Am 15. und 16. Mai 2025 fand an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg die Fachtagung „Leitlinien für effektive und faire Vernehmungen in Strafverfahren“ statt.[1]Sie war Teil des von der COST geförderten Projekts ImpleMéndez (CA22128).[2] Hauptziel dieses interdisziplinären Projekts mit inzwischen[3] mehr als 345 Mitgliedern aus 58 Ländern ist es, die Implementierung der „Prinzipien zu effektiven Vernehmungen in Ermittlungen und Informationssammlungen“ (sog. Méndez-Prinzipien) in verschiedenen Ländern zu fördern. Die Fachtagung wurde unter dem Blickwinkel ausgerichtet, im gemeinsamen Austausch mit Jurist:innen, aber auch Personen anderer Disziplinen wie der Psychologie, zu diskutieren, inwiefern es in Deutschland eine Notwendigkeit gibt, das Vernehmungsvorgehen anzupassen und welches Potenzial die Méndez-Prinzipien dabei entfalten können.
II. Die Méndez-Prinzipien
Die Méndez-Prinzipien[4] sind international entwickelte Leitlinien für rechtsstaatliche, ethisch basierte und wissenschaftlich fundierte Vernehmungen, die unter der Federführung des früheren UN-Sonderberichterstatters Juan E. Méndez gemeinsam mit Mark Thomson und der Beteiligung von über 80 internationalen Expert:innen (u.a. aus den Bereichen Justiz, Polizei, Psychologie, Kriminologie, Recht) aus mehr als 40 Ländern erarbeitet und im Jahr 2021 vorgestellt wurden. Sie zielen auf die Ablösung manipulativer und druckvoller Befragungen zugunsten fairer, transparenter und effektiver Vernehmungen, die der Gewinnung präziser und überprüfbarer Informationen dienen. Während die Méndez-Prinzipien Leitlinien für Entscheidungsträger:innen beschreiben, stellt der Ansatz der untersuchenden Vernehmung einen effektiven und fairen Ansatz für die Praxis dar.
Konkret fordern die Méndez-Prinzipien unter anderem den frühzeitigen Zugang zu rechtlichem Beistand, die umfassende Aus- und Fortbildung von Vernehmungspersonal sowie die vollständige audiovisuelle Dokumentation sämtlicher Vernehmungen. Ziel ist die Etablierung eines menschenrechtsbasierten internationalen Standards, der sowohl die Qualität der Vernehmungen erhöht als auch das Risiko von Fehlentscheidungen verringert.
Insgesamt besteht eine schnell wachsende globale Bewegung zur Umsetzung der Méndez-Prinzipien. Deutschland gehört zu den 53 UN-Mitgliedstaaten, die im Jahr 2022 die gemeinsame Unterstützung für die Prinzipien ausgedrückt haben.[5]Im Jahr 2024 wurden die Méndez-Prinzipien auch auf Deutsch veröffentlicht.[6]
III. Einführung in das Thema der Tagung
Zum Beginn der Tagung begrüßte Prof. Dr. Frank Zimmermann (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) im Namen des Organisationsteams das Publikum aus juristischer sowie interdisziplinärer Praxis und Forschung. Er betonte, dass auch funktionierende Rechtsstaaten gehalten seien, das Vorgehen von Ermittlungsbehörden in Vernehmungssituationen kontinuierlich zu verbessern, und regte an, die Unschuldsvermutung in diesem Sinne als Optimierungsgebot zu verstehen. Als ermutigendes Signal hob Zimmermann die Teilnahme zahlreicher Professionen an der Tagung hervor, darunter etwa Vertreter:innen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), des Bundesamtes für Justiz (BfJ) sowie von Gerichten, Staatsanwaltschaften, Strafverteidigung und Polizei aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darin sah er ein hohes Maß an Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion aller Professionen.
Die Tagung wurde sodann durch Grußbotschaften von Juan E. Méndez (American University, Washington, D.C.) und Anna Giudice (UNODC) eröffnet. Méndez, der selbst von Folter betroffen war, stellte den normativen und politischen Entstehungskontext der Prinzipien dar und unterstrich die Bedeutung der Unschuldsvermutung als tragendes Element rechtsstaatlicher Verfahren. Für ihn sei eine kontinuierliche, evidenzbasierte Schulung des gesamten rechtlichen Personals genauso essenziell wie die Nutzung technischen Fortschritts. Außerdem hob er die Notwendigkeit von begleitender Forschung hervor. Giudice betonte die Verantwortung staatlicher Organe, insbesondere der Polizei, für den Schutz der Würde und psychischen Unversehrtheit von Beschuldigten und Zeug:innen. Sie verwies auf die Notwendigkeit eines interdisziplinären und internationalen Dialogs, um Vorverurteilungen und kognitive Verzerrungen zu reduzieren.
Dr. Ivar Fahsing (Norwegian Police University College, Norwegian Centre for Human Rights) verband Theorie und Praxis auf eindrückliche Weise. Aus seiner langjährigen Erfahrung in der Polizeiausbildung betonte er, dass es bei der Umsetzung rechtsstaatlicher Vernehmungsstandards nicht nur auf Gesetze ankomme, sondern auch auf Haltung, Ausbildung und institutionelle Strukturen. Im Kontext seiner Arbeit zu den Méndez-Prinzipien und der untersuchenden Vernehmung in (europäischen) Ländern wie Dänemark, Irland, England und dem Vereinigten Königreich, aber auch international in Thailand, Vietnam, China, Brasilien und der Ukraine äußerte er den Wunsch, dass sich Deutschland als wichtiger Akteur in Europa und weltweit sowohl national als auch international intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen möge. Er sprach sich für eine verpflichtende, forschungsbasierte Grundausbildung in der untersuchenden Vernehmung und für die audiovisuelle Dokumentation aus. Vernehmungen, so Fahsing, seien mehr als nur ein Ermittlungsschritt – sie spiegelten grundlegende rechtsstaatliche Werte wider: „It is not just about interviewing. It is about what kind of world we want to have.“
IV. Notwendigkeit der Umgestaltung des Vernehmungsvorgehens in Deutschland
Im ersten Panel standen die Abfrage des Status quo und des Reformbedarfs in der deutschen Vernehmungspraxis im Mittelpunkt.
Prof. Dr. Bernhard Kretschmer (Justus-Liebig-Universität Gießen) beleuchtete aus strafprozessualer Perspektive, inwieweit bestehende Regelungen – insbesondere die §§ 136, 136a StPO – den Méndez-Prinzipien entsprechen. Zwar gebe es Schutzmechanismen gegen unzulässige Vernehmungsmethoden, diese würden jedoch in der Praxis teils unterlaufen. Besonders kritisch bewertete er den unklar geregelten Umgang mit informellen Gesprächen und Spontanäußerungen sowie die nur selten genutzte audiovisuelle Aufzeichnung nach § 136 Abs. 4 StPO. Anhand zweier bekannter Fallbeispiele aus der deutschen Justizgeschichte zeigte er, wie individuelles Fehlverhalten zur Missachtung rechtsstaatlicher Vorgaben bis hin zur Androhung von Folter führen kann. Das schwerwiegende Fehlverhalten sei in beiden Fällen nur zufällig bekannt geworden, was auf ein erhebliches Dunkelfeld hinweise. Kretschmer sprach sich für eine Weiterentwicklung des Vernehmungsbegriffs, eine stärkere Regulierung des Einsatzes von nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamt:innen (noeP) und eine Ausweitung der notwendigen Verteidigung sowie der Wiederaufnahmemöglichkeiten aus. Die Einführung flächendeckender Vernehmungsaufzeichnungen begrüßte er ausdrücklich, die Abwägungslehre des Bundesgerichtshofs zu Beweisverwertungsverboten bewertete er hingegen kritisch. Insgesamt machte er deutlichen Reformbedarf bei der praktischen Umsetzung rechtsstaatlicher (Vernehmungs-)Standards aus.
Aus anwaltlicher Sicht beschrieb Dr. Carolin Arnemann (Strafverteidigerin in München), wie bestehende Belehrungspflichten häufig nur formal eingehalten würden. Die tatsächliche Verständlichkeit der Belehrungen sei in der Praxis nicht sichergestellt. Eine praktikable Lösung in der Belehrungspraxis könne darin bestehen, die zu belehrende Person aufzufordern, die Belehrung in eigenen Worten wiederzugeben und dies entsprechend zu protokollieren. Arnemann kritisierte darüber hinaus die unzureichende Regelung informeller Gespräche in Deutschland. Diese seien ebenso schutzwürdig wie formelle Vernehmungen. Doch solange dort die Beschuldigtenrechte nicht wirkten, befürchtet sie einen Missbrauch des Vertrauensverhältnisses zwischen den Beschuldigten und den Vernehmungspersonen. Problematisch sei auch die alleinige und einseitige Kontrolle der protokollierenden Vernehmungspersonen über den Inhalt der Ermittlungsakte, die so zum „künstlichen Gebilde“ werde. Zudem bemängelte sie Defizite in der Ausbildung von Jurist:innen in Befragungstechniken und kriminalistischen Grundlagen. Sie forderte verbindliche Standards, bessere Dokumentation und eine regelmäßige Überprüfung der Vernehmungspraxis anhand internationaler Vorgaben wie der UN-Antifolterkonvention.
Dr. Teresa Schneider (Hochschule Luzern) veranschaulichte anhand empirischer Daten die Bedeutung von Fehlurteilen in Deutschland. Als Mitbegründerin der europäischen Fehlurteilsdatenbank EUREX[7] zeigte sie, dass zahlreiche Inhaftierte und Maßregelvollzugspatient:innen angeben, falsche Geständnisse abgelegt zu haben. Diese entstünden entweder freiwillig und ohne Befragungsdruck einer Strafverfolgungsbehörde oder durch manipulative Taktiken wie die Verharmlosung der Tat (Minimierung) oder die übertriebene Darstellung der Beweislage (Maximierung). Eindrücklich war die Auswertung von Befragungen unter Justizpersonal. Schneider zeigte, dass bei Richter:innen und Staatsanwält:innen grundlegende Kenntnisse über suggestive Effekte, Vernehmungspsychologie und Falschgeständnisse fehlten. Die Studien belegten erheblichen Verbesserungsbedarf nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei Justiz und Verteidigung im Hinblick auf professionelle und fundierte Vernehmungstechniken. Sie plädierte für die flächendeckende Ablösung problematischer Vernehmungstechniken, eine verpflichtende audiovisuelle Aufzeichnung und eine begleitende empirische Evaluation, wie sie international etwa in England und Norwegen etabliert ist.
Trotz unterschiedlicher fachlicher Perspektiven wurde deutlich, dass die bestehende Rechtslage keinen ausreichenden Schutz bietet, solange sie in der Praxis weder konsequent umgesetzt noch wirksam kontrolliert wird. Breite Zustimmung fand die Forderung nach einer verpflichtenden, flächendeckenden audiovisuellen Vernehmungsdokumentation sowie nach einer stärkeren Verankerung vernehmungspsychologischer Kompetenz in der juristischen Ausbildung sowohl bei den Redner:innen als auch Teilen des Publikums. Fahsing führte als weiteres Argument für eine audiovisuelle Vernehmung an, dass Vernehmungen eine erhebliche kognitive Belastung darstellen, insbesondere wenn Gesprächsführung und gleichzeitige Protokollierung in einer Person zusammenfielen. Unabhängig von der konkreten Umsetzung müsse eine verlässliche Möglichkeit bestehen, jedenfalls auf die Aufzeichnung zurückgreifen zu können. Arnemann betonte, dass es der eigene Anspruch eines Rechtsstaats sein müsse, die dafür notwendigen Ressourcen bereitzustellen.
V. Potenzial der Implementierung der Méndez-Prinzipien für Deutschland
Prof. Dr. Becky Milne (University of Portsmouth) eröffnete den zweiten Tag mit einem Bericht zur Umsetzung der Méndez-Prinzipien im Vereinigten Königreich. Sie betonte, dass auch Deutschland von den dort entwickelten und bewährten Strukturen profitieren könne. Entscheidungen seien nur so verlässlich wie die Informationen, auf denen sie beruhen, und diese seien wiederum nur so präzise wie die gestellten Fragen. Transparenz im Vernehmungsprozess sei dabei unerlässlich. Milne sprach sich deutlich für die audiovisuelle Aufzeichnung aus, da schriftlich dokumentierte Erinnerungen allein zu fehleranfällig und intransparent seien. Als zentrale Trainingsinstrumente für die untersuchende Vernehmung hob sie die Modelle PEACE[8] und KREATIV[9] hervor. Gute Gesprächsführung sei Milne zufolge keine angeborene Fähigkeit, sondern müsse erlernt und kontinuierlich geschult werden.
Das daran anschließende zweite Panel der Tagung widmete sich der Frage, wie sich die Méndez-Prinzipien konkret in Deutschland umsetzen lassen.
Jun.-Prof. Dr. Lennart May (Medical School Berlin) hob die Vorteile der untersuchenden Vernehmungstechniken hervor, deren Ziel die Gewinnung präziser und verlässlicher Informationen ist. Er unterschied zwischen Aussagepsychologie (Bewertung) und Vernehmungspsychologie (Informationsgewinnung) und belegte die Wirksamkeit untersuchender Ansätze mit empirischen Studien. Schleswig-Holstein nannte er als Beispiel dafür, wie die untersuchende Vernehmung in der polizeilichen Fortbildung und Praxis implementierbar sei. Vernehmungskompetenz sei nicht nur für die Polizei, sondern auch für Gerichte, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zentral. Eine Befragungsstudie zeigte jedoch, dass viele Justizakteur:innen ihre eigenen Fähigkeiten nur als durchschnittlich einschätzten und das Konzept der untersuchenden Vernehmung kaum bekannt war. May kritisierte, dass entsprechendes methodisches Wissen bislang weder im Studium noch im Referendariat systematisch vermittelt werde. Als hilfreiche Grundlage empfahl er evidenzbasierte internationale Manuale wie das UN-Handbuch zur untersuchenden Vernehmung[10] und das CTI training tool,[11] die evidenzbasiert und praxisnah seien.
Die rechtspolitische Einordnung übernahm Rut Ley (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz). Da Vernehmungstechnik in ihrer eigenen Ausbildung als Staatsanwältin kaum verankert gewesen sei, habe sie sich das nötige Wissen insbesondere während eines beruflichen Auslandsaufenthalts „on the job“ selbst aneignen müssen. Der deutsche Rechtsstaat sei in der Pflicht, fundierte Standards zu etablieren. Zwar böten die deutsche Strafprozessordnung und das Grundgesetz bereits Schutzvorschriften, doch fehlten – abgesehen von den verbotenen Vernehmungsmethoden in § 136a StPO – konkrete Regelungen gegen manipulative Fragetechniken. Hier sei die RiStBV als flexibles Instrument grundsätzlich geeigneter als die StPO. Das größte Verbesserungspotenzial machte sie aber in der Aus- und Weiterbildung von Polizei und Justiz aus, die in die Zuständigkeit der Bundesländer falle. Entscheidend sei es, gute Vernehmungstechniken für alle Personen, die im Strafverfahren mit Vernehmung zu tun haben, zum Standard zu machen.
Stefan Conen (Strafverteidiger in Berlin) hielt die Einführung besserer Vernehmungstechniken weniger für eine normative Frage, vielmehr stehe ihr die aktuelle Rechtskultur entgegen. So kritisierte er die Einstufung manipulativer Methoden als „kriminalistische List“ und verwies auf den Druck auf Polizist:innen, in der Hauptverhandlung nicht von den Vernehmungsprotokollen abzuweichen, was mangelhafte Protokollierungen zementiere. Ein zentraler Hebel liege für ihn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die bestmögliche Erforschung der materiellen Wahrheit als Kernziel des Strafprozesses betont.[12] Trotz seiner klaren Befürwortung der audiovisuellen Vernehmungsdokumentation warnte Conen davor, dass diese nicht den Unmittelbarkeitsgrundsatz und das Konfrontationsrecht in der Hauptverhandlung ablösen dürfe.
In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere die Verständlichkeit von Belehrungen thematisiert. Die Idee, diese in einfacher Sprache und in mehreren Sprachen anzubieten, fand breite Zustimmung.
VI. Internationale Perspektiven auf die Méndez-Prinzipien
Internationale Perspektiven machten deutlich, dass die (technische) Umsetzung fairer Vernehmungspraxis längst möglich ist.
Ralf Riegel (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) schilderte indes zunächst Herausforderungen bei Vernehmungen durch ausländische Behörden aus seiner Erfahrung in der internationalen Rechtshilfe. Probleme ergäben sich etwa bei der Übertragung deutscher Belehrungspflichten, bei Unterschieden im Ausbildungsstand und mangelnder Transparenz. Bestehende Abkommen reichten oft nicht als Gewährleistung aus. Er warf die Frage auf, wie im deutschen Strafprozess sichergestellt werden könne, dass Informationen aus dem Ausland zuverlässig und im Einklang mit den Méndez-Prinzipien gewonnen und eingebracht werden, etwa durch die Etablierung internationaler Standards.
Dr. Andreas Kind (Staatsanwaltschaft Bern) stellte einen Praxisvorschlag aus der Schweizer Justiz vor, wie mittels Spracherkennungssoftware (voscriba) der Transkriptionsaufwand bei audiovisuellen Vernehmungen reduziert werden könne. Seit fünf Jahren zeichnet er seine Vernehmungen überwiegend auf und sieht darin – unabhängig vom Einsatz von Spracherkennungstechnologie – merkliche Vorteile. Manuelle Korrekturen und Ergänzungen seien
auch bei der KI-unterstützten Erstellung von Vernehmungstranskripten nötig, allerdings habe das Pilotprojekt eine deutliche Effizienzsteigerung gegenüber einer manuellen Verschriftlichung aufgezeigt.
Prof. Dr. Miet Vanderhallen (Universiteit Antwerpen) betonte, dass alle relevanten Akteur:innen eine gemeinsame Verantwortung trugen, faire und effektive Vernehmungen durchzuführen. Dies betreffe nicht nur die Polizei und Gerichte, sondern auch Politik und Wissenschaft. Laut Vanderhallen müssen alle beteiligten Fachleute wirksam und evidenzbasiert für die Durchführung, Überwachung und Bewertung von Gesprächen geschult werden. In Belgien wurden dazu Schulungsprogramme für die Polizei, Rechtsanwälte und seit kurzem auch für Richter:innen eingeführt. Entwickelt wurden diese auf die Méndez-Prinzipien ausgerichteten Programme von einem Team aus Akademiker:innen und Praktiker:innen. Ergänzend dazu sollen durch eine kontinuierliche Ausbildung erworbene Fähigkeiten gefestigt und aufrechterhalten werden.
VII. Abschluss und Ausblick
Die Tagung verdeutlichte, dass eine faire, effektive und transparente Vernehmungspraxis weniger eine Frage technischer Möglichkeiten als des politischen, rechtskulturellen und individuellen Willens ist. Technische Lösungen wie audiovisuelle Aufzeichnung oder KI-gestützte Transkription sind realisierbar, entfalten jedoch nur dann Wirkung, wenn sie flächendeckend umgesetzt werden und in ein konsistentes Ausbildungs- und Fortbildungskonzept eingebettet sind.
Die Méndez-Prinzipien bieten hierfür einen klaren und menschenrechtsbasierten Rahmen, insbesondere auch, um einen mehrfach geforderten (Mindest-)Standard zu definieren. Ihre Umsetzung in Deutschland erfordert eine strukturelle und kulturelle Neubewertung des Vernehmungsvorgangs. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Stärkung wissenschaftlich fundierter Methoden, der professionellen Schulung aller Akteur:innen und der rechtlichen Absicherung nicht-konfrontativer Vernehmungstechniken. Der internationale Vergleich zeigt, dass eine solche Reform realistisch und notwendig ist. Deutschland kann und sollte dabei eine führende Rolle übernehmen.
[1] Geleitet wurde die Tagung von Dr. Frank Maurer, Jun.-Prof. Dr. Lennart May, Prof. Dr. Jens Puschke LL.M., Dr. Teresa Schneider und Prof. Dr. Frank Zimmermann.
[2] Das Projekt „Establishing Networks to Implement the Principles on Effective Interviewing for Investigations“ (ImpleMéndez) CA22128 ist eine EU-finanzierte COST-Aktion. Online abrufbar unter: https://implemendez.eu/ (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[3] Stand 17.7.2025.
[4] Online abrufbar unter: http://bit.ly/46g4kT6 (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[5] Online abrufbar unter: http://bit.ly/46hvFEc (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[6] Online abrufbar unter: http://bit.ly/3JP8SIy (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[7] Online abrufbar unter: https://www.registryofexonerations.eu/ (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[8] Modell aus dem Vereinigten Königreich. PEACE ist ein Akronym und steht für Planning and Preparation (Planung und Vorbereitung), Engage and Explain (Einleitung und Beziehungsaufbau), Account (Erster freier Bericht), Closure (Abschluss) und Evaluation (Auswertung). Online abrufbar unter: http://bit.ly/3JPw8Gp (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[9] Modell aus Norwegen, das sich auf das PEACE-Modell stützt. Das Akronym KREATIV steht für die norwegischen Begriffe für Kommunikation, Rechtsstaatlichkeit, Ethik und Empathie, aktives Bewusstsein, Vertrauen durch Offenheit, Information und wissenschaftliche Grundlage. Online abrufbar unter: http://bit.ly/3VJed6G (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[10] Online abrufbar unter: http://bit.ly/4pi8Rgm (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[11] Online abrufbar unter: http://bit.ly/47BR5OT (zuletzt abgerufen am 21.8.2025).
[12] Vgl. BVerfGE 133, 168 (227 Rn. 105).