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Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen – Zurechnung von Verantwortung entlang von Wertschöpfungsketten

von Prof. Dr. Carsten Momsen und Marco Willumat 

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Abstract
Können deutsche Unternehmen oder ihre Geschäftsleitungen für die Verletzung von Menschenrechten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn diese durch Dritte – Tochterunternehmen oder Geschäftspartner und deren Mitarbeiter – im Ausland unmittelbar verursacht werden? Die Frage wird durch die Verwendung von mehrstufigen Wertschöpfungsketten („Supply Chains“) sowohl komplexer als auch drängender. Die Initiative für ein „Lieferkettengesetz“ zeigt Chancen und Gefahren. Neben bekannten tragischen Fällen in der jüngsten Vergangenheit geht es auch um die Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen, die Bekämpfung von Menschenhandel und illegalem Waffenhandel sowie Korruption. Alles Faktoren, welche die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen signifikant erhöhen.

Die Verfasser entwickeln ein Modell der Zurechnung für derartige Taten. Sie weisen aber auch auf die Schwierigkeiten einer Ausdehnung des deutschen Strafrechts auf Auslandssachverhalte und eine uferlose Ausweitung über die konzerngebundene Zurechnung hinaus hin.  Zentrale Elemente einer Verantwortlichkeit sind modifizierte Organisations- und Aufsichtspflichten als Basis einer Fahrlässigkeitshaftung. Diese Haftung aber muss begrenzt bleiben auf Fälle, in welchen die Menschenrechtsverletzungen bei sorgfältiger Geschäftsführung hätten verhindert werden können. Die Verletzung von Menschenrechten eröffnet daher keinen gänzlich neuen Bereich strafbaren Verhaltens. Der Schutz der Betroffenen verlangt jedoch nach effektiveren Parametern für die Strafverfolgung.

Should German companies or their management be criminally liable for the violation of human rights, even if third
parties such as subsidiaries or business partners and their employees outside the territory of Germany directly commit them? As multi-stage supply chains increasingly dominate the modern global economy, this question is becoming both more complex and urgent. The initiative for a German „Supply Chain Act“ shows perspectives for potentially necessary legislative action and nevertheless contains risks for a criminal justice system governed by the rule of law. Still several tragic cases highlight the general need for action. At the same time topics such as the necessity to ensure decent working conditions, combating human trafficking, illegal arms trafficking and corruption arise as they are highly interrelated with those cases. This ensues from the fact that all these factors significantly increase the risk of human rights violations.

The authors develop a model of imputation for such acts. However, they also point out the difficulties connected to the expansion of German criminal law to foreign cases and a boundless attribution beyond the individual corporate entity. Modified organizational and supervisory duties provide a basis for liability for negligence. However, this liability must be limited to cases in which human rights violations could have been prevented by careful management. The violation of human rights therefore does not open up a completely new area of punishable conduct. However, in order to ensure an appropriate protection of those affected by severe corporate wrongdoing, more effective measures for criminal prosecution are required.

I. Strafrecht und Menschenrechte

1. Fallbeispiele

Die globalisierte Wirtschaft wird zusehends von transnationalen Wertschöpfungsketten (Supply Chains) geprägt.[1] Produktionsstätten des globalen Südens, teilweise des europäischen Südostens, dienen als Zulieferer oder Subdienstleister für Unternehmen, deren Sitz und Absatzmarkt sich vor allem im globalen Norden bzw. Westen befindet. Zwar hat dies in den betroffenen Regionen durchaus auch positive Entwicklungen zur Folge, was unter dem Schlagwort „Social Upgrading“ diskutiert wird.[2]

Aus der Perspektive der Unternehmen allerdings liegt der Sinn derartiger Supply-Chains primär darin, billigere Produktionsverhältnisse zu nutzen, als diese in den eigenen Ländern zur Verfügung stehen. Ähnlich wie im Zeitalter der Industrialisierung, die ebenso durch Gewinnmaximierung – manche würden sagen „ungehemmten Kapitalismus“ – geprägt war, zeigen auch heute prominente Fälle nachdrücklich die Schattenseiten dieser globalen Expansion von Wertschöpfungsketten. Eine dieser dunklen Seiten ist die Missachtung der Grundbedürfnisse der Menschen an den Produktionsstandorten, was immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen führt.

Zu denken ist etwa an den Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik in Bangladesh am 24. April 2013, der 1135 Menschen das Leben kostete, oder den Brand in der Fabrik des Unternehmen Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan, das als Zulieferer des deutschen Textilunternehmens KiK tätig war, am 11. September 2012 mit 289 Todesopfern.[3]

Ein weiteres Beispiel ist der Bruch des Staudammes „Barragem I“ in Brasilien, bei dem am 25. Januar 2019 über 270 Menschen ihr Leben verloren und aktuell auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Prüfkonzerns TÜV Süd bzw. seiner Mitarbeiter im Raum steht.[4]

Können die Unternehmen oder verantwortliche Mitarbeiter wegen fahrlässiger oder gar bedingt vorsätzlicher Tötung der Opfer oder wegen der Zerstörung der Infrastruktur und damit der Lebensgrundlage einer ganzen Ortschaft belangt werden?

2. Verfassungsrechtlicher Rahmen

Auch und gerade weil die Antwort intuitiv so nahe zu liegen scheint, muss zunächst die Frage gestellt werden, ob und inwieweit das Strafrecht – oder auch das Recht im Allgemeinen – auf Menschenrechtsverletzungen reagieren kann, die eben nicht primär von staatlichen Akteuren vorgenommen werden.

Traditionell beziehen sich Menschenrechte auf das Verhältnis zwischen staatlichen Akteuren und Individuen. Im klassischen – aus der Grundrechtsdogmatik bekannten – Sinne sind die Menschenrechte vor allem Abwehrrechte gegen staatliches Handeln.[5] Dies schlägt sich auch unmittelbar in der Ausgestaltung und Systematik des Grundgesetzes wieder, etwa mit Blick auf die in Art. 1 Abs. 3 GG postulierte Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt sowie die in Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG ausdrücklich formulierte Grundrechtsbindung privater im Hinblick auf die Gewerkschaftsfreiheit.[6] Gerade im Strafrecht steht damit aus grund- und menschenrechtlicher Perspektive vor allem der Schutz des Beschuldigten gegenüber dem Eingriffshandeln der Ermittlungsbehörden im Strafverfahren[7] oder die die Frage nach Grund und Grenzen der Kriminalisierung von Verhaltensweisen im Mittelpunkt.[8] Eine unmittelbare Verpflichtung der Grund- und Menschenrechte gegenüber privaten Akteuren („unmittelbare Drittwirkung“) wird insoweit also abgelehnt.[9] Dies sei gerade auch im Lichte der Anerkennung staatlicher Schutzpflichten entbehrlich.[10] Allerdings wird diskutiert und auch anerkannt, inwieweit sich aus der Eigenschaft der Grund- und Menschenrechte als objektive Wertordnung Wirkungen auf das Verhältnis von Privatrechtssubjekten ergeben, etwa bei der Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln (mittelbare Drittwirkung).[11]

Der Gedanke einer unmittelbaren Grundrechtsverpflichtung Privater wurde hingegen auch in der sonstigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nur am Rande diskutiert. So findet sich etwa in der früheren Rechtsprechung des BAG die Überlegung, eine Grund- und Menschenrechtsbindung auch nicht-staatlicher Akteure anzunehmen, wenn sie individuelle Freiheiten auf Grund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Macht „quasi-staatlich“ bedrohen (unmittelbare Drittwirkung).[12] Man könnte insoweit von einer „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ aus Sicht des Individuums sprechen[13] – ein Gedanke der im Schrifttum auch auf das Verhältnis von Unternehmen und Individuen außerhalb des Arbeitsverhältnisses übertragen wird.[14] Ähnliche Ansätze finden sich in der US-amerikanischen verfassungsrechtlichen Diskussion. Bei grundsätzlich dem deutschen Verfassungsrecht nahestehenden Ausgangsfragen folgt die Argumentation dort allerdings einer anderen Struktur.[15] Maßgeblich ergibt sich diese aus der systematisch anders gearteten Stellung der Menschenwürde (human dignity), die in der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court und der meisten State Constitutional Courts (State Supreme Courts) eher ein intrinsischer Wert bei der Begründung juristischer Entscheidungen als ein Fundamentalrecht ist.[16] Gerade weil die Menschenwürde keine vergleichbar formal und institutionell das Verhältnis Staat-Bürger dominierende Stellung im US-amerikanischen Verfassungssystem besitzt wie im Grundgesetz, lassen sich Schutzverpflichtungen leichter auf private Akteure übertragen. Die Menschwürde kann daher bei sich aus anderen Erwägungen speisenden Pflichten leichter als zusätzliche Schutzperspektive mitgegeben werden. Daneben findet eine Öffnung für eine Anerkennung der Bindung nicht-staatlicher Akteure an die Menschenrechte nicht zuletzt auch auf völkerrechtlicher Ebene[17] wachsende Beachtung, etwa durch eine Schaffung einer entsprechenden Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats[18] oder auf der Ebene des soft-law mit den UN „Guiding Principles on Business and Human Rights“[19].

3. Übertragung auf das Strafrechtssystem

Auf das Strafrecht übertragen ergibt sich zunächst folgendes Bild: In erster Linie können solche Delikte ihrem Schutzzweck nach auf die Bewahrung der Menschenrechte ausgerichtet sein, die den Staat oder seine Bediensteten selbst adressieren. Dies gilt etwa für die Amtsdelikte.[20]

Man denke etwa an einen Polizeibeamten, der einen Beschuldigten im Rahmen einer Vernehmung durch Gewaltanwendung zur Einlassung bewegt und sich so nach § 340 StGB wegen Körperverletzung im Amt sowie gem. § 343 StGB wegen Aussageerpressung strafbar macht. Denn gerade auf Grund seines Auftreten als Exekutivgewalt liegt hierin ein – ungerechtfertigter – Eingriff in das Grundrecht des Beschuldigten auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG aber vor allem auch seine in Art. 1 Abs. 1 GG verdingte Menschenwürde sowie zugleich ein Verstoß gegen die UN-Anti-Folterkonvention und in dieser Perspektive auch eine Menschenrechtsverletzung.

Gegenüber Unternehmen greift dies freilich nicht ohne weiteres durch, denn diese werden nach dem oben dargestellten klassischen Verständnis der deutschen Verfassungsdogmatik nicht durch die Menschenrechte verpflichtet. Begeht also etwa ein Unternehmensmitarbeiter „bei Gelegenheit seiner Tätigkeit“ eine Gewalttat[21] so liegt hierin zwar eine schwere Rechtsgutsverletzung und eine Straftat aber nicht ohne weiteres eine Menschenrechtsverletzung.

Dennoch: gerade mit Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung von Unternehmen gegenüber den Individuen erscheint sich der Gedanke der grund- und menschenrechtstypischen Gefährdungslage trotz mangelnder unmittelbarer Beteiligung staatlicher Akteure besonders aufzudrängen. Besonders deutlich wird dies, wenn in manchen Regionen der Welt nahezu flächendeckend Aufgaben der (an sich) öffentlichen Daseinsfürsorge durch private Unternehmen übernommen werden. Der in der Debatte um die Menschenrechtsverantwortlichkeit häufig schon in Frage gestellte Ausgangspunkt einer Verantwortlichkeit von Unternehmen für Menschenrechte wird hierdurch entschieden geprägt.

Konsequenterweise muss denn auch eine strafrechtliche Adressierung von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen an dieses Machtgefälle zwischen Unternehmen und Individuum anknüpfen. Zunächst wird man fordern müssen, dass die Straftat in engerem Zusammenhang zur Tätigkeit im Unternehmen steht. Sodann werden wie im Fall der übergriffigen Polizei die Strukturen des Unternehmens so angelegt sein müssen, dass sie gerade nicht geeignet waren, die Begehung derartiger Straftaten zu verhindern. Mit anderen Worten erhalten so gerade Organisationsdefizite im Unternehmen eine entscheidende Bedeutung. Anders kann es nur im Ausnahmefall liegen, dass Menschenrechtsverletzungen zur Durchsetzung geschäftlicher Interessen gewollt waren und andere Zurechnungsmaßstäbe im Raum stehen.

Was macht nun eine Rechtsgutsverletzung im bzw. aus dem Unternehmen auf dieser Grundlage zur Menschenrechtsverletzung?

Entscheidend dürfte sein, dass das Unternehmen gegenüber den betroffenen Menschen „wie“ ein staatlicher Akteur auftritt:

  • einerseits aus einer bestimmten Machtstellung heraus;
  • unter Umständen in enger Zusammenarbeit mit Behörden,
  • eher aus einem Gleichordnungsverhältnis diesen gegenüber;
  • das sich durchaus durch Korruption ergeben kann
  • oder aus der wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens für den Staat;
  • teilweise kann ein multinationales Unternehmen im internationalen sozialen und rechtlichen Kontext auch eine einem (kleineren) Staat vergleichbare Subjektstellung erlangen.

Zusammengefasst steht das Unternehmen, wenn ein Teil dieser Kriterien zutrifft, hierarchisch auf der Ebene staatlicher Autoritäten über den betroffenen Menschen.

Gegenwärtig spiegeln sich diese Erwägungen in den Vorschriften zur Strafbarkeit des Menschenhandels (§§ 232 ff. StGB), den Strafvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes etwa mit Blick auf den Handel mit Waffen – aber eben auch in den Korruptionsdelikten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Begründung des Referentenentwurfs zu einem VerbandssanktionenG diesen Gedanken aufgreift. Die Verfasser gehen davon aus, dass eine die Sanktionierung des Verbands auslösende Verbandsstraftat auch in einer „mit Strafe bedrohten Menschenrechtsverletzung“ liegen könne. Zur Illustration verweisen sie jedenfalls auf einen Teil der soeben genannten Deliktsgruppen.[22]

Zu beachten ist freilich, dass es sich bei den genannten Delikten durchweg um Vorsatzdelikte handelt. Schwere Verletzungen des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens werden hingegen auch gegen fahrlässige Begehungsweisen i.R.d. §§ 222, 229 StGB geschützt. Aber wie später näher dargelegt wird, finden sich in der Fahrlässigkeitsdogmatik Anknüpfungspunkte für eine umfassendere Begründung einer Zurechnung an Hand einer Organisationspflichtverletzung, welche eine Ursachenreihe in Gang setzt, die in den genannten menschrechtsrelevanten Folgen mündet.

Aus der strafrechtlichen Perspektive ist die Menschrechtsverletzung in der Regel eine ohnehin strafrechtlich verbotene Verhaltensweise von bestimmter Schwere, die sich zumindest abstrakt gegen die Lebensgrundlage einer Mehrzahl oder Gruppe von Menschen richtet und in einem bestimmten sozialen und hierarchischen Kontext begangen wird. Sie erfolgt in zurechenbarer Weise für das Unternehmen. So wird denn auch etwa von Ambos in den im Kontext der etwa eingangs genannten Beispiele betroffenen Rechtsgütern der wesentliche Überschneidungspunkt zwischen Wirtschafts- und Völkerstrafrecht gesehen, der im Begriff des Wirtschaftsvölkerstrafrecht münde.[23] Allerdings wird dabei gerade auch dem beschriebenen organisationsbezogenen Kontext eine entscheidende Rolle zukommen. Gerade dieser – mit anderen Worten – „menschenrechtliche Kontext“ als solcher ist in diesen Konstellationen zwar nicht isoliert straf- bzw. sanktionsbegründend[24], hat aber eine eigenständige Bedeutung für die Verfolgbarkeit und Sanktionierung.[25]

4. Unternehmensverantwortlichkeit und Strafrecht

So rückt die Organisationsverantwortlichkeit der Geschäftsleitung in den Vordergrund.

a) Rechtlicher Rahmen

Wird ein Rechtsgut etwa im Rahmen der Körperverletzungs- und Tötungsdelikte auch gegen fahrlässige Verletzungen geschützt, so lässt sich die oben beschriebene Organisationsverantwortlichkeit zur Begründung einer individualstrafrechtlichen Zurechnung heranziehen. Mit Blick auf die oben vorgestellten Fälle der jüngeren Vergangenheit ist die Betroffenheit derartiger Rechtsgüter – ganz im Gegensatz zu anderen Bereichen des Wirtschaftsstrafrechts – wohl auch keine rein akademische Ausnahme.[26]

In den anderen etwa auch soeben genannten Deliktsbereichen, die im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen eine Rolle spielen können, finden sich hingegen vorrangig als Vorsatzdelikte ausgestaltete Tatbestände. Dies gilt etwa für die hier näher zu beleuchtenden Korruptionsdelikte. Die im Rahmen des fahrlässigen Begehungs- und Unterlassungsdelikt auffindbare strafrechtliche Organisationsverantwortlichkeit lässt sich hier nicht ohne weiteres begründen. Vielmehr kommen hier zur Erfassung von Organisationsdefiziten eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Bebußbarkeit des „Inhabers des Betriebs“ (§ 130 Abs. 1 OWiG) aber ferner auch des Unternehmensträgers als eigenständiger Adressat einer Geldbuße (§§ 130 Abs. 1, 30 OWiG) in Betracht. Diese auf den Verband bezogene Zurechnung würde außerdem durch den jüngst vorgelegten Referentenentwurf eines Verbandssanktionengesetzes im Falle seiner Umsetzung tendenziell erweitert. Bei Vorsatzdelikten bleibt auch eine Zurechnung an Hand der sog. Geschäftsherrenhaftung[27] denkbar, die indes aus anderen unten näher zu beleuchtenden Gründen letztlich allerdings an ihre (schuldstrafrechtlich zwingenden) Grenzen stößt.[28]

b) Tatsächliche Ausgangslage

Bei rein tatsächlicher Betrachtung der unternehmerischen Tätigkeit unter Zugriff auf Supply-Chains sieht sich die Begründung einer strafrechtlichen Zurechnung allerdings zwei zentralen Schwierigkeiten ausgesetzt.

Erstens werden regelmäßig Sachverhalte zur Frage stehen, bei denen die unmittelbar handelnden Unternehmensmitarbeiter sich außerhalb des deutschen Territoriums aufhalten und zudem keine deutschen Staatsbürger sind. Aufgeworfen sind so Fragen des Strafanwendungsrechts aber aus prozessualer Perspektive selbstverständlich auch der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Letzteres kann im Rahmen dieses Beitrags nicht näher betrachtet werden.

Zweitens ist das Zulieferunternehmen regelmäßig nicht nur gesellschaftsrechtlich vom deutschen Bestellerunternehmen getrennt, sondern ist auch sonst nicht dessen Weisungen unterworfen. Es stellt sich unter diesem Gesichtspunkt also die Frage nach der Reichweite konkreter Organisationspflichten, die über die gesellschaftsrechtlichen Grenzen eines einzelnen Verbandes hinausgehen.

II. Die Organisationsverantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen

Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Exemplifizierung der Zurechnungsmaßstäbe von Menschenrechtsverletzungen gerade mit Blick auf Organisationsdefizite im Unternehmen an Hand zweier Anknüpfungspunkte erreichen: das Fahrlässigkeitsdelikt speziell mit Blick auf die §§ 222, 229 StGB sowie die Bestechungsdelikte sowohl im geschäftlichen Verkehr als auch unter Beteiligung von Amtsträgern (§§ 299, 331 ff. StGB).

1. Die Organisationsverantwortlichkeit im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts

Ansatzpunkte für eine Zurechnungsbegründung aus der Verletzung von Organisationspflichten im Unternehmen im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts finden sich vor allem in der Rechtsprechung zum Produkthaftungsstrafrecht. Dies verwundert insoweit nicht, als dass es sich auch hierbei um einen Teilbereich des Wirtschaftsstrafrechts handelt, bei dem die Verletzung von ebenfalls flächendeckend gegen fahrlässige Angriffe geschützten Rechtsgütern im Raum steht. So hat der 2. Strafsenat des BGH in seiner bekannten Ledersprayentscheidung[29] eine Verantwortlichkeit der Mitglieder der Geschäftsführer des Unternehmen das – jedenfalls nach der insoweit nicht vom Senat beanstandeten Überzeugung der Kammer – ein gesundheitsschädliches Produkt in Verkehr gebracht hat, aus ihrer Stellung als Geschäftsführer abgeleitet.[30] Die eigentlichen – hier produktions- und produktbeobachtungbezogenen – Sorgfaltspflichten treffen dabei im Ausgangspunkt das Unternehmen als solches. Hieraus folgt auf Seiten der Geschäftsleitung jedoch die weitergehende Pflicht, das Unternehmen so zu organisieren, dass in jedem organisatorischen Teilbereich sichergestellt ist, dass diese Pflichten unmittelbar umgesetzt werden. Ungeachtet einer solchen Delegation bleibt die Geschäftsleitung dafür verantwortlich, die Einhaltung der Pflichten in den Teilbereichen zu überwachen.[31] Bei Lichte betrachtet etabliert sich so eine organisationsbezogene Betrachtungsweise bei der Bestimmung und anschließenden Zuweisung der objektiven Sorgfaltspflicht im Fahrlässigkeitsdelikt[32] im Sinne einer „Top Down-Betrachtung“[33] oder „Generalverantwortung“ bei vertikaler Aufgabenverteilung im Unternehmen.[34]

Hatte der Senat in der Ledersprayentscheidung noch die Verantwortungszuschreibung in einem einzelnen Unternehmen zu betrachten, erweitert sich der Betrachtungsmaßstab in den hier diskutierten Fällen erheblich. Denn wie oben schon angedeutet, steht die Pflichtenstellung der Geschäftsleitung eines Bestellerunternehmens im Hinblick auf solche Gesellschaften zur Frage, die ihrerseits nicht nur gesellschaftsrechtlich vom Bestellerunternehmen getrennt sind, sondern eben auch sonst lediglich als deren Vertragspartner im Rahmen der Erfüllung einer werkvertraglichen Verpflichtung auftreten. Diese gesellschaftsrechtliche Trennung zwischen Bestellerunternehmen und Zuliefererunternehmen bereitet allerdings jedenfalls für die abstrakte Anerkennung einer Pflichtenstellung im fahrlässigen Begehungs- bzw. Unterlassungsdelikts geringere Schwierigkeiten. Denn anders als etwa der bereits erwähnte § 130 Abs. 1 OWiG, der seinem Wortlaut nach auf Aufsichtsmaßnahmen im Betrieb oder Unternehmen beschränkt ist, gilt dies für Straftatbestände wie § 222 StGB oder § 229 StGB selbstverständlich nicht. Gleichwohl verbleibt damit die Frage nach der konkreten Reichweite der Organisations- und Überwachungspflicht, mag diese auch in ihrem Ausgangspunkt jedenfalls nicht in Widerstreit mit dem gesetzgeberischen Wortlaut treten.

Die strafanwendungsrechtlichen Schwierigkeiten sind unter Zugrundelegung des vom 2. Strafsenat entwickelten „organisatorischen Sorgfaltsmaßstabs“ insoweit vergleichsweise gering. Denn die organisationsbezogene Sorgfaltspflichtverletzung tritt ihrerseits aus der Perspektive der Geschäftsleitung des Bestellerunternehmens auf deutschem Territorium ein. Dass der eigentliche Taterfolg sodann erst im Ausland eintritt, ist mit Blick auf die in § 9 StGB ausgedrückte Ubiquitätstheorie[35] nicht relevant. Denn notwendig, aber auch ausreichend für eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ist gerade, dass jedenfalls die Tathandlung auf deutschem Territorium vorgenommen wird bzw. eine vorzunehmende Handlung unterlassen wurde.

Insgesamt lässt sich damit sagen, dass zumindest eine Anknüpfung der Zurechnung der fahrlässigen Verletzung der Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens dem Grunde nach in Betracht kommt. Freilich ist damit noch nichts über den eigentlichen Zurechnungsgrund gesagt: den tatsächlichen Sorgfaltsmaßstab und seine Verletzung. Wie noch zu zeigen sein wird avanciert dieser zum wesentlichen – auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten unverzichtbaren und zurechnungsbeschränkenden – Kriterium.

2. Die Organisationsverantwortlichkeit bei Korruptionsdelikten

Auf größere Probleme trifft die Begründung einer Organisationsverantwortlichkeit im Hinblick auf die Begehung von Korruptionsdelikten im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit der Zuliefererunternehmens des deutschen Bestellerunternehmens.

a) Korruption und Menschenrechte

 Im Ausgangspunkt erscheint dies aus kriminalpolitischer Perspektive gerade mit Blick auf die jedenfalls reflexiven Schädigungsdimensionen der Korruptionsdelikte problematisch. Sowohl die höchstrichterliche Rechtsprechung als auch herrschende Meinung im Schrifttum betonen, dass die Korruptionsdelikte durchweg dem Schutz abstrakter Schutzgüter wie der „Lauterkeit und Reinheit der Amtsführung und das hierin gesetzte öffentliche Vertrauen“[36] oder die „Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs“[37] dienten. Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass insbesondere die Rechtsgutskonzeption des § 299 StGB vor dem Hintergrund der Einführung des sog. Geschäftsherrenmodells in § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB vom Gesetzgeber selber in Frage gestellt wurde.[38]

aa) Schädigungsdimensionen jenseits der tradierten Rechtsgutsbestimmung

Das Festhalten an dieser tradierten Rechtsgutsbestimmung der Korruptionsdelikte führt indes dazu, dass die weiteren Schädigungsdimensionen der Korruptionsdelikte häufig vollständig ausgeblendet werden oder jedenfalls nur selten Berücksichtigung finden. Denn insbesondere im angloamerikanischen und wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum finden sich Untersuchungen, die die Bedeutung der Korruption beim Auftreten der Verletzung elementarer Grund- und Menschenrechte sowie Umweltschädigungen in überzeugender Weise aufzeigen.[39]

Wie insbesondere wirtschaftswissenschaftliche Ansätze nahelegen, folgt dies zum einen aus den volkswirtschaftlichen Konsequenzen von Korruption sowohl im privatwirtschaftlichen als auch im öffentlichen Sektor.[40] Zum anderen ergibt sich diese Schädigungsdimension allerdings auch aus den Folgen der Herbeiführung nicht länger an objektiven und gemeinwohlgebundenen Maßstäben geleiteten Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung. Dieses Verständnis wurde insbesondere von Knut Amelung unter Verweis auf die Systemtheorie Niklas Luhmanns entwickelt, der die Legitimationsgrundlage der Strafbarkeit der Amtsträgerkorruption vor allem mit deren sozialer Funktion erklärt hat.[41]

Plastisch wird dies, wenn man bedenkt, dass die auf Grundlage einer Bestechungszahlung vorgenommene pflichtwidrige Diensthandlung ihrerseits dazu führen kann, dass etwa Baugenehmigungen[42] oder Sicherheitszertifikate[43] ohne entsprechende objektive Grundlage ausgestellt werden. Gerade die bekannten Details zum Sachverhalt des Dammbruchs „Barragem I“ in Brasilien scheinen diesen Fall zu einem exemplarischen Beispiel zu machen.

Selbstverständlich ist dabei zu beachten, dass eine singuläre, auf die pflichtwidrige Diensthandlung oder wettbewerbswidrige Bevorzugungsentscheidung als „Endergebnis“ des Vollzugs der Unrechtsvereinbarung abstellende Rechtsgutskonzeption auf Schwierigkeiten bei der Legitimation der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Korruptionsdelikte stößt.[44]

bb) Die Rolle volkswirtschaftlicher Konsequenzen

Dabei können insbesondere die volkswirtschaftlichen Konsequenzen von Korruption auch dann auftreten, wenn es nicht zum „Vollzug“ der Unrechtsvereinbarung kommt, was von der gesetzgeberischen Konzeption für eine Strafbarkeit als hinreichend erachtet wird. Dies ergibt sich vor allem aus den Folgewirkungen auf Basis der im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum vertretenen These, dass Korruption und insoweit bereits die (scheinbare) Notwendigkeit der Zuwendung von Vorteilen die Kosten unternehmerischer Tätigkeit im Vergleich zu dessen Nutzen nach oben treibe. Im Ergebnis könne dies einen Einfluss auf die unternehmerische Entscheidung haben, sich in einem bestimmten Gebiet anzusiedeln oder hiervon abzusehen, was sich bei empirischer Betrachtung negativ auf das pro Kopf Brutto-Inlandsprodukt auswirke.[45] Dies entfalte Folgewirkungen hinsichtlich des Lebensstandards der Bevölkerung einer Region und deren Möglichkeiten zur Deckung ihres Lebensstandards im Wege der selbstständigen und insbesondere unselbstständigen Erwerbstätigkeit. Im Hinblick auf den Schutzbereich international verdingter Menschenrechte wie das in Art. 6 ICESCR enthaltene Recht auf Arbeit oder das in Art. 11 ICESCR enthaltene Recht auf einen adäquaten Lebensstandard hätte dies eine zentrale Bedeutung.

Ferner findet sich die Überlegung, dass gerade diese korruptionsbedingte Kostensteigerung einen Anreiz dafür setzen könnte, den gesetzlichen Rahmen unternehmerischer Tätigkeit zum Zwecke der Kostensenkung zu überschreiten.[46] Dies könnte im oben dargestellten Sinne auch losgelöst von tatsächlich vorgenommenen pflichtwidrigen Diensthandlungen eines bestochenen Amtsträgers die Sicherheit von Angestellten eines Unternehmens beeinträchtigen, wenn etwa von der z.T. kostenintensiven Einhaltung oder Durchsetzung arbeitssicherheitsbezogener Vorgaben abgesehen wird. Beispielhaft dürfte der eingangs erwähnte Fall Ali Enterprises/KiK sein.[47] Aber auch darüber hinaus finden sich empirische Untersuchungen, die auf Zusammenhänge zwischen – im Ergebnis ebenfalls die Lebenswirklichkeit des Individuums betreffend – Handlungsweisen der Steuervermeidung und -hinterziehung[48] sowie der Inflationsrate hinweisen.[49] Letztlich mündet dies auch in Untersuchungen, die das Auftreten von Korruption mit einer Steigerung der allgemeinen Ungleichheit (gemessen am sog. Gini-Index) in Zusammenhang bringen.[50]

b) Grenzen gegenwärtiger Zurechnungsmodelle zur Erfassung korruptionsbezogener Sorgfaltspflichtverletzungen in transnationalen Wertschöpfungsketten

Das deutsche Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht kennt allerdings bereits Zurechnungsparameter, an Hand derer sich solche unternehmerischen Sorgfaltspflichtverletzungen erfassen lassen, durch welche die Begehung von Korruptionsdelikten durch Unternehmensmitarbeiter begünstigt oder jedenfalls nicht verhindert wird. Diese liegen konkret im Zusammenspiel aus den im Kernstrafrecht anzutreffenden Straftatbeständen der Korruptionsdelikte mit den Organisations- und Aufsichtspflichten des OWiG. In der Zukunft könnte dies außerdem durch das Sanktionsinstrumentarium des Verbandssanktionengesetzes auf Basis des erwähnten RefE flankiert werden.

aa) Strafrecht

Vor allem das Korruptionsstrafrecht hat sich in den letzten Jahren nahezu zum Paradebeispiel für eine internationale Expansion des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts entwickelt. So hat der Gesetzgeber 2015 mit dem zweiten „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“[51] den Anwendungsbereich der Vorschriften des deutschen Strafrechts, die Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) sowie von Amtsträgern (§§ 331 ff. StGB) entschieden erweitert. In besonderem Maße betrifft dies allerdings die zweitgenannte Regelungsmaterie und damit die §§ 331 ff. StGB. Insgesamt handelte es sich beim 2. KorrBekG um eine Konsolidierung schon zuvor im IntBestG[52] sowie EUBestG[53] von 1998 enthaltener Vorschriften im Strafgesetzbuch. Gleichwohl enthielt dieses Gesetz auch einige wesentliche Erweiterungen, die sich vor allem auf eine völkerrechtliche Umsetzungsverpflichtung mit Blick auf das Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats zurückführen lassen.[54]

Sowohl die Bestechung im geschäftlichen Verkehr als auch von Amtsträgern ist auf Ebene des Tatbestands auch dann strafbar, wenn ein Auslandssachverhalt zur Frage steht. So kann sich die Unrechtsvereinbarung bei § 299 StGB, wie es vor dem 2. KorrBekG in § 299 Abs. 3 StGB geregelt war und nunmehr unmittelbar in § 299 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 StGB aufgenommen wurde, auch auf eine Bevorzugung gegenüber einem Mitbewerber im ausländischen Wettbewerb beziehen. Gleichzeitig kriminalisiert insbesondere § 335a StGB im Bereich der Bestechung sowohl den einen Bediensteten eines ausländischen Staates aktiv Bestechenden (§ 334 StGB i.V.m. § 335a Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB) als auch den ausländischen Amtsträger selber als passiv Bestochenen (§ 334 StGB i.V.m. § 335a Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB). Im Gegensatz zur alten Rechtslage des IntBestG (vgl. Art. 2 § 1 IntBestG a.F.) ist eine Strafbarkeit allerdings nicht länger auf Fälle beschränkt, in denen der Bestechende in der Absicht handelt, sich einen Vorteil im internationalen geschäftlichen Verkehr zu verschaffen. Stand die internationale Ausdehnung der Strafbarkeit im Bereich der §§ 331 ff. StGB unter der alten Rechtslage also noch im Dienste des Schutzguts des internationalen Wettbewerbs[55], muss dies nun – nicht zuletzt auch wegen entsprechend ausdrücklicher Äußerungen des Gesetzgebers[56] – als Hinwendung zum o.g. klassischen Rechtsgutsverständnis der §§ 331 ff. StGB als Mittel zum Schutz der „Lauterkeit der ausländischen Amtsführung“ interpretiert werden.[57] Die Fokussierung auf dieses Rechtsgut ist jedoch auch nicht frei von im Einzelnen durchaus berechtigter Kritik[58] geblieben, die auch für die Einführung von den hier in Rede stehenden Sorgfaltspflichten Relevanz besitzt und unten näher betrachtet wird.

Allerdings ist der effektive Anwendungsbereich dieser Normen durch das Strafanwendungsrecht deutlich eingeschränkt.

Mit dem 2. KorrBekG wurde bezüglich der §§ 331 ff. StGB das Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB modifiziert. Der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts ist dabei – im Lichte eines weit gedachten aktiven Personalitätsprinzips[59] und praktisch hier wohl am relevantesten – unabhängig vom Tatort und der Tatortstrafbarkeit insbesondere dann eröffnet, wenn der Täter seinerseits Deutscher ist, vgl. § 5 Nr. 15 lit. a StGB. Die anderen in § 5 Nr. 15 StGB aufgenommenen Konstellationen[60] haben indes eine praktisch für die hier zu untersuchende Fragestellung geringere Bedeutung. Insgesamt ist damit das deutsche Strafrecht vor allem dann anwendbar, wenn ein Deutscher Unternehmensmitarbeiter im Ausland tätig wird und Bestechungszahlungen gegenüber einem ausländischen Bediensteten vornimmt. Dieser macht sich dann gem. §§ 334 Abs. 1, 335a Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB strafbar, wobei das deutsche Strafrecht gem. § 5 Nr. 15 lit. a StGB auch zur Anwendung gelangt. Sobald allerdings der Bestechende schon kein deutscher Staatsbürger ist, kann das deutsche Strafrecht auch nicht zur Anwendung kommen. Folgerichtig bleibt das deutsche Strafrecht unanwendbar, wenn etwa Mitarbeiter der bzw. des Zulieferunternehmen(s), die regelmäßig keine deutschen Staatsbürger sein werden, eine Bestechungszahlung gegenüber einem ausländischen Amtsträger im Ausland vornehmen. In dieser Hinsicht bleiben die Modifikationen des 2. KorrBekG für die hier untersuchten Sachverhaltsgestaltungen von geringerer Bedeutung.

§ 299 StGB wurde im Hinblick auf das Strafanwendungsrecht hingegen nicht modifiziert. Hier ist eine Anwendbarkeit auf Auslandssachverhalte von vorneherein auf Fälle beschränkt, in denen der Täter Deutscher ist und die Tatortstrafbarkeit vorliegt, vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB für bestimmte in Deutschland angetroffene Ausländer, die eine Tat im Ausland begangen haben bleibt in ihrer Bedeutung für die hier interessierenden Konstellationen gering. Insoweit stellen sich abermals Probleme im Lichte der Staatsbürgerschaft der Unternehmensmitarbeiter im Zulieferunternehmen.

Lösungsansätze unter Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofes etwa unter dem Gesichtspunkt einer Subsumtion von Korruptionssachverhalten unter den Begriff des Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Sinne der generalklauselartigen Fassung des Art. 7 Abs. 1 lit. k Rom Statut[61] oder im Wege einer „Neukriminalisierung“ im Wege der Anpassung des Rom-Statuts[62] treten auf ihre eigenen und spezifischen Probleme, die allerdings im Rahmen dieses Beitrags nicht näher untersucht werden können.

bb) Ordnungswidrigkeitenrecht

Wie oben schon angedeutet verschiebt sich bezüglich der Begehung von Korruptionsdelikten aus dem Unternehmen heraus die Perspektive bei der Betrachtung der Organisationsverantwortlichkeit der Unternehmensleitung aus dem Strafrecht in das Ordnungswidrigkeitenrecht.

Dabei ist § 130 OWiG ein zentrales Instrument zur Erfassung organisationsbezogener Defizite, die die Begehung der Straftat begünstigt haben. Denn die Bebußung knüpft daran an, dass Mitarbeiter eines Unternehmens Straftaten – wie etwa Korruptionsdelikte – begehen, die durch ordnungsgemäße Aufsichtsmaßnahmen hätten verhindert werden können.[63] Vergleichbare genuin strafrechtliche Zurechnungsstrukturen im Hinblick auf Vorsatzdelikte fehlen hierzu derzeit, jedenfalls wenn Korruptionsdelikte aus dem Unternehmen heraus begangen werden. Das bereits erwähnte sog. „Geschäftsherrenmodell“ würde schon insoweit Probleme aufwerfen, als dass die Geschäftsleitung regelmäßig ohne den weiterhin erforderlichen Vorsatz handelt oder dieser jedenfalls nicht festgestellt werden kann.[64] § 130 OWiG ist dabei an den „Inhaber des Betriebs“ adressiert und eröffnet so primär eine Sanktion von natürlichen Personen. Ist formaler Inhaber des Betriebs eine juristische Person, so erfolgt eine Zurechnung an Hand von § 9 OWiG.[65] Nicht zuletzt im Lichte der jüngst wieder intensivierten Diskussion um die Einführung eines Unternehmenssanktionenrechts[66] und des kürzlich vorgelegten Referentenentwurfs eines Verbandssanktionengesetzes hat dabei aber die Möglichkeit einer Sanktionierung der juristischen Person oder Personengesellschaft gem. § 30 OWiG eine zentrale praktische Bedeutung. Denn gem. § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG kann eine Sanktionierung etwa einer juristischen Person erfolgen, wenn deren vertretungsberechtigtes Organ (z.B. der Geschäftsführer einer GmbH, vgl. §§ 6, 35 GmbHG) eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die eine Pflichtverletzung auf Seiten der juristischen Person begangen wurde (Bezugstat). Die Verwirklichung des § 130 OWiG durch den Geschäftsführer bildet sodann eine eben solche Bezugstat i.R.d. § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Auf diese Weise wird § 130 OWiG zum „Transmissionsriemen“ für eine Sanktionierung der juristischen Person.[67] Sieht man nun einen zentralen Anwendungsbereich des § 130 OWiG vor allem bei der Begehung von Korruptionsdelikten durch Mitarbeiter, so geht – bei entsprechenden Aufsichtspflichtverletzungen – hiermit also häufig auch eine Bebußung des Unternehmens einher. Freilich zeichnet sich § 130 OWiG bei rechtstatsächlicher Betrachtung durch eine im Bundesgebiet uneinheitliche Anwendungspraxis aus, was letztlich vor allem durch das gem. § 47 Abs. 1 OWiG im Ordnungswidrigkeitenrecht geltende Opportunitätsprinzip begünstigt wird.[68] Gerade dies wird etwa von den Verfassern des Referentenentwurfs eines Verbandssanktionengesetzes durch den Vorschlag der bereichsspezifischen Einführung des Legalitätsprinzips (vgl. § 25 VerSanG-E i.V.m. § 152 Abs. 2 StPO) bei der Verhängung einer Verbandssanktion aufgegriffen.

(1) Zwischenbetriebliche Arbeitsteilung und § 130 OWiG

Wie oben allerdings schon angedeutet stößt eine Anwendung von § 130 OWiG in den hier diskutierten Fallkonstellationen auf tiefgreifende Probleme, die auf dessen ausdrücklich gesetzgeberischen Zuschnitt auf Aufsichtsmaßnahmen im Betrieb oder Unternehmen zurückgeführt werden können. Denn es entspricht gerade dem organisationsbezogenen Charakteristikum von Supply-Chains, dass es sich bei den beteiligten Unternehmen regelmäßig um solche handelt, die zum einen gesellschaftsrechtlich voneinander getrennt sind und zum anderen zueinander nur im Verhältnis grundsätzlich unabhängiger Vertragspartner etwa im Rahmen der Erfüllung einer werk- bzw. werklieferungsvertraglichen Verpflichtung stehen.

Bislang wird eine über eine einzelne Gesellschaft hinausgehende Pflichtenstellung vor allem mit Bezug zu Konzernsachverhalten diskutiert[69] und ist umstritten.[70] Ältere Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind hier eher zurückhaltend.[71] Insbesondere im Kartellrecht begann sich jedoch in der Spruchpraxis sowie auf Seiten des Bundeskartellamts ein Unternehmensbegriff zu etablieren, der sich von einer rein auf den Verband im gesellschaftsrechtlichen Sinne fokussierten Sicht ablöste und stattdessen die Idee des Unternehmens als „wirtschaftliche Einheit“ zur Grundlage nahm.[72]

Gerade dieser Argumentationstopos wurde sodann vom OLG München in einer jüngeren Entscheidung für die Anwendung des § 130 OWiG aufgegriffen.[73] So sei auch im Rahmen des § 130 OWiG maßgeblich, inwiefern die Konzernmutter etwa durch Weisungen Einfluss über die Konzerntochter ausüben kann und die beiden an sich getrennten Gesellschaften dann als „wirtschaftliche Einheit“ erscheinen.[74] Ist dies der Fall, so erstrecke sich auch die Pflichtenstellung der Geschäftsleitung der Konzernmutter auf die Konzerntochter.

Für die hier untersuchten Fälle bedeutet das, dass im Grundsatz eine Aufsichtspflicht des deutschen Bestellerunternehmens gegenüber den an der Supply-Chain beteiligten Unternehmen i.R.d. § 130 OWiG in Betracht kommt, da diese jedenfalls nicht an der gesellschaftsrechtlichen Trennung der beiden Akteure scheitert.  Zweifelhaft bleibt aber, ob die übrigen in die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung übernommenen Kriterien für eine „übergesellschaftliche“ Anwendung des § 130 OWiG erfüllt sind. Denn von einer Weisungsmacht wird man im Verhältnis Auftraggeber-Auftragnehmer entlang der Supply-Chain nicht automatisch ausgehen können. Erst Recht gilt das bezüglich der – aus Perspektive des deutschen Auftraggeberunternehmens noch weiter entfernten – Zulieferer des produzierenden Vertragspartners.

Fraglich ist nur, ob in Konstellationen in denen das deutsche Unternehmen hauptsächlicher oder einziger Auftraggeber des Zulieferunternehmens[75] ist, hieraus auf eine „wirtschaftlich bedingte“ Weisungsmacht kraft Abhängigkeit mit der Konsequenz einer Erstreckung des § 130 OWiG auf das Zuliefererunternehmen zu schließen ist. Trotz der sicherlich bedeutenden Stellung des Auftraggebers erscheint es aber weiterhin zweifelhaft, diese als  wirtschaftliche Einheit in dem Sinne zu sehen, dass beide Unternehmen einem gleichen übergeordneten Zweck dienen.[76] Denn bei Lichte betrachtet erfüllt das Zulieferunternehmen weiterhin nur seine vertraglichen Verpflichtungen als Zulieferer. Dass man hierin einen Konzernsachverhalt mit entsprechendem „Durchgriff der Aufsichtspflicht“ sehen kann, dürfte eine darüberhinausgehende spezifische Verknüpfung voraussetzen. In Betracht käme etwa die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen nicht zuletzt im Bereich der Compliance-Management-System (CMS) oder die vertragliche Übernahme von Sicherheitsstandards oder Zertifizierungsverfahren nach Vorgaben des Auftraggeberunternehmens.

(2) Geographische Verortung der Zuwiderhandlung und Strafanwendungsrecht

Auch bei unterstellter Bejahung einer solch weitreichenden Aufsichtspflicht für § 130 OWiG ergeben sich (zweitens) Probleme aus der geographischen Verortung der Zulieferunternehmen und der Staatsbürgerschaft der für sie tätigen Entscheidungsträger. So setzt § 130 OWiG voraus, dass die Zuwiderhandlung (hier: Korruptionsdelikt) dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts i.S.d. §§ 3 ff. StGB unterfällt.[77] Wie oben bereits beschrieben scheidet eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts trotz der Modifikationen des 2. KorrBekG vor allem betreffend die §§ 331 ff. StGB in den hier untersuchten Sachverhalten häufig aus. Damit entfällt zugleich eine Anwendbarkeit des § 130 OWiG in Ermangelung einer tauglichen Bezugstat.

cc) Perspektive des RefE-VerSanG

Gerade diese Problematik greift der Referentenentwurf des Verbandssanktionengesetzes auf, der in § 2 Abs. 2 VerSanG-E ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die Verbandsstraftat verzichtet und damit den Weg zur Zurechnung des Organisationsverschuldens eröffnet. Dass der Eröffnung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts trotz ihrer Behandlung als objektive Bedingung der Strafbarkeit[78] gleichwohl eine unrechtskonstitutive Wirkung zukommt wirft hierbei indes Probleme auf. Denn auch wenn das Strafanwendungsrecht so systematisch aus dem Unrechtstatbestand ausgeklammert wird, so trifft dieses dennoch die Grundentscheidung in welchem örtlichen Kontext der Verhaltensapell der Norm des innerstaatlichen Strafrechts legitimerweise den Freiheitsraum des Normadressaten beschränken darf.[79] Gerade hierdurch werden die §§ 3 ff. StGB unabdingbarer Bestandteil des materiellen (Schuld-) Strafrechts.[80] Dies wirft insoweit besondere Legitimationsprobleme auf, als dass der Referentenentwurf weiterhin auf einer Verbandsverantwortlichkeit kraft eines individualbezogenen Zurechnungsmodells basiert (vgl. § 3 Abs. 1 VerSanG-E).

Die vollständige Entkoppelung der Verbandssanktion von einer Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die Verbandsstraftat erweist sich damit als ein weiteres Beispiel für eine zwar auf den ersten Blick pragmatische und wohl auch intuitiv[81] naheliegende Problemlösung, die bei Lichte betrachtet allerdings auf rechtsstaatliche Legitimationsprobleme stößt. 

Für Konzernsachverhalte allerdings scheidet eine Zurechnung nach VerSanG-E mit Blick auf dessen Fokussierung des einzelnen „Verbands“ aus. Gerade im Hinblick auf Supply Chain Sachverhalte wäre hier eine Nachbesserung im Sinne des effektiven Menschenrechtsschutzes denkbar.

III. Die Rolle der (bilanz)strafrechtrechtlichen Flankierung der nichtfinanziellen Erklärung 

Diese beiden Ebenen werden mit den bilanzrechtlichen Straf- und Bußgeldtatbeständen §§ 331 ff. HGB jedoch aus eher unerwarteter Perspektive ergänzt.

Mit dem „Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernberichten (CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz)“[82] ist der deutsche Gesetzgeber im April 2017 seinen unionsrechtlichen Umsetzungsverpflichtungen im Hinblick auf die CSR-Richtlinie (RL. 2014/95/EU) nachgekommen. Zwar waren bestimmte Kapitalgesellschaften sowie Muttergesellschaften in Konzernstrukturen schon zuvor dazu verpflichtet, in ihren Lageberichten Angaben über „nichtfinanzielle Leistungsindikatoren“ zu machen. Diese Verpflichtung war jedoch mit Blick auf § 289 Abs. 3 HGB und § 315 Abs. 3 HGB zum einen regelbeispielshaft auf Angaben zu Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen beschränkt sowie zum anderen nur nötig, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage der Kapitalgesellschaft bzw. des Konzerns von Bedeutung sind.

Durch die Einführung der §§ 289b ff. HGB für Kapitalgesellschaften sowie §§ 315b ff. HGB für Muttergesellschaften von Konzernen (§ 290 HGB) wurde diese Pflichtenstellung indes entschieden erweitert und auch von den bisherigen lageberichtspezifischen Einschränkungen[83] entkoppelt.

Vor allem sind nunmehr etwa ausdrücklich Angaben zur Achtung der Menschenrechte (§ 289c Abs. 2 Nr. 4 HGB) sowie Maßnahmen zur Korruptionsprävention zu machen (§ 289c Abs. 2 Nr. 5 HGB). Die Berichtspflicht erstreckt sich dabei aber auch auf Angaben zu Risiken für Menschenrechte und der Begehung von Korruptionsdelikten die sich aus den Geschäftsbeziehungen ergeben, § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB. Insoweit erfasst die schon jetzt im Gesetz angelegte Berichtspflicht gerade auch die hier untersuchten Konstellationen transnationaler Wertschöpfungsketten.[84] Dies gilt nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB auch für Due-Diligence-Prozesse in Bezug auf die Lieferkette.[85] Gem. der Verweisungsnorm des § 315c Abs. 1 HGB gilt dies auch in Bezug auf die Berichtspflicht der Konzernmuttergesellschaft.

Flankiert wird diese bilanzrechtliche Pflichtenstellung sodann durch die Straf- und Bußgeldtatbestände der §§ 331 ff. HGB. So führt die generelle Verletzung der nunmehr erweiterten Berichtspflicht zu einer Bebußbarkeit etwa der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs (§ 334 Abs. 1 Nr. 3, 4 HGB), woran sich abermals auch eine Bebußbarkeit der Gesellschaft an sich gem. § 30 Abs. 1 OWiG knüpfen kann. Daneben ist auch der tatbestandliche Anwendungsbereich des Straftatbestands der unrichtigen Darstellung gem. § 331 Nr. 1, 2 HGB auf die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft bzw. es Konzern im Hinblick die genannten berichtspflichtigen Tatsachen erweitert. 

Insgesamt ergibt sich daraus die Pflicht, die Erstellung der Jahresabschlüsse so zu organisieren, dass auch im Hinblick auf die nicht-finanzielle Erklärung wahre und vollständige Angaben gemacht werden. Compliance bedeutet hier nichts anderes als die Einhaltung der bilanzrechtlichen Vorgaben zu gewährleisten. Zum anderen jedoch folgt aus dieser Pflicht, die Jahresabschlüsse im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte wahrheitsgemäß auszugestalten, eine Organisations- und Überwachungspflicht dahin, dass das Unternehmen auch tatsächlich und zumindest in dem angegebenen Umfang die selbst gesetzten Maßnahmen in seinem Organisationskreis (bzw. dem der zurechenbaren Unternehmen) tatsächlich vorgenommen hat. Damit lässt sich eine Verpflichtung zu Maßnahmen der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen der Sache nach begründen. Allerdings ist diese Pflicht sehr schwach ausgestaltet, denn sie wird bestimmt von drei Variablen: Das Unternehmen muss erstens überhaupt i.S.d. § 289b HGB von der Berichtspflicht getroffen werden.[86] 

Daneben bestehen zweitens gerade für die Berichtspflicht über geschäftspartnerbezogene Umstände weiterreichende Ausnahmetatbestände. Im Grundsatz besteht diese Berichtspflicht nämlich nur soweit die Angaben von Bedeutung und die Berichterstattung verhältnismäßig ist.[87] Etwas anderes gilt allerdings faktisch bezüglich der Angaben nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB (Due Diligence-Maßnahmen). Zwar soll ausweislich DRS 20.270 i.d.F. DRÄS 8 sowie der Begründung des Regierungsentwurfs auch bei diesen das Erfordernis der Bedeutsamkeit und Verhältnismäßigkeit gelten.[88] Gleichwohl wird – da sich die Angaben einzig auf die Due-Diligence-Maßnahmen des Bestellerunternehmens beziehen und nicht, wie es bei § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB denkbar ist – eine Involvierung des Zulieferers zwingend notwendig werden kann, eine Unverhältnismäßigkeit regelmäßig ausscheiden.[89]

Insbesondere steht es aber drittens zumindest teilweise im Ermessen des Unternehmens, welchen Stellenwert es dem Menschenrechtsschutz einräumt. Die CSR-Richtlinie verlangt im Prinzip nur, dass entsprechende Angaben gemacht werden und mit der Realität übereinstimmen. Eine bestimmte Qualität der ergriffenen Maßnahmen folgt daraus noch nicht.[90] Bei Lichte betrachtet erscheint dies als ein weiteres Beispiel für die Flexibilisierung des Wirtschaftsstrafrechts durch Dispositionsakte auf Seiten eines potentiell Beschuldigten. [91]

In den Mittelpunkt wird dabei allerdings auch die – vorrangig wirtschaftswissenschaftliche – Fragestellung rücken, in welchem Zusammenhang die öffentliche Wahrnehmung der Corporate Social Responsibility eines Unternehmens mit dessen wirtschaftlicher Potenz insbesondere etwa im Hinblick auf den Absatz seiner Produkte hat. Denn gerade in dieser Hinsicht könnte die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Flankierung von Transparenzverpflichtungen einen besonderen Einfluss auf die tatsächliche Unternehmensorganisation im Hinblick auf die Wahrung der Menschenrechte haben.

Daneben können Äußerungen gegenüber Kunden, die ein Vorstellungsbild von einer besonders „verantwortliche Herstellung“ des Produkts schaffen auch für täuschungsbezogene Straftatbestände relevant sein. Denkbar sind dann Strafbarkeiten wegen Betrugs (§ 263 StGB) oder insbesondere wegen „Betrugsderivaten“ wie insb. strafbare Werbung (§ 16 Abs. 1 UWG), bei denen ein Nachweis eines einem Irrtum zurechenbaren Vermögensschadens nicht notwendig ist.[92] Aktuelle Ermittlungsverfahren bei zahlreichen deutschen Autoherstellern belegen allerdings entsprechende Entwicklungen hin zu einer Erfassung insbesondere produktbezogener Täuschungen, die zudem vor allem auch auf prozessualer Ebene von herabgesetzten Anforderungen an die Reichweite der Amtsaufklärungspflicht bei Massenbetrügen[93] gestützt werden.

IV. Anknüpfungspunkte gesetzgeberischen Handelns

 Trotz ermutigender Ansätze besteht also Reformbedarf. Dies betrifft zuallererst die Formulierung von (demokratisch legitimierten) Sorgfaltsstandards. Grundsätzlich hätte die gesetzgeberische Konkretisierung dieser Pflichten an sich zwar auch im Rahmen des § 130 OWiG eine Bedeutung, spricht dessen Tatbestand doch lediglich abstrakt von „Aufsichtsmaßnahmen“ die zur Verhinderung einer Zuwiderhandlung im Unternehmen erforderlich sind. Allerdings wurde gezeigt, dass § 130 OWiG in den untersuchten Konstellationen transnationaler Wertschöpfungsketten in anderer Hinsicht an seine Grenzen stößt. Angesichts der Tatsache, dass der Referentenentwurf eines Verbandssanktionengesetzes zwar auch an eine Zurechnung kraft unterlassener oder jedenfalls unzureichender „Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten“ (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E) anknüpft und dabei einer weiteren Konkretisierung entbehrt,[94] würde dies hier ebenso gelten, soweit der Referentenentwurf in dieser Form umgesetzt werden sollte. Allerdings wurde gezeigt, dass die Vorschläge des Referentenentwurfs zwar im Hinblick auf die internationale Reichweite des Verbandssanktionenrechts weiter als die gegenwärtige Rechtslage griffen. Gerade die Erfassung transnationaler Wertschöpfungsketten wäre aber weiterhin nicht möglich.

Diese Begrenzungen wirken sich allerdings nicht auf eine Zurechnung im Rahmen des fahrlässigen Begehungs- oder Unterlassungsdelikts aus. Insoweit kommt der Formulierung von Sorgfaltsstandards hier eine entscheidende Bedeutung zu.

Im Ausgangspunkt müsste sich die Pflichtenstellung gerade nicht nur auf Maßnahmen im eigenen Unternehmen erstrecken, sondern auch solche Maßnahmen im Hinblick auf Zuliefererunternehmen und damit die Geschäftspartner nehmen. Stärker als bei Maßnahmen der internen Compliance müsste hierbei die Ermittlung von Risiken für Rechtsgutsverletzungen im beschriebenen Sinne durch die Geschäftstätigkeit des Zulieferers im Mittelpunkt stehen. Damit rücken Fragen der Geschäftspartner-Due Diligence in den Fokus der Betrachtung.

Dies wird etwa umfassend durch die Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct[95] der OECD aus dem Mai 2018 aufgegriffen und findet nicht zuletzt mit den oben beschriebenen bilanzrechtlichen Berichtspflichten auch bereits im positiven innerstaatlichen Recht einen Niederschlag.

1. Legitimationsprobleme speziell bei korruptionsbezogenen Sorgfaltspflichten

Wenn bei alledem aber allerdings gerade korruptionsbezogene Sorgfaltspflichten im Raum stehen, spitzen sich Legitimationsprobleme zu. Erst recht gilt das, wenn erwogen wird, die Verletzung von Sorgfaltspflichten isoliert mit Sanktionen zu belegen. Denn es ist zu bedenken, dass diese Sorgfaltspflichten vorrangig dem Schutz ausländischer Rechtsgüter dienen. Dies betrifft besonders deutlich (aber nicht exklusiv) solche Sorgfaltspflichten, die sich auf die Bestechung von ausländischen Amtsträgern in Sachverhaltskonstellationen beziehen, auf die das deutsche Strafrecht nicht anwendbar ist. Auch wenn der Gesetzgeber im Rahmen des 2. KorrBekG davon ausging, die oben beschriebene tradierte Rechtsgutsbestimmung der Korruptionsdelikte ohne weiteres auf Auslandssachverhalte übertragen zu können[96] bleiben die in diesem Zusammenhang vorgetragenen rechtsstaatlichen Bedenken[97] weiter von Bedeutung und stellen die Legitimität der gegenwärtigen Schutzgutskonzeption der Korruptionsdelikte über das oben beschriebene Maß hinaus in Frage.

Als wohl eher schwache Hilfserwägung könnte der mittelbare Schutz deutscher Wettbewerber dienen. Besser, man sucht eine andere Legitimationsbasis für die Einführung derartiger Sorgfaltspflichten. Wesentlich überzeugender ist die eingangs dargestellte, Bedeutung der Korruption für die Verletzung von Menschenrechten.

Insoweit könnten das Verbot der Auslandsbestechung[98] wie auch weitergehende Organisations- und Sorgfaltspflichten gerade der Verhinderung von Menschenrechts- und Umweltverletzungen durch die Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen im Ausland dienen. Und diese schädlichen Auswirkungen wären auch dann zurechenbar, wenn sie nicht nur durch Bestechungszahlungen durch eigene Unternehmensmitarbeiter im Ausland, sondern auch durch die Beauftragung von Zuliefererunternehmen und deren (Sub-) Zulieferer und Dienstleister herbeigeführt werden, sofern dort derartige Handlungen vorgenommen werden.

„Geschäftstätigkeit“ ist eben auch die Schaffung und Unterhaltung einer Supply-Chain. Die hiermit einhergehenden Anschlussprobleme wird man allerdings nicht als abschließend bewältigt bezeichnen können. Vor allem gilt dies mit Blick auf die eher mittelbare Beziehung zwischen der Tathandlung des Korruptionsdelikts und der – im Übrigen tatbestandlich nicht vorausgesetzten – Menschenrechtsverletzung in Folge der korruptiven Unrechtsvereinbarung. Bei der konkreten Ausgestaltung solcher Sorgfaltspflichten wird es also unerlässlich sein, zwischen korruptionsbedingten Menschenrechtverletzungen und unmittelbareren Menschenrechtsverletzungen zu differenzieren.

2. Rechtsstaatliches Strafrechtssystem und Menschenrechte

Zur Erhaltung eines rechtsstaatlichen und die ebenso Menschenrechte der Normadressaten achtenden Strafrechtssystems dürfen die Augen vor derartigen Legitimationsproblemen nicht verschlossen werden – mögen die im Einzelnen verfolgten kriminalpolitischen Ziele auch mit Blick auf die Opfer sinnvoll erscheinen.

Im Rahmen der prozessualen Durchführung derartiger Verfahren wäre die Unschuldsvermutung selbstverständlich nicht suspendiert. Auch die komplexen Voraussetzungen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen müssen eingehalten werden, sollen verwertbare Beweise beschafft werden. Der teilweise Verzicht hierauf wie er etwa im Kampf gegen den „internationalen Terrorismus“ zu verzeichnen ist, ist aus der Perspektive eines rechtsstaatlichen Schuldstrafrechts kritisch zu bewerten. Es kann nicht empfohlen werden, im Wege der Formulierung extrem weiter Zurechnungsparameter eine vergleichbare Form der Haftung für Geschäftstätigkeit unter dem Verdacht der Korruption zu implementieren wie für Terrorismus. Strafbarkeitsbegründend kann nicht die Nutzung einer Supply-Chain als solche sein. Hierbei muss es zu strafbarem Verhalten mit zurechenbaren Menschenrechtsverletzungen kommen.

Wichtig bleibt auch bei schwersten Verstößen gegen Menschrechte und/oder die Umwelt die Beachtung rechtsstaatlicher Grundprinzipien. Das bedeutet, ein Verschulden oder eine Verursachung müssen konkret festgestellt werden.

Eine Strafe für zufällige Schäden, auch wenn sie schwer und die Folgen tragisch sind, ist Willkür. Entscheidend ist daher, dass Risiken bei sorgfältiger Organisation und Aufsicht erkennbar und mit zumutbaren Mitteln zu verhindern waren.

3. Konzept: Erweiterte Verantwortlichkeit bei Menschenrechtsverletzungen in Risikobereichen

 Wie gezeigt ist eine umfassende Verantwortlichkeit für Rechtsgutsverletzung, die je nach ihrem Begehungskontext als Menschenrechtsverletzungen erscheinen, vor allem dort möglich, wo die betroffenen Rechtsgüter auch umfassend gegen fahrlässige Verletzungen geschützt werden. Konsequent erschiene damit die Schaffung eines Straftatbestands, der auch weitere Schädigungsdimensionen im Hinblick auf Menschenrechtsverletzung zum Gegenstand hätte.

Nicht zuletzt mit Blick auf die oben angesprochenen typischen Rahmenbedingungen von Menschenrechtsverletzungen wie Korruption, Menschen und illegaler Waffenhandel oder auch Kinderarbeit bedarf es definierter Anknüpfungspunkte für diese erweiterte Organisationspflicht. Einerseits um dem Bestimmtheitsgebot und dem Ultima Ratio Gedanken zu genügen.[99] Daneben spiegelt diese Beschränkung der Anknüpfungshandlungen aber auch eine Referenz an die Wahrscheinlichkeit, verwertbare Beweise zu erlangen.

Konkret wäre es denkbar, diesen – mit der vor dem Hintergrund des Schuldprinzips gebotenen Zurückhaltung[100] – als Erfolgsqualifikation des Korruptions-, Menschen-     oder Waffenhandelsdelikts auszugestalten. Die schweren Folgen könnten im Tod von Menschen, einer schweren Gesundheitsschädigung, einer Gesundheitsschädigung einer Vielzahl von Menschen, einer besonders schweren Beeinträchtigung der Umwelt oder in der Verletzung von zu definierenden Menschenrechten[101] liegen und so insgesamt über den Kreis der bisher an Hand der §§ 222, 229 StGB erfassbaren Sachverhalte hinausgehen. Denkbar wäre es, über § 18 StGB hinaus Leichtfertigkeit bezüglich der schweren Folge zu verlangen, da bereits im Rahmen des „Rumpftatbestands“ eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung vorliegen müsste und eine Restriktion über den individuellen Fahrlässigkeitsmaßstab hinaus geboten ist.

Entscheidend ist, dass nicht bereits die bloße Einschaltung einer Supply-Chain, sondern erst tatsächlich grob sorgfaltswidriges Verhalten den Boden für eine strafrechtliche Zurechnung bereiten sollte. Insgesamt ist allerdings hinsichtlich der Einführung eines Straftatbestands auch aus systematischen Gründen Vorsicht geboten. Denn bei Zugrundelegung der aktuellen Rechtslage verbliebe für innerbetriebliche Aufsichtspflichtverletzungen[102] nur der Bußgeldtatbestand des § 130 OWiG. Für zwischen- bzw. überbetriebliche Sorgfaltspflichtverletzungen würde hingegen ein Straftatbestand eingeführt (wenn auch als Erfolgsqualifikation ausgestaltet).  Dies gilt erst Recht mit Blick auf die Vorschläge des Referentenentwurfs eines Verbandssanktionengesetzes, die gerade noch enger als § 130 OWiG im Hinblick auf die (gesellschaftsrechtliche) Reichweite der Organisationspflichten sind.

Sofern die Vertreter der Bestellunternehmen hingegen vorsätzlich im Hinblick auf die Verletzung der Menschenrechte handeln sollten oder bereits etablierte unmittelbare Fahrlässigkeitstatbestände etwas der fahrlässigen Tötung oder Körperverletzung unmittelbar die Zurechnung begründen, dann führt der menschenrechtliche Konnex lediglich zur Erweiterung der Verfolgbarkeit, nicht aber zur Begründung der Strafbarkeit.

Dies spiegelt sich etwa im Rahmen des in § 6 StGB enthaltenen sog. „Weltrechtsprinzips“ Angriffe gegen potentiell übernational betroffene Rechtsgüter können demgemäß unabhängig von Tatort und Staatsangehörigkeit der Täter nach deutschem Recht verfolgt werden. Die Verfolgung erfolgt dann im Interesse der Staatengemeinschaft und nicht des individuell die Strafverfolgung betreibenden Staats.[103] Nr. 4 erfasst bereits den Menschenhandel.[104] Denkbar wäre auch eine parallele Aufnahme von Menschenrechtsverletzungen. Dann aber muss der Begriff der strafrechtlich relevanten Menschenrechtsverletzung bestimmt definiert und konkret kodifiziert werden. Anderenfalls droht eine uferlose Ausweitung des Strafrechts, die ihrerseits die in der Menschenrechtskonvention geschützten Rechte bedroht.

4. Ausblick

Am Beginn des Beitrags stand die Frage, ob das nationale Strafrecht also geeignet ist, Menschenrechtsverletzungen zu hindern oder ihre Verfolgung im Interesse der Verletzten einerseits und unter Wahrung rechtsstaatlicher Standards andererseits effektiver zu gestalten. Die Antwort ist ein sehr vorsichtiges „ja“. Die realistische Gefahr, als Mitglied einer europäischen oder nordamerikanischen Geschäftsleitung für Verletzung von Menschenrechten an billigen Produktionsstandorten verurteilt zu werden, kann eine gewisse präventive Wirkung gegenüber ungehemmtem Gewinnstreben entfalten und eventuell solvente Haftungspartner der Opfer sicherstellen. Strafrecht ersetzt aber keine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik. 

 

 

[1]      Vgl. etwa die Untersuchung: UNCTAD, Global value chains and development. Investment and value added trade in the global economy, 2013, S. 16, wonach 80% des weltweiten Handels in dieser Gestalt erfolge; ferner: Artndt/Kierzkowski, Fragmentation: new production patterns in the world economy, 2001; Feenstra, Journal of Economic Perspectives 12 (1998), 31 ff.
[2]      Barrientos/Gereffi/Rossi, International Labour Review 150 (2011), 319; Bernhardt/Pollak, Environment and Planning 48 (2016), 1220; Gimet/Guilhon/Roux, International Labour Review 154 (2015), 303; Milberg/Winkler, International Labour Review 150 (2011), 341; vgl. differenzierend auch die Studie von Oxfam zur Entwicklung der Rolle der Frau: Oxfam (Hrsg.), Trading away our rights. Women working in global supply chains, 2004, S. 17.
[3]      Zusammenfassend: https://www.ecchr.eu/fall/mehr-show-als-sicherheit-zertifikate-in-der-textilindustrie/ (zuletzt abgerufen am 31.10.2019) sowie https://www.ecchr.eu/fall/kik-der-preis-der-arbeitsbedingungen-in-der-textilindustrie-suedasiens/ (zuletzt abgerufen am 31.10.2019) letzterer Fall war Gegenstand eines – nunmehr durch klageabweisendes Urteil beendeten – Zivilverfahrens vor dem LG Dortmund, vgl. LG Dortmund, Urt. v. 10.1.2019 – Az. 7 O 95/15. 
[4]      https://www.ecchr.eu/fall/das-geschaeft-mit-der-sicherheit-die-roll
e-von-tuev-sued-beim-brumadinho-dammbruch-in-brasilien/ (zuletzt abgerufen am 28.11.2019.
[5]      BVerfGE 61, 82 (101); im Anschluss an das klassische Verständnis der Grundrechte als Mittel der Bewahrung des „status negativus“, vgl. grundlegend zu diesem Begriff: Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1905, S. 103; speziell mit Blick auf die Folgewirkungen im internationalen Strafrecht: Ambos, Wirtschaftsvölkerstrafrecht, 2018, S. 24.
[6]      Stellvertretend: Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 87. EL (März 2019), Art. 1 Abs. 3 Rn. 99 ff.; was sich auch in der Entstehungsgeschichte dieser Normen nachweisen lässt: Stenogr. Bericht der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 6.5.1949, Anlage S. 6; zur Entstehungsgeschichte Dreier, in: Dreier, GG, 3. Aufl. (2013) Bd. I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 2 ff. m.w.N.
[7]      Vgl. stellvertretend aber umso nachdrücklicher: Beulke/Swoboda, Strafverfahrensrecht, 14. Aufl. (2018), Rn. 5.
[8]      Siehe hierzu nur: Roxin, AT I, 4. Aufl. (2006), § 2 Rn. 1 ff.; zur gesellschaftsvertraglichen (und insoweit staatstheoretischen) Fundierung der Kriminalisierung: Momsen, Die Zumutbarkeit als Begrenzung strafrechtlicher Pflichten, 2006, S. 34 ff.
[9]      Vgl. mit speziellem Schwerpunkt auch zur EU-Grundrechtecharta: Besselink, The Protection of Human Rights post-Lisbon, 2012, S. 63; Emmerich-Fritsche, Archiv des Völkerrechts 45 (2007), 541.
[10]    BVerfGE 128, 226 = NJW 2011, 1201 Rn. 48 u. 59 – Fraport; zu dieser Argumentation auch: Gurlit, NZG 2012, 249 (250) insbesondere unter Hinweis auf die durch Canaris, AcP 184 (1984), 201 (204) betonten Schwierigkeiten einer unmittelbaren Grundrechtsverpflichtung mit Blick auf die Systematik der Grundrechtsschranken.
[11]    Grundlegend: BVerfGE 7, 198 – Lüth; umfassend: Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 52 ff; woraus sich aber keine Grundrechtsverpflichtung Privater ergeben soll, abw.: Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (10).
[12]    BAGE 1, 195 (191 ff.); 4, 274; 13, 168 (174 ff.); nachdem diese Sichtweise zwischenzeitlich in BAGE 48, 122 aufgegeben wurde, wurden ähnliche Erwägungen bzgl. in Tarifverträgen i.S.d. § 3 Abs. 2 TVG gesetzten Normen wieder aufgegriffen: BAG, NZA 2011, 751 (757); vgl. für Betriebsvereinbarungen: BAGE 120, 308.
[13]    Eine Begrifflichkeit, die das BVerfG vor allem bei der Ablehnung der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts gebraucht, vgl. BVerfGE 21, 362 (369); 45, 63 (79); 61, 82 (105).
[14]    Emmerich-Fritsche, Archiv des Völkerrechts 45 (2007), 541 (544); Fischer-Lescano/Maurer, NJW 2006, 1393 (1394 f.); Spießhofer, NJW 2014, 2473 (2475); Teubner,ZaöRV 63 (2003), 1.
[15]    Mudelinski, International Affairs 77 (2001), 31; Paust, Vanderbilt Journal of Transnational Law 35 (2002), 81.
[16]    Rao, Three Concepts of Dignity in Constitutional Law, Notre Dame Law Review 86:1 (2011), 183; vgl. auch Paust, Howard Law Journal, Vol. 27, No. 1 (1984), 145; O’Mahony, International Journal of Constitutional Law, Volume 10, Issue 2, 30 (March 2012), 551.
[17]    Einen umfassenden Überblick bietet: Ambos, Wirtschaftsvölkerstrafrecht, 2018, S. 24 ff.
[18]    Die sog. open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, die am 26.6.2014 eingerichtet wurde.
[19]    HRC, Res. 17/4 v. 16.6.2011.
[20]    Umfassend zum spezifischen Unrechtsgehalt der Amtsdelikte: Amelung, in: FS Dünnebier, 1982, S. 503 f.; Dedes, in: FS Lackner, 1987, S. 791; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, 2001, S. 210 ff; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, 2019, S. 131 ff.; Sowoda, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2013), Bd. 3, vor § 331 Rn. 12 ff.
[21]    Vgl. etwa prominent der „Oxfam-Skandal“ im Rahmen dessen Mitarbeiter der Hilfsorganisation Oxfam in Haiti Sexualdelikte bei ihrer Tätigkeit nach dem Erdbeben 2010 vorgeworfen werden, https://www.theguardian.com/world/2018/jun/15/timeline-oxfam-sexual-exploitation-scandal-in-haiti (zuletzt abgerufen am 31.10.2019)
[22]    Vgl. RefE, S. 74.
[23]    Ambos, Wirtschaftsvölkerstrafrecht, 2018, S. 14; unter Verweis auf Nauckes Konzeption eines politischen Wirtschaftsstrafrechts, dass die Bewahrung von Freiheitsräumen vor der Zerstörung durch wirtschaftliche Macht zum Gegenstand habe, vgl. Naucke, Der Begriff der politischen Wirtschaftsstraftat – Eine Annäherung, 2012, S. 4.
[24]    Davon abgesehen, dass ein Organisationsdefizit selbstverständlich Anknüpfungspunkt der Zurechnung sein kann, wie noch eingehend darzustellen sein wird.
[25]    Entsprechend die Arbeitsdefinition im Rahmen des Forschungsprojekts mit dem „Center for International Human Rights“ am John Jay College of Criminal Justice der City University of New York (CUNY).
[26]    In vielen Fällen werden auch Menschenrechtsverletzungen in Form von defizitären Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit die strafrechtlich ohnehin gegen fahrlässige Verletzung abgesicherten Auswirkungen auf die Gesundheit u.a. haben. Entsprechend sind auch einige der neueren in einigen europäischen Staaten und in Kanada konzipiert. Dazu Momsen/Schwarze, Criminal Law Forum Special Edition 2018, 567 (592) m.w.N.
[27]    Die nunmehr auch von der höchstrichterlichen Rspr. anerkannt wird: BGH, CCZ 2012, 157; NStZ 2018, 648.
[28]    Bei alledem wird freilich nicht das Unternehmen als solches in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, sondern es bleibt bei der Frage von Grund und Grenzen einer Zurechnung betriebsbezogener Handlungen der Unternehmensmitarbeiter, vgl. zur Kontroverse zwischen Organisations- und Zurechnungsmodellen insb. mit Blick auch auf das Völkerstrafrecht: Ambos, Wirtschaftsvölkerstrafrecht, 2018, S. 40 ff.; Meyer, ZStR 131 (2013), S. 78 ff.
[29]    BGHSt 37, 106 – Lederspray.
[30]    BGHSt 37, 106 (114) – Lederspray.
[31]    Daneben trifft die Geschäftsleitung betreffend die ihnen obliegenden Entscheidungen etwa zum – vom Senat auf freilich dogmatisch fragwürdiger Grundlage anerkannten – Produktrückruf, vgl. BGHSt 37, 106 (115); kritisch zu Grund und Grenzen dieser strafrechtlichen Pflichtenstellung etwa: Hilgendorf, Produzentenhaftung, 1993, S. 139; Kuhlen, NStZ 1990, 566 (568); Puppe, JR 1992, 30; Roxin, AT II, 2003, § 32 Rn. 199; Schünemann, in: FS BGH, Bd. IV, 2000, S. 621 (638).
[32]    Vgl. hierzu eingehend schon: Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I, 2. Aufl. (1988), Rn. 1146 ff.; ders., NJW 1988, 1937 (1940); sowie unter Bezugnahme auf BGHSt 37, 106 – Lederspray etwa: Hassemer, Produktverantwortung, 2. Aufl. (1996), S. 62 ff.; Kuhlen, in: FS BGH, Bd. IV, S. 647 (663).
[33]    Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I, Rn. 1147.
[34]    Bosch, Organisationsverschulden, 2002, S. 372 f.
[35]    Vgl. vertiefend: Ambos, Internationales Strafrecht, 5. Aufl. (2018), § 1 Rn. 17; Rotsch, ZIS 2010, 168 (170).
[36]    Zu den §§ 331 ff. StGB vgl. etwa: RGSt 72, 237 (241 f.); BGHSt 10, 237 (241 f.); 14, 123 (131); 15, 88 (96); zust. in der Literatur etwa: Fischer, StGB, 66. Aufl. (2019), § 331 Rn. 2; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 331 Rn. 7; Sowoda, in: LK-StGB, vor §§ 331 ff. Rn. 37.
[37]    Zu § 299 StGB vgl. etwa: BT-Drs. 13/5584, S. 9, 12; BT-Drs. 18/4350, S. 21; BT-Drs. 18/6389; BGHSt 10, 358 (367); BGHSt 31, 207 (210); BGHSt 49, 214 (229); zust. in der Literatur etwa: Krick, in: MüKo-StGB, Bd. 5, 3. Aufl. (2019), § 299 Rn. 15 m.w.N.
[38]    Vgl. umfassend zum Geschäftsherrenmodell und dessen z.T. kritisch zu betrachtenden Implikationen für die Rechtsgutsbestimmung i.R.d. § 299 StGB: Grützner/Helms/Momsen, ZIS 2018, 299.
[39]    Dazu zusammenfassend: Final Report of the Human Rights Council – Advisory Committee on the issue of the negative impact of corruption on the enjoyment of human rights, UN General Assembly, 5.1.2015, A/HRC/28/73; Sepúlveda Carmona/Bacio-Terracino, in: Boersma/Nelen (Hrsg.), Corruption & Human Rights: Interdisciplinary Perspectives, 2010, S. 25 ff.; Hensgen, Korruption: Ein ungerechtfertigter Eingriff in internationale Menschenrechte, 2017, S. 67 ff., S. 73 ff.
[40]    Mit jeweils unterschiedlicher Akzentuierung: Al-Marhubi, Economics Letters 66 (2000), 199 (201); Blackburn/Powell, Economics Letters 113 (2011), 225 (227); Keefer/Knack, Economics and Politics 7 (1995), 207 (226 ff.); Mauro, Quarterly Journal of Economics 110 (1995), 681; Rose-Ackerman/Palifka, Corruption and Government, 2. Aufl. (2016), S. 29; vgl. vertiefend unter II. 2. a) bb).
[41]    Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972, S. 349; unter Verweis auf: Luhmann, Grundrechte als Institution, 6. Aufl. (2019), S. 114; Ders., Das Recht der Gesellschaft, 2. Aufl. (1995), S. 445, 449, 470 f.
[42]    Ambraseys/Bilham, Nature 469 (2011), 153 ff.
[43]    Bertrand/Simeon/Rema/Senhil, The Quarterly Journal of Economics 122 (2007), 1639; Momsen/Schwarze, Criminal Law Forum Special Edition 2018, 567 (592); Ramasastry, Closing the Governance Gap in the Business and Human Rights Arena: Lessons from the Anti-Corruption Movement, in Human Rights Obligations of Business 162-90 (Surya Deva & David Bilchitz eds., Cambridge University Press 2013).
[44]    Wobei es zu hinterfragen bleibt, dass abweichende Schutzgutskonzepte häufig vor allem mit dem Argument der Unvereinbarkeit mit der gesetzgeberischen Konzeption zurückgewiesen werden (vgl. etwa: Graupe, Die Systematik und das Rechtsgut der Bestechungsdelikte, 1988, S. 104 ff.; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 8; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, 2001, S. 254 f. in der Auseinandersetzung mit dem Schutzgut der „Unverfälschtheit der Amtsführung“) sollte die Schutzgutskonzeption doch eigentlich zur Grundlage der gesetzgeberischen Konzeption werden und nicht umgekehrt, vgl. zur staatstheoretischen Fundierung dieser Grundannahme auch: Momsen, Die Zumutbarkeit als Begrenzung strafrechtlicher Pflichten, 2006, S. 35 ff.
[45]    Vgl. etwa die Untersuchungen von: Gyimah-Brempong, Economics of Governance 3 (2002), 183; Keefer/Knack, Economics and Politics 7 (1995), 207 (226); Mauro, Quarterly Journal of Economics 110 (1995), 681.
[46]    Zusammenfassend: Rose-Ackerman/Palifka, Corruption and Government, S. 29 ff.
[47]    https://www.ecchr.eu/fall/kik-der-preis-der-arbeitsbedingungen-in-der-textilindustrie-suedasiens (zuletzt abgerufen am 4.11.2019); näher Fn.3.
[48]    Ghura, IMF Working Paper No. 125, 1998; Imam/Jacobs, IMF Working Paper No. 270, 2007; Tanzi/Davoodi, IMF Working Paper No. 182, 2000.
[49]    Adam/Bevan, Journal of Public Economics 89 (2005), 571; Al-Marhubi, Economics Letters 66 (2000), 199 (201); Blackburn/Powell, Economics Letters 113 (2011), 225, (227).
[50]    Li/Xu/Zou, Economics and Politics 12 (2), 155 (180 f.), wenn auch unter Relativierung der Ergebnisse von Mauro, Quarterly Journal of Economics 110 (1995), 681.
[51]    Gesetz zur Bekämpfung der Korruption v. 20.11.2015, BGBl. I, S. 2025.
[52]    Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr v. 10.9.1998, BGBl. II 1998, S. 2327 ff.
[53]    Gesetz zu dem Protokoll vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften v. 10.9.1998, BGBl. II 1998, S. 2340.
[54]    Vgl. zusammenfassend hinsichtlich der internationalen Einflüsse auf das Korruptionsstrafrecht: Korte, in: MüKo-StGB, § 331 Rn. 27 ff.
[55]    Vgl. Krause/Vogel, RIW 1999, 488 (491); Westhoff, RIW 1999, 950 (951); Randt, BB 2000, 1006 (1008); Schmitz, RIW 2003, 189 (193).
[56]    BT-Drs. 18/4350, S. 24.
[57]    Haak, Auslandsbestechung, 2016, S. 181; Kudlich/Hoven, ZIS 2016, 345 (350); Kuhlen, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 335a, Rn. 9; Walther, DB 2016, 95; eingehend und im Ergebnis dieser Rechtsgutskonzeption zustimmend: Hoven, Auslandsbestechung, 2018, S. 524 ff.
[58]    Besonders eindrücklich ist von „Strafrechtsimperialismus“ die Rede: Horrer, Bestechung durch deutsche Unternehmen im Ausland, 2011, S. 252; Isfen, JZ 2016, 228 (233); Kuhlen, in: NK-StGB, § 335a Rn. 9; Schünemann, in: Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Das Verbot der Auslandsbestechung, 2016, S. 25, 36.
[59]    Ambos, in: MüKo-StGB, vor § 3 Rn. 28; Böse/Meyer, ZIS 2011, 336 (342); Schröder, JZ 1968, 241; Vogler, in: FS Maurach, 1972, S. 595, 597 ff.; Werle/Jeßberger, in:LK-StGB, vor § 3 Rn. 234.
[60]    § 5 Nr. 15 b StGB – Europäischer Amtsträger mit Dienststelle im Inland; § 5 Nr. 15 c StGB – Tat wird ggü. deutschem Amtsträger im Ausland begangen; § 5 Nr. 15 d StGB – Tat wird ggü. Europäischen oder nach § 335a StGB gleichgestellten Amtsträger begangen, der seinerseits Deutscher ist (sic!), vgl. eingehend mit Beispielen: Kudlich/Hoven, ZIS 2016, 345 (350).
[61]    Dafür etwa: Bantekas, Journal of International Criminal Justice, Ed. 466 (2006), 466 (474); Starr, Northwestern University Law Review 101 (2007), 1257 (1281).
[62]    Für eine Erweiterung des Rom-Statuts etwa: Ocheje, Leiden Journal of International Law Ed. 15 (2002), 749; Eboe-Osuji, African Perspectives on International Criminal Justice, Ed 132, S. 25; sowie noch vor Inkrafttreten des Rom-Statuts im Sinne einer generellen Anerkennung als Gegenstand des internationalen Strafrechts: Kofele-Kale,The International Lawyer, Ed. 34 (2000), 149.
[63]    Vgl. umfassend zur Struktur des § 130 OWiG: Grützner/Leisch, DB 2012, 787; Grützner, in: Momsen/Grützner (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2013, Kap. 4 Rn. 22 ff.; Rogall, in: KK-OWiG, 5. Aufl. (2018), § 130 Rn. 1.
[64]    Dies gilt erst recht, wenn man – mit Blick auf das Schuldprinzip zwingend – daran festhält, im Vorsatz eine justizförmig festzustellende innere Tatsache zu sehen und damit die Vorsatzfeststellung einer vollständigen Normativierung entzieht: vgl. umfassend: Momsen, KriPoZ 2018, 76.
[65]    Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 25.
[66]    Vgl. zur jüngeren Diskussion mit unterschiedlichen Akzenten: Baur, AG 2018, 457; Dannecker/Dannecker, NZWiSt 2016, 162; El-Ghazi, ZStrW 2018, 254;Fischer/Hoven, ZIS 2015, 32; Grützner, CCZ 2015, 56; Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, NZWiSt 2018, 1; Kohlhof, Die Legitimation einer originären Verbandsstrafe: Eine straftheoretische Untersuchung, 2019; Kutschaty, ZRP 2013, 34; Ortmann, NZWiSt 2017, 241; Rogall, in: KK-OWiG, § 30 Rn. 129; Schünemann, ZIS 2014, 1; Wohlers, NZWiSt 2018, 421.
[67]    Vgl. zu diesem Begriff und insgesamt zur systematischen Einbettung des § 130 OWiG: Helmrich, wistra 2010, 331 (332); Grützner/Leisch, DB 2012, 787 (788); Többens, NStZ 1999, 1 (8).
[68]    Vgl. hierzu vor allem die wiedergegebenen Untersuchungen von: Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, NZWiSt 2018, 1 (5); siehe auch OECD, Phase 4 Report, S. 79 f., abrufbar unter:  http://www.oecd.org/corruption/anti-bribery/Germany-Phase-4-Report-GER.pdf (zuletzt abgerufen am 4.11.2019).
[69]    Wo sich die Frage natürlich auch mit Bezug zu den gesellschaftsrechtlichen Geschäftsleiterpflichten stellt, vgl. Grützner/Leisch, DB 2012, 787 (790).
[70]    kritisch: Bosch, ZHR 177 (2013), 454 (462 ff.); Brettel/Thomas, Compliance und Unternehmensverantwortlichkeit im Kartellrecht, 2016, S. 36 ff. Bürger, WuW 2011, 130 (135 f.); Graf, in: FS Feigen, 2014, S. 37 ff.; Hellmann/Beckemper, WiStR, 5. Aufl. (2018), Rn. 959; Hermanns/Kleier, Grenzen der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen, 1987, S. 25; Koch, ZHR 171 (2007), 545 (570 ff., 573); ders., AG 2009, 564 ff.; Petermann, in: Eisele/Koch/Theile (Hrsg.), Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund, 2014, S. 99 ff., 105 ff.; Aberle/Holle, in: Eisele/Koch/Theile (Hrsg.), Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund, S. 117, 118 ff.; v. Schreitter,NZKart 2016, 253 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 1996, S. 105 f.; befürwortend: Niesler, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. (2017), § 130 OWiG Rn. 52; Ziegler, in: HK-OWiG, 2016, § 130 Rn. 16; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 27.
[71]    BGH, GRUR 1982, 244 (247).
[72]    Vgl. etwa: EuGH, EuZW 2009, 816; Fallbericht des Bundeskartellamts zu B1-200/06 (Etex).
[73]    OLG München, StV 2016, 35 = CCZ 2016, 44.
[74]    OLG München, StV 2016, 35 = CCZ 2016, 44 m. Anm. Caracas unter Übernahme der Konzeption von Caracas, Verantwortlichkeit in internationalen Konzernstrukturen nach § 130 OWiG, 2014, S. 87 ff.; ähnliche Argumentation auch schon betreffend die Überprüfung einer Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags wegen unterlassener Aufsichtsmaßnahmen betreffend die Unternehmenstochter: OLG Jena, NZG 2010, 226 (228).
[75]    Eingehend zu dieser als „captive“ bezeichneten Struktur Gereffi/Humphrey/Sturgeon, Review of International Political Economy 12 (2005), 78 (86-88).
[76]    Zu diesem Gedanken, der durchaus auch der Fundierung der Ansicht des OLG München dient: Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 27.
[77]    Vertiefend: Buchholz, Der Begriff der Zuwiderhandlung in § 130 OWiG unter Berücksichtigung aktueller Compliance-Fragen, 2013, S. 99 ff.; vgl. aber die abweichende Konzeption bei: Caracas, Verantwortlichkeit in internationalen Konzernstrukturen nach § 130     OWiG – Am Beispiel der im Ausland straflosen Bestechung im geschäftlichen Verkehr, 2014, S. 90 ff., der zufolge eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die Zuwiderhandlung entbehrlich sei.
[78]    So die ganz h.M. und Rspr.: BGHSt 27, 30 (34); Ambos, Internationales Strafrecht, 5. Aufl. (2018), § 1 Rn. 9; ders. in: MüKo-StGB, vor § 3 Rn. 3; Jescheck/Weigend, AT, 5. Aufl. (1996), § 18 V; Mosiek, StV 2008, 94 (98); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, vor § 3 Rn. 453; vgl. aber diff. Jeßberger, Der transnationale Geltungsbereich des deutschen Strafrechts, 2011, S. 128 ff.; insbesondere unter Hinweis auf eine notwendige Entkoppelung vom subjektiven Tatbestand: Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (413 ff.).
[79]    Vgl. zur Idee des Strafanwendungsrechts als Entstehungsgrunds des „Bewertungsanspruchs“ nationalstaatlichen Strafrechts: Zieher, Das sog. Intern. Strafrecht nach der Reform, 1977, S. 35 ff.
[80]    So ausdrücklich auch die Rspr.: BVerfG, wistra 2003, 255 (257); BGHSt 20, 22 (25); ferner: Ambos, in: MüKo-StGB, vor § 3 Rn. 3 m.w.N.; anders etwa: Hoyer, in: SK-StGB, Bd. 1, 9. Aufl. (2017), vor § 3 Rn. 4, der – mit pragmatischer Begründung – von „Meta-Normen“ spricht oder Schroeder, GA 1968, 353 (354) der diese als „Sekundärnormen“ dem Verfahrensrecht zuweist.
[81]    Wobei der Griff nach intuitiven, aber eben nicht zwingend rationalen Problemlösungen auch in anderen Zusammenhängen im Wirtschaftsstrafrecht zu verzeichnen ist: vgl. Momsen, in: Loos/Jehle (Hrsg.), Bedeutung der Strafrechtsdogmatik in Geschichte und Gegenwart, 2007, S. 179.
[82]    BGBl. I 2017, S. 802 ff.
[83]    D.h. insbesondere zur Notwendigkeit der Angaben zum Verständnis der Geschäftslage.
[84]    Vgl. zu diesem Gedanken schon die Begr. RegE CSR-RLUG, BT-Drs. 18/9982, S. 50 f.
[85]    Begr. RegE CSR-RLUG, BT-Drs 18/9982, S. 49; vgl. auch DRS 20.270 i.d.F. DRÄS 8.
[86]    Vgl. zu den Ausnahmen über den Anwendungsbereich nach § 289b HGB hinaus etwa: Eickenjäger, in: Krajewski/Saage-Maaß (Hrsg.), Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 243, 250 ff.
[87]    Während das erste Erfordernis praktisch von geringer Bedeutung sein wird (vgl. Winkeljohann/Schäfer, in: Beck-BilKo, 11. Aufl. (2018), § 289c HGB Rn. 66) dient die Einschränkung an Hand der Verhältnismäßigkeit auch ausweislich der Regierungsbegründung (Begr RegE CSR-RLUG, BT-Drs. 18/9982, S. 51) vor allem der Restriktion, wenn kleinere und mittlere Zuliefererunternehmen ihrerseits nicht der Berichtspflicht unterfallen.
[88]    Begr. RegE CSR-RLUG, BT-Drs. 18/9982, S. 49.
[89]    Winkeljohann/Schäfer, in: Beck-BilKo, § 289c HGB Rn. 48.
[90]    Momsen/Laudien, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, 2. Auflage (im Erscheinen), Kap. 6 C Rn. 55.
[91]    Ausführlich dazu Momsen, Standardisierung im Fahrlässigkeitsrecht und im Verfahrensrecht. Von der generellen Norm zum individuellen Standard bei der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten; Vortrag auf der Strafrechtslehrertagung 2019 in Hannover, ZStW (im Erscheinen).
[92]    Ausf. Grützner/Boerger/Momsen, CCZ 2018, 50 ff.
[93]    Vgl. (beispielhaft) die Rechtsprechungslinie des 4. Strafsenats zu den (herabgesetzten) Anforderungen an die Beweisaufnahme bei Massenbetrügen: BGH, NJW 2014, 2132 (2133); NStZ 2019, 40.
[94]    Abgesehen von der beispielhaften Nennung der „Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht“ als derartige Vorkehrungen. Insbesondere im Rechtsvergleich etwa zu der vergleichbaren Vorschrift des Section 7 (2) UKBA und den gem. Section 9 UKBA umfassend durch den Secretary of State for Justice zu veröffentlichenden Guidances zur Konkretisierung der „zurechnungsvermeidenden Maßnahmen“ erscheint dies misslich.
[95]    http://mneguidelines.oecd.org/OECD-Due-Diligence-Guidance-for-Responsible-BusinessConduct.pdf#_ga=2.20476920.1177007353.1560008710-263230428.1560008710 (zuletzt abgerufen am 31.10.2019).
[96]    BT-Drs. 18/4350, S. 24.
[97]    Vgl. nur Kuhlen, in: NK-StGB, § 335a Rn. 9 ff.; Schünemann, in: Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Das Verbot der Auslandsbestechung, 2016, S. 25, 36. Die Legitimationsdefizite sind allerdings eingedenk der Supranationalität der EU geringer, wenn Bestechungszahlungen an Amtsträger in Mitgliedsstaaten der EU im Raum stehen, vgl. Kuhlen, in: NK-StGB, § 335a Rn. 11. Dies kann vor allem bei Zulieferern aus Süd(ost)europa relevant werden.
[98]    Generell zu diesem Legitimationsansatz der Kriminalisierung der Auslandsbestechung wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten: Böse, ZIS 2018, 119 (128); Hoven, Auslandsbestechung, 2018, S. 535 f.; Pieth, in: Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Das Verbot der Auslandsbestechung, 2016, S. 19, 22 f.; Zimmermann, Das Unrecht der Korruption – Eine strafrechtliche Theorie, 2018, S. 707 ff.
[99]    Vgl. dazu Momsen, Fn. 91. Ebenso ließen sich hier das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip fruchtbar machen, Dubber, 53 Am. J. Comp. L. 679 (2005); Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 1995, S. 387 ff.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 28 ff.; Vormbaum, ZStW 123 (2011) 660 ff.; wie auch die „Void-of-Vagueness Doctrine“ im US-amerikanischen Recht (Cornell Law School Legal Information Institute, abrufbar unter:  https://www.law.cornell.edu/wex/vagueness_doctrine (zuletzt abgerufen am 4.11.2019), Skilling v. United States, 130 S.Ct. 2896 (2010).
[100]   Insoweit würden die Bedenken aufgegriffen, die schon lange gegen § 130 OWiG hervorgebracht werden und eine Verletzung des Schuldprinzips angesichts der Ausgestaltung der Zuwiderhandlung als bloße objektive Bedingung der Bebußbarkeit rügen, vgl. schon Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1978, S. 117;Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, 1985, S. 99 f.
[101]   Wobei dann – anders als es etwa für § 289c Abs. 2 Nr. 4 HGB der Fall ist – mit Blick auf das Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 Abs. 2 GG) eine katalogartige Aufzählung etwa der entsprechenden völkerrechtlichen Verträge etwa im Anhang des Gesetzes geboten wäre.
[102]   Wenn einmal die inzwischen in der Rspr. anerkannte (vgl. BGH, NStZ 2012, 142) sog. strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung außer Acht lässt, bei der aber auch nicht die bloße Nichtergreifung von Aufsichtsmaßnahmen die Zurechnung trägt und insbesondere Zweifel am Vorliegen des subjektiven Tatbestands verbleiben.
[103]   vgl. nur Ambos, in: MüKo-StGB, vor § 3 Rn. 45 ff. m.zahlr.w.N.
[104]   In der Strafjustiz der Vereinigten Staaten finden sich mit dem „Global Magnitsky Act“ und dem Alien Tort Claims Act (ATCA) entsprechende Instrumente, die eine Verfolgbarkeit nach nationalem (US-) Recht zulassen. Die gegenwärtige Administration unter D. Trump misst dem Menschenrechtsschutz jedoch kaum noch Bedeutung bei und beschneidet die Handlungsmöglichkeiten der US-Strafjustiz; unterstützt von der konservativen Mehrheit des US-Supreme Court. Vgl.  Tom Firestone / Kerry Contini, The Global Magnitsky Act,  Criminal Law Forum Volume 29, Issue 4, December 2018, Special Issue: Human Rights Compliance and Corporate Criminal Liability, Issue Editors: Ambos/Momsen, S. 495 ff., 617-628, abrufbar unter: https://link.springer.com/journal/10609/29/4/
page/1 (zuletzt abgerufen am 13.10.2019);  Teitel, Corporate Liability for Extraterritorial Human Rights Violations – the US in Retreat?, Verfassungsblog vom 2.5.2018, abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/corporate-liability-for-extraterritorial-human-rights-violations-the-us-in-retreat/ (zuletzt abgerufen am 13.10.2019).

 

 

 

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