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Strafbarkeitsrisiken und -möglichkeiten bei der Weitergabe einer Bild-Ton-Aufzeichnung der Hauptverhandlung durch Verfahrensbeteiligte

von Prof. Dr. Carsten Momsen und Wiss. Mit. Paula Benedict

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Abstract 
Die Einführung eines Inhaltsprotokolls in der Hauptverhandlung des deutschen Strafverfahrens ist dringend geboten, um Fehlentscheidungen vor Eintritt der Rechtskraft korrigieren zu können. Ein solches Protokoll wird vielfältige personenbezogene Daten und damit schützenswerte Informationen enthalten. Sofern eine Bild-Ton-Dokumentation erfolgt, werden diese Daten besonders ausgeprägt enthalten sein, das Problem besteht aber auch bei einer reinen Audio-Dokumentation. Daher wird es notwendig, sich über den Schutz dieser sensiblen Daten auch in strafrechtlicher Hinsicht Gedanken zu machen. Nachfolgend wird dargelegt, dass ein sektoraler zusätzlicher Schutz durch einen neuen Straftatbestand sinnvoll erscheint.

The introduction of a minutes of contents in the main hearing of German criminal proceedings is urgently needed in order to be able to correct erroneous decisions before they become final. Such a protocol will contain a variety of personal data and thus information worthy of protection. If audio-visual documentation is used, this data will be particularly prominent, but the problem also exists with audio-only documentation. Therefore, it becomes necessary to think about the protection of these sensitive data also in terms of criminal law. In the following, it is explained that a sectoral additional protection by a new criminal offense seems reasonable.

I. Einleitung

Die vom Bundeministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) einberufene „Expertinnen- und Expertengruppe zur Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung“ hat Ende Juni 2021 ihren Abschlussbericht vorgelegt. Dieser ist – wie bei einer von Vertreter*innen[1] der Justiz dominierten Kommission zu erwarten – zurückhaltend in Bezug auf eine vollständige Audio- und Videodokumentation der Hauptverhandlung. So heißt es zusammenfassend „Für den Fall, dass sich der Gesetzgeber für eine technische Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung entscheidet, wäre eine Tonaufzeichnung, die mittels Transkriptionssoftware verschriftlicht werden sollte, gegenüber einer Bild-Ton-Aufzeichnung vorzugswürdig. Sie trägt dazu bei, kognitiv bedingte Fehler zu vermeiden, und steht einer Bild-Ton-Aufzeichnung insoweit nicht nach, vermeidet aber deren Risiken und Nachteile“.[2]

Zu den befürchteten Nachteilen wird immer wieder gezählt der mögliche Missbrauch einer Videoaufzeichnung durch unbefugte Verwendung, insbesondere Verbreitung. Es drohen neben der Preisgabe schützenswerter Informationen vor allem die Weitergabe personenbezogener Daten und höchstpersönlicher Informationen. Im Rahmen der BMJV-Gruppe hat Heuer aus verschiedenen Blickwinkeln die Thematik untersucht. In seinem Papier, dass er im Rahmen der „Unterarbeitsgruppe Persönlichkeitsschutz“ erstellt hat,[3] wird auch der Schutz durch Normen des Kern- und Nebenstrafrechts untersucht.[4] Er kommt zu dem Ergebnis, insgesamt sei „der strafrechtliche Schutz bei einer Ausweitung der Dokumentation daher keinesfalls ausreichend“.[5]

Die nachfolgenden Ausführungen sind als Diskussionsgrundlage für die Beratungen des „Arbeitskreises Alternativentwurf“ entstanden. Sie beleuchten eben diese mögliche strafrechtliche Relevanz einer Weitergabe des kompletten Protokolls bzw. einzelner Bestandteile. Sie gehen davon aus, dass eine vollständige Bild-Ton-Aufzeichnung der Hauptverhandlung erfolgt und das „vertonte“ Video unbefugt weitergegeben oder sonst missbräuchlich verwendet werden könnte.

Bieten tatsächlich die vorhandenen geheimnis- und datenschützenden Normen des StGB und des Nebenstrafrechts keinen ausreichenden Schutz, wie Heuer annimmt, so wäre über die Schaffung einer neuen, spezifischen Strafnorm nachzudenken. Nachfolgend wird ein nur allgemein beschriebenes Verhalten, die Weitergabe und/oder Veröffentlichung der Bild-Ton-Aufzeichnung („Videoprotokoll“) der Hauptverhandlung durch Verfahrensbeteiligte an Dritte, dahingehend analysiert, ob es bereits de lege lata als Straftat erfasst wäre. Da auch nach hier vertretener Ansicht kein umfassender Schutz gegeben ist, wird zum Schluss eine lückenschließende neue Regelung skizziert.

II. Strafbarkeit der Weitergabe und Verbreitung des Videoprotokolls de lege lata

Nachfolgend werden die Tatbestände des Geheimnis- und Persönlichkeitsschutzes erörtert, sodann der Schutz justizieller Tätigkeit, datenschutzrechtliche Eingriffsmöglichkeiten und schließlich das Kunsturheberrecht.

1. § 203 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen

Die Norm schützt nach allgemeiner Ansicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie Individualinteressen an Geheimhaltung und die Dispositionsbefugnis. Als weiteres Schutzinteresse der Allgemeinheit benennt Absatz 2 die Verschwiegenheit von Amtsträgern.

Geheimnisse sind Tatsachen (aller Art) oder auch personenbezogene Informationen, die nur einem Einzelnen oder beschränkten Kreis von Personen bekannt oder zugänglich sind, an deren Geheimhaltung der Betroffene ein berechtigtes Interesse hat und die nach seinem Willen geheim gehalten werden sollen.[6]

Beim Inhalt und Ablauf der Hauptverhandlung handelt es sich um Tatsachen. Diese sind zwar grundsätzlich aufgrund des Öffentlichkeitsgrundsatzes nach § 169 GVG nicht per se nur einem beschränkten Personenkreis bekannt/zugänglich. Jedoch sollen die Aufzeichnungen nicht den Zugang der Öffentlichkeit gewährleisten, sondern das Protokoll ergänzen/ersetzen, welches eben gerade nicht öffentlich bekannt/zugänglich ist. Es ist davon auszugehen, dass mit der Einführung eines Videoprotokolls den Beteiligten, anders als bei dem derzeitigen schriftlichen Hauptverhandlungsprotokoll, Geheimhaltungspflichten auferlegt werden. Dementsprechend besteht auch ein Geheimhaltungswille und -interesse des Staates sowie der anderen Verfahrensbeteiligten.

Allerdings ist u.E. fraglich, welchem Lebensbereich das Videoprotokoll zuzuordnen wäre. Zum weit auszulegenden persönlichen Lebensbereich gehören alle Geheimnisse ohne Vermögenswert, während Betriebs- o. Geschäftsgeheimnisse solche Tatsachen umfassen, an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht.  Für den Angeklagten wird regelmäßig eher der persönliche Lebensbereich betroffen sein, wobei auch im Rahmen von Rufschädigungen oder Rechtsanwaltskosten wirtschaftliche Interessen tangiert werden könnten. Diese ließen sich rein technisch gesehen auch für die professionellen Verfahrensbeteiligten konstruieren. Ein entsprechendes Verständnis folgt jedoch nicht der Intention der Norm bzw. dürfte diese überdehnen.[7]

In einem Videoprotokoll enthaltene Informationen werden, unabhängig davon, wer sie konkret weitergibt, grundsätzlich „fremd“ sein, d.h. eine andere Person betreffen.[8] Das Video-Protokoll betrifft sowohl den Staat als auch den Angeklagten bzw. die anderen Verfahrensbeteiligten. Zwar sind grundsätzlich bei Geheimnissen, deren Träger der Staat ist, diese für dessen Amtsträger nicht fremd,[9] jedoch sind neben diesen auch die anderen Verfahrensbeteiligten Geheimnisträger bzw. Betroffene. Aus Sicht der Verfahrensbeteiligten (wie z.B. Strafverteidiger und Angeklagte) sind folglich jeweils die anderen Beteiligten sowie der Staat betroffen, aus Sicht der Amtsträger nur die nicht-staatlichen Verfahrensbeteiligten, wodurch die Fremdheit begründet wird. Eine Fremdheit etwa aufgrund der Verfahrensherrschaft des Gerichts auszuschließen, erschiene angesichts der Schutzrichtung des § 203 StGB als nicht sachgerecht.

Bei § 203 StGB handelt es sich um ein echtes Sonderdelikt, d.h. Täter kann nur sein, wer unter die abschließend aufgezählten Berufsgruppen fällt. Strafverteidiger und Nebenklagevertreter sind als Rechtsanwälte i.S.d. BRAO von § 203 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 und 5 StGB erfasst, während Gericht und Staatsanwaltschaft als Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB von § 203 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB erfasst sind. Der Angeklagte selbst bzw. sonstige natürliche Personen, die als solche verfahrensbeteiligt sind (wie z.B. Nebenkläger oder Mitbeschuldigte) scheiden daher als Täter des § 203 StGB aus.

Weiterhin muss das Videoprotokoll dem Täter in seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder bekanntgeworden sein, d.h. er müsste im inneren Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes, der die Schweigepflicht begründet, Kenntnis erlangt haben.[10] Ersteres erscheint unproblematisch. Denn das Videoprotokoll wird dem Verfahrensbeteiligten gerade auf Grund der Stellung als solcher i.R. seiner Berufstätigkeit (Mandatsausübung in Form der Strafverteidigung; Anklagevertretung der Staatsanwaltschaft etc.) und nicht als Privatperson übermittelt.

Das Videoprotokoll ist dem potentiellen Täter auch anvertraut. Anvertrauen ist das „Einweihen in ein Geheimnis unter ausdrücklicher Auflage des Geheimhaltens oder unter solchen Umständen, aus denen sich eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit ergibt”,[11] wenn also ein sog. „Vertrauensakt“ vorliegt.[12] Aufgrund der notwendigerweise ausdrücklich einzufügenden Formulierung eines Vervielfältigungs- und Weitergabe-Verbots für Verfahrensbeteiligte kann von einem Anvertrauen ausgegangen werden. Aber auch ein sonstiges Bekanntwerden im Rahmen der Sondereigenschaft kann erfüllt sein, wenn das Protokoll beispielsweise in die Hände von Mitarbeitern der Verfahrensbeteiligten fällt.[13]

Die tatbestandlich verbotene Handlung liegt in dem Offenbaren des Geheimnisses, d.h. der geschützten Informationen oder Daten. Aus der Empfängerperspektive muss mit der Erklärung ein Wissen vermittelt werden, das diesem noch verborgen ist oder von dem dieser jedenfalls noch keine sichere Kenntnis hat.[14] Bei Weitergabe des Videoprotokolls an die Presse o.Ä. liegt also ein Offenbaren vor, sofern nicht eine umfangreiche Anonymisierung stattfindet, welche die Individualisierung von allen Verfahrensbeteiligten ausschließt.[15] Auch gegenüber selbst schweigepflichtigen Empfängern, wie z.B. anderen Anwälten kann ein Offenbaren vorliegen, sofern diese nicht im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ohnehin Kenntnis von dem Videoprotokoll erlangt haben, mithin selbst zum Kreis der zum Wissen Berufenen gehören.[16] Zu diesem Kreis gehören jedoch auch Mitarbeiter, welche zur ordnungsgemäßen Erledigung der dem Verfahrensbeteiligten übertragenen Aufgabe herangezogen werden, was auch für alle Mitglieder einer mit einem Mandat betrauten Anwaltssozietät gilt.[17] Im Rahmen einer Funktionseinheit (auch im Rahmen eines funktionalen, nicht organisatorischen Behördenbegriffs)[18] kann das Videoprotokoll folglich weitergegeben werden, ohne den Tatbestand des § 203 Abs. 1, 2 StGB zu erfüllen. Dies wird auch für berufsmäßig tätige Gehilfen durch § 203 Abs. 3 S. 1 StGB klargestellt. Bei Weitergabe an sog. „sonstige Personen“ ist zwar der Tatbestand erfüllt, eine Strafbarkeit wird aber wegen § 203 Abs. 3 S. 2 StGB mangels Rechtswidrigkeit dann nicht begründet, wenn dies zur Erfüllung der beruflichen Tätigkeit erforderlich ist.

Aus der Schweigepflicht ergibt sich darüber hinaus eine Garantenstellung i.S.v. § 13 StGB, weshalb auch das Unterlassen der Verhinderung der Kenntnisnahme vom Tatbestand erfasst ist, sofern eine tatsächliche Kenntnisnahme eines Dritten erfolgt.[19]

Bei dem Videoprotokoll würde es sich um ein digitalisiertes Geheimnis handeln, welches dann offenbart ist, wenn die Daten einer bestimmten Person weitergegeben werden, z.B. per E-Mail oder auf einem Datenträger,[20] oder der Täter das Abrufen nicht verhindert und Dritte sich das Video tatsächlich anschauen.

Die Unbefugtheit des Offenbarens stellt die Frage nach der Verfügungsberechtigung bzw. nach der Zustimmung des Verfügungsberechtigten.[21] Grundsätzlich liegt die Verfügungsberechtigung bei der Person, welche von dem Geheimnis betroffen ist. Dies wird in erster Linie der Angeklagte sein. Man könnte sich dementsprechend fragen, ob und wie es sich auf eine mögliche Strafbarkeit auswirken würde, wenn dieser selber bspw. seinen Strafverteidiger dazu anhält, das Videoprotokoll an die Presse weiterzugeben. Grundsätzlich spielen nämlich Drittinteressen (wie z.B. die des Gerichts o.Ä.) keine Rolle für die Verfügungsberechtigung.[22] Dies würde jedoch die Geheimnisstruktur eines Videoprotokolls nicht vollständig abbilden. Denn zumindest in seiner Gesamtheit enthält ein Videoprotokoll unausweichlich geschützte Informationen einer Vielzahl von Betroffenen. Dies muss sich in einer entsprechend differenzierten Verfügungsberechtigung niederschlagen. Damit wird das Videoprotokoll einen solchen Sonderfall eines Geheimnisses darstellen, welches mehreren Betroffenen zusteht,[23] namentlich allen Verfahrensbeteiligten bzw. dem Staat. Nur wenn alle Verfügungsberechtigten (wirksam) zustimmen, kann folglich die Befugnis zur Offenbarung vorliegen.

Folgt man diesem Gedanken, so handelt sich nicht um ein sogenanntes Drittgeheimnis, weil der Angeklagte zumindest auch Träger des geschützten Rechtsguts ist und mithin verfügungsberechtigt. Drittgeheimnisse dagegen sind dadurch gekennzeichnet, dass ausschließlich ein Dritter betroffen ist.[24] Auch bei einem solchen müsste jedoch im oben dargestellten Beispiel der Staat zumindest auch mitzustimmen.[25]

Abweichende Ergebnisse wären möglich, soweit nur bestimmte Teile des Videoprotokolls offenbart würden. Allerdings würde u.E. auch dann zumindest die staatliche Verfügungsberechtigung erhalten bleiben, die an dem Vorgang „Hauptverhandlung“ in seiner Gesamtheit besteht.

Ob der erforderliche mindestens bedingte Vorsatz des Schweigepflichtigen vorliegt, ließe sich nur im konkreten Fall beurteilen. Ggf. könnte hier eine Belehrung zu Beginn der Hauptverhandlung über das Verbot der Weitergabe des Videoprotokolls Strafbarkeitslücken wirksam schließen.

Auf Rechtswidrigkeitsebene ist das Vorliegen einer rechtfertigenden Einwilligung entscheidend, jedenfalls, sofern nicht alle Verfügungsberechtigten zugestimmt haben oder hypothetisch bzw. mutmaßlich zustimmen würden. Gleichsam als Gedankenspiel wäre zu erwägen, ob eine Rechtfertigung etwa dann möglich wäre, wenn nach § 34 StGB unter sorgfältiger Interessenabwägung und Wahrung der Verhältnismäßigkeit das Videoprotokoll zu dem Zweck offenbart würde, z.B. eine ungerechtfertigte Verurteilung zu verhindern.[26]

Andere Fallgestaltungen könnten sein, dass der Anwalt Forderungen gegen seinen Mandanten sonst auf keine Weise durchsetzen kann,[27] oder die Offenbarung zur Erlangung der Straffreiheit nach § 158 StGB wegen Beihilfe zur uneidlichen Falschaussage erforderlich ist.[28] Auch zur Abwehr von Gefahren für Dritte oder die Allgemeinheit kann im Einzelfall eine Offenbarung gerechtfertigt sein, z.B. zur Verhinderung von (weiteren) Straftaten oder um unschuldige Dritte vor Verurteilung zu bewahren, da die Rechtsgüter Freiheit oder Vermögen über dem Geheimnisschutz stehen.[29] Die Rechtswidrigkeit kann zudem bei einer gesetzlichen Offenbarungspflicht wie z.B. § 138 StGB oder der Aussagepflicht vor Gericht (sofern kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht)[30] oder der Offenbarungsbefugnis entfallen.[31]

Im Ergebnis bietet § 203 StGB einen vermutlich ausreichenden Schutz vor Weitergabe durch die Verfahrensbeteiligten, welche das Videoprotokoll im Rahmen ihrer Berufsausübung erhalten. Einen Schutz gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten, namentlich gegenüber einer Weitergabe durch den Angeklagten selbst, leistet die Norm nicht.

2. § 204 StGB – Verwertung fremder Geheimnisse

Für denselben Personenkreis kommt eine strafrechtliche Haftung auch dann in Betracht, wenn das Videoprotokoll wirtschaftlich verwertet wird, d.h. zur Gewinnerzielung ausgenutzt, indem es z.B. an die Presse verkauft wird und so die Vermögensinteressen des/der Betroffenen (z.B. auch durch Rufschädigung) berührt werden.[32] Angeklagte und andere nicht beruflich mit dem Protokoll in Berührung kommende Personen unterliegen aber auch insoweit keiner Strafbarkeit.

3. § 353b StGB – Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht

Schutzgut der Norm sind sowohl die geschützten Geheimnisse und Nachrichten als auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit amtlicher und anderer Stellen.

Taugliche Täter des § 353b Abs. 1 StGB sind Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, d.h. auch Richter und Staatsanwälte.[33] Daneben können für den Dienst besonders Verpflichtete i.S.v. für eine Behörde oder öffentliche Stelle tätigen Personen, welche keine Amtsträger sind,[34] und Personen, welche nach dem Personalvertretungsrecht den Bund bzw. die Länder vertreten, die Tat verwirklichen.[35] Taugliche Täter bei Weitergabe des Videoprotokolls können als Verfahrensbeteiligte folglich nach § 353b Abs. 1 StGB nur Gericht und Staatsanwaltschaft, jedoch nicht Strafverteidigung, Nebenklage oder gar der Angeklagte selbst sein.

Strafbare Handlung nach § 353b Abs. 1 StGB ist das öffentliche Bekanntmachen eines Dienstgeheimnisses, d.h. eines Geheimnisses, welches dem Täter gerade in seiner in § 353b Abs. 1 StGB bezeichneten Eigenschaft anvertraut bzw. bekannt geworden ist, gegenüber einem Unbefugten.[36]

Bezüglich der Tätereigenschaft des Angeklagten selbst ließe sich aber eventuell Absatz 2 nutzbar machen. Denn Täter des Weitergabetatbestands des § 353b Abs. 2 StGB kann sein, wer besonders zur Geheimhaltung verpflichtet wurde, entweder durch Beschluss eines Gesetzgebungsorgans oder förmlich durch eine andere amtliche Stelle. Fraglich ist, ob eine Regelung einen solchen Beschluss eines Gesetzgebungsorgans darstellen würde. Zwar stellt ein formelles Gesetz grundsätzlich eine Entscheidung eines Gesetzgebungsorganes dar, jedoch ist in § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB von einem „Beschluss“ die Rede. Damit sind Vertraulichkeitseinstufungen für konkrete Personen bzgl. Handlungen gerade dieser Organe i.S.d. Geschäftsordnungen, wie bspw. die Geheimschutzordnung des Dt. Bundestages (Anlage 3 zur GO BT)[37], gemeint.

Es könnte jedoch eine förmliche Verpflichtung durch eine amtliche Stelle vorliegen bzw. erfolgen. Diese sind Dienststellen, die einen fest umrissenen Kreis staatlicher Aufgaben erfüllen, grundsätzlich also auch Gesetzgebungsorgane. Eine förmliche Verpflichtung setzt jedoch einen Hinweis auf die Strafbarkeit voraus,[38] der eingefügt werden könnte, aber mit Blick auf das u.g. Ergebnis nicht zwingend notwendig erscheint.

Darüber hinaus wäre aufgrund des Charakters als staatlich belastenden Hoheitsakt entweder eine Zustimmung der Verfahrensbeteiligten im Einzelfall oder aber eine ausdrückliche Ermächtigung des Gerichts der neu zu schaffenden Regelungen der StPO zur Geheimhaltungsverpflichtung der anderen Verfahrensbeteiligten erforderlich.[39] Da Absatz 2 eine Erweiterung des Täterkreises intendiert, könnte man erwägen, mit Aushändigung einer Kopie des Videoprotokolls auch den Angeklagten zu verpflichten.

Strafbar nach Absatz 2 ist, wer Gegenstände und Nachrichten an einen anderen gelangen lässt. Damit sind auch körperliche Gegenstände umfasst, wie z.B. das Videoprotokoll auf einem Datenträger.

In beiden Fällen des § 353b StGB muss der Täter durch die Tathandlung eine konkrete, d.h. unmittelbare Gefahr für wichtige öffentliche Interessen begründen, die hinter dem Geheimnis stehen.[40] Dabei reicht es aus, wenn lediglich das Vertrauen in die Rechtspflege gerade durch den Geheimnisbruch verletzt wird,[41] oder der ungestörte und effektive Ablauf des (Ermittlungs-)Verfahrens nicht sichergestellt ist.[42] Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn das Videoprotokoll an die Öffentlichkeit gelangt und so beispielsweise Dritte auf die Hauptverhandlung einwirken können o.Ä., sowie auch wenn die richterliche Unabhängigkeit z.B. durch Offenbarung der Einzelmeinung eines Richters und hieraus entstehende öffentliche Kritik gefährdet wird. [43]

Im subjektiven Tatbestand ist Vorsatz erforderlich, auch bezüglich der konkreten Gefährdung der öffentlichen Interessen. Die Rechtswidrigkeit kann auch bei § 353b StGB insbesondere dann entfallen, wenn eine Offenbarungsbefugnis des Täters besteht und diese somit nicht „unbefugt“ geschieht.

Zu beachten ist, dass eine rechtfertigende Einwilligung aufgrund des Charakters als Allgemeinheitsdelikt anders als bei § 203 StGB nicht von einer Privatperson (wie z.B. des Angeklagten) gegeben werden kann, sofern nicht schon hierdurch die konkrete Gefahr auch für die öffentlichen Interessen entfällt.[44]

Darüber hinaus kommt auch im Rahmen von § 353b StGB eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht. Zur Abwägung kann erneut auf die Ausführungen zu § 203 StGB verwiesen werden.

Ein besonderer Rechtfertigungsgrund ist das sog. Presseprivileg aus § 353b Abs. 3a StGB. Dieses gilt jedoch nur für berufsmäßige Medienangehörige und soll eine ggf. vorhandene Beihilfestrafbarkeit, die nur aufgrund des Charakters als Sonderdelikt nicht als täterschaftlich eingestuft werden kann, ausschließen (z.B. Journalisten, welche das Videoprotokoll veröffentlichen/verbreiten) und damit die Pressefreiheit stärken. Sonstige Beihilfehandlungen, welche nicht unter die Tathandlungen subsumiert werden können, bleiben jedoch weiterhin strafbar (z.B. Anstiftung zur Übergabe des Videoprotokolls).[45] „Privilegiert sind allein Medienangehörige, welche die preisgegebenen Informationen – ihrer beruflichen Aufgabenstellung entsprechend – entgegennehmen, auswerten oder veröffentlichen”.[46]

4. § 353d StGB – Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen

Geschützte Interessen sind Staatssicherheit, Rechtspflege, Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligte sowie Schutz des vom Verfahren Betroffenen vor vorzeitiger öffentlicher Bloßstellung und Vorverurteilung.

Tatobjekt sind Informationen über nicht öffentliche Gerichtsverhandlungen, d.h. solche, bei denen die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit nach § 171 Nr. 1 GVG ausgeschlossen sind und daraus folgend ein gesetzliches Verbot zur Veröffentlichung nach § 174 Abs. 2 GVG besteht. Dies wird beim Videoprotokoll regelmäßig nicht der Fall sein, da nicht die Verhandlung als solche nicht öffentlich ist, sondern lediglich die Aufzeichnung derselben.

Nr. 1 bezieht sich auf Veröffentlichungen und richtet sich in der Sache an Presseorgane. Vom Wortlaut her liegt Nr. 2 näher. Tatobjekt nach Nr. 2 ist jede Tatsache, die aufgrund von § 174 Abs. 3 GVG i.V.m. § 172 Nr. 2, 3 GVG durch Gerichtsbeschluss durch alle anwesenden Personen geheim zu halten ist. Es müsste also ein Gerichtsbeschluss zur Geheimhaltung zum Schutz der Staatssicherheit oder von Privatgeheimnissen ergehen, damit das Videoprotokoll ein taugliches Tatobjekt darstellen kann. Tatsachen aus diesem müsste der Täter unbefugt offenbaren (s.o.), nachdem er der Verhandlung selbst beigewohnt hat bzw. das Video selbst angesehen hat.[47] 

Tatobjekt nach Nr. 3 können nur Anklageschriften oder sonstige amtliche Schriftstücke sein, d.h. all solche, die einem der genannten Verfahren zugeordnet werden können und von einer am Verfahren beteiligten Behörde herrühren.[48] Hiervon umfasst ist grundsätzlich auch das Hauptverhandlungsprotokoll, welches einem Strafverfahren zugeordnet werden kann. Bei einem Videoprotokoll als solchem handelt es sich jedoch nicht um ein Schriftstück, sondern um das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs. Jedoch könnte der Wortlaut vor dem teleologischen Hintergrund insofern ergänzend ausgelegt werden, dass auch Videoprotokolle erfasst werden, die ja nach dem Gesetzesentwurf gerade an die Stelle des schriftlichen Protokolls rücken sollen und darüber hinaus deutlich sensiblere Daten und ein umfangreicheres Bild des Verfahrens umfassen und mithin eher noch schutzwürdiger sind. Täter der Nr. 3 kann jeder sein, der das Schriftstück (bzw. Videoprotokoll) erlangt hat, insbesondere im Gegensatz zu Nr. 1 und 2 auch der Angeklagte, da auch er nicht zu einer vorzeitigen Mitteilung befugt ist.[49]

Der Tatbestand ist dann erfüllt, wenn der Täter das Videoprotokoll „öffentlich mitteilt“, d.h. einem unbestimmten größeren Personenkreis zugänglich macht, welcher nicht seinerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet wird und zwar unabhängig von der Form: Die Verbreitung von Videoaufzeichnungen über sämtliche denkbare Kommunikationskanäle ist erfasst, bei Weitergabe an nur einen bestimmten Medienvertreter mit dem Ziel der Veröffentlichung durch diesen tritt Vollendung erst bei der tatsächlichen Veröffentlichung ein.[50] Eine bloß sinngemäße Wiedergabe ist jedoch nicht umfasst, ebenso wenig wie die Veröffentlichung von nach Abwägung nur unerheblichen Teilen des Protokolls.[51] Jedoch ist die Tatzeit nach § 353d Abs. 1 Nr. 3 StGB bis zum Abschluss des Verfahrens begrenzt, d.h. bis zur Rechtskraft.[52] Danach würde die spätere Verbreitung des Videoprotokolls wohl nicht mehr den Tatbestand des § 353d Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllen.

Systematisch würde sich der Schutz des Videoprotokolls im Übrigen in den Tatbestand einfügen. Hier könnte u.E. eine Erweiterung des Tatbestands erwogen werden. Hierzu näher unter III.

5. § 42 BDSG – Unberechtigte Weitergabe und Übermittlung nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten

Die Norm bezweckt den Schutz personenbezogener Daten, die nicht allgemein zugänglich sind. Das Videoprotokoll einer strafrechtlichen Hauptverhandlung enthält personenbezogene Daten. Personenbezogene Daten sind alle Informationen jeglicher Darstellungsform, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen (Art. 4 Nr. 1 DS-GVO). Im Videoprotokoll werden alle Verfahrensbeteiligten namentlich benannt sowie weitere persönliche Information insbesondere über Angeklagte, Opfer und Zeugen erwähnt werden.

Die Daten dürften nicht von jedermann zur Kenntnis genommen werden können, ohne dass der Zugang zu den Daten rechtlich beschränkt ist.[53] Wie bereits erläutert, steht der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht notwendigerweise der Zugangsbeschränkung entgegen, da das Protokoll selbst im Rahmen einer neuen Regelung sinnvollerweise nur den Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht werden sollte und insoweit eine rechtliche Beschränkung vorliegen würde.

a) Unberechtigte Weitergabe von Daten einer großen Zahl von Personen

Die Daten müssten auch einer großen Zahl von Personen gehören. Dies dürfte beim Videoprotokoll problematisch sein, da die Grenze regelmäßig bei 50 Personen angesetzt wird.[54] Zwar können in Strafverfahren durchaus 50 Personen beteiligt sein, jedoch werden erstens nicht immer die personenbezogenen Daten aller dieser 50 Personen im Videoprotokoll auftauchen und zweitens wird dies wohl nicht den Regelfall darstellen.

§ 42 BDSG würde zwar auch gegenüber Angeklagten anwendbar sein, jedoch nur bestimmte Formen der Weitergabe pönalisieren. Insoweit müsste eine Ergänzung notwendigerweise erfolgen.

Falls die de lege lata geltende Grenze von 50 Personen erreicht ist, muss der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes das Protokoll noch übermitteln (Nr. 1), d.h. in den Machtbereich eines Dritten gelangen lassen, sodass dieser die Daten weiterverarbeiten kann,[55] oder auf andere Weise zugänglich machen (Nr. 2), d.h., dass ein Dritter auf die Daten zugreifen und sich so den Informationsgehalt verschaffen kann (ohne dass der Informationstransfer tatsächlich erfolgen muss).[56] Eine Tathandlung des § 42 Abs. 1 BDSG läge beispielsweise dann vor, wenn der Täter das Protokoll an Dritte übergibt, per E-Mail versendet, über eine Zeitung bekanntgibt oder zum Download im Internet verfügbar macht.

Zur Tatbestandserfüllung erforderlich ist ebenfalls die fehlende Berechtigung des Täters zur Übermittlung/Zugänglichmachung. Eine Berechtigung kommt nach den datenschutzrechtlichen Erlaubnissätzen insbesondere nach Art. 6 ff. DS-GVO in Betracht. Hierbei ist besonders an eine datenschutzrechtliche Einwilligung (wobei eine Einwilligung dann auch von allen mind. 50 Betroffenen erfolgen muss) nach Art. 6 Abs. 1 lit. a, 7 DS-GVO zu denken, welche freiwillig und informiert erfolgen muss und vom Täter nachgewiesen werden. Relevant könnte auch Art. 6 Abs. 1 lit. d DS-GVO sein, wenn es z.B. um die Abwendung der Verurteilung eines Unschuldigen geht sowie auch die datenschutzrechtliche Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO (insofern kann auf die Grundsätze zur § 34 StGB im Rahmen von § 203 StGB verwiesen werden).

An dieser Stelle wäre u.E. eine wie auch immer geartete Einwilligungsmöglichkeit kontraproduktiv, dementsprechend wäre ein Eingriff in die Grundstruktur des Tatbestands erforderlich, um einen wirksamen Schutz zu erreichen. Anders gewendet passt der Schutz allgemeiner Interessen nicht in das in § 42 BDSG zum Ausdruck kommende Schutzkonzept des BDSG.

Darüber hinaus muss der Täter gewerbsmäßig handeln, d.h. mit der Absicht sich selbst durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen und sich selbst damit zu bereichern.[57] Auch insoweit wären strukturelle Veränderungen notwendig.

b) § 42 Abs. 2 Nr. 1 BDSG – Unberechtigte Verarbeitung personenbezogener Daten

Beim Tatbestand nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 BDSG sind taugliches Tatobjekt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, was bei dem Videoprotokoll grundsätzlich zu bejahen ist (s. oben 5. a) Im Rahmen von Abs. 2 Nr. 1 ist dagegen nicht erforderlich, dass diese eine große Zahl von Personen betreffen, was den Anwendungsbereich für das Videoprotokoll erheblich vergrößert.[58]

Das Videoprotokoll müsste verarbeitet werden. Unter Verarbeitung fällt jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, das Speichern, die Anpassung, die Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, die Verbreitung, der Abgleich, die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung (Art. 4 Nr. 2 DS-GVO).

Diese Definition wird jedoch als zu weitreichend erachtet. Zutreffenderweise wird der Begriff der Verarbeitung teleologisch auf solche Formen reduziert, welche die Vertraulichkeit der Daten verletzen (bzw. diese Verletzung vertiefen, aufrechterhalten etc.).[59] Erfasst hiervon ist dann aber auch das Übermitteln und Verbreiten der Daten, d.h. auch die Übergabe des Videoprotokolls an Dritte wie z.B. Journalisten.[60] Bezüglich der Berechtigung kann nach oben verwiesen werden (5. a).

Die Verarbeitung muss gegen Entgelt i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB erfolgen, d.h. eine in einem Vermögensvorteil jeglicher Art bestehende Gegenleistung im Rahmen eines quasi-synallagmatischen Verhältnisses,[61] wenn z.B. ein Journalist den Strafverteidiger für die Übergabe des Protokolls bezahlt. Sofern die Verarbeitung nicht gegen Entgelt erfolgte, muss zur Tatbestandserfüllung ersatzweise eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht beim Täter vorliegen.[62] Es finden die allgemeinen Grundsätze Anwendung, wobei die datenschutzrechtlichen Regelungen (s. oben 5. a) zu Einwilligung und Interessenabwägung die rechtfertigende Einwilligung und § 34 StGB im Wege der Spezialität verdrängen.[63]

Unter dem Aspekt insbesondere der Weitergabe zur gezielten Presseveröffentlichung, also einer Art rechtswidriger PR-Litigation, wäre der Tatbestand seiner Grundidee nach angesprochen. Insoweit könnte sich § 42 BDSG durchaus als zweckmäßiger Baustein in einem Schutzkonzept erweisen. Allerdings kann dieser Schutz, wenn man bereit wäre die oben aufgezeigten strukturellen Veränderungen im Tatbestand vorzunehmen, gleichwohl nur ein flankierender sein. Denn die Aspekte des Geheimnisschutzes gehen über den Schutz personenbezogener Daten hinaus.

6. Schutz des Videoprotokolls nach § 33 i.V.m. §§ 22, 23, 24 KunstUrhG

Das Kunsturheberrecht erscheint prima vista als eher abgelegener Ort für den Schutz des Videoprotokolls. Jedoch enthält das Gesetz nebenstrafrechtliche Regelungen zum Schutz von Bildnissen. Daher sind die einschlägigen Vorschriften verschiedentlich, bspw. im Zusammenhang mit Aufnahmen von Demonstrationen durch die Polizei, diskutiert worden, um die Verwendung entsprechender Aufnahmen zu regulieren.

a) Normen des Kunsturheberrechtsgesetzes (Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie):

Folgende Normen des Kunsturhebergesetzes kommen ihrem Wortlaut nach zur Konstruktion eines Schutzes in Betracht. Dabei ist insbesondere die Bilddarstellung der Anknüpfungspunkt für die diskutierte Anwendbarkeit des Gesetzes: § 22 [Recht am eigenen Bilde], § 23 [Ausnahmen zu § 22], § 24 [Ausnahmen im öffentlichen Interesse],§ 33 [Strafvorschrift].

b) Schutzbereich

Das KunstUrhG ist ein Fragment des ursprünglichen Urheberrechtsschutzes im Kontext der bildenden Kunst und der von dieser seinerzeit noch getrennt gesehenen Fotografie. Ausweislich § 141 Nr. 5 UrhG vom 9.9.1965 gilt das KunstUrhG seit 1.1.1966 (nur) insoweit fort, als es den Schutz von Bildnissen betrifft. Eine Neuregelung des in §§ 22 ff. KunstUrhG zunächst als Einschränkung des Vervielfältigungsrechts des Urhebers zu Gunsten des Abgebildeten geregelten Bildnisschutzes[64] sollte einer zukünftigen Gesamtkodifikation des Persönlichkeitsrechts vorbehalten bleiben,[65] zu der es jedoch nie gekommen ist. Die Änderungen durch das 1. StrRG vom 25.6.1969[66] und das EGStGB vom 2.3.1974[67] waren durch die Umgestaltung des strafrechtlichen Sanktionensystems veranlasst.[68]

aa) Bildnis
Anders als der Titel des Gesetzes nahelegt, ist das durch § 22 KunstUrhG geschützte Recht am eigenen Bild kein Urheberrecht. Vielmehr handelt es sich um eine besondere Ausprägung des aus Art. 1 und 2 GG entwickelten allgemeinen Persönlichkeitsrechts.[69]

Das Schutzgut ist demzufolge das Selbstbestimmungsrecht der abgebildeten Person.[70]  „Erfasst werden soll die Freiheit des Menschen, ausschließlich selbst über sein dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnendes Erscheinungsbild zu bestimmen. Das Schutzgut des Rechts am eigenen Bild lässt sich daher kurz und formelhaft als das Selbstbestimmungsrecht über die Darstellung im Bild beschreiben.[71] Daraus ergibt sich, dass allein dem Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (BGH, NJW 1996, 1128; NJW 2007, 1981)“.[72]

Andere Bildinhalte als Bildnisse von Personen sind nicht erfasst. Namentlich „Sachfotografien erfüllen nicht den Bildnisbegriff. Zu deren Zulässigkeit äußert sich das KunstUrhG nicht, sodass sich ihr Schutz grundsätzlich über die Bestimmungen des Urheberrechtes regelt (OLG Köln, NJW 2004, 619)“.[73] Ebenso wenig sind Audioinhalte vom Schutzbereich erfasst.

Grundsätzlich werden also diejenigen, aber auch nur diejenigen, Bestandteile des Videoprotokolls unter § 22 KunstUrhG fallen, welche in erkennbarer bzw. identifizierbarer Weise Personen zeigen. Insoweit man davon ausgeht, dass permanent Personen auf dem Video zu sehen sein werden, dürfte damit von wenigen Ausnahmen abgesehen, das gesamte Videoprotokoll erfasst sein.

bb) Einwilligung
Allerdings liegt das Problem in der Schutzrichtung der Norm. Zwar sind die Handlungen des Veröffentlichens und Verbreitens durchaus auch im Kontext des Videoprotokolls einschlägig, jedoch schützt das KunstUrhG die Inhaber des Persönlichkeitsrechts vor unbefugter Verbreitung. D.h. eine Einwilligung kann die Strafbarkeit prinzipiell entfallen lassen. Wiederum kann man argumentieren, dass in aller Regel auch das Gericht abgebildet sein wird, so dass insoweit immer (auch) die Einwilligung des Gerichts erforderlich wäre. Eine gerechtfertigte Verbreitung durch andere Prozessbeteiligte wäre damit so gut wie ausgeschlossen. Zudem liegt die Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung nach allgemeiner Auffassung bei demjenigen, der sich auf die Einwilligung beruft, in der Regel also bei demjenigen, der das Bildnis verbreitet oder veröffentlicht.[74]

cc) Ausnahmen – §§ 23, 24 KunstUrhG
Die Ausnahmetatbestände definieren berechtigte Interessen, bei deren Vorliegen es auf eine Einwilligung nicht ankommt. Sie definieren somit die Schranken des Schutzes von Bildnissen. Interessant könnte § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG mit Blick auf die Frage sein, ob überhaupt ein strafrechtlicher Schutz notwendig erscheint. Inhaltlich geht es um die vergleichbare Diskussion zu „Bodycams“, vor allem aber zu Filmaufnahmen bei Demonstrationen und Veranstaltungen. Dabei ist – wie der nachfolgende Überblick zeigt – interessant, dass die Diskussion bis dato schwerpunktmäßig um die Frage kreiste, ob und wie intensiv bei diesen Gelegenheiten staatliche Stellen Aufnahmen von privaten Beteiligten herstellen und verwerten dürfen, geht es um die Aufnahmen von staatlichen Beteiligten durch Private, wie etwa Aufnahmen von Polizisten durch Demonstrationsteilnehmer, so ist die Betrachtung in der Regel deutlich restriktiver. Das Beispiel Bodycam nimmt insoweit eine Mittelstellung ein. Die unerlaubte Verbreitung und Verwertung von Videodokumentationen der strafrechtlichen Hauptverhandlung lässt sich in dieses Schema nur beschränkt einordnen, da als Täter wie als Opfer sowohl beteiligte staatliche wie auch private Akteure in Betracht kommen. Mit diesen Einschränkungen ergibt sich bislang exemplarisch folgendes Bild:

Grundsätzlich frei gebraucht bzw. verwertet werden können Bildaufnahmen von öffentlichen Veranstaltungen, wie bspw. Kundgebungen, auf denen Teilnehmende abgebildet werden.[75] Dies beinhaltet Bildaufnahmen von Menschenansammlungen jeglicher Art, bei denen ein kollektiver Wille zur Bildung dieser Versammlung vorhanden und diese mindestens einer begrenzten Öffentlichkeit zugänglich ist, wahrgenommen werden kann und der Wille von Dritten wahrgenommen zu werden, zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.[76] Abgegrenzt werden müssen die Menschenansammlungen von nicht-öffentlichen Ansammlungen, also  bspw. privaten Feiern im Bekanntenkreis (Geburtstagsfeiern, Hochzeiten o.Ä.).[77] Die o.g. Voraussetzungen setzen zugleich einen Rahmen für die Darstellung des Individuums innerhalb der Bildaufnahme: Die dargestellte Person muss als Teil der Ansammlung wahrgenommen werden können, die Abbildung der Person darf nicht wesentlicher Bildinhalt sein,[78] sie muss also erkennbar im Kontext des Geschehens gezeigt werden. Neben den Teilnehmenden ist so auch die Verwertung von Bildaufnahmen von Polizeibeamten, die die Ansammlung begleiten, möglich.[79] Ein Vorbehalt zugunsten des Individuums ist in § 23 Abs. 2 KunstUrhG normiert.

Jedoch führen diese Erwägungen im Hinblick auf das Videoprotokoll nicht zum Ziel bzw. sperren sich gegen eine Übertragung. Neben den bereits erwähnten Punkten bspw.  auch, weil die Würde des Gerichts einerseits und Geheimnisse außerhalb des Persönlichkeitsrechts andererseits geschützt werden sollen. Erstere ist unter dem Gesichtspunkt des „Contempt of Court“ ein dem KunstUrhG völlig fremdes Schutzinteresse. Letztere werden systematisch nicht von diesem Gesetz erfasst.

§ 24 KunstUrhG benennt zwar mit „Rechtspflege“ und „öffentlicher Sicherheit“ öffentliche Interessen, die in der Nähe des Strafverfahrens liegen. Die Norm ist jedoch auf erkennungsdienstliche Zusammenhänge zugeschnitten,[80] und kann daher in unserem Kontext des Videoprotokolls nicht sinnvoll nutzbar gemacht werden.

dd) Strafvorschrift § 33 KunstUrhG
Schutzobjekt des Straftatbestandes ist wie erwähnt ein Bildnis im Sinne von § 22 KunstUrhG, also die Darstellung einer (lebenden oder toten) natürlichen Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt. Die Art der Darstellung und das Darstellungsmedium sind beliebig; erfasst sind Fotografien und Filme.[81]

c) Zusammenfassung

Der hier nur sehr oberflächlich erfolgte Blick auf das KunstUrhG zeigt u.E., dass das Videoprotokoll de facto in weiten Bereichen vor unberechtigter Weitergabe geschützt sein dürfte. Man könnte sich unter dem Gesichtspunkt der Normensparsamkeit mit dem insoweit vorhandenen Schutz vermutlich begnügen. Allerdings ist offensichtlich, dass der Schutz hier ein sich gleichsam zufällig zusammensetzendes Mosaik wäre, das durchaus geeignet ist, dem Strafrechtsdogmatiker Freude zu bereiten. Allerdings führt gerade die an sich unpassende Systematik des Gesetzes zu Schwierigkeiten. So hängt vieles an der vorstehend wiedergegebenen Auslegung, um das Mosaik einigermaßen vollständig zusammensetzen zu können. Zum einen sind nur Bildnisse von Personen geschützt, der Zugang der Information an sich dagegen nicht.

Zum anderen ist selbst im Fall einer Belehrung der Verfahrensbeteiligten nach KunstUrhG, die einen gewissen ästhetischen Reiz hätte, vermutlich ein weiter Bereich für Irrtümer auf Tatbestands- vor allem aber Verbotsebene eröffnet, namentlich in Bezug auf die Einwilligungsdogmatik des KunstUrhG, die auf eine permanente Gemengelage von diversen betroffenen Persönlichkeitsrechten nicht zugeschnitten ist.

Insgesamt erscheint ein Schutz unter dem von uns diskutierten Gesichtspunkt des „Contempt of Court“ aber auch im Hinblick auf allzu leicht mögliche Manipulationen des Videoprotokolls und daraus resultierenden Möglichkeiten wahrheitsverfälschender und dadurch rechtsverletzender Verbreitung angemessen. Zudem darf nicht außer Betracht bleiben, dass bereits im Vorfeld oder während des Verfahrens die Unbefangenheit insbesondere von Zeugen mit dem Hinweis auf eine spätere legitime Verbreitung des Videoprotokolls beeinflusst werden kann.

Demgegenüber sind keine vorrangigen Interessen an Verbreitung oder Veröffentlichung des Videomaterials außerhalb der diskutierten (bspw. zeitgeschichtlichen) Sonderkonstellationen erkennbar. Ziel der Einführung eines Videoprotokolls ist die bessere Überprüfung der Tatsachengrundlage von Strafurteilen, nicht die Einführung eines Gerichtsfernsehens. Die Übertragung der Legitimation des US-amerikanischen Gerichtsfernsehens kann mangels differenzierter Bedeutung und Funktion der Hauptverhandlung sowie der Verfahrensrollen nicht ohne erheblichen Begründungs- und Analyseaufwand erfolgen.

 7. § 106 Urhebergesetz

In Bezug auf § 106 UrhG führt Heuer u.E. zu Recht aus, dass die Norm für die Dokumentation einer Hauptverhandlung nicht angewendet werden kann. Denn bereits die Legaldefinition des „Werkes“ in § 2 UrhG ist nicht auf ein Videoprotokoll anwendbar. Zudem geht der Schutzbereich der §§ 108 – 108b UrhG ähnlich wie der des KunstUrhG in eine andere Richtung. Zumindest mit Blick auf das geschützte Rechtsgut beziehen sich diese Vorschriften des UrhG ebenfalls nicht auf die Dokumentation einer Hauptverhandlung.[82]

III. Fazit

Nach geltendem Recht besteht kein umfassender flankierender strafrechtlicher Schutz vor einem Missbrauch des Video-Protokolls. Sowohl im Bereich der Geheimnisschutztatbestände als auch des strafrechtlichen Datenschutzrechts sind Ergänzungen erforderlich., soll jeglicher Missbrauch ausgeschlossen werden.

Systematisch würde sich der Schutz des Videoprotokolls im Übrigen in den Tatbestand § 353d StGB einfügen. Hier könnte eine Erweiterung des Tatbestands erwogen werden. Zwar ist eine Mitteilung des Videoprotokolls unmittelbar nach Erlangen und damit vor Rechtskraft der wohl wahrscheinlichste Fall. Gleichwohl mag es eine Vielzahl von Konstellationen geben, in denen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Verbreitung in Betracht kommt. Die bisherige Nr. 3 ist insoweit nicht ausreichend.

Daher erschiene de lege ferenda eine neue Nr. 4 schon aus Gründen der Gesetzesklarheit und -bestimmtheit vorzugswürdig. Diese sollte sich explizit auf das Videoprotokoll beziehen, um einen dezidierten Normappell im Zusammenhang mit der Einführung der Inhaltsprotokollierung zu erzielen.[83]

Wie bei den bisherigen Nummern 1-3 kommt auch bei einer entsprechenden Ergänzung keine rechtfertigende Einwilligung in den Tatbestand in Betracht, da Rechtsgut des Tatbestandes die Allgemeingüter Staatssicherheit, Rechtspflege sowie Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten sind und die disponiblen Schutzgüter der Prozessbeteiligten nur „als Reflex geschützt sind“.[84] Zudem kann der Betroffene ein gerichtliches Schweigegebot nicht suspendieren.[85]

Eine Rechtfertigung kann aber ggf. aufgrund einer regelmäßig bestehenden Rechtspflicht zur Veröffentlichung von Entscheidungen vor deren Rechtskraft erfolgen, jedoch nur nach Abwägung der widerstreitenden Interessen.[86] Auf der Rechtswidrigkeitsebene des § 353d StGB würden wie im Übrigen auch die allgemeinen Grundsätze gelten, insbesondere mit Blick auf Interessenabwägungen i.R.d. § 34 StGB.

Mit Blick auf den Kontext einer solchen Neuregelung, also einer zentralen Änderung der bisherigen Verfahrenspraxis, aber die weiteren Legitimationserwägungen, wäre u.E. die Schaffung eines eigenen Tatbestands vorzuziehen, also bspw. die Einführung eines neuen § 354 StGB. Denn eine Ausdehnung der Strafbarkeit ist insbesondere mit der unterschiedlichen Qualität eines Videoprotokolls gegenüber  einem  bloßen  schriftlichen  Protokoll,  insbesondere gegenüber dem bisherigen Formalprotokoll, zu begründen. Gerade durch die Masse und Qualität der Daten eines Videos steigen Möglichkeiten und Variationen einer Manipulierbarkeit deutlich an. Dies gilt mit Blick auf die sehr schnell mögliche Verbreitung in sozialen Medien natürlich auch für ein reines Audioprotokoll und – mit Abstrichen – auch für dessen Verschriftlichung.

Ebenfalls für eine eigenständige Regelung spricht zum Schluss, dass das Videoprotokoll kleinste menschliche Schwächen der beteiligten Personen offenbaren kann. Vor allem, wenn an die Möglichkeit der manipulativen Bearbeitung gedacht wird – und sei es auch nur durch Ausschnittvergrößerung oder Sequenzwiederholung. Damit gewinnt ein Schutzzweck an Bedeutung, der den ansonsten in Betracht kommenden Reglungen fremd ist: Der sog. „Contempt of Court“, also der Schutz der Seriosität und des Ansehens des Gerichts, aber auch der beteiligten Richterinnen und Richter. Das dahinterstehende Rechtsgut existiert der Sache nach auch in unserem Rechtssystem.[87] Es hat aber ohne Zweifel einen spezifischen und eigenständigen Gehalt.[88]

 

[1]      Im Folgenden wird das generische Maskulinum verwendet, gemeint sind alle Geschlechter.
[2]      Bericht, S. 16, online abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/0701_Dokumentation_Hauptverhandlung.pdf;jsessionid=8E7C2F56C3BEAC000FEDBB8F3510197C.1_cid297?blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 15.7.2021).
[3]      Abgedruckt im Anlagenband zum Bericht der Expertinnen- und Expertengruppe, S. 243 ff., online abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/0709_Dokumentation_Hauptverhandlung_Anlagenband.pdf;jsessionid=8E7C2F56C3BEAC000FEDBB8F3510197C.1_cid297?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 15.7.2021).
[4]      Heuer, Anlagenband (Fn. 3), S. 251 f.
[5]      Heuer, Anlagenband (Fn. 3), S. 252.
[6]      Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2020), § 203 Rn. 13.
[7]      Diese Frage wird häufig i.R. der „befugten“ Offenbarung, namentlich eines Einverständnisses mittelbar thematisiert. Anders formuliert kann die Konkretisierung desjenigen, der wirksam ein Einverständnis erklären kann, Aufschluss über den Lebensbereich, dem das Geheimnis zuzuordnen ist, geben. Die Verfügungsberechtigung entfällt i.R.d. persönlichen Lebensbereichs dann, wenn der Berechtigte den Geheimhaltungswillen ohne natürliche Einsichts- bzw. Urteilsfähigkeit aufgibt; i.R.d. wirtschaftlichen Bereichs ohne Geschäftsfähigkeit (Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. [2019], § 203 Rn. 33). Bei Tod des Befugten geht gem. § 203 Abs. 5 StGB für vermögensrechtliche Geheimnisse die Verfügungsberechtigung auf den Erben über, bei Geheimnissen aus dem persönlichen Lebensbereich aufgrund der Höchstpersönlichkeit nicht; dieser kann dann folglich auch kein Einverständnis erklären und erfüllt bei Offenbarung ggü. eines Dritten ebenfalls den Tatbestand. (Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 160-164). Im Rahmen des § 205 Abs. 2 S. 1, 2 StGB geht das Antragsrecht schon nach Wortlaut auf den Erben über, wenn das Geheimnis aus dem wirtschaftlichen Lebensbereich stammt, ansonsten auf die Angehörigen nach § 77 Abs. 2 StGB. Grds. ist der persönliche Lebensbereich sehr weit auszulegen (bspw. mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht). In diesem Fall sind ja aber Gericht und Staatsanwaltschaft nicht als Personen betroffen (Die Namen sind öffentlich bekannt). „Betriebsgeheimnisse“ liegen dagegen immer dann vor, wenn auch nur irgendwie ein vermögensrechtliches Interesse vorliegt, also auch wenn der Beruf betroffen ist. Es könnte also argumentiert werden, dass bei Offenbaren des Videos und somit der gesamten Hauptverhandlung die inneren Vorgänge usw. öffentlich werden und somit die Berufsausübung oder ggf. die Stellung d. Gerichts/Staatsanwaltschaft/der einzelnen Beamten gefährdet wird. Allerdings erschiene uns das als eine Überdehnung des Begriffs „Betriebsgeheimnis“.
[8]      Weidemann, in: BeckOK-StGB, 50. Ed. (Stand: 1.5.2021), § 203 Rn. 8.
[9]      Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 97.
[10]    Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. (2018), § 203 Rn. 16.
[11]    NJW 2000, 3656.
[12]    NStZ 1983, 412.
[13]    Eine gesetzliche Regelung eines Videoprotokolls wird entsprechenden Verbote vorsehen müssen. Vgl. i.Ü. Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 49.
[14]    BGHSt 27, 120 (121).
[15]    Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 33.
[16]    Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 52.
[17]    Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 17; NJW 2008, 3529.
[18]    Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 106.
[19]    Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 55.
[20]    Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 20.
[21]    Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 38.
[22]    LSG Brem 2.5.1957 – BReg. 4/57, NJW 1958, 278.
[23]    Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 § 203 Rn. 59.
[24]    Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 § 203 Rn. 26.
[25]    Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 203 Rn. 31.
[26]    Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 88.
[27]    BGHZ 115, 123 (129) = NJW 1991, 2955; BGHZ 122, 115 (120) = NJW 1993, 1638.
[28]    BGH, Urt. v. 15.5.1956 – 1 StR 55/56.
[29]    Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB, § 203 Rn. 90.
[30]    Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 53.
[31]    Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 55-56.
[32]    Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 204 Rn. 5, 6; Graf, in: MüKo-StGB, § 204 Rn. 11.
[33]    Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 353b Rn. 2-6.1.
[34]    Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rn. 13.
[35]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353b Rn. 16.
[36]    Insofern kann auf die Ausführungen zu § 203 StGB verwiesen werden.
[37]    Kuhlen, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 353b Rn. 44.
[38]    Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 353b Rn. 5.
[39]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353b Rn. 72.
[40]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353b Rn. 43 f.
[41]    Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 353b Rn. 11.
[42]    BGHSt 46, 339 (345) = NJW 2001, 2032 (2034).
[43]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353b Rn. 45.
[44]    Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 353b Rn. 21a.
[45]    Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 353b Rn. 13a.
[46]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353b Rn. 61.
[47]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353d Rn. 49.
[48]    Perron/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 353d Rn. 13.
[49]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353d Rn. 57.
[50]    Puschke, in: MüKo-StGB, § 353d Rn. 62 f.
[51]    Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 353d Rn. 4.
[52]    OLG Köln, Urt. v. 5.2.1980 – 1 Ss 23/80, JR 1980, Rn. 473.
[53]    BGH, NJW 2013, 2530 (2533).
[54]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, 36. Ed. (Stand: 1.5.2021), BDSG § 42 Rn. 29.
[55]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, BDSG § 42 Rn. 30-32.
[56]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, BDSG § 42 Rn. 33, 34.
[57]    BGH, BeckRS 2017, 107300 Rn. 3.
[58]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, BDSG § 42 Rn. 44.
[59]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, BDSG § 42 Rn. 45.
[60]    Schild, in: BeckOK-DatenschutzR, DS-GVO Art. 4 Rn. 49 f.
[61]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, BDSG § 42 Rn. 48.
[62]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, BDSG § 42 Rn. 50, zur Begriffserläuterung s. A.V.
[63]    Brodowski/Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, BDSG § 42 Rn. 63.
[64]    Zur Entstehung dieses Bildnisschutzes: BVerfGE 101, 361 (387) – Caroline von Monaco.
[65]    BT-Drs. IV/270, S. 35.
[66]    BGBl. I 1969, S. 645.
[67]    BGBl. I 1974, S. 469.
[68]    Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, KunstUrhG, 234. EL (Januar 2021), Vorbem. Rn. 4.
[69]    BVerfG, NJW 1973, 1226 (1229) – Lebach.
[70]    BGH, NJW 1992, 2084 –Talkmaster.
[71]    Götting, in: Schricker/Loewenheim, UrhR, 6. Aufl. (2020), § 22 KunstUrhG Rn. 7.
[72]    Herrmann, in: BeckOK-InfoMedienR, 32. Ed. (Stand: 1.5.2021), KunstUrhG § 22 Rn. 3.
[73]    Herrmann, in: BeckOK-InfoMedienR, KunstUrhG § 22 Rn. 7.
[74]    Herrmann, in: BeckOK-InfoMedienR, KunstUrhG § 22 Rn. 18.
[75]    OLG München, NJW 1988, 915 (916); OLG Celle, ZUM  2011, 341; Specht, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. (2018), § 23 Rn. 39; ohne das Erfordernis des Willens zum Wahrgenommenwerden Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 23 Rn. 25.
[76]    So Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 23 Rn. 25; d­­­ementgegen: Dreyer, in: HK-UrhR, 4. Auflage (2018), § 23 Rn. 45 (Öffentlichkeit nicht Voraussetzung) und Götting, in: Schricker/Loewenheim, UrhR, § 23 Rn. 84.
[77]    Ebend.
[78]    OLG Karlsruhe, NJW 1980, 1701 (1702); OLG München, NJW 1988, 915 (916); NJW-RR 1996, 93; AfP 2011, 275; OLG Frankfurt a.M., MMR 2004, 683 (684); Specht, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 23 Rn. 40; Götting, in: Schricker/Loewenheim, UrhR, § 23 Rn. 85 f.
[79]    vgl. Specht, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 23 Rn. 41 f.
[80]    Herrmann, in: BeckOK-InfoMedienR, KunstUrhG § 22 Rn. 2.
[81]    Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, KunstUrhG, § 33 Rn. 5-7.
[82]    Heuer, Anlagenband (Fn. 3), S. 252.
[83]    Ggf. könnte auf eine Verpflichtung durch das Gericht Bezug genommen werden. Allerdings ist die in Nr. 2 gemeinte Verpflichtung sehr spezifisch. Üblicherweise wird auf § 174 Abs. 2 GVG verwiesen.
[84]    Puschke, in: MüKoStGB, StGB, § 353d Rn. 74.
[85]    Puschke, in: MüKoStGB, StGB, § 353d Rn. 54, 55.
[86]    BVerfG, Urt. v. 14.9.2015 – 1 BVR 857/15, NJW 2015, 3708.
[87]    Vgl. etwa die Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 6.6.2017 – 1 BvR 180/17) – Gerichtsverhandlung als Musikantenstadl. Allerdings wird i.d.R. die Würde der beteiligten Gerichtspersonen als Schutzgut, etwa i.S.d. §§ 185 ff. StGB diskutiert.
[88]    Dazu Davis, American Criminal Justice 2019, 39 (140), der auf die Sonderstellung entsprechender Straftatbestände im US-amerikanischen Recht hinweist: „an essence and stand-alone crime“.

 

 

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