Polizei“ strukturell anfällig für Fehlentwicklungen, die Tätigkeit der Polizeibehörden zu individuellem devianten Verhalten geneigt ist – und zwar in einer Weise, die es gebietet, über die vom Rechtsstaat zur Verfügung gestellten, umfangreichen und vielfältigen Kontrollmechanismen und Korrekturinstrumente hinaus den Akteuren in Politik, Verwaltung und Justiz ein weiteres Organ an die Seite zu stellen, das der Polizei „auf die Finger“ zu schauen habe. Diesbezüglich von einem die polizeiliche Tätigkeit herabsetzenden „Generalverdacht“ zu sprechen, ist zu undifferenziert. Und doch werden die positiv besetzten Begriffe Transparenz, Akzeptanz, Accountability, Compliance und Fehlerkultur überlagert von der die Forderungen nach einem Bundespolizeibeauftragten begleitenden diffusen Idee, der Status Quo des Schutzes vor Fehlern und Fehlentwicklungen der Polizei sei derzeit irgendwie unzureichend. Nach alledem erscheinen die beharrlichen Vorstöße zur Schaffung eines Bundespolizeibeauftragten zwar weniger als Ausdruck eines politisch-ideologisch unterfütterten Generalverdachts gegenüber den Polizeibehörden des Bundes, zumindest aber als Ansatz einer Zentralisierung und Bündelung von Verantwortlichkeit und Kontrolle in einem im Grundsatz dezen-tral angelegten Behördengefüge. Im Ergebnis wäre es sachgerechter, über Optimierungen des behördeninternen Beschwerdemanagements, die Erweiterung von Beratungs- und Begleitangeboten für Beschäftigte und über Maßnahmen zur weiteren Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizeibehörden und Bevölkerung nachzudenken. Denn bei realistischer Betrachtung könnte die Schaffung eines Bundespolizeibeauftragten auch dazu führen, dass die Akteure in Politik, Ministerien und Behörden sich selbst nicht mehr wie zuvor in die Pflicht zu einer kontinuierlichen Kontrolle, Evaluation und Revision polizeilicher Aufgabenerfüllung genommen fühlen, sondern mit den Zuständigkeiten und Kompetenzen auch diese Pflicht jedenfalls teilweise als auf den Beauftragten übergegangen empfinden.[35] Im grundrechtssensiblen Handlungsfeld der inneren Sicherheit kann aber Beauftragen nicht befreien.

IV. Fazit

 Die Schaffung eines Bundespolizeibeauftragten nach der Konzeption des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist – auch angesichts der zu erwartenden finanziellen Aufwendungen – rechtfertigungsbedürftig, weil sie verfassungsrechtlich nicht geboten ist und eine weitere Stelle das ohnehin schon komplexe Gefüge – entgegen Vorstellungen von einem „schlanken Staat“ – weiter verkompliziert. Die Erforderlichkeit eines solchen Beauftragten ist mithin mit sachlichen Gründen zu belegen. In der parlamentarischen Debatte wird oft angemerkt, es sprächen keinerlei Gründe gegen seine Einrichtung – das  allein  kann  indes  kein Grund  sein, eine  bei  näherer Betrachtung nicht erforderliche Stelle zu kreieren. Im Ergebnis lassen sich keine belastbaren Argumente für den Bundespolizeibeauftragten finden: Weder ist die Schaffung vergleichbarer Einrichtungen in einigen Ländern als Indiz zu werten, noch vermag der Wunsch nach einer optimierten Fehlerkultur und einer Verbesserung des Vertrauensverhältnisses zwischen Sicherheitsbehörden und Bevölkerung allein die Einrichtung eines solchen Beauftragten zu legitimieren. Nicht alle im Gesetzentwurf vorgesehenen Aufgaben werden sachgerecht wahrgenommen werden können, bei anderen ergeben sich „Dopplungen“ bei den Zuständigkeiten und Kompetenzen mit anderen Behörden und Einrichtungen. Spricht damit letztlich allein die irgendwie anheimelnde Vorstellung von einem über die polizeiliche Aufgabenerfüllung wachenden neutralen Beobachter für die Schaffung eines Bundespolizeibeauftragten, steht seine Berechtigung auf sehr wackligen Beinen.

 

[1]     Instruktiv Tettinger, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. (2007), § 111; s. auch Mehde, ZG 2001, 145 ff. – Im Folgenden wird überwiegend die generisch männliche Formulierung „Beauftragter“ verwendet.
[2]     S. dazu Krämer, UBWV 2010, 305 ff.; Paproth/Dimroth, NZWehrr 2012, 16 ff.; Schmidt, BWV 2007, 97 ff.; s. auch schon Berkhan, NZWehrr 1976, 177 ff.
[3]     Dazu Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl. (2012), Art. 115f Rn. 11.
[4]     Vgl. Franz, DÖV 2008, 1042 ff.; Treuner, DVBl. 1992, 421 ff.
[5]     Dazu etwa v. Lewinski, ZG 2015, 228 ff.; Glauben, DVBl. 2017, 485 ff.
[6]     Dazu etwa Aden, Stellungnahme zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 18/7616, v. 26.5.2017, BT-Ausschussdrs. 18(4)898 E, S. 2 ff.
[7]     Dazu etwa Aden, vorgänge Nr. 204 (2013), 10 ff.
[8]     BT-Drs. 19/7928.
[9]     BT-Drs. 19/7929.
[10]   BT-Drs. 18/7616 v. 19.2.2016.
[11]   Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 18/12826.
[12]   Vgl. schon Waechter, ZRP 1996, 293 ff.; Aden, vorgänge Nr. 204 (2013), 10 ff.; Behrendes, vorgänge Nr. 20
(2013), 41 ff.; s. auch schon Fink, FoR 1997, 9 ff.; Gössner, in: FS Kutscha, 2013, S. 195 ff.; zu Vorschlägen für eine „demokratische Polizeiverfassung“ Lisken, ZRP 1998, 270 ff.; zu „Ombudsmännern“ nach aus-tralischem Vorbild Brusten, NK 3/1997, 16 ff.; s. auch Klimpel, FoR 1996, 23 f.; Behrendes/Stenner, in: Leßmann-Faust (Hrsg.), Polizei und Politische Bildung, 2008, S. 45 ff.
[13]   BT-Drs. 19/7928, S. 1.
[14]   A.a.O., S. 2.
[15]   A.a.O., S. 3.
[16]   Vgl. BT-Drs. 19/7928, S. 20; s. § 63 Abs. 2 BBG.
[17]   Zu diesem Ausschuss und seiner Tätigkeit Röper, NVwZ 2002, 53 f.; Stöhr, ZParl 1989, 87 ff.
[18]   Abg. Mihalic(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Plenarprotokoll BT, 90. Sitzung, 22.3.2019, S. 10764.
[19]   S. dazu die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE v. 15.7.2015, BT-Drs. 18/5616, sowie die Antwort de-
Bundesregierung v. 6.8.2015, BT-Drs. 18/5726.
[20]   Abg. Mihalic(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Plenarprotokoll BT, 90. Sitzung, 22.3.2019, S. 10764.
[21]   Abg. Mihalic(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Plenarprotokoll BT, 90. Sitzung, 22.3.2019, S. 10764.
[22]   Abg. Strasser(FDP), Plenarprotokoll BT, 90. Sitzung, 22.3.2019, S. 10770.
[23]   BT-Drs. 19/7928, S. 4.
[24]   Vgl. etwa OVG Münster, DÖV 1991, 611 (612); Heller, Haushaltsgrundsätze für Bund, Länder und Gemeinden
2. Aufl. (2010), Rn. 711 ff.; Büch, Zur Bestimmung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit im Öffentlichen Haushalt der Bundesrepublik Deutschland, 1976.
[25]   Dazu Dombert/Scharfenberg, NordÖR 2017, 525 ff.; Frankenstein, NordÖR 2017, 7 ff.
[26]   Perne, LKRZ 2015, 45 ff.
[27]   LT-Drs. 17/6147.
[28]   Gössner, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 2000 (Nr. 67), 34 ff.; Lehne, in: Liebl (Hrsg.), Fehler und Lernkultur in der Polizei, 2004, S. 123 ff.; Moslehi, HRN 2016, 17 ff.
[29]   Dazu Walz, NZWehrr 1979, 201 ff.; Krämer, UBWV 2010, 305 ff.; Paproth/Dimroth, NZWehrr 2012, 16 ff.; Schmidt, BWV 2007, 97 ff.
[30]   Eingehend Thiel, in: Möllers/van Ooyen (Hg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 591 ff.
[31]   Dazu Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, 2011, S. 46 ff.
[32]   Vgl. Abg. Kuffer(CDU/CSU), Plenarprotokoll BT, 90. Sitzung, 22.3.2019, S. 10776.
[33]   Zum Begriff insbesondere im Datenschutzkontext Veil, ZD 2018, 9 ff.; Conrad, ZD 2016, 553 f.
[34]   Zur Compliance bei den Polizeibehörden vgl. etwa Braun/Albrecht, in: Stober/Ohrtmann (Hrsg.), Compliance. Handbuch für die öffentliche Verwaltung, 2015, § 22.
[35]   Schon Westphal, ZRP 1987, 295 f., sieht die Gefahr, dass die Einrichtung eines Polizeibeauftragten als Alibi für anderweitige Untätigkeit dienen könnte.

 

 

 

 

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