von Alicia Althaus und Dr. Justin Samek, LL.M. (NYU)
Abstract
Der Beitrag untersucht die Entscheidungen von BGH und BVerfG zur Verwertbarkeit der ANOM-Chatdaten im Lichte neuer Recherchen der FAZ. Diese enthüllen, dass das FBI und litauische Ermittlungsbehörden das Bezirksgericht Vilnius bei der Genehmigung der Überwachung gezielt getäuscht haben sollen. Beide Gerichte stützten sich jedoch auf ein weitreichendes Vertrauensprinzip gegenüber dem „unbekannten“ Mitgliedstaat und ausländischen Nachrichtendiensten. Der Aufsatz zeigt, wie dieses Vertrauen eine effektive rechtsstaatliche Kontrolle faktisch ersetzt und die Verteidigungsrechte strukturell aushöhlt.
The article examines the decisions of the Federal Court of Justice (BGH) and the Federal Constitutional Court (BVerfG) on the admissibility of ANOM chat data in light of new FAZ investigations. These reveal that the FBI and Lithuanian law-enforcement authorities allegedly misled the Vilnius District Court when seeking authorization for the surveillance. Both courts, however, relied on an expansive principle of mutual trust toward the “unknown” Member State and foreign intelligence services. The article demonstrates how this reliance effectively replaces genuine judicial oversight and structurally deprives the defense of its procedural rights.
I. Einleitung
Was das U.S. Federal Bureau of Investigation (FBI), eine litauische Richterin und Beweisverwertungsverbote vor deutschen Gerichten miteinander verbindet? Der ANOMChat. Die sogenannten ANOM-Verfahren beschäftigen die Strafgerichte seit mehreren Jahren.[1] Nach einem Urteil des BGH[2] hat sich jüngst auch das BVerfG mit der Thematik befasst. Es nahm eine Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 23. September 2025 nicht zur Entscheidung an.[3] Die Entscheidung wurde am 1. Oktober 2025 veröffentlicht – nur wenige Tage, nachdem neue zentrale Erkenntnisse über die ANOM-Operation bekannt geworden waren.
Am 29. September 2025 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) investigative Recherchen, die erstmals eine systematische Täuschung des Bezirksgerichts Vilnius im Rahmen der Operation dokumentieren. [4] Der Redaktion sei nach eigenen Angaben die Einsicht in den bislang geheim gehaltenen Gerichtsbeschluss vom 3. Oktober 2019 sowie in umfangreiche interne Korrespondenzen zwischen FBI-Agenten und der litauischen Polizei gelungen.
Das Urteil des BGH sowie die Entscheidung des BVerfG zur Verwertbarkeit der ANOM-Daten beruhen auf der Annahme, es gebe keine belastbaren Hinweise auf ein rechtswidriges Vorgehen des bislang unbekannten EU-Mitgliedstaates.[5] Die durch die FAZ offengelegten Vorgänge stellen diese Prämisse in Frage und bekräftigen die bereits in der strafrechtlichen Literatur geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung.[6]
II. Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG
Die Begründung des Nichtannahmebeschlusses des BVerfG vom 23. September 2025 lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ein Beweisverwertungsverbot stellt nach Auffassung des Gerichts stets eine begründungsbedürftige Ausnahme dar.[7] Dies gilt auch dann, wenn die Beweiserhebung durch Polizeibehörden aus Drittstaaten erfolgt. Dazu zählt auch das FBI, das in den USA als Strafverfolgungsbehörde mit nachrichtendienstlichen Befugnissen fungiert.[8] Die Erhebung der Beweise kann durch die drittstaatliche Ermittlungsbehörde im europäischen Ausland stattfinden, selbst wenn sowohl das betreffende Land als auch der konkrete Gerichtsbeschluss, auf dessen Grundlage die Ermittlung beruht, unbekannt bleiben.
Zentraler Pfeiler der Argumentation des BVerfG ist das Vertrauen. Wie bereits der BGH im Urteil vom 9. Januar 2025,[9] vertraut auch das BVerfG darauf, dass im Ausland rechtsstaatliche Verfahren eingehalten wurden. Dieses Vertrauen soll selbst dann gelten, wenn ausländische Nachrichtendienste in einem unbekannten EU-Mitgliedstaat auf nicht offengelegter rechtlicher Grundlage Daten erhoben und diese anschließend deutschen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt haben, denen vergleichbare Eingriffsbefugnisse fehlen.
Das BVerfG formuliert hierzu wörtlich:
„Danach kann so lange von der Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes im anderen Staat ausgegangen werden, solange dies nicht durch entgegenstehende Tatsachen erschüttert wird.“[10]
Damit verlagert das BVerfG die Beweislast faktisch auf den Beschwerdeführer: Nur wenn dieser „entgegenstehende Tatsachen“ darlegen kann, ist das Vertrauen erschüttert – auch wenn ihm mangels Offenlegung der ausländischen Rechtsgrundlagen eine solche Darlegung praktisch unmöglich ist.
Lediglich in Ausnahmefällen erkennt das BVerfG die Möglichkeit eines Beweisverwertungsverbots an, insbesondere wenn
„… die Verwertbarkeit von Informationen, die unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften gewonnen wurden, nicht bejaht werden [darf], wo dies zu einer Begünstigung rechtswidriger Beweiserhebungen führen würde.“[11]
Dass der maßgebliche Gerichtsbeschluss unbekannt ist und daher nicht überprüft werden kann, ob eine solche Begünstigung rechtswidriger Beweiserhebungen vorliegt, hält das Gericht indes nicht für problematisch. Nach seiner Auffassung seien die maßgeblichen Tatsachen über die Beweismittelgewinnung bekannt. Zur Begründung verweist das Gericht auf die Berichte des FBI, in denen beschrieben wird, dass jede verschlüsselte Nachricht zunächst als Kopie auf Servern des „unbekannten Staates“ landete, dort gespeichert und anschließend vom FBI entschlüsselt und wieder verschlüsselt wurde.[12] Der unbekannte Staat selbst habe die Daten also nicht entschlüsselt. Auf dieser Grundlage nimmt das BVerfG an, dass im „unbekannten Staat alles seine Ordnung hatte“ – obwohl über dessen Identität, das Verfahren und den genauen Inhalt der gerichtlichen Beschlüsse weiterhin nichts bekannt ist.
Wörtlich heißt es dazu:
„Warum es auf diesbezügliche Erkenntnisse nach den dargelegten Maßstäben ankommen soll, erschließt sich aber nicht.“[13]
Das Gericht erklärt damit die konkrete Ausgestaltung des ausländischen Verfahrens als irrelevant. Gleichwohl äußert es an anderer Stelle:
„Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der um Rechtshilfe ersuchte ausländische Staat bei der Gewinnung der Beweismittel die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes verletzt haben könnte, ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist.“[14]
Diese Passage zeigt den inneren Widerspruch der Entscheidung: Wenn der maßgebliche Gerichtsbeschluss unbekannt bleibt und das Fehlen von Erkenntnissen nach Auffassung des BVerfG kein Anhaltspunkt sein soll, kann es auch keine Anhaltspunkte für Verstöße geben. Damit immunisiert das Gericht faktisch jede Beweiserhebung, solange keine positiven Beweise für ihre Rechtswidrigkeit vorliegen – Beweise, die aufgrund der Geheimhaltung gar nicht beschafft werden können.
III. Das Urteil des BGH
Der BGH äußerte sich ebenfalls zur Verwertbarkeit der ANOM-Daten.[15] Die wesentlichen Züge dieser Entscheidung sollen im Folgenden dargestellt werden.[16]
Bereits in seiner Entscheidung zu EncroChat hatte der BGH festgestellt, dass bei der Beweisgewinnung durch einen EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nicht von einem rechtswidrigen Vorgehen ausgegangen werden dürfe, solange keine konkreten Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Mindeststandards vorlägen. Diese Linie führte der BGH in seiner Entscheidung zu ANOM-Chat konsequent fort.
Der Senat stellte klar, dass die Rechtmäßigkeit ausländischer Ermittlungsmaßnahmen im Rechtshilfeverkehr nicht am Maßstab deutschen Rechts zu messen sei.[17] Hoheitliche Entscheidungen des ersuchten Staates seien grundsätzlich zu achten; es gebiete sich, „Strukturen und Inhalte fremder Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu respektieren“.[18]
Wie schon in den EncroChat-Fällen stützte sich der BGH auch bei ANOM-Chat auf das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Staaten. Danach könne die deutsche Strafjustiz von der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze im ersuchten Staat ausgehen, „solange dies nicht durch entgegenstehende Tatsachen erschüttert wird“[19]
Im konkreten Fall sah der BGH keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die von den USA übermittelten Informationen oder die ihnen zugrunde liegende Datenerhebung unzutreffend oder rechtswidrig seien.[20] Selbst ein mögliches unionsrechtswidriges Verhalten des unbekannten Mitgliedstaates – etwa ein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 1 RL EEA – führe nach seiner Abwägungslehre nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, da das staatliche Aufklärungsinteresse überwiege.[21]
Damit bildet das vom BGH entwickelte Vertrauenskonzept den normativen Kern sowohl der strafgerichtlichen als auch der verfassungsgerichtlichen Beurteilung der ANOM-Daten.
IV. Die neuen Erkenntnisse über den unbekannten Staat und den Gerichtsbeschluss
Die Funktionsweise des Projekts ANOM ist inzwischen weitgehend bekannt: Das FBI hatte den angeblich abhörsicheren Kryptodienst gezielt für den Einsatz in kriminellen Milieus konzipiert und die Geräte über Vertrauenspersonen verbreiten lassen. In Wirklichkeit kopierte das System sämtliche Nachrichten und leitete sie automatisch an einen Server in einem bislang unbekannten Drittstaat weiter.[22]
Die aktuellen Recherchen der FAZ bringen nun entscheidende neue Erkenntnisse über diesen Drittstaat, den zugrunde liegenden Gerichtsbeschluss und die Kommunikationsstrategie der beteiligten Behörden ans Licht. Nach den vorliegenden Dokumenten handelt es sich bei dem „unbekannten Staat“ um Litauen. Diese Feststellung bestätigt frühere Berichte,[23] liefert nun jedoch darüber hinaus erstmals konkrete Informationen über die Art und Weise, wie der dortige richterliche Beschluss zustande kam.
Laut FAZ-Bericht beauftragte das FBI unmittelbar die litauische Polizei, in Litauen geeignete Server anzumieten, um dort die im Rahmen der Operation erfassten Daten zu speichern. [24]
Entscheidend sind die neuen Informationen zum bislang geheim gehaltenen Gerichtsbeschluss vom 3. Oktober 2019. Nach den Recherchen der FAZ enthält dieser Beschluss weder den Begriff ANOM noch Angaben über den tatsächlichen Serverbetreiber. Die zuständige Richterin genehmigte der litauischen Polizei somit das Kopieren von Daten „von einem Server“, ohne zu wissen, dass es sich dabei um den Server der eigenen Polizei, betrieben im Auftrag des FBI, handelte.[25]
Die ausgewertete E-Mail-Korrespondenz zwischen FBI, litauischer Polizei und Generalstaatsanwaltschaft dokumentiert eine gezielte Informationskontrolle. Bereits im Sommer 2019 sollen FBI und litauische Ermittler erörtert haben, wie das Rechtshilfeersuchen an die USA zu formulieren sei, um juristische Schwierigkeiten mit den litauischen Gerichten zu vermeiden. Nach Absprache mit der Generalstaatsanwaltschaft wurden systematisch wesentliche Angaben gestrichen – darunter:
- dass das FBI selbst den Kryptodienst entwickelt hatte,
- dass auf den Servern bereits entschlüsselte und nicht lediglich verschlüsselte Nachrichten gespeichert waren, und
- dass es sich nicht um eine einmalige Datensicherung, sondern um eine dauerhafte und anlasslose Kommunikationsüberwachung handelte.
Diese Recherchen als richtig unterstellt, verändern den rechtlichen Kontext und damit die rechtliche Bewertung für mögliche Beweisverwertungsverbote grundlegend. Sie stellen nicht nur die Prämisse der deutschen Gerichte – das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit des „unbekannten“ Drittstaates – in Frage, sondern dokumentieren eine gezielte Täuschung der litauischen Justiz durch beteiligte Ermittlungsbehörden und das FBI.
V. Die dreifache Verletzung der Verteidigungsrechte
Die recherchierten Vorgänge zeigen eine strukturelle Verletzung der Verteidigungsrechte, selbst wenn der beweiserhebende Staat von Beginn an bekannt gewesen wäre. Auch in diesem Fall hätten sich die Beschuldigten nicht wirksam verteidigen können. Nach den Recherchen der FAZ waren die dem litauischen Gericht vorgelegten Informationen systematisch unvollständig und in wesentlichen Punkten irreführend.
Die nun offengelegte E-Mail-Korrespondenz belegt, dass zentrale Informationen gezielt verschwiegen wurden – namentlich,
- dass das FBI selbst Entwickler und Betreiber des Kryptodienstes war,
- dass auf den Servern bereits entschlüsselte, nicht bloß verschlüsselte Nachrichten gespeichert wurden, und
- dass es sich um eine dauerhafte Überwachung handelte, nicht lediglich um ein einmaliges Kopieren von Daten.
Diese Umstände wären für die Verteidigung von erheblicher Bedeutung gewesen, um die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anzufechten. Doch sie wurden nicht nur den Beschuldigten, sondern bereits dem entscheidenden Gericht selbst vorenthalten.
Die Informationskontrolle wirkt damit auf drei Ebenen:
- Die Beschuldigten wissen nicht, welcher Staat die Maßnahme tatsächlich durchgeführt hat.
- Sie haben keinen Zugang zu den dort ergangenen gerichtlichen Entscheidungen.
- Selbst wenn sie Zugang hätten, wären diese Beschlüsse aufgrund systematischer Täuschung inhaltlich unzuverlässig.
Diese dreifache Verschleierung macht eine effektive Verteidigung faktisch unmöglich. Sie verletzt das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) in seinem Kern. Der Grundsatz des fair trial verliert seine Substanz, wenn die Verteidigung weder die Herkunft der Beweise noch die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung nachvollziehen kann. Im vorliegenden Fall war aber lange Zeit zusätzlich auch der Staat nicht bekannt, in dem die Datenerhebung erfolgte und dessen Justiz den Gerichtsbeschluss erlassen hat.
VI. Die strukturelle Unmöglichkeit gerichtsfester Verifizierung
Nachdem durch investigative Recherchen immer mehr Details über den beteiligten Staat und den zugrunde liegenden Gerichtsbeschluss bekannt geworden sind, bleibt die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte dennoch schwierig. Die von der FAZ recherchierten Vorgänge werfen eine grundlegende verfahrensrechtliche Frage auf: Wie können deutsche Beschuldigte und ihre Verteidiger diese Erkenntnisse überhaupt gerichtsverwertbar machen?
Zwar hat die FAZ mutmaßlich relevante Dokumente veröffentlicht, doch die Verteidigung kann daraus nur begrenzt prozessuale Konsequenzen ziehen. Denkbar wäre etwa, die Vernehmung der litauischen Richterin als Zeugin zu beantragen, ein Rechtsgutachten zur litauischen Rechtslage einzuholen oder den interviewten Strafrechtsprofessor als Sachverständigen zu laden. Auch der Journalist David Klaubert, der über die Recherchen berichtete, könnte als Zeuge benannt werden.
Zu beachten ist jedoch, dass internationale Rechtshilfeersuchen zur Beweisbeschaffung durch Verteidiger in der Praxis kaum durchsetzbar sind. Anders als Staatsanwaltschaften, die über etablierte Kanäle der Rechtshilfe verfügen und auf zwischenstaatliche Kooperationsmechanismen zurückgreifen können, haben Rechtsanwälte keinen direkten Zugang zu ausländischen Behörden oder Gerichten. Über einen Beweisantrag auf Einholung litauischer Akten oder Vernehmung litauischer Zeugen hat ein deutsches Gericht zu entscheiden. Die Vernehmung ausländischer Zeugen erfordert zudem deren freiwillige Anreise nach Deutschland. Erfahrungsgemäß werden entsprechende Anträge häufig mit Hinweis auf den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung oder mangelnde Erheblichkeit abgelehnt. Die Gefahr besteht insbesondere, da die Verwertbarkeit der ANOM-Daten bereits höchstrichterlich bejaht wurde.
Auch die Vernehmung des FAZ-Journalisten wäre wenig erfolgsversprechend. Zwar könnte er die Existenz der Recherchen bestätigen, doch wäre auch er letztlich nur Zeuge vom Hörensagen. Er könnte nicht die Authentizität der Dokumente beweisen und sich zudem auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO berufen, um seine Quellen zu schützen. Die eigentliche Beweisfrage, ob der litauische Gerichtsbeschluss auf unvollständigen Informationen beruhte, bliebe offen.
Gerade deshalb trifft die Pflicht zur Aufklärung den Staat. Nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der Amtsermittlung (§ 244 Abs. 2 StPO) ist es Aufgabe der Gerichte und insbesondere der Staatsanwaltschaft, mögliche Rechtsverstöße von Amts wegen zu untersuchen. Als objektivste Behörde des Verfahrens hat sie nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zu ermitteln.[26]
Wenn durch investigative Recherchen einer renommierten deutschen Zeitung bekannt wird, dass die Rechtsgrundlage der Beweiserhebung auf einer systematischen Täuschung eines europäischen Gerichts beruhen könnte, müssten Staatsanwaltschaften von sich auf die litauischen Akten anfordern, die Richterin vernehmen lassen und die tatsächlichen Umstände aufklären. Dies ist nicht nur eine Frage der Fairness gegenüber den Beschuldigten, sondern eine rechtsstaatliche Notwendigkeit: Ein Rechtsstaat darf Beweismittel, deren Erlangung auf rechtswidrigen Grundlagen beruht, nicht verwerten. Dass diese Aufklärung bisher nicht erfolgte und stattdessen die Beweislast faktisch auf die Beschuldigten und deren Verteidigung verlagert wird, zeigt das strukturelle Defizit des Verfahrens. Die Verteidigung soll beweisen, was sie nicht beweisen kann, während diejenigen, die für Aufklärung sorgen könnten, sich auf das Vertrauensprinzip zurückziehen.
Es entsteht eine prozessuale Asymmetrie: Ermittlungsbehörden dürfen Beweise aus nachrichtendienstlichen Quellen verwerten, deren Rechtmäßigkeit sie nicht nachweisen müssen, während der Verteidigung der Nachweis eines Rechtsverstoßes abverlangt wird, obwohl ihr die dafür nötigen Beweismittel unerreichbar sind oder deren Einführung in den Prozess erheblichen Hürden unterliegt. In einem Rechtsstaat müssen die Instrumente zur Überprüfung der Beweiserhebung den Verfahrensbeteiligten selbst zur Verfügung stehen. Ansonsten verletzt ein solches Strafverfahren den Grundsatz der Waffengleichheit aus Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 3 Abs. 1 GG.
Betont sei, dass die fehlende Verifizierbarkeit der relevanten Vorgänge nicht aus mangelnder Sorgfalt der Verteidigung resultiert, sondern aus der systematischen Intransparenz der Operation, für die ausschließlich die beteiligten Ermittlungsbehörden verantwortlich sind.
VII. Vertrauen als Rechtsgrundlage und die fehlende rechtsstaatliche Kontrolle
Sowohl der BGH als auch das BVerfG haben in ihren Entscheidungen die rechtliche Überprüfbarkeit der ausländischen Datenerhebung durch ein bloßes Vertrauensprinzip ersetzt.[27] Beide Gerichte erklärten, es bestünden „keine belastbaren Anhaltspunkte“ dafür, dass die von den USA übermittelten Informationen unzutreffend oder rechtswidrig seien.[28]
Dieses Vorgehen führt zu einem Doppelstandard: Während inländische Ermittlungsmaßnahmen strengen rechtsstaatlichen Kontrollen unterliegen, genügt bei ausländischen Erkenntnissen der bloße Hinweis auf ein diffuses Vertrauen in fremde Behörden. Wie riskant ein solches Abstellen auf Vertrauen ist, zeigen die durch die FAZ dokumentierten Vorgänge.
Dass sowohl der BGH als auch das BVerfG darauf vertrauen, ausländische Nachrichtendienste würden rechtsstaatliche Mindeststandards „schon einhalten“, lässt sich mit den hiesigen rechtsstaatlichen Prinzipien kaum vereinbaren. Nachrichtendienste sind nicht dafür bekannt, international auf rechtsstaatlicher Grundlage zu agieren – und können dies angesichts ihres operativen Auftrags teilweise auch nicht. Im Strafprozess führt die Verwertung von Beweismitteln, die auf unbekannten Wegen erlangt wurden, jedoch zu einem fundamentalen Problem. Nehmen Gerichte an, Rechtsstaatlichkeit bestehe „bis zum Beweis des Gegenteils“, verkehren sie das Schutzprinzip des Grundgesetzes in sein Gegenteil. Sie verlagern die Darlegungslast auf den Beschuldigten, der aufgrund der Geheimhaltung der Vorgänge objektiv keine Möglichkeit hat, gegenteilige Beweise beizubringen.
Naheliegend erscheint, dass die Gerichte ein anderes Ziel verfolgen: Sie wollten die auf ANOM-Daten gestützten Ermittlungserfolge gegen organisierte Kriminalität nicht gefährden. Der BGH hatte ausdrücklich betont, es habe „keine anderen, vergleichbar erfolgversprechenden Ermittlungsansätze“ gegeben.[29] Dieses Argument ist kriminalpolitisch nachvollziehbar – rechtsstaatlich jedoch höchst problematisch.
Die fehlende Verfügbarkeit vergleichbarer Ermittlungsinstrumente in Deutschland und der Europäischen Union beruht nicht auf technischen, sondern auf gesetzgeberischen Beschränkungen. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber hat sich bisher bewusst dagegen entschieden, deutschen Ermittlungsbehörden umfassende verdeckte Kommunikationszugriffe ohne richterliche Kontrolle zu gestatten. Indem die Gerichte die Nutzung ausländischer Nachrichtendienstdaten dennoch legitimieren, unterlaufen sie diese gesetzgeberische Entscheidung.
Die FAZ-Recherchen zeigen, wie intransparent und manipulierbar solche Beweismittelgewinne sein können. Das Gericht in Litauen wurde offenbar gezielt getäuscht; die Ermittlungsmaßnahme beruhte auf unvollständigen und irreführenden Angaben. Dies bestätigt die bereits in der Literatur geäußerte Sorge, dass ein unreflektiertes Vertrauen in fremde Behörden zu einem faktischen Kontrollverlust führt.[30]
Folgt man dagegen der Argumentation von BVerfG und BGH, entsteht ein rechtsfreier Raum für die Beweiserhebung: Ausländische Nachrichtendienste dürfen im Geheimen Kommunikationsdaten erheben, ohne dass deutsche Gerichte oder Strafverteidiger den Erhebungsvorgang prüfen können. Diese Daten können anschließend an deutsche Strafverfolgungsbehörden weitergegeben und dort ohne Transparenz verwertet werden.
Das LG Darmstadt hatte bereits in einem anderen ANOM-Verfahren hervorgehoben, dass sich eine belastbare Prüfung, ob die Maßnahme rechtsstaatlichen Standards genügt, ohne Einsicht in die zugrundeliegenden richterlichen Entscheidungen nicht beantworten lasse.[31] Diese Einschätzung wird nun durch die Erkenntnisse der FAZ, sollten sie sich bewahrheiten, eindrucksvoll bestätigt: Der litauische Strafrechtsprofessor Remigijus Merkevičius erklärte in der FAZ, die Richterin hätte den Beschluss bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht erteilt.[32]
Das Ergebnis ist eine paradoxe Situation: Die höchsten deutschen Gerichte zeigen sich bereit, ausländischen Nachrichtendiensten Vertrauen zu schenken, das sie den eigenen Behörden zu Recht nur unter strengen Voraussetzungen gewähren würden.
VIII. Weiterhin Verstoß gegen EuGH-Anforderungen und EMRK
Die Wahrung der Grundrechte bei grenzüberschreitenden europäischen Ermittlungen ist höchstrichterlich anerkannt. Der EuGH hat klargestellt, dass nationale Gerichte die Wahrung der Grundrechte der betroffenen Personen im Rahmen von grenzüberschreitenden Ermittlungen gerichtlich überprüfen können müssen.[33] Nach der Systematik der Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung (RL EEA) bestehen hierfür drei zentrale Sicherungsmechanismen:
- Überprüfbarkeit durch Gerichte – nationale Gerichte müssen schwerwiegende Verstöße gegen Grundrechte prüfen und bei Bedarf prozessuale Konsequenzen, etwa Beweisverwertungsverbote, ziehen können.[34]
- Unterrichtungspflicht nach Art. 31 RL EEA – der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet eine Überwachungsmaßnahme stattfindet, muss informiert werden, um gegebenenfalls die Maßnahme zu beenden, wenn die innerstaatlichen Voraussetzungen fehlen.[35]
- Verteidigungsmöglichkeit der Betroffenen – Beschuldigte müssen die tatsächlichen Umstände der Beweiserhebung kennen, um ihre Verteidigungsrechte wirksam ausüben zu können.[36]
Die ANOM-Operation erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Die Daten wurden nicht im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung von einem bekannten Mitgliedstaat erlangt, sondern über ein mehrstufiges, intransparentes Rechtshilfeverfahren: Ein unbekannter EU-Mitgliedstaat übermittelte die Daten an das FBI, das sie anschließend über Europol an das BKA weiterleitete.[37] Eine Unterrichtung Deutschlands nach Art. 31 RL EEA erfolgte nicht.[38]
Die durch die FAZ dokumentierten Vorgänge zeigen zudem, dass die Defizite weit über bloße Formfehler hinausgehen. Die vom EuGH geforderte gerichtliche Überprüfbarkeit setzt voraus, dass der ausländische Beschluss selbst auf wahren und vollständigen Tatsachen beruht. Diese Grundvoraussetzung war hier nicht erfüllt. Der litauische Gerichtsbeschluss vom 3. Oktober 2019 wurde laut den FAZ-Recherchen auf Grundlage systematisch unvollständiger und irreführender Informationen erlassen. Ein deutsches Gericht kann die Wahrung der Grundrechte nicht überprüfen, wenn es das maßgebliche ausländische Gericht zunächst nicht kennt. Und selbst wenn dieses Gericht bekannt wäre, wurde es nach den Recherchen der FAZ im vorliegenden Fall getäuscht.[39] Die vom EuGH geforderte Überprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung ist damit nicht gegeben.
Auch die vom EuGH verlangte Unterrichtungspflicht wurde verletzt. Deutsche Behörden wurden erst nach Abschluss der Abhörmaßnahmen informiert und konnten daher weder prüfen noch verhindern, dass eine anlasslose Massenüberwachung stattfand. Diese Kontrollmöglichkeit wurde faktisch ausgeschlossen, weil die entscheidende Information – dass das FBI den Kryptodienst selbst entwickelt und kontrolliert hatte – gezielt verschwiegen wurde. Für eine derartige Kombination aus massenhafter Kommunikationsüberwachung existiert keine Rechtsgrundlage im deutschen Recht.[40]
Schließlich ist auch die vom EuGH geforderte Verteidigungsmöglichkeit illusorisch. Sie setzt voraus, dass Betroffene Kenntnis von den tatsächlichen Umständen der Beweiserhebung erlangen können. Im Fall ANOM-Chat ist nicht nur der beweiserhebende Staat zunächst unbekannt geblieben, sondern selbst bei Kenntnis der Gerichtsbeschlüsse könnten Beschuldigte nicht erkennen, dass diese auf einer Täuschung beruhten.
Diese dreifache Verschleierung – Unbekanntheit des Staates, Unzugänglichkeit der Beschlüsse und Täuschung bei deren Erlangung – zerstört die vom EuGH geforderte gerichtliche und verteidigungsbezogene Kontrollstruktur vollständig. Die Maßnahme verstößt damit zugleich gegen Art. 6 EMRK und Art. 47, 48 GrCh, die einen effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren garantieren.
IX. Der Zweck heiligt nicht die Mittel
Der im Zusammenhang mit ANOM-Chat naheliegende Einwand, die erfolgreiche Überführung zahlreicher Angehöriger der organisierten Kriminalität relativiere die rechtlichen Bedenken, verkennt die Kernidee rechtsstaatlicher Ordnung. Die Bekämpfung organisierter Kriminalität gehört zweifellos zu den zentralen Aufgaben eines handlungsfähigen Staates. Doch auch sie findet ihre Grenze in den rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien. Der Rechtsstaat darf im Kampf gegen Kriminalität nicht jene Grenzen überschreiten, die ihn selbst definieren. Gibt er seine eigenen Prinzipien preis, verliert er die rechtliche und moralische Distanz zu dem, was er bekämpft.
Die Akzeptanz systematischer Gerichtstäuschung als Ermittlungsinstrument würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Sie ließe zu, dass die Exekutive Gerichte täuscht, wenn sie dies für zweckmäßig hält, und entwertete die richterliche Kontrolle als zentrales Element der Gewaltenteilung. Wenn Ermittlungsbehörden durch selektive Information gerichtliche Prüfungen faktisch umgehen, verliert diese Kontrolle ihren verfassungsrechtlichen Gehalt.
Langfristig droht eine Erosion rechtsstaatlicher Grenzen: Internationale Kooperation könnte zur systematischen Umgehung nationaler Schutzmechanismen führen, und die gesetzgeberische Kompetenz würde ausgehöhlt, wenn Ermittlungsbehörden ihre Befugnisse über ausländische Partner faktisch ausweiten können.
Besonders aufschlussreich ist, dass US-Bürger von vornherein aus der massenhaften Auswertung der ANOM-Daten ausgenommen waren.[41] US-Bürger genossen so den Schutz ihrer nationalen Rechtsordnung, während europäische Bürger auf Grundlage rechtswidrig erlangter Beweise verfolgt wurden.[42] Diese Ungleichbehandlung legt nahe, dass das FBI die rechtliche Problematik kannte.
Insgesamt handelt es sich bei der Operation um eine gezielte Umgehung rechtstaatlicher Strukturen. Eine Strafverfolgung auf dieser Grundlage mag wirksam sein, rechtsstaatlich ist sie nicht.
X. Gesetzgeberische Konsequenzen und Reformbedarf
Die Notwendigkeit der „Operation Trojan Shield“[43] verdeutlicht, dass die bestehenden Befugnisse der Ermittlungsbehörden mit der digitalen Kommunikationsrealität kaum Schritt halten. Kriminelle Netzwerke agieren zunehmend in verschlüsselten, transnationalen Kommunikationsräumen, während die rechtlichen Grundlagen der Beweiserhebung weiterhin an territoriale Zuständigkeiten gebunden sind. Diese Diskrepanz führt dazu, dass deutsche Strafverfolgungsbehörden häufig auf Erkenntnisse aus ausländischen Quellen zurückgreifen müssen, deren Rechtmäßigkeit im Inland nicht überprüft werden kann.
Der europäische Gesetzgeber hat die strukturellen Defizite digitaler Ermittlungen durchaus erkannt. Mit der Richtlinie (EU) 2023/1544 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023[44] und der begleitenden Verordnung (EU) 2023/1543[45] wird erstmals ein unionsweit einheitlicher Rahmen für die Erhebung elektronischer Beweismittel geschaffen. Ziel ist die rechtstaatlich kontrollierte Entgegennahme, Befolgung und Durchsetzung von Anordnungen gegenüber Diensteanbietern, die ihre Leistungen in der Union anbieten. Die Erwägungsgründe (1) bis (3) betonen, dass nationale Alleingänge bei der Beweiserhebung zu Rechtszersplitterung, Unsicherheit und mangelnder Durchsetzbarkeit führen.
Zur Umsetzung dieser Vorgaben legte das Bundesministerium der Justiz im Jahr 2024 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der E-Evidence-Verordnung und zur Umsetzung der E-Evidence-Richtlinie (RefE E-EvidenceRL) vor, dem im Frühjahr 2025 der Regierungsentwurf (RegE E-Evidence 2025) folgte.[46] Der Entwurf sieht die Einführung eines neuen Gesetzes über den Vollzug Europäischer Beweisanordnungen in Strafsachen (EBewMG) sowie begleitende Änderungen der Strafprozessordnung (§§ 94 ff., § 100g StPO n.F.) vor. Damit sollen deutsche Justizbehörden künftig Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen unmittelbar an Diensteanbieter in anderen Mitgliedstaaten richten können, sofern diese eine benannte Niederlassung oder einen Vertreter in der Union benannt haben. Die Koordinierung und Kontrolle obliegt dem Bundesamt für Justiz (§ 9 EBewMG), das als zentrale Behörde die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit solcher Anordnungen prüft.
Die E-Evidence-Gesetzgebung ergänzt das bestehende europäische System, das auf der Europäischen Ermittlungsanordnung (RL 2014/41/EU) basiert. Diese beruht auf der klassischen Rechtshilfe zwischen Justizbehörden. Die E-Evidence-Verordnung erlaubt dagegen einen unmittelbaren Zugriff auf elektronische Daten bei Diensteanbietern in anderen Mitgliedstaaten. Dadurch entfällt die bisher notwendige Einschaltung des Sitzstaates und die damit verbundene Verzögerung. Das Verfahren bleibt rechtstaatlich eingebettet, weil jede Anordnung einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Sie schafft ein unionsinternes, überprüfbares Verfahren, das Effizienz und Rechtstaatlichkeit verbindet.
Die Initiative reagiert auf dieselbe strukturelle Problemlage, die im ANOM-Komplex sichtbar wurde, ohne dessen konkrete Sachverhalte zu erfassen. Zugleich zeigt sie, dass der Gesetzgeber in der Lage ist, rechtsstaatliche Verfahren für die Erhebung und Verwendung digitaler Beweise zu schaffen. Auch aus diesem Grund sollten fehlende gesetzliche Strukturen nicht durch ein pauschales Vertrauen in Drittstaaten und deren Nachrichtendienste ersetzt werden dürfen.
XI. Fazit: Rechtsstaatliche Konsequenzen aus den neuen Erkenntnissen
Sollten sich die durch die FAZ dokumentierten Erkenntnisse bestätigen, steht fest, dass das Bezirksgericht Vilnius im Rahmen der ANOM-Operation durch gezielte Informationsvorenthaltung getäuscht wurde. Die ausgewertete E-Mail-Korrespondenz zwischen FBI, litauischer Polizei, Generalstaatsanwaltschaft und Europol legt nahe, dass rechtliche Hürden nicht durch rechtsstaatliches Verfahren, sondern durch bewusste Zurückhaltung entscheidender Informationen umgangen wurden. Erinnert sei daran, dass der litauische Strafrechtsprofessor Remigijus Merkevičius erklärte, die Richterin hätte den Beschluss bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände nicht unterzeichnet – ein Hinweis darauf, dass die Täuschung kausal für die Erlangung der Genehmigung war. Es ist jetzt Aufgabe aller Verfahrensbeteiligten, auch der Staatsanwaltschaft, die Vorgänge aufzuklären.
Sollten die vorliegenden Recherchen in einem gerichtlichen Verfahren bestätigt werden, müssten Ermittlungen, die ausschließlich auf ANOM-Daten gestützt sind, gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels verwertbarer Beweismittel eingestellt werden.
[1] Damit beschäftigten sich u.a. das OLG Frankfurt a.M., NJW 2022, 710; OLG Saarbrücken, MMR 2023, 697 Rn. 5; OLG München, BeckRS 2023, 30017; LG Memmingen, BeckRS 2023, 26989.
[2] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25.
[3] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25.
[4] Klaubert, David, FAZ v. 29.9.2025, „Wie Ermittler Tausende Kriminelle täuschten – und eine Richterin“, abrufbar unter: https://bit.ly/490HcLb (zuletzt abgerufen am 7.11.2025).
[5] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 29.
[6] So beispielsweise: Althaus/Samek, KriPoZ 2024, 298 ff.; Sommer, HRRS 2024, 394 (398); Althaus, HRRS 2025, 87 ff.
[7] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 25.
[8] Im Folgenden wird das FBI als Nachrichtendienst bezeichnet. Technisch handelt es sich um eine Ermittlungsbehörde des US-Justizministeriums mit nachrichtendienstlichen Befugnissen im Bereich der inneren Sicherheit.
[9] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 18 ff.
[10] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 29.
[11] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 26.
[12] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 31.
[13] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 32.
[14] BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 33.
[15] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25.
[16] Siehe dazu ausführlich Althaus, HRRS 2025, 87 ff.
[17] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 18.
[18] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 19.
[19] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 18 ff.
[20] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 17, 23.
[21] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 24 ff.
[22] Ausführlich: BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 12 ff.; BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 6-9; BT-Drs. 20/1249, S. 6.
[23] Dies vermutete David Klaubert bereits in seinem Bericht: „Die Kühnheit dieser Operation hat mich umgehauen“, FAZ v. 26.7.2024, abrufbar unter: https://bit.ly/47BzRzf (zuletzt abgerufen am 7.11.2025).
[24] Klaubert, FAZ v. 29.9.2025.
[25] Klaubert, FAZ v. 29.9.2025.
[26] § 160 Abs. 2 StPO lautet: „Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.“
[27] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 29, 33; BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 29.
[28] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 17, 23; BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 29, 33.
[29] BGH, Urt. v. 9.1.2025 – 1 StR 54/25, Rn. 24.
[30] So beispielsweise: Sommer, HRRS 2024, 394 (399 ff.); Althaus/Samek, KriPoZ 2024, 298 ff.; Althaus, HRRS 2025, 87 ff.
[31] LG Darmstadt, Beschl. v. 14.2.2022 – 18 KLs 1200 Js 83736/21; LG Darmstadt, Beschl. v. 3.6.2024 – 15 KLs 950 Js 46577/20.
[32] Klaubert, FAZ v. 29.9.2025.
[33] EuGH, Urt. v. 30.4.2024 – Rs. C-670/22, Rn. 124 ff.
[34] EuGH, Urt. v. 30.4.2024 – Rs. C-670/22, Rn. 104, 130.
[35] EuGH, Urt. v. 30.4.2024 – Rs. C-670/22, Rn. 108 ff. und 118, 124.
[36] EuGH, Urt. v. 30.4.2024 – Rs. C-670/22, Rn. 130 ff.; Althaus/Samek, KriPoZ 2024, 298 (299 f.).
[37] OLG München, Beschl. v. 19.10.2023 – 1 Ws 525/23, BeckRS 2023, 30017, Rn. 60.
[38] EuGH, Urt. v. 30.4.2024 – Rs. C-670/22, Rn. 130 ff.; Althaus/Samek, KriPoZ 2024, 298 (299 f.).
[39] Klaubert, FAZ v. 29.9.2025.
[40] So auch OLG München, BeckRS 2023, 30017, Rn. 63; LG Arnsberg – 2 KLs-412 Js 287/22, Rn. 46.
[41] Klaubert, FAZ v. 29.9.2025.
[42] Soweit das BVerfG davon schreibt, dass gegen die Entwickler des Anom-Chats in den USA Strafverfahren geführt worden sind, betrifft dies einen anderen Sachverhalt, als die massenhafte Überwachung in Europa, BVerfG, Beschl. v. 23.9.2025 – 2 BvR 625/25, Rn. 38.
[43] Offizieller Name der gesamten Operation.
[44] Richtlinie (EU) 2023/1544 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 zur Festlegung einheitlicher Regeln für die Benennung von benannten Niederlassungen und die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren, ABl. L 191, 181 ff.
[45] Verordnung (EU) 2023/1543 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 über Europäische Herausgabeanordnungen und Europäische Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafverfahren und für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach Strafverfahren, ABl. L 191, 118 ff.
[46] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz,https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/20 25_E_Evidence.html (zuletzt abgerufen am 7.11.2025).