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Zwischen Luftverkehr und Gefahrenabwehr – Kompetenzrechtliche Fragen der Schaffung von Befugnisnormen zur Verteidigung gegen „Drohnen“

von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel und RA Alexandra Probst

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Abstract
Unbemannte Luftfahrtsysteme – umgangssprachlich „Drohnen“ – werden in jüngerer Zeit häufiger im deutschen Luftraum gesichtet. Sie können von feindlichen Mächten als Mittel hybrider Angriffe zur Aufklärung, Überwachung und Zielerfassung, zur Verunsicherung und zur Sabotage genutzt werden. Auch jenseits solcher Einsatzformen können Drohnen Gefahren unterschiedlichster Art hervorrufen. Bund und Länder schaffen aktuell Befugnisnormen zur Drohnenabwehr in ihren Polizeigesetzen oder diskutieren solche Vorschriften. Rechts- und sicherheitspolitisch sind solche Regelungen naheliegend, um Abwehrmaßnahmen auf eine verlässliche Rechtsgrundlage zu stellen. Es bestehen jedoch verfassungs-, namentlich kompetenzrechtliche Bedenken gegen landesgesetzliche Bestimmungen. Darüber hinaus erscheint aufgrund der besonderen Bedeutung der Thematik und zur Vermeidung von Zuständigkeitsdiffusionen ein bundesweit abgestimmtes Konzept als erforderlich.

Unmanned aerial vehicles – colloquially known as „drones“– have been sighted more frequently in German airspace in recent times. They can be used by hostile powers as a means of hybrid attacks for reconnaissance, surveillance, and target acquisition, as well as for intimidation and sabotage. Even beyond such deployments, drones can pose a wide range of dangers. The German federal and state legislators are currently establishing or discussing regulations authorizing drone defense in their police laws. From a legal and security policy perspective, such regulations are a logical step to establish a reliable legal basis for defensive measures. However, there are constitutional concerns, particularly regarding the legislative competence. Furthermore, given the particular importance of the issue and to avoid overlapping jurisdictions, a nationally coordinated strategy appears necessary.

I. Einleitung

In den zurückliegenden Monaten wurden vermehrt unbemannte Luftfahrtsysteme – „Drohnen“ – in der unmittelbaren Umgebung von Flughäfen, militärischen Stützpunkten und Einrichtungen der kritischen Infrastruktur gesichtet. Dabei wurden sowohl einzelne Flugkörper als auch Drohnengruppen und -schwärme entdeckt. Für den Flugverkehr hatte dies teilweise erhebliche Folgen; so kam es etwa in einzelnen Fällen zu einer zeitweisen Einstellung. Es gibt Hinweise darauf, dass es sich um koordinierte, systematische Einsätze handeln könnte; diese rechnen zu den Formen hybrider Bedrohungen.[1] Auch zu anderen kriminellen Zwecken können unbemannte Flugkörper genutzt werden: als Transportmittel für Betäubungsmittel und Waffen, als Trägersystem für Spreng- und andere Gefahrenstoffe oder zum Auskundschaften potenzieller Tatorte. In Bund und Ländern werden derzeit verschiedene Möglichkeiten diskutiert, den von Drohnenüberflügen drohenden Gefahren zu begegnen.[2] Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat einen Drohnen-Abwehrplan in Gang gesetzt – bei der Bundespolizei soll in Kürze eine neue Drohnenabwehreinheit ihren Dienst aufnehmen; zudem sollen umfangreiche Investitionen in die Drohnenabwehrtechnik getätigt werden.[3] Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem „Gesetz zur Modernisierung des Bundespolizeigesetzes“[4] sieht in § 39 BPolG-E eine Befugnisnorm zum Einsatz technischer Mittel gegen unbemannte Fahrzeugsysteme „an Land, in der Luft oder zu Wasser“, gegen deren Steuerungseinheit (z. B. Funkfernsteuerungsgeräte) oder Steuerungsverbindung (z. B. gegen die Kabel von Glasfaserdrohnen) vor. Auch die Bundesländer sehen Handlungsbedarf: In § 15e des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) besteht etwa bereits eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage,[5] ebenso in § 9b des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG). Zudem befindet sich ein Gesetz zum Schutz vor Drohnenüberflügen in Bayern im Gesetzgebungsverfahren, das einen Art. 29a in das Polizeiaufgabengesetz einfügen soll.[6] Ähnliche Bestimmungen sind in Polizeirechtsnovellen verschiedener Länder vorgesehen.

Die Schaffung spezieller Befugnisnormen für den Einsatz technischer Mittel zur Drohnenabwehr erscheint rechtspolitisch als sachgerecht und wünschenswert.[7] Solche Mittel können etwa Laser, elektromagnetische Impulse, Jamming, GPS-Störung, Fangnetze und die Nutzung von Detektionstechnik, etwa die Überwachung des elektromagnetischen Wellenspektrums, sein.[8] Zwar können die Polizeikräfte der Länder nach verbreiteter Auffassung schon nach geltendem Recht auf der Grundlage der Befugnisgeneralklauseln und der Bestimmungen über den Zwangsmitteleinsatz mit den erforderlichen Maßnahmen gegen Drohnen vorgehen, sofern von diesen Gefahren ausgehen.[9] Für polizeirechtliche Instrumente, mit deren häufigerer Nutzung zu rechnen ist, sollten jedoch spezifische Rechtsgrundlagen geschaffen werden, um ein rechtssicheres Handeln zu ermöglichen und den Besonderheiten der jeweiligen Maßnahme hinreichend Rechnung tragen zu können.[10] Zwar ist die Anwendung der Generalklauseln nicht auf „atypische“ Fälle beschränkt und damit gewissermaßen einem normativen „Ablaufdatum“ unterworfen; die „polizeirechtliche Generalermächtigung dient auch und nicht zuletzt der Bewältigung immer wieder vorkommender Gefahrensituationen und ist nicht auf ‚untypisches‘, in der polizeilichen Praxis noch nicht erprobtes Eingriffshandeln beschränkt.“[11] Angesichts der rechtlich relevanten Spezifika der Drohnenabwehr – Einsatz technischer Mittel, Beschädigung, Zerstörung bzw. Sicherstellung der Drohne, Gefährdung am Boden befindlicher Personen und Sachen von bedeutendem Wert usw. – dürfte jedenfalls mittelfristig eine maßnahmenspezifische spezielle Normierung geboten sein. Die Aktivität der Gesetzgeber überrascht daher nicht.

 

Die Bedrohung durch unbemannte Luftfahrtsysteme weist indes einen anderen Charakter auf als gängige Gefahrenlagen „vor Ort“. Drohnen sind beweglich, haben eine beachtliche Reichweite, können das Gebiet verschiedener Länder überfliegen und militärische Liegenschaften, Flughäfen und -plätze,[12] Justizvollzugsanstalten[13] und Bahnanlagen beobachten. Die Absichten der Steuernden sind häufig nicht ohne weiteres erkennbar. Dies führt zu erheblichen Herausforderungen bei der Abgrenzung von Zuständigkeiten und Befugnissen namentlich der Bundeswehr,[14] der Bundespolizei und der Landespolizeien. Vor diesem Hintergrund ist eine koordinierende Abstimmung der gesetzgeberischen und behördlichen Maßnahmen zur Drohnenabwehr dringend anzuraten. Die naheliegende Abgrenzung nach örtlichen bzw. räumlichen Gesichtspunkten – etwa über militärisch genutzten Gebieten oder Bahnanlagen – erweist sich aufgrund der Mobilität der Drohnen außer in eindeutigen Fällen als wenig praktikabel. Gravierender noch ist ein kompetenzrechtlicher Einwand gegen die Schaffung von Ermächtigungsgrundlagen zur Drohnenabwehr durch die Länder; die entsprechenden Bestimmungen in den Landespolizeigesetzen laufen Gefahr, als formell verfassungswidrig bewertet zu werden.

Dieser Beitrag befasst sich im Schwerpunkt mit der Problematik der Gesetzgebungszuständigkeit (u. II.) und behandelt die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Luftverkehr nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG (u. II. 1.), die Annexkompetenz für sonderpolizeiliche Regelungen (u. II. 2.) sowie die Frage einer Delegation der Legislativzuständigkeit an die Länder (u. II. 3.). Lösungsmöglichkeiten werden vorgeschlagen (u. III.). Der Beitrag schließt mit einem Fazit (u. IV.).

II. Gesetzgebungskompetenz

1. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den „Luftverkehr“

Die Gesetzgebungskompetenz der Länder für Vorschriften zur Abwehr von unbemannten Luftfahrtsystemen unterliegt erheblichen Zweifeln. Gemäß Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder „das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“. Art. 70 Abs. 2 GG ordnet an, dass sich die „Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung“ bemisst. Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nach Art. 71 GG nur, soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden. Damit besteht eine „Sperrwirkung“ gegenüber der Landesgesetzgebung.[15] Der Katalog der Regelungsmaterien, für die dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung zusteht, findet sich in Art. 73 Abs. 1 GG. Nach dessen Nr. 6 hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über „den Luftverkehr“.

Der Begriff des „Luftverkehrs“ bedarf der Auslegung. In Anlehnung an die Formulierung einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Reiches in der Weimarer Reichsverfassung für „den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (…) in der Luft“[16] (Art. 7 Nr. 19 WRV) ließe sich „Luftverkehr“ lediglich als Materie zur Regulierung der Benutzung des Luftraums verstehen. Umfasst ist damit jedenfalls die Gesamtheit der Flugbewegungen von Luftfahrzeugen im Luftraum, deren Aufstiege und Landungen sowie dafür benötigte Anlagen. Der „Luftverkehr“ ist dabei vor allem als Wirtschaftszweig angesprochen. Wie sich allerdings aus Art. 87d Abs. 1 GG ergibt, stehen Aufgaben der Flugsicherung in engem Zusammenhang mit der Luftverkehrsverwaltung. Nach Abs. 1 S. 1 wird die Luftverkehrsverwaltung in Bundesverwaltung geführt. Gemäß Abs. 1 S. 2 können „Aufgaben der Flugsicherung auch durch ausländische Flugsicherungsorganisationen wahrgenommen werden, die nach Recht der Europäischen Gemeinschaft zugelassen sind“. Die Bestimmungen zeigen, dass es beim „Luftverkehr“ nicht allein um Wirtschaftsregulierung geht, sondern zugleich sonderpolizeiliche Aspekte eine bedeutsame Rolle spielen.

2. Annexkompetenz des Bundes für sonderpolizeiliche Regelungen

Ausgehend von dieser Erkenntnis ist auf die Rechtsprechung des BVerfG zu gefahrenabwehrrechtlichen Annexkompetenzen hinzuweisen. Bezüglich Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG hat es unmissverständlich klargestellt: 

„Die Gesetzgebungszuständigkeit für den Luftverkehr umfasst daher als Annex jedenfalls die Befugnis, Regelungen zur Abwehr solcher Gefahren zu treffen, die gerade aus dem Luftverkehr herrühren (…).“[17]

Dies entspricht der Judikatur des BVerfG, die dem Bund – wenn und soweit diesem für eine bestimmte Regelungsmaterie die Gesetzgebungskompetenz zugewiesen ist – zugleich als Annexkompetenz die Gesetzgebungsbefugnis „für die damit in einem notwendigen Zusammenhang stehenden Regelungen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in diesem Bereich“ zuweist („spezialpolizeiliche Vorschriften“).[18] Diese Annahme trägt der Tatsache Rechnung, dass

Die Gesamtheit der Normen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen, (…) keinen selbständigen Sachbereich im Sinne der grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern (bildet). Normen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem bestimmten Sachbereich dienen, sind für die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenz vielmehr dem Sachbereich zuzurechnen, zu dem sie in einem notwendigen Zusammenhang stehen.[19]

Das BVerwG hat zur Abgrenzung spezialpolizeilicher von allgemein gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften ausgeführt:

Unter ‚spezialpolizeilichen Vorschriften‘ sind (…) Normen zu verstehen, die die ordnungsrechtliche Seite der spezialgesetzlichen Erfassung bestimmter Lebensbereiche regeln. Hingegen gehört die Bewältigung der spezialgesetzlich nicht erfaßten (‚unspezifischen‘ (…)) Gefahren zum allgemeinen Sicherheitsrecht und damit zur Zuständigkeit der Länder.“[20]

Die daraus resultierende Annexkompetenz des Bundes im Zusammenhang mit der ausschließlichen Legislativzuständigkeit für den „Luftverkehr“ wird im Schrifttum weit verstanden;[21] sie erfasst alle „spezifisch aus dem Luftverkehr herrührenden Gefahren“, u.a. die Luftaufsicht, die Luftpolizei, die Luftrettung, den anlagenbezogenen Lärmschutz und die Erhebung von Luftsicherheitsgebühren.[22] Der Kompetenztitel bezieht sich nicht nur auf den „reinen“ Flugverkehr, sondern ist in einem umfassenden Sinne so zu verstehen, dass „das gesamte Luftfahrtwesen der Kompetenz des Bundes vorbehalten ist“.[23] Auch wollte der Verfassungsgeber die Zuständigkeit des Bundes mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht auf die Betriebsgefahr beschränken.[24] Damit schließt die ausschließliche Bundeskompetenz die Abwehr von „durch“ und „für“ den Luftverkehr drohende Gefahren ein.[25] Das BVerwG hat deutlich betont:

Ein Luftverkehr ohne staatlich verbürgte Luftsicherheit ist von der Verfassung nicht gewollt.“[26]

Legt man dieses Verständnis zugrunde, ist auch die Abwehr von Drohnen von der Annexkompetenz des Bundes für den Luftverkehr erfasst.[27] Wenngleich die Entscheidung des BVerwG zur Luftsicherheitsgebühr von 1994 vor allem auf den Schutz vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten abgestellt hat[28] und auch das Luftsicherheitsgesetz dem Wortlaut des § 1 nach (nur) „dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen“ dient, erweiterte das Gericht sein Verständnis des Luftverkehrs über den Begriff der „äußeren Gefahren“ im Sinne des LuftSiG hinaus auf Gefahren, die „durch“ den Luftverkehr bzw. die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge drohen – und damit auch durch bzw. von Drohnen. Dass das LuftSiG nicht allein solche äußeren Gefahren für den Luftverkehr zum Gegenstand hat, zeigt sich auch an der Genese der §§ 13 ff. LuftSiG, die zwar in der Sache die Unterstützung und Amtshilfe durch die Streitkräfte regeln (und daher besonderen verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegen), gleichwohl aber als Gefahrenabwehrregelungen zu verstehen sind.[29] Die Vorschriften beruhen als „unmittelbares Eingriffsrecht“ nach der Rechtsprechung des BVerfG auf der Annexkompetenz im Zusammenhang mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG.[30] § 13 Abs. 1 LuftSiG spricht von einem erheblichen „Luftzwischenfall“. Ein solcher Luftzwischenfall

„liegt bei jeder Abweichung vom normalen Flugbetrieb vor. Gegenständlich werden damit nicht nur Flugzeuge als Angriffswaffe (sog. Renegade-Fälle), sondern auch Ballons, Raketen oder sonstige Flugkörper, d. h. Luftfahrzeuge i.S.d. § 1 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes, erfasst.“[31]

Dass Bestimmungen für den solchermaßen beschriebenen Luftzwischenfall im LuftSiG verortet sind, bestätigt, dass es bei Luftsicherheit eben nicht nur um äußere Gefahren für den Luftverkehr geht, sondern ein weiteres Verständnis im Sinne von „Luftaufsicht“ bzw. „Luftpolizei“ zugrunde gelegt ist.

Nach § 1 Abs. 2 S. 3 LuftVG gelten unbemannte Fluggeräte einschließlich ihrer Kontrollstation als Luftfahrzeuge (unbemannte Luftfahrtsysteme) und unterliegen als solche dem Regelungsbereich des Luftverkehrsgesetzes, sofern sie nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung[32] betrieben werden. Zu beachten sind ferner unionsrechtliche Vorgaben, z.B. die Durchführungsverordnung (EU) 2019/947 der Kommission vom 24. Mai 2019 über die Vorschriften und Verfahren für den Betrieb unbemannter Luftfahrzeuge („EU-Drohnen-Verordnung“).

Es ließe sich noch erwägen, ob die Annexkompetenz für sonderpolizeiliche Bestimmungen, die in Zusammenhang mit einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes stehen, zwangsläufig ebenfalls ausschließlichen Charakter haben muss. Die „Exklusivität“ explizit formulierter Kompetenztitel könnte bezüglich der zugehörigen Annexkompetenz „abgeschwächt“ sein. Dafür spricht, dass namentlich bei sonderpolizeilichen Materien die allgemeine Zuständigkeit der Länder für die Sicherheitsgewährleistung Raum und Geltung beanspruchen kann.

Das Konzept der Annexkompetenz ist vom BVerfG zudem selbst relativiert worden:

Allerdings bedarf die Notwendigkeit des Zusammenhangs zwischen einer dem Bund zugewiesenen Regelungskompetenz für ein bestimmtes Sachgebiet und einschlägigen Regelungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung strenger Prüfung. Dies gilt erst recht, wenn die sachgebietliche Kompetenz zu den ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes, insbesondere also zu den in Art. 73 GG aufgeführten, gehört. Jedenfalls für die Abwehr derjenigen spezifisch aus dem Luftverkehr herrührenden Gefahren, auf die die Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes zielen, ist der erforderliche notwendige Zusammenhang gegeben. Denn bei dezentraler Regelungskompetenz hätten unzureichend abwehrwirksame Regelungen eines einzelnen Landes erhebliche negative Folgen für die Sicherheit, die mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht im Wesentlichen auf das betreffende Land beschränkt wären.“[33]

Es wird deutlich, dass dem Gericht zufolge die Annexkompetenz für Regelungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung dann einer besonders strengen Überprüfung und Einordnung bedarf, wenn die „Ausgangskompetenz“ eine ausschließliche ist. Damit muss sie am Ausschließlichkeitscharakter dieser „Ausgangskompetenz“ teilhaben.

Der letzte Satz des Zitats könnte allerdings so zu deuten sein, dass die Annexkompetenz nur dann anzunehmen ist, wenn Abwehrmaßnahmen eines einzelnen Landes zur Gewährleistung der Luftsicherheit im Sinne des LuftSiG unzureichend wären und sich die nachteiligen sicherheitsspezifischen Folgen daraus nicht allein auf dieses Land beschränkten. Das BVerwG hat ausgeführt:

Sicherheit bedingt Abwehr möglicher Gefahren. Das gilt hinsichtlich des Luftverkehrs um so mehr, als eine Abwehr nur konkreter Gefahren im Sinne des allgemeinen Polizeirechts dem Sachproblem nicht hinreichend gerecht würde. Die abzuwehrenden Gefahren lassen sich vielfach nicht von vornherein lokalisieren.“[34]

Damit könnte die Annexkompetenz des Bundes für die Luftsicherheit im weit verstandenen Sinne (etwa als „Luftpolizei“) nach der Konzeption des BVerfG unter dem Vorbehalt einer landesübergreifend zu bewältigenden Problematik und unzulänglicher Abwehrmöglichkeiten einzelner Länder stehen. Eine derart restriktive Auslegung ist den zitierten Passagen allerdings nicht zu entnehmen – das BVerfG stellt auf einen „notwendigen Zusammenhang“ zwischen der dem Bund explizit zugewiesenen Materie und den erforderlichen Regelungen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung ab und stellt klar, in welchen Fällen von einem solchen Zusammenhang auszugehen ist. Damit ist nicht gesagt, dass nicht auch Gefahren von Drohnen, die sich von einem einzelnen Land mit eigenen Mitteln und räumlich begrenzten Konsequenzen abwehren lassen, zur Annexkompetenz gehören können. Den geforderten Zusammenhang wird man als unmittelbar bestehenden zu qualifizieren haben. Mittels dieses Unmittelbarkeitskriteriums sollen Bereiche aus dem Kompetenztitel ausgeschlossen werden, die, wie etwa im Falle des Reise- oder Dienstrechts, nach allgemeinem Sprachgebrauch unter Umständen mit dem Luftverkehr in Verbindung gebracht werden könnten, Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG indessen unstreitig nicht unterfallen.[35]

Die Annahme einer Annexkompetenz des Bundes für die „Luftpolizei“ entspricht dem grundgesetzlichen Konzept, dem Bund solche Sachmaterien zuzuweisen, die typischerweise einer möglichst einheitlichen, bundesweit geltenden Regelung bedürfen. Für den Luftverkehr hat dies bereits die ungewöhnlich modern anmutende Begründung zur Weimarer Reichsverfassung formuliert:

Auch in Deutschland wird eine einheitliche reichsgesetzliche Regelung des Luftfahrtwesens verlangt. Im Herbste des Jahres 1912 sprach sich der in Wien tagende 31. Juristentag für eine Regelung der Haftpflicht der Luftfahrer aus, im Februar 1913 wurde bei der Etatsberatung im Reichstag (…) neben der Regelung des Luftverkehrs eine Verschärfung der Haftpflicht gefordert, und es wird zuzugeben sein, daß die Ausdehnung der Gesetzgebung des Reichs auf die Regelung des Luftverkehrs im Interesse der durch die Luftfahrt bedrohten Allgemeinheit, im Interesse des mit neuartigen Gefahren verbunden Luftverkehrs und nicht zuletzt im Interesse der Landessicherheit dringend erforderlich erscheint. (…) Die grundsätzliche Regelung des Luftverkehrs sowohl wie der Haftpflicht wird sich jedoch nicht auf sämtliche Luftfahrzeuge, zu denen im weitesten Sinne auch Kinderspielzeuge gehören würden, zu erstrecken haben. Die Gesetzesbestimmungen werden vielmehr grundsätzlich nur auf solche Luftfahrzeuge anzuwenden sein, die durch ihre Größe und die Möglichkeit weiter Fortbewegung für die Allgemeinheit gewisse neuartige Gefahren herbeiführen oder welche die Sicherheit der sie benutzenden Personen gefährden können.[36]

Dass die Begründung im Folgenden für die Anwendbarkeit des Luftverkehrsrechts entscheidend darauf abstellt, ob es sich um zur Aufnahme von Menschen bestimmte Luftfahrzeuge handelt oder nicht,[37] beruht auf dem damaligen Stand der Technik. Maßgeblich ist vor allem die Schadensneigung, die man auch bei Drohnen aufgrund ihrer Mobilität und Reichweite, ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und der erschwerten Kontrolle durch Sicherheitsbehörden bejahen kann. „Neuartige Gefahren“ sind die potenziellen Bedrohungen durch den Drohneneinsatz allemal.

Darüber hinaus können Drohnen auch als Mittel zur gezielten Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingesetzt werden. Sie ermöglichen das Ausspähen oder die Sabotage kritischer Infrastrukturen durch das heimliche Erfassen sicherheitsrelevanter Daten oder durch das gezielte Stören von Kommunikations- und Energieanlagen. Ebenso können sie zu Spionagezwecken, insbesondere im Bereich staatlicher Einrichtungen, oder gar für terroristische Handlungen instrumentalisiert werden, indem sie mit gefährlichen Stoffen oder Sprengmitteln ausgerüstet werden. Aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit, namentlich ihrer Reichweite, Steuerbarkeit und Nutzlastfähigkeit, sind Drohnen daher in besonderem Maße geeignet, die öffentliche Sicherheit zu gefährden, womit eine Gefahr „aus“ dem Luftverkehr bzw. „durch“ ihn besteht.

Für „Binnendifferenzierungen“ etwa in Bezug auf die Größe (Klein- bzw. militärisch genutzte Groß-Drohnen o. ä.) besteht kein Raum. Für die Abwehr von Drohnen ist ein einheitliches Regelungskonzept erforderlich. Das Grundproblem liegt in der fehlenden Möglichkeit einer verlässlichen Attribution, also der eindeutigen Zuordnung einer Drohne zu einem bestimmten Betreiber oder Zweck. Zwar nimmt das LuftVG selbst eine Unterscheidung vor, indem in § 1 Abs. 2 S. 3 LuftVG erklärt wird, dass unbemannte Fluggeräte als Luftfahrzeuge gelten – allerdings nur solche, die „nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden“. Möglicherweise sind solche Sport- und Freizeitgeräte aber ohnehin nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 LuftVG als „Flugmodelle“ (ausschließlich der Freizeitgestaltung dienende unbemannte Flugkörper[38]) oder nach Nr. 10 als „Luftsportgeräte“ (unkomplizierte Fluggeräte mit geringem Gefahrenpotenzial für die Allgemeinheit) zu qualifizieren und damit ohne weiteres Luftfahrzeuge. Diese Erwägungen verdeutlichen, dass der Begriff des Luftfahrzeugs weit gefasst ist und der Gesetzgeber damit auch zwar nicht gleichartige, zumindest aber vergleichbare Gefahren durch Luftfahrzeugtypen erwartet. Aus gefahrenabwehrrechtlicher Perspektive verbieten sich mithin normative Unterscheidungen. Aufgrund der technischen Gegebenheiten – insbesondere der häufig anonymen Steuerung, der großen Reichweite, der geringen Erfassbarkeit durch Radar sowie der Möglichkeit des autonomen Flugbetriebs – lässt sich in der Regel nicht feststellen, ob es sich um ein staatliches, privates oder gar ausländisches Gerät handelt. Eine Unterscheidung zwischen vermeintlich „freundlichen“ und „feindlichen“ Drohnen wäre daher praktisch nicht durchführbar. Selbst kleine zivile Drohnen können von inländischen wie ausländischen Akteuren zu Spionage-, Sabotage- oder Überwachungszwecken eingesetzt werden, sodass die potenzielle Gefährdung unabhängig von Größe, Herkunft oder Zweckbestimmung besteht. Darauf, ob eine Einzeldrohne abgewehrt werden soll oder eine Gruppe oder ein Schwarm von Drohnen, kann es ebenfalls nicht ankommen. Eine generalisierende Regelung ist deshalb nicht Ausdruck pauschaler Verdachtsbildung, sondern verfassungsrechtlich geboten, um der faktischen Unaufklärbarkeit und der daraus resultierenden sicherheitsrechtlichen Gefahrenlage wirksam Rechnung zu tragen. Bereits die räumliche Zuordnung einer Drohne gestaltet sich schwierig: Es ist oftmals unklar, wann sich eine Drohne in einem dem Bund zugeordneten Luftraum, insbesondere im Bereich eines Flughafens oder in dessen unmittelbarer Umgebung, befindet und wann sie diesen verlässt. Aufgrund der hohen Beweglichkeit und der Möglichkeit, dass Drohnen unvorhersehbare Flugbahnen einschlagen, lässt sich eine territoriale Zuständigkeitsgrenze kaum eindeutig bestimmen. Hielte sich eine Drohne in Grenzbereichen zwischen zwei Ländern auf oder überschritte diese wiederholt, wäre bei einer landesrechtlichen Ausgestaltung von Befugnisnormen unklar, welche Landesbehörde zuständig ist. Die notwendige Koordination zwischen mehreren Ländern würde Zeit beanspruchen und damit die Effektivität polizeilicher Gefahrenabwehr erheblich mindern.

Auch eine Differenzierung nach der Flughöhe erweist sich als unpraktikabel. Eine solche Abgrenzung wäre willkürlich, da sich die Gefährdung des Luftverkehrs nicht nach der absoluten Flughöhe, sondern nach der konkreten Einsatzsituation, der Flugbewegung und dem jeweiligen Luftraumsegment bestimmt. Im Eilfall ist eine präzise technische Erfassung der tatsächlichen Flughöhe praktisch kaum durchführbar, da entsprechende Messgeräte am jeweiligen Einsatzort bereitgehalten werden müssten. Dies würde in der Praxis zu erheblichen Vollzugs- und Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Gerade angesichts der potenziell gravierenden Gefährdungen, die von Drohnen ausgehen können, darf es im Eilfall nicht zu Zuständigkeitsunklarheiten oder Kompetenzstreitigkeiten kommen.

Nach alledem ist von einer ausschließlichen (Annex-)Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Schaffung von Rechtsgrundlagen zur Abwehr von Drohnen mit technischen Mitteln auszugehen.

3. Delegation der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 71 GG

Daran schließt sich die Frage an, ob der Bund seine Annexkompetenz hinsichtlich der Regelungen zur Drohnenabwehr nach Art. 71 GG durch ausdrückliche bundesgesetzliche Ermächtigung an die Länder delegiert haben könnte. In diesem Falle entstünde eine Zuständigkeit zum Erlass originären Landesrechts.[39] Art. 71 GG spricht von einer Ermächtigung „wenn und soweit“, sodass sich Teilaufgaben delegieren lassen (nicht aber vollständige Kompetenzbereiche[40]) und auch eine parallele Legislativtätigkeit für ausgewählte Bereiche gestattet werden kann.

Allerdings findet sich im Schrifttum der Hinweis, dass sich die Delegation nicht auf ihrer Natur nach notwendig einheitlich zu regelnde Gegenstände beziehen dürfe.[41] Denn Hintergrund der Ermächtigung in Art. 71 GG ist die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer regional differenzierten Sachregelung.[42] Das die Ausschließlichkeit der Kompetenz tragende Kernanliegen grundsätzlicher Bun-

deseinheitlichkeit muss unberührt bleiben.[43] Dies belegt den Ausnahmecharakter[44] des Art. 71 GG ebenso wie die Tatsache, dass die praktische Bedeutung der Norm bislang äußerst gering geblieben ist.[45] Bei der Drohnenabwehr dürften regionale Besonderheiten allenfalls in Ländern mit „Außengrenzen“ zu fremdem Staatsgebiet eine Rolle spielen; diese fallen allerdings nicht derart ins Gewicht, dass sich die Notwendigkeit einer Kompetenzverlagerung bzw. ein sachlicher Grund ergäbe. Dies spricht entscheidend gegen die Möglichkeit eines Vorgehens nach Art. 71 GG.

Selbst wenn man eine ausdrückliche Delegation der Aufgabe der Drohnenabwehr an die Länder nach Art. 71 GG für verfassungsrechtlich zulässig hielte, ist eine solche jedenfalls bislang ohnehin nicht erfolgt. Auf die Annexkompetenz im Kontext des Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG hat der Bundesgesetzgeber insbesondere das Luftverkehrsgesetz und das Luftsicherheitsgesetz gestützt.[46] § 3 des Luftsicherheitsgesetzes regelt die allgemeinen Befugnisse der Luftsicherheitsbehörde. In Abs. 5 der Vorschrift heißt es:

Die Aufgaben und Befugnisse der Polizeivollzugsbehörden bleiben unberührt“.

Diese Bestimmung lässt sich auch bei extensivster Auslegung nicht als Ermächtigung des Bundesgesetzgebers an die Länder verstehen, für den Bereich der Abwehr von Gefahren aus dem Luftraum eigene gesetzliche Regelungen zu schaffen. Art. 71 GG fordert eine „ausdrückliche“ Ermächtigung zur Normsetzung. Dies fordert eine hinreichende Bestimmtheit; es muss sich einer Delegationsnorm zumindest entnehmen lassen, dass die Länder im Wege einer formellen Gesetzgebung tätig werden dürfen, und in welchem Umfang.[47] § 3 Abs. 5 LuftSiG enthält allerdings lediglich eine Bestimmung, die die gefahrenabwehrrechtlichen Aufgaben und Befugnisse der Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder neben denjenigen der Luftsicherheitsbehörde gelten lassen will. Angesprochen ist mit § 3 Abs. 5 LuftSiG nicht der Landesgesetzgeber, sondern Exekutivbehörden. Eine abweichende Bewertung könnte sich allerdings aus der Gesetzgebungshistorie ergeben. In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 14. Januar 2001[48] hat der Bundesrat angeregt, die heute in § 3 Abs. 5 LuftSiG enthaltene Bestimmung an zentralerer Stelle zu verankern,

um zu verdeutlichen, dass die Zuständigkeiten der Länderpolizeien durch das Luftsicherheitsgesetz nicht berührt werden und es auch Aufgabe der Länderpolizeien ist, im Rahmen ihrer umfassenden Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit auch Gefahren für die Luftsicherheit abzuwehren“.[49]

Dieser Hinweis betrifft jedoch ebenfalls nicht die Frage der Gesetzgebungskompetenz, sondern diejenige der fortbestehenden Anwendbarkeit landespolizeirechtlicher Befugnisse. Damit dürften die Landespolizeien durchaus Gefahren, die von Drohnen ausgehen, auf der Grundlage der geltenden Polizeigesetze abwehren – insbesondere, wenn und soweit andere Mittel nicht verfügbar sind. Dies hat schon die Gesetzesbegründung zu § 29d LuftVG a.F. aus dem Jahre 1979 verdeutlicht:

Unberührt bleiben die Aufgaben und Befugnisse der allgemeinen Polizei (Absatz 6), beispielsweise bei akuter Gefahrenlage die erforderlichen Sofortmaßnahmen durchzuführen, wenn und soweit die Luftfahrtbehörde hierzu nicht in der Lage sind (sic!).“[50]

Dass die Luftsicherheitsbehörden – so der Bundesrat weiter – nach dem Luftsicherheitsgesetz keine Vorrangstellung gegenüber den Länderpolizeien haben,[51] betrifft die behördliche Zuständigkeit de lege lata, bewirkt aber keine Verlagerung der Annex-Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das Luftsicherheitsgesetz geht vielmehr „davon aus, dass die Polizeien und die Luftsicherheitsbehörden zumindest dort kooperieren, wo im Interesse der Luftsicherheit, aber auch der allgemeinen öffentlichen Sicherheit eine reibungslose Zusammenarbeit erforderlich ist“.[52]

Auch § 4 des Bundespolizeigesetzes, der der Bundespolizei teilweise Aufgaben des Schutzes vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs zuweist, soweit diese Aufgaben nach § 16 Abs. 3a und 3b LuftSiG in bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden, enthält keine Delegation. Eine Ermächtigung der Landesgesetzgeber ist nicht ersichtlich. Dass die Polizeien des Bundes und der Länder gemäß § 30 Abs. 1a LuftVG von bestimmten Vorschriften des LuftVG abweichen dürfen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist, kann offenkundig ebenfalls nicht im Sinne einer Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen verstanden werden – es handelt sich vielmehr um einen Dispens von luftverkehrsrechtlichen Bestimmungen zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben.

III. Lösungsmöglichkeiten

Der verfassungsrechtliche Befund führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass die Landesgesetzgeber derzeit keine landespolizeigesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen zur Abwehr von Drohnen mit technischen Mitteln erlassen dürfen. Darüber hinaus ist vor diesem Hintergrund zweifelhaft, ob die Landespolizeien im Rahmen ihrer allgemeinen Gefahrenabwehraufgabe auf der Grundlage der landesgesetzlichen Befugnisgeneralklauseln bzw. der Bestimmungen über den Zwang gegen Drohnen vorgehen dürfen, wenn und soweit von diesen Gefahren ausgehen. Die Rechtsfrage lautet, ob die Landespolizeien in einem der ausschließlichen Annexkompetenz des Bundes für sonderpolizeiliche Regelungen zugewiesenen Bereich überhaupt noch auf der Grundlage von Landesrecht agieren dürfen. Dies wird man – um keine „Schutzlücken“ entstehen zu lassen – jedenfalls bis zu einer normativen Regelung bzw. Entscheidung des Bundesgesetzgebers im Sinne einer „Not“- bzw. „Auffangzuständigkeit“ zulassen müssen. In der Rechtsprechung ist anerkannt – und vom BVerfG gebilligt – dass es die polizeiliche Generalklausel „den Behörden ermöglicht, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren“.[53] In solchen Fällen werden Gefahrenabwehr und Rechtsgüterschutz zumindest ausnahmsweise ein möglicherweise kompetenzwidriges Handeln der Landespolizeien decken. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Legislativzuständigkeit für die sonderpolizeiliche Aufgabe „Drohnenabwehr“ grundsätzlich beim Bund zu verorten ist.

Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, wäre ohnehin ein abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern sinnvoll. Vor diesem Hintergrund ergeben sich verschiedene Lösungsoptionen. Nicht sachgerecht wäre es, eine Verfassungsänderung anzugehen und den Kompetenztitel für den „Luftverkehr“ in Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG dahingehend zu differenzieren, dass die Zuständigkeit des Bundes „mit Ausnahme der Luftpolizei“ besteht. Damit wären luftpolizeiliche Aufgaben generell von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausgenommen, was dem engen Zusammenhang mit dem Luftverkehr nicht gerecht würde. Ebensowenig zielführend wäre es, wollte man die Annexkompetenz des Bundes allein auf Luftsicherheit im engeren Sinne erstrecken, also auf den Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen. Damit wären allerdings all diejenigen Gefahren „ausgeklammert“, die ansonsten von Luftfahrzeugen ausgehen; dies wiederum würde die Tatsache ignorieren, dass zum Luftverkehr auch die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge im Allgemeinen zu zählen ist, wie sich an § 1 Abs. 1 LuftVG zeigt, und die von dieser Benutzung ausgehenden Gefahren ebenfalls dem „Luftverkehr“ zuzuordnen sind.

Der Bund könnte von seiner Annexkompetenz selbst umfassend Gebrauch machen und die Abwehr von Drohnen z. B. generell in die Hände der Bundespolizei legen. Dies hätte allerdings kaum lösbare Konflikte und Abstimmungsprobleme mit den Landespolizeien zur Folge; darüber hinaus würde dies zu einer erheblichen Veränderung des Charakters der Bundespolizei führen, die nach wie vor jedenfalls grundsätzlich als „Grenzschutzpolizei“ wirken soll. Nach einem Diktum des BVerfG darf der Bundesgrenzschutz (seit 2005: Bundespolizei) nicht zu einer „allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden und damit sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren“.[54] Auch die Konkretisierung der Amtshilfebestimmungen für die Bundeswehr zur Unterstützung der Landespolizeien ist nicht zielführend,[55] soweit und solange diesen keine umfassende originäre Gefahrenabwehraufgabe zur Drohnenabwehr zugewiesen ist.

Gemäß Art. 87d Abs. 2 GG können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern zudem durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, als Auftragsverwaltung übertragen werden. Gegenstand der Luftverkehrsverwaltung ist – entsprechend dem weitem Luftverkehrsbegriffs des Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG[56] und im Sinne eines funktionellen Verständnisses[57] – auch die Luftsicherheit, zu der wiederum (auch) alle aus dem Luftraum herrührenden Gefahren gehören. Damit wäre es grundsätzlich denkbar, die Abwehr von Drohnen außerhalb der Zuständigkeiten von Bundeswehr und Bundespolizei den Ländern durch Bundesgesetz als Auftragsverwaltung zu übertragen. Die Länder könnten dann selbst entscheiden, welchen Landesbehörden sie diese Aufgabe zuordnen (vgl. Art. 85 Abs. 1 GG).

 IV. Fazit

Für gesetzliche Regelungen zur Abwehr von Drohnen besteht eine Annexkompetenz des Bundes zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG („Luftverkehr“), die ihrerseits ausschließlichen Charakter hat. Landesgesetzliche Ermächtigungsnormen zum Einsatz technischer Mittel gegen unbemannte Luftfahrtsysteme sind damit formell verfassungswidrig. Ohnehin sind landesrechtliche „Alleingänge“ bei diesem komplexen und vielschichtigen Regelungsfeld nicht empfehlenswert; vielmehr sollte für die Sicherheitsakteure in Bund und Ländern – namentlich für die Bundeswehr, die Bundespolizei und die Landespolizeien, gegebenenfalls auch für die Luftsicherheitsbehörden – ein einheitliches normatives Drohnenabwehrkonzept entwickelt werden. Ausgangspunkt ist die Legislativkompetenz des Bundes, der diese zwar nicht durch Bundesgesetz nach Art. 71 GG an die Länder (teil-)delegieren dürfte, die Aufgabe der Drohnenabwehr aber bundesgesetzlich als Bundesauftragsverwaltung an die Länder übertragen könnte (Art. 87d Abs. 2 GG).

 

[1]      Dazu Frick, ZRP 2025, 52 f.; Praunsmändel, Kriminalistik 2022, 510 ff.; zur Drohnenkriegsführung Becker, DVBl. 2018, 619 ff.; Koch/Schörnig, Vorgänge 2017, Nr. 2, 43 ff.; Schönfeldt, BRJ 2015, 25 ff.; Schmidt-Radefeldt, NZWehrr 2013, 89 ff.
[2]      Vgl. allgemein Marosi/Skobel, CR 2019, 65 ff.; Marosi/Skobel, DVBl. 2019, 678 ff.; Daum/Boesch, CR 2018, 62 ff.; CR 2018, 129 ff.
[3]      Vgl. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2025/10/kabinettsklausur-drohnen.html.
[4]      Vgl. zu bisherigen Anläufen und zum Vorgängerentwurf Thiel, KriPoZ 2024, 114 ff.; GSZ 2024, 89 ff.; s. auch Wagner, GSZ 2025, 119 ff.; Walter, ZRP 2024, 234 ff.; Barczak, ZRP 2023, 148 ff.
[5]      Nach dem Vorbild des § 39 BPolG-E, Bäuerle, in: BeckOK-HSOG, 36. Ed. (Stand: 15.10.2025), § 15e Rn. 2.
[6]      Die Änderungen des PAG sollen auch den Einsatz bewaffneter Polizeidrohnen erlauben; vgl. LT-Drs. 19/8567, S. 5.
[7]      Vgl. Bäuerle, in: BeckOK-HSOG, § 15e Rn. 8.
[8]      BT-Drs. 20/10406, S. 111, zu § 39 BPolG-E.
[9]      Jedenfalls im Sinne einer „Notzuständigkeit“, wenn man der nachfolgend begründeten Meinung folgt, dass eine Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Drohnenabwehr derzeit nicht besteht, s.u. III.
[10]    Dazu Bäuerle, in: BeckOK-HSOG, § 15e Rn. 8.
[11]    OVG Münster, Beschl. v. 8.7.2025 – 5 B 579/25, Rn. 23; so schon BVerwG, Urt. v. 25.7.2007 – 6 C 39.06, Rn. 36.
[12]    Vgl. Hercher, ZLW 2019, 181 ff.; Giemulla/Hoppe, GSZ 2020, 123 ff.; Giemulla, UPR 2020, 417 ff.
[13]    Hegele, Forum Strafvollzug 2018, 124 ff
[14]    Vgl. Walter, BayVBl. 2025, 617 ff.
[15]    Seiler, in: BeckOK-GG, 63. Ed. (Stand: 15.9.2025), Art. 71 Rn. 1.
[16]    Dazu Pabst/Schwartmann, in: Bonner Kommentar, 154. Akt. (Okt. 2011), Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 Rn. 1; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. II, 3. Aufl. (2015), Art. 73 Rn. 44; Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 73 Rn. 25.
[17]    BVerfG, Beschl. v. 3.7.2012 – 2 PBvU 1/11, Rn. 18.
[18]    BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 – 1 PBvV 2/52, BVerfGE 3, 407 (433): ablehnend für das Bauwesen; BVerfG, Beschl. v. 29.4.1958 – 2 BvO 3/56, BVerfGE 8, 143 (149 f.); BVerfG, Urt. v. 10.2.2004 – 2 BvR 834, 1588/02, BVerfGE 109, 190 (215).
[19]    BVerfG, Urt. v. 10.2.2004 – 2 BvR 834, 1588/02, BVerfGE 109, 190 (215).
[20]    BVerwG, Urt. v. 10.12.1996 – 1 C 33/94, Rn. 21.
[21]    Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 73 Rn. 25; v. Knobloch/Stephan, in: Hömig/Wolff/Kluth, GG, 14. Aufl. (2025), Art. 73 Rn. 9; Pabst/Schwartmann, in: Bonner Kommentar, Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 Rn. 6; s. aber zu einem engeren Verständnis Frohn, DÖV 1982, 322 f.
[22]    Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 73 Rn. 25.
[23]    BVerwG, Urt. v. 3.3.1994 – 4 C 1/93, NVwZ 1994, 1102.
[24]    BVerwG, Urt. v. 3.3.1994 – 4 C 1/93, NVwZ 1994, 1102 (1103).
[25]    Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 73 Rn. 25; Degenhart, in: Sachs, GG, 10. Aufl. (2024), Art. 73 Rn. 26; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 8. Aufl. (2024), Art. 73 Rn. 57; Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 73 Rn. 137; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 73 Rn. 45.
[26]    BVerwG, Urt. v. 3.3.1994 – 4 C 1/93, NVwZ 1994, 1102.
[27]    Vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rn. 26, „die Luftaufsicht umfasst die Abwehr von Gefahren durch (…) Drohnen“.
[28]    BVerwG, Urt. v. 3.3.1994 – 4 C 1/93, NVwZ 1994, 1102 (1103).
[29]    Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben v. 14.1.2004, BT-Drs. 15/2361, S. 20.
[30]    BVerfG, Urt. v. 3.7.2012 – 2 PBvU 1/11, Rn. 17 ff.
[31]    BT-Drs. 15/2361, S. 20.
[32]    Zur Strafbarkeit von Drohnenüberflügen vgl. Bock/Mikolajewski, ZJS 2025, 837 ff.
[33]    BVerfG, Beschl. v. 3.7.2012 – 2 PBvU 1/11, Rn. 19.
[34]    BVerwG, Urt. v. 3.3.1994 – 4 C 1/93, NVwZ 1994, 1102 f.
[35]    Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 73 Rn. 135.
[36]    Verhandlungen des Reichstags, Band 303, 1914, Berlin, S. 13; https://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00003399/images/index.html?id=00003399&groesser=&fip=eayayztsewqeayaxssdasyztsqrseayaxs&no=&seite=615.
[37]    Ebd., S. 14.
[38]    Vgl. Lampe/Lutz, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 258. EL (August 2025), § 1 LuftVG Rn. 6.
[39]    Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 71 Rn. 5.
[40]    Von einer Beschränkung auf Teilgebiete eines Kompetenztitels geht Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 71 Rn. 6, aus; ebenso Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 71 Rn. 10.
[41]    Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 71 Rn. 6.
[42]    BVerfG, Beschl. v. 23.3.1965 – 2 BvN 1/62, BVerfGE 18, 407 (418).
[43]    Seiler, in: BeckOK-GG, Art. 71 Rn. 6.
[44]    Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 71 Rn. 10.
[45]    v. Knobloch/Stephan, in: Hömig/Wolff/Kluth, GG, Art. 71 Rn. 1.
[46]    Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 73 Rn. 45.
[47]    So Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 71 Rn. 8.
[48]    BT-Drs. 15/2361.
[49]    BT-Drs. 15/2361, S. 25.
[50]    Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (9. Änderungsgesetz) v. 27.11.1979,      BT-Drs. 8/3431, S. 14.
[51]    BT-Drs. 15/2361, S. 25.
[52]    Buchberger, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. (2019), § 3 LuftSiG Rn. 13.
[53]    BVerfG, Stattgeb. Kammerbeschl. v. 8.11.2012 – 1 BvR 22/12, Rn. 25.
[54]    BVerfG, Beschl. v. 20.2.1998 – 2 BvF 3/92, Ls. 2, Rn. 89.
[55]    Vgl. dazu den aktuellen Kabinettsbeschluss v. 19.11.2025, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/verteidigung-drohnenabwehr-weltraum-100.html.
[56] Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87d Rn. 15.
[57] Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87d Rn. 16.

 

 

 

 

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