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Coronavirus, Strafrecht und objektive Zurechnung

von Lukas Cerny und Johannes Makepeace

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Abstract
Die Corona-Krise wirft in zahlreichen Bereichen des Rechts neue Fragen auf. Im Strafrecht besteht aktuell ein breiter Konsens darüber, dass die Übertragung des SARS-CoV-2-Virus – sieht man von etwaigen Nachweisproblemen in der Praxis ab – unproblematisch eine Strafbarkeit nach den Normen des Kernstrafrechts begründet. Der Beitrag setzt hinter diesen Konsens ein kleines Fragezeichen und nimmt die neue Problematik zum Anlass, um auf ein grundsätzliches Problem im Rahmen der objektiven Zurechnung Aufmerksam zu machen.

The Corona crisis raises several new questions in many areas of the law. In criminal law, a broad consensus exists that the transmission of the SARS-CoV-2-Virus can easily lead to criminal liability under the German Criminal Law Code (“StGB”) – apart from solely practical issues regarding the proof of transmission. This article places a small question mark behind this consensus and seizes the current issues as an opportunity to draw attention to a fundamental problem of the criminal law: the doctrine of the objective imputation (“objektive Zurechnung”).

I. Einführung

Die Corona-Pandemie beherrscht aktuell die globalisierte Welt und wird dies voraussichtlich auch noch einige Zeit tun. Auf den Beginn der ersten Infektionswelle folgte recht bald eine Welle juristischer Beiträge zu sämtlichen Fachbereichen des Rechts. Wenig überraschend ließ auch der Ruf nach dem Strafrecht nicht lange auf sich warten. So zeigte Mitte März etwa ein Münchener Rechtsanwalt einen Richter des Landgerichtes wegen versuchter Körperverletzung an, weil er trotz der aktuellen Gefährdungslage auf einer Verhandlung bestand.[1] Bereits zuvor hatte sich der ehemalige Vorsitzende des 2. Strafsenats am BGH Thomas Fischer im Spiegel unter der Headline „Virus strafbar!“ zu Wort gemeldet. „Wer als infizierte Person eine andere Person ansteckt, verwirklicht den objektiven Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 StGB)“, hieß es da, und weiter: „Sie können, verehrte Leser, diese Straftat begehen, indem Sie, wenn Sie selbst infiziert sind, in der Öffentlichkeit herumniesen, anderen die Hände schütteln oder sich überhaupt unter Menschen aufhalten.“[2] Ähnliche Erwägungen finden sich in der NJW-aktuell[3], in verschiedenen juristischen Online-Zeitschriften und auf unzähligen anwaltlichen Online-Plattformen. Gerade in den Online-Zeitschriften für das Jurastudium und Staatsexamen konnten entsprechende Erörterungen natürlich nicht lange auf sich warten lassen, steht einem Thema, welches das gesamte soziale Leben derart dominiert, das Attribut „prüfungsrelevant“ doch geradezu auf die Stirn geschrieben.

II. Der allgemeine Konsens über die offensichtliche Tatbestandsmäßigkeit

In all diesen Beiträgen bleibt es aber bei dem kurzen Hinweis auf die scheinbar offensichtlich gegebene Strafbarkeit im Hinblick auf die Delikte zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit: „Wer eine andere Person mit dem Coronavirus infiziert, der erfüllt den objektiven Tatbestand der Körperverletzung. […] Eine fahrlässige Körperverletzung dürfte jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn der Täter von seiner eigenen Infektion wusste oder zumindest aufgrund von engem Kontakt zu einer infizierten Person oder eigener Symptome mit der ernsthaften Möglichkeit einer Erkrankung rechnen musste, und dennoch in Kontakt mit anderen Personen trat, die er infolgedessen ansteckte.“[4] Oder etwas dramatischer formuliert: „Wer also Symptome aufweist oder Kontakt zu einer infizierten Person hatte, sollte lieber gar nicht erst rausgehen oder sich sehr vorsichtig verhalten. Auch wer jemanden nur ‚aus Versehen‘ beim Niesen im Biergarten ansteckt, macht sich wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung strafbar – selbst wenn er gar nicht wollte, dass sich die andere Person ansteckt.“[5]

Richtig ist jedenfalls, dass die herrschende Meinung bereits die Infektion mit einer „nicht ganz unerheblichen Krankheit“ – und dazu wird man Covid-19 zählen müssen – als Gesundheitsschädigung betrachtet.[6] Der allgemeine Konsens lässt sich daher gegenwärtig dahingehend festhalten, dass sich problematische Stellen in Fragen der Strafbarkeit allenfalls beim Nachweis des Vorsatzes sowie der Kausalität ergeben könnten.[7] Tatsächlich lassen etwaige Beweisschwierigkeiten bei der Übertragung des neuen Coronavirus das Thema für die Praxis zunächst wenig relevant erscheinen. Neben der jedenfalls denkbaren Versuchs- oder Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bleibt aber abseits der praktischen Nachweisprobleme der theoretische Konsens über die Strafbarkeit nach den Normen des Kernstrafrechts bestehen. In diesem Sinne könnte es – nach den AIDS-Diskussionen der 80er Jahre – erneut ein Virus sein, welches der strafrechtlichen Dogmatik zuvor unbekannte Fragen aufwirft und so Gelegenheit zu weiterer Entwicklung gibt.

Dieses Ziel vor Augen will dieser Beitrag hinter den beschriebenen Konsens zumindest ein kleines Fragezeichen setzen und den Fokus auf Fragen der objektiven Zurechnung richten.[8] In der Lehre von der objektiven Zurechnung geht es – im Vorsatz- wie im Fahrlässigkeitsdelikt – um die Frage, welcher Zusammenhang zwischen der Handlung des Täters und dem eingetretenen tatbestandlichen Erfolg bestehen muss, damit letzterer dem Täter auch in normativer (wertender) Hinsicht strafrechtlich zugerechnet werden kann.[9] Die Strafbarkeit eines Verhaltens hängt also eng damit zusammen, wie streng die Anforderungen sind, die man an diesen Zusammenhang stellt.

Die grundsätzliche Frage, die dieser Beitrag aufwerfen will, lautet: In welchem Maße muss sich das Risiko, welches dem Einzelnen gegenüber die Auferlegung gewisser Verhaltensanforderungen – also die strafrechtlich bewehrte Einschränkung seiner individuellen Freiheit – legitimiert (Legitimationsrisiko), auch im tatbestandlichen Erfolg widerspiegeln, um eine strafrechtliche Zurechnung des Erfolges zu diesem Verhalten zu rechtfertigen?

III. Das erlaubte Risiko im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit

Ausgangspunkt der Überlegungen sind also zunächst die konkreten (neuen) Verhaltensanforderungen, hier etwa: Veranstalte keine (Corona-)Partys!Oder eben: Begib dich mit Erkältungssymptomen nicht unter Menschen! – beispielsweise zum Einkaufen, zum Verwandten- oder Krankenbesuch, in die Arbeit oder auf einen Spaziergang mit Freunden im Park. All diese Verhaltensnormen schränken die persönliche Freiheit ein und bedürfen deshalb einer Legitimation. Diese ergibt sich regelmäßig aus einer Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, genauer: zwischen individueller, für das Gesellschaftsleben notwendiger Freiheit und allgemeinem Rechtsgüterschutz.[10] Dabei können sich einer solchen Abwägung auch angeblich absolut geschützte Güter wie etwa das Leben keinesfalls entziehen.[11] Gerade der rechtliche Umgang mit zirkulierenden Viruskrankheiten macht dies deutlich. Schon vor der Corona-Krise gab es eine Vielzahl viraler Erkrankungen, die das tägliche Leben begleiteten und jede Begegnung unter Menschen, jede Party, letztlich das Sozialleben an sich zu einem potentiellen Gesundheits- und auch Lebensrisiko machten. Dennoch betrachtete man solch alltägliche Verhaltensweisen unstreitig nicht als verboten, die Schaffung der genannten Risiken also nicht als unerlaubt[12] – und das aus gutem Grund. Schon vor mittlerweile über einem Jahrhundert formulierte Karl Binding den Grundgedanken so:

„Bei Tausenden und Abertausenden menschlicher Handlungen, fast könnte man sagen bei allen nicht rein innerlichen, laufen Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten, vielleicht Gewissheiten unbeabsichtigter Rechtsgefährdungen oder Rechtverletzungen deshalb nebenher, weil die Handlung kaum ohne sie ausgeführt werden kann. […] Wird nun durch das gelaufene Risiko eine der Art nach untersagte rechtswidrige Gefährdung oder Verletzung herbeigeführt […] sieht die Rechtsordnung die Herbeiführung des Schadens durch den Handelnden als für ihn unvermeidbar an. Sie […] nimmt die erduldete Verletzung hin.“[13]

Der BGH stellte in diesem Sinne im Rahmen seiner HIV-Rechtsprechung recht bald fest, dass die Risiken zirkulierender viraler Erkrankungen, die sich über Tröpfchen- oder Schmierinfektionen verbreiten, „geradezu in der Luft liegen“. Diese Risiken seien deshalb – anders als die Risiken einer HIV-Infektion, vor der man sich mit Kondomen schützen könne – in der Gesellschaft nur abschirmbar, wenn man das soziale Leben größtenteils lahmlegte.[14] Dass der BGH damit den richtigen Riecher hatte, zeigen der zwischenzeitlich fast vollständige „Shutdown“ und die noch anhaltenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Die unmittelbaren Folgen viraler Erkrankungen für die individuelle Gesundheit der Mitmenschen können also – zumindest in einem grundsätzlich auf Freiheitssicherung und Ermöglichung von friedlichem, gesellschaftlichem Miteinander ausgerichteten Staat – derart weite Einschränkungen der individuellen Freiheit nicht rechtfertigen. Sie bleiben zumindest für das Recht irrelevant und können dem Überträger insofern eben auch strafrechtlich nicht zugerechnet werden.

Wenn man allein diesen Schutz des Individuums vor den gesundheitlichen Folgen einer Infektion in die Waagschale wirft, dürfte das Abwägungsergebnis auch bei dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 nicht anders ausfallen. Das Krankheitsbild von Covid-19 unterscheidet sich von anderen zirkulierenden Erkrankungen nach aktuellen Erkenntnissen nicht so deutlich, dass dies für sich genommen die weiten Beschränkungen auch des „üblichen sozialen Kontaktes“ rechtfertigen würde. Die Vermutung liegt also nahe, dass in nicht allzu ferner Zukunft die individuellen Gesundheits- und Lebensrisiken, die durch das neue SARS-Virus drohen, ebenso in Kauf genommen werden, wie dies schon vor der Krise bei allen anderen zirkulierenden Virus-Erkrankungen der Fall war. Aufgrund der regelmäßig kaum zu unterscheidenden Symptomatik ist dies in praktischer Hinsicht auch gar nicht anders denkbar, wenn das Recht langfristig das „übliche Sozialleben“ wieder gewährleisten will.

IV. Das unerlaubte Risiko in Zeiten der Corona-Krise

Dennoch dürfte es unstreitig sein, dass derzeit ein unerlaubtes Risiko setzt, wer gegen oben beispielhaft angeführte Verhaltensnormen verstößt. In zahlreichen Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen finden sich entsprechend drastische Vorgaben, welche viele der neuen, im Verkehr erforderlichen Sorgfaltspflichten – etwa weitgehende Kontaktverbote – sogar ausdrücklich formulieren. Wenn es aber nicht die durch eine Infektion drohenden unmittelbaren, individuellen Gesundheitsschädigungen sind, die diese strengen neuen Verhaltensnormen rechtfertigen können (siehe III), muss es ein anderes Risiko sein, das in der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit das Pendel zugunsten letzterer ausschlagen lässt und das die drastischen neuen Sorgfaltspflichten gegenüber dem Einzelnen auch aus rechtlicher Sicht legitimiert.

Der Blick in die Verfügungen und Verordnungen gibt insofern Aufschluss. Flatten the curve! – lautet das Motto. Zwei Beispiele: In der Begründung der bayerischen Landesregierung heißt es:

alle Maßnahmen [müssen] ergriffen werden, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verzögern. Ziel ist es, durch eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt zu reduzieren, Belastungsspitzen zu vermeiden und die medizinische Versorgung sicherzustellen.“[15]

In der sächsischen Verordnung ist zu lesen:

Ziel muss es sein, die Infektionskurve deutlich abzuflachen, damit möglichst auch bei einer hohen Anzahl schwerer Krankheitsfälle stets genügend Intensivplätze zur Verfügung stehen und die gesundheitliche Versorgung weiterhin gesichert bleibt. […] Die nunmehr weitergehenden Beschränkungen sind angesichts der Entwicklung der Pandemie erforderlich, um die Ausweitung zu verzögern, damit das Gesundheitswesen zu entlasten und somit die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlung der Erkrankten, aber auch sonstiger Krankheitsfälle bereit zu halten.“[16]

Was die vorübergehend so strengen neuen Verhaltensnormen rechtfertigen soll, wird also deutlich: Auch hier liegt als „Endziel“ letztendlich der Schutz von Leben und Gesundheit in der Waagschale. Mit der Überlastung des Gesundheitssystems und den damit einhergehenden Folgen steht aber ein neues Risiko für diese Rechtsgüter im Raum. Dieses Risiko soll es nun also auch rechtfertigen, die individuelle Freiheit in derart starkem Maße einzuschränken.

V. Das Legitimationsrisiko als Teil des strafrechtsspezifischen Zusammenhangs zwischen Verhaltensnorm und tatbestandlichem Erfolg

Die Angemessenheit dieser Gewichtung unterstellt,[17] gilt aktuell also: Wer sich mit gewissen Krankheitssymptomen in die Öffentlichkeit begibt, setzt ein unerlaubtes Risiko. Das Risiko nämlich, dass er weitere Menschen infiziert und dies letztlich zu einer Überlastung des Gesundheitssystems mit all den drohenden weiteren Schäden führt.

Vorab: Durch sein Verhalten erhöht er natürlich – unabhängig vom konkreten Eintritt dieser Überlastung – bereits die Wahrscheinlichkeit für eine solche. Bereits das Schaffen dieses Risikos – also den Eintritt dieses Gefährdungserfolges – mag man mit guten Gründen für strafwürdig halten, und der Gesetzgeber tut dies auch: nämlich im Infektionsschutzgesetz selbst (hier insbesondere in § 75 IfSG) [18], welches Grundlage der verschiedenen Verfügungen und Verordnungen ist. Wer gegen die Vorgaben der landesspezifischen Anordnungen verstößt, kann sich also in jedem Fall strafbar machen, denn in den Strafnormen des IfSG spiegelt sich gerade das Risiko, das die neuen Sorgfaltspflichten dem Einzelnen gegenüber legitimiert.[19]

Für die klassischen Erfolgsdelikte aus dem StGB bleibt aber die Frage, ob auch zwischen den unmittelbaren Folgen einer Infektion selbst (den tatbestandlichen Erfolgen der §§ 223 ff., 229 StGB, aber auch der §§ 212, 222 StGB) und den neuen Verhaltensnormen, die ein üblicherweise sozialadäquates Verhalten verbieten, der notwendige Zusammenhang besteht, der ein Eingreifen des Strafrechts rechtfertigt.

Auch das kann man bejahen, denn diese Sorgfaltsnormen dienen ja zumindest auch dem notwendigen (Zwischen)Ziel, Infektionen zu verhindern. Man kann die Anforderungen an den Zurechnungszusammenhang aber auch enger fassen und verlangen, dass sich im spezifisch tatbestandlichen Erfolg gerade das Legitimationsrisiko wiederfindet, welches gegenüber dem präsumtiven Täter die Auferlegung der (strafbewehrten) Verhaltenspflicht überhaupt erst rechtfertigt. Zumindest für die vor und nach der Corona-Krise grundsätzlich erlaubten, weil für das übliche soziale Leben unerlässlichen Verhaltensweisen, wären das am Beispiel der Delikte im Kernstrafrecht nur diese Risiken, die sich erst im Zusammenhang mit einem überlasteten Gesundheitssystem ergäben – etwa die gesundheitlichen Folgen eines Erkrankten, der mangels ausreichender Zahl an Intensivbetten nicht die nötige Behandlung erhält. Nur in diesem Fall spiegelte sich im konkreten Erfolg nämlich auch das Risiko, welches dem präsumtiven Täter gegenüber die entsprechende Verhaltensnorm rechtfertigt.

Kann es denn tatsächlich sein, dass schon den objektiven Tatbestand der (fahrlässigen) Körperverletzung nicht erfüllt, wer vor oder nach der Krise (oder besser: vor oder nach dem Bestehen der Gefahr eines überlasteten Gesundheitssystems) mit leichten Erkältungssymptomen einkaufen geht und dort eine zweite Person etwa mit einem Grippe-Virus – nach der Krise wohl auch mit einem SARS-CoV-2-Virus – ansteckt (selbst wenn diese Person in den folgenden Wochen starke Schmerzen leidet und im Krankenhaus intensiv betreut werden muss) — im Gegenzug aber während der Krise die Tatbestände der §§ 223, 229 StGB vorübergehend bereits verwirklicht sind, wenn die zweite Person bloß infiziert ist oder nur leichte Symptome hat?

V. Fazit

Die Corona-Krise gibt Anlass zur Auseinandersetzung mit den großen, aber auch mit den kleinen Fragen des Lebens. Zu letzteren zählen sicherlich jene, welche die Dogmatik der objektiven Zurechnung im Strafrecht betreffen. Will man eine Antwort auf die normative Frage geben, in welchem Maße sich das Legitimationsrisiko im konkreten tatbestandlichen Erfolg widerspiegeln muss, um eine strafrechtliche Zurechnung des konkreten tatbestandlichen Erfolges zu rechtfertigen, hat man dennoch erst einige große Vorfragen zu stellen: Welche Aufgabe schreibt man dem Staat zu? Welche dem Recht? Und nicht zuletzt: Welche Aufgaben soll, kann und darf die staatliche Strafe in diesem System wahrnehmen?

Bevor diese Fragen nicht zumindest für sich selbst beantwortet sind, sollte hinter der Zurechenbarkeit dieser Erfolge weiter das kleine Fragezeichen stehen bleiben. Und vielleicht bietet die Corona-Krise, gerade weil sie langfristig den Blick zurück auf diese Grundfragen lenken wird, auch Gelegenheit zu weiterer dogmatischer Auseinandersetzung mit der Lehre von der objektiven Zurechnung.

 

[1]      https://www.sueddeutsche.de/panorama/prozesse-muenchen-corona-eklat-im-gerichtssaal-anwalt-zeigt-richter-an-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200317-99-368171 (zuletzt abgerufen am 4.5.2020).
[2]      https://www.spiegel.de/panorama/justiz/coronavirus-und-das-strafrecht-virus-strafbar-kolumne-a-9347f5da-d295-4a67-90b4-3e0362f77089 (zuletzt abgerufen am 4.5.2020).
[3]      Lorenz, NJW-aktuell 12/2020, 17.
[4]      http://www.juraexamen.info/strafbarkeit-durch-ansteckung-mit-dem-coronavirus/ (zuletzt abgerufen am 1.4.2020).
[5] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-ausgehen-freunde-treffen-strafbar-gefaehrliche-koerperverletzung-fahrlaessig-ausgangssperre-quarantaene/ (zuletzt abgerufen am 1.4.2020).
[6]      BGHSt 36, 1, 7; 36, 262, 265; Grünewald, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2019), § 223 Rn. 31.
[7]      Zu entsprechenden Problemen bei HIV-Infizierungen vgl. Herzog/Nestler-Tremel, StV 1987, 360 (363 ff.); Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 223 Rn. 7a, b.
[8]      Zu denken ist hier auch an die „eigenverantwortliche Selbstgefährdung“ oder – je nach Fallkonstellation – an eine „einverständliche Fremdgefährdung“ (welche die herrschende Meinung als „Einwilligung“ behandelt); beide Male wird es aber regelmäßig an der nötigen vollen Risikokenntnis fehlen – etwa wenn der infizierte „Täter“ selbst Symptome hat, dies aber verschweigt, vgl. BGHSt 36, 1, 17 f. = NJW 1989, 781 (785); Herzberg, NJW 1987, 2283 (2284); T. Walter, NStZ 2013, 673 (677).
[9]      Vgl. etwa Jescheck/Weigend, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. (1996), S. 277 ff.; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, 4. Aufl. (2006), § 11 Rn. 44 ff.
[10]    Mitsch, JuS 2018, 1161 (1164); vgl. auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges, 1988, S. 112 ff., 127 ff.; Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1993), 7. Abschn. Rn. 35 ff.; zur strittigen dogmatischen Einordnung Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, 4. Aufl. (2006), § 11 Rn. 65 ff.
[11]    Vgl. Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 3. Aufl. (2017), Vor§ 13 Rn. 155.
[12]    Vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 45. Ed. (2020), § 223 Rn. 10; Schlehofer, NJW 1989, 2017 (2021); T. Walter, in: LK-StGB, Bd. 1, 13. Aufl. (2020), Vor § 13 Rn. 91.
[13]    Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. IV, 1919, § 286, S. 433 f., 445 f.
[14]    Vgl. BGHSt 36, 1, 16 = NJW 1989, 781 (785); die Entscheidung ist in anderen Punkten alles andere als unumstritten; zur Kritik vgl. etwa AG Kempten, NJW 1988, 2313 ff.; Prittwitz, StV 1989, 123 ff.; Grünewald, in: LK-StGB, Bd. 7/1, 12. Aufl. (2019), § 224 Rn. 35.
[15]    BayMBl. 2020 Nr. 152.
[16]    Begründung zur Zweiten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-​Anhalt, abrufbar unter https://www.sachsen-anhalt.de/startseite/news-detail/news/corona-virus/tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=da6b043c251b262aba4dc33177f3f0f2 (zuletzt abgerufen am 1.4.2020).
[17]    In allen Bundesländern laufen bereits zahlreiche Klagen gegen die verschiedenen Verfügungen und Verordnungen; teilweise wurden zur Bewältigung des Andrangs eigene Kammern geschaffen.
[18]    Zur Strafbarkeit nach dem IfSG siehe Lorenz/Oğlakcıoğlu, KriPoZ 2020, 108 (110); kritisch Jahn/Schmitt-Leonardy „Kontaktverbot & Co mit Strafen erzwingen“ in der FAZ vom 22.4.2020, online abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/letztes-mittel-kontaktverbot-co-mit-strafen-erzwingen-16737322.html (zuletzt abgerufen am 3.5.2020)
[19]    Die Frage, wie es mit der Strafbarkeit im Fall der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügungen oder Rechtsverordnungen aussieht, sei an dieser Stelle dahingestellt; gegen eine Strafbarkeit und entgegen BGHSt 23, 86 = NJW 1969, 2023 etwa Saliger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, 4. Aufl. (2018), Vor §§ 324 ff. Rn. 31; Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 3. Aufl. (2019), Vor § 324 Rn. 88 ff.; Wüterich, NStZ 1987, 106.

 

 

 

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