2024, Verlag Nomos, ISBN: 978-3-7560-1018-9, S. 477, Euro 159,00
Die junge Vorschrift des § 315d StGB ist seit 2017 geltendes Recht. Die Legitimation knüpfte der Gesetzgeber an die Feststellung, dass „zunehmend Fälle von illegalen Kraftfahrzeugrennen“ dazu führten, dass „Unbeteiligte getötet oder schwer verletzt werden“ (BT-Drs. 18/10145, S. 1). Insoweit sah man sich veranlasst, die Verortung im bloßen Ordnungswidrigkeitenrecht aufzuheben und illegale Kraftfahrzeugrennen zur Straftat hochzustufen. Dabei kam es schon während des Gesetzgebungsprozesses zur Kritik an der geplanten Vorschrift (so auch in unserer Zeitschrift bspw. von Dahlke/Hoffmann-Holland, KriPoZ 2017, 35), die auch nach Inkrafttreten nicht abriss (bspw. Momsen, KriPoZ 2018, 76).
In seiner umfangreichen Dissertationsschrift nimmt nun Pschorr den Paragrafen ebenfalls in den kritischen Blick und widmet sich insbesondere der Frage, ob § 315d StGB angesichts seiner unbestimmten Tatbestandsmerkmale gar verfassungswidrig ist. Für den umstrittenen sog. „Einzelraserfall“ in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hat jedenfalls das BVerfG diese Variante als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen (NJW 2022, 1160). Insofern ist man gespannt, was in der Monografie an Argumenten pro und contra zusammengetragen wird.
Begonnen wird mit einer Darstellung zum „Hintergrund eines Fremdkörpers“ (S. 23), so dass sich schon hier die negative Bewertung des Verfassers andeutet. Die Taten, die der Gesetzgeber zum Anlass einer Regelung im Strafgesetzbuch nahm, werden zusammenfassend vorgestellt, so dass der Leser einen Eindruck von der Kasuistik bekommt. Anschließend wird die Rechtslage vor Einführung des § 315d StGB sehr knapp geschildert, hier hätte man sich ggf. etwas breitere Ausführungen gewünscht. Schließlich wird in der Einleitung noch die Zielsetzung, Normstruktur und der Regelungskontext des § 315d StGB aufgezeigt, wobei deutlich wird, dass hinsichtlich des Straftatbestands noch „erheblicher Klärungsbedarf“ besteht (S. 57). Diese Feststellung mündet in eine kurze Vorstellung des Untersuchungsgangs, bevor sich im ersten Hauptteil der Arbeit den echten Kraftfahrzeugrennen gem. § 315 Abs. 1 Nrn. 1, 2 StGB gewidmet wird.
Zunächst wird, gleich einer Kommentierung, eine Definition des Kraftfahrzeugrennens gegeben und hierfür nicht nur die Literatur, sondern auch bisherige (Stand: Juli 2024) Rechtsprechung miteinander verwoben. Hier ist es insbesondere gelungen auch die Vorgängervorschrift des § 29 Abs. 1 StVO a.F. und die diesbezügliche Literatur und Rechtsprechung aufzuarbeiten. Es wird deutlich, dass die weitergehenden Schutzgüter der Vorgängervorschrift durch die gesetzliche Regelung im StGB nicht mehr geschützt werden. Dies trage aber dem ultima-ratio-Charakter des Strafrechts Rechnung (S. 90).
Der Verfasser arbeitet heraus, dass Kraftfahrzeugrennen i.S. des § 315d Abs. 1 Nrn. 1, 2 StGB als Hauptzweck auf den Geschwindigkeitswettbewerb abzielen. Verfolgen die Rennen daneben andere Ziele, so stehe dies dem Tatbestand nicht entgegen, wenn diese dem Geschwindigkeitswettbewerb untergeordnet und dienlich sind (S. 110). Zudem müsse dem Kraftfahrzeugrennen eine Komponente der Eskalationsgefahr immanent sein (S. 114).
Insofern kommt die Arbeit zu folgender Definition: „Kraftfahrzeugrennen sind Geschwindigkeitsfahrten mit zumindest zwei Teilnehmern auf Grundlage einer freiwilligen, konkludenten oder expliziten Rennabrede. Gegenstand der Rennabrede ist eine Fahrt gemeinsam oder im Wettbewerb gegeneinander mit dem Hauptzweck, eine möglichst hohe Geschwindigkeit, Durchschnittsgeschwindigkeit oder Beschleunigung zu erreichen. Kraftfahrzeugrennen erfordern einen Verstoß gegen § 3 StVO, nicht notwendig die Verletzung anderer Verkehrsregeln“ (S. 116). Diese vorgeschlagene Definition ist teils weiter, teils aber auch enger als die der Rechtsprechung. Da die Definition geeignet sein muss, auch praxisrelevante Renntypen zu erfassen, wird im nächsten Schritt ihre Praxistauglichkeit anhand der beiden in Betracht kommenden Fallgruppen, nämlich den klassischen Geschwindigkeitsrennen, aber auch der Geschicklichkeitsfahrten überprüft. In der folgenden Prüfung wird deutlich, dass die Geschwindigkeitsrennen erfasst werden. Die maßgeblich von Geschicklichkeit geprägten Rennformen wie bspw. Driftrennen und Fuchsjagden sowie andere verkehrswidrige oder atypische Fahrweisen werden durch die vom Verfasser gewählte Definition vom Tatbestand ausgeschlossen. Dies ist der Vorteil gegenüber der vom BGH gewählten Definition, die hier zu Unschärfen führt.
Da Kraftfahrzeugrennen nur dann strafrechtlich relevant sind, wenn sie „nicht erlaubt“ sind, klärt die Dissertation im nächsten Schritt, welche Voraussetzungen das Gesetz für die Erteilung einer solchen Erlaubnis vorsieht und welche Wirkung eine Erlaubnis entfaltet. Aufgrund ihres Ausnahmecharakters wird eine Erlaubnis aber nur selten erteilt werden (S. 142).
Anschließend wird der Frage nachgegangen, ob der Gesetzgeber alle Handlungen unter Strafe gestellt hat, die im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugrennen stehen. Dazu werden die Tatmodalitäten des § 315d StGB untersucht. Zunächst wird für § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB festgestellt, dass der Gesetzgeber hier die aktive Partizipation am Kraftfahrzeugrennen als Kraftfahrzeugführer sanktioniert. Diese Variante sei ein Konvergenzdelikt mit notwendiger Nebentäterschaft. Die Nebentäter initiieren das Rennen mit dem Anrollen der Räder von der Startlinie aus und vollenden damit die Tat. Das Dauerdelikt der Teilnahme sei dann mit dem Rennende beendet. Eine Teilnahme ist nach den klassischen Regeln möglich (S. 165). Rein passives Verhalten setzt eine Garantenstellung voraus, die eine Handlungspflicht begründet (S. 166).
Im Rahmen des Ausrichtens gem. § 315d Abs. 1 Nr. 1 StGB wird aufgrund der weiten Vorverlagerung der Tatvollendung eine verfassungskonforme Reduktion dahingehend gefordert, dass ein vollendetes Ausrichten den Rennbeginn voraussetzt. Das Durchführen im Rahmen der zweiten Variante solle dagegen alle vor Ort Beteiligten als Täter bestrafen (S. 182). Hier würden auch materielle Beihilfehandlungen erfasst (S. 184). Eine solche Durchbrechung des Beteiligungssystems sei fraglich. Denn § 315d Abs. 1 Nr. 1 StGB sanktioniere ohne nachvollziehbaren Grund materielle Teilnahmehandlungen täterschaftlich, obwohl diese bereits nach allgemeinen Regeln strafbar wären. Dies war gesetzeshistorisch bedingt durch eine Überführung der Regelung aus der StVO in das StGB. Dem Ordnungswidrigkeitenrecht liegt nämlich im Gegensatz zum Strafgesetzbuch ein Einheitstäterbegriff zugrunde. Ein solcher Systemwechsel sei aber nicht zulässig und der Gesetzgeber aufgefordert, sich für ein konsistentes Regelungssystem mit stringenter Unrechtsbewertung zu entscheiden. Daher sei § 315d Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht verfassungskonform.
Im zweiten Teil seiner Dissertation beschäftigt sich der Verfasser mit dem sog. „Einzelrennen“ nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Er widmet sich der Normsystematik und Gesetzgebungsgeschichte, um mögliche Regelungsziele zu benennen und inwiefern sie sich auf die Auslegung des Tatbestands auswirken. Schaue man sich die bisherige Rechtsprechung und Literatur an, so werden sichtbar, dass in nahezu allen Fällen die Motive der Fahrt keine signifikante Rolle spielten, sondern es primär auf den besonders gravierenden Geschwindigkeitsverstoß, regelmäßig begleitet durch andere grobe Verletzungen der Verkehrsregeln ankomme. Hier werde die Rücksichtslosigkeit regelmäßig nur formelhaft bejaht. Rücksichtslos handele, wer das Wohl anderer zurückstelle, um selbst möglichst schnell fahren zu können (S. 247). Hier hätten sich primär drei Fallgestaltungen herausgebildet, die im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden, nämlich Fälle der Polizeiflucht, Imponiergehabe und die – aber singulär bleibende – Entscheidung zur Rennstrecke „kleine Eifelrunde“.
Die Dissertation deckt gleich mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe im Rahmen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB auf, die der Auslegung bedürfen (S. 282 ff.). Um dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG zu genügen, müsse die Vorschrift dem Normklarheitsgebot und dem Gesetzlichkeitsprinzip genügen. Beides verneint der Verfasser und macht deutlich, dass es sich bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB um einen verfassungswidrig unbestimmten Tatbestand handelt, bei dem selbst Experten Graubereiche der Strafbarkeit nicht erkennen könnten (S. 333). Zudem verstoße die Vorschrift gegen die Selbstbelastungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 6 EMRK. Entgegen des BVerfG hält Pschorr daher § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB für verfassungswidrig und infolgedessen für nichtig (S. 341 f.).
Im dritten Teil der Arbeit spürt der Verfasser „Friktionen der Qualifikationen im Strafrechtssystem“ (S. 343) nach. Insgesamt wird noch einmal herausgestellt, dass der Gesetzgeber einen Systembruch im Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme verursacht hat mit der Folge, dass es zu einer Durchbrechung der Akzessorietät der Teilnahme kommt. Insofern spricht sich Pschorr de lege ferenda dafür aus, § 315d Abs. 1 Nr. 1 StGB insgesamt zu streichen, die selektive Anknüpfung in § 315d Abs. 2 StGB aufzugeben und dadurch zur „Logik des Systems von Täterschaft und Teilnahme im deutschen Strafrecht zurückzukehren“ (S. 380). Um zu verhindern, dass § 315d Abs. 2 StGB nicht mit §§ 315d Abs. 5 Var. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB verschleift, bedürfe es tiefgreifender Eingriffe in das deutsche Strafrechtssystem. Der Eventualvorsatz müsste neu konzipiert werden, damit sich konkreter Gefährdungs- und Verletzungseventualvorsatz nicht mehr überschnitten. Eine solche tiefgreifende Veränderung lasse aber unerwünschte Auswirkungen auf Delikte außerhalb des Straßenverkehrsrechts befürchten. Das Ziel des Gesetzgebers, einen Auffangtatbestand für den Fall zu schaffen, dass Menschen durch Kraftfahrzeugrennen zu Tode kommen, ließe sich aber nach Auffassung des Verfassers einfacher erreichen. Er spricht sich dafür aus, § 315d Abs. 2 StGB zu streichen und § 315d Abs. 5 StGB als Qualifikation entweder des Abs. 4 oder direkt des Abs. 1 Nr.2 auszugestalten. Auch das hätte eine Ausweitung der Qualifikationsstrafbarkeit zur Konsequenz. Dieser könnte durch eine Neubewertung des Strafrahmens Rechnung getragen werden, ohne die verfassungsrechtlichen Grenzen zu sprengen (S. 381).
Als Friktion wird außerdem festgestellt, dass sich § 315d StGB nicht in das Normgefüge des Strafrechts einfüge, sondern der Systematik der Straßenverkehrsdelikte widerspreche. Aber auch hier könnte der Gesetzgeber nach Meinung des Verfassers diese Friktionen de lege ferenda beseitigen. So könnte das Merkmal „große Zahl“ durch einen konkreten Grenzwert ersetzt oder Vorgaben für eine richterrechtliche Konturierung des unbestimmten Rechtsbegriffs in den Gesetzesmaterialien formuliert werden. Die gleichheitswidrige Strafrahmendisparität könne durch Anpassung des Strafrahmens des § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB nach oben aufgehoben werden, was aber einen tieferen Grundrechtseingriff bedeuten würde. Vorzugswürdig sei daher eine Absenkung des Strafrahmens des § 315d Abs. 4 StGB auf zwei Jahre Freiheitsstrafe im Höchstmaß, was eine Absenkung des Strafrahmens des Abs. 1 auf ein Jahr Freiheitsstrafe im Höchstmaß erzwänge. Daneben könne der Bruch im bisherigen Normsystem der Straßenverkehrsdelikte durch Streichung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB beseitigt werden. Damit entfiele auch die Qualifikation eines originär verkehrswidrigen Verhaltens als Verbrechen nach den Abs. 2 und 5. Die Konsistenz der Systematik könne aber auch dadurch gewahrt werden, dass der Gesetzgeber eine Verbrechensqualifikation für § 315c StGB normiere (S. 393 f.).
Abschließend betont Pschorr im vierten Teil noch einmal das verfassungsrechtliche Gebot der Klarheit der Norm-systematik. Zahlreiche gesetzgeberische Mängel führten zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift. Er erörtert, wie eine Neuregelung des Verbots von Kraftfahrzeugrennen unter Beachtung des Gebots der Klarheit der Normsystematik aussehen könnte und formuliert unter den Grund-sätzen, die er herausgearbeitet hat, einen eigenen de lege ferenda Vorschlag (S. 426 f.). In der Folge hält er auch eine Anpassung des § 315c StGB für erforderlich, für den er ebenfalls einen de lege ferenda Vorschlag formuliert (S. 428).
Der Verfasser mahnt an, dass der Gesetzgeber gehalten ist, aus den vielen Regulierungsalternativen, die ihm offenstehen, diejenige auszuwählen, die innerhalb des bestehenden oder neuen Normsystems realisierbar seien (S. 429). Seine Kritik an der Arbeit des Gesetzgebers in Bezug auf § 315d StGB ist deutlich geworden. Er bleibt dabei aber nicht stehen, sondern erläutert auch umfangreich, was besser gemacht werden kann. Daneben kreiert er einen eigenen de lege ferenda Vorschlag. Dieser behebt Mängel, scheint aber auch noch für weiteren Diskussionsbedarf zu sorgen. Insoweit sei jedem, der sich mit Straßenverkehrsdelikten im Allgemeinen und § 315d StGB im Besonderen beschäftigt, diese Dissertation empfohlen. Jedenfalls wird dem Leser einsichtig, dass das BVerfG mit seiner Entscheidung zu den Einzelrasern zu kurz gesprungen ist. Die Diskussion um die Verfassungswidrigkeit der verbotenen Kraftfahrzeugrennen ist also damit nicht beendet. Ganz im Gegenteil. Pschorr zeigt facettenreich auf, was gesetzgeberisch zu tun ist, um § 315d StGB verfassungskonform auszugestalten. Insofern sollte man weiter darüber streiten, wie § 315d StGB so auszugestalten ist, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen ausreichend Rechnung getragen wird.