Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs

Am 23. November hat das BMJ ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des Strafgesetzbuches veröffentlicht.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:
„Die Fortentwicklung des Strafrechts ist eine Kernaufgabe der Rechtspolitik. Daher müssen wir fragen: Setzt der Staat im Strafrecht die richtigen Prioritäten? Passen unsere Straftatbestände noch ausnahmslos in die Zeit? Es war dringend nötig, die Fragen zu stellen. Wir haben nun das Strafgesetzbuch systematisch durchgesehen und überprüft, welche Straftatbestände historisch überholt sind, sodass sie gestrichen oder angepasst werden müssen. Wir gehen damit eine überfällige Modernisierung der Strafrechtspolitik an. Das stärkt Akzeptanz und Wirksamkeit unseres Rechtsstaats.“

Der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, das StGB systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche zu überprüfen, sei Ausdruck einer liberalen und evidenzbasierten Strafrechtspolitik.

Folgende Straftatbestände sollen aufgehoben, bzw. angepasst werden:  

  • § 134 StGB – Verletzung amtlicher Bekanntmachungen
    Insbesondere durch die digitale Veröffentlichung sei der Tatbestand nicht mehr zeitgemäß. Strafwürdige Fälle könnten zudem über §§ 267, 274 und 303 StGB erfasst werden.
  • § 142 StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
    Bei Unfällen mit bloßen Sachschäden soll zukünftig alternativ zur Wartepflicht eine Meldepflicht eingeführt werden. Die notwendigen Informationen sollen dann digital an eingerichtete Meldestellen übermittelt werden.
  • § 184f StGB – Ausübung verbotener Prostitution
    Die Ausübung verbotener Prostitution soll künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
  • §§ 211, 21, 213 StGB – Mord, Totschlag, minder schwerer Fall des Totschlags
    Da die Begriffe „Mörder“ und „Totschläger“ der Lehre vom Tätertyp aus der NS-Zeit entspringen, sollen die Tatbestände sprachlich angepasst werden.
  • § 217 StGB – Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung 
    Da die Vorschrift gegen das Grundgesetz verstößt, soll der Tatbestand aus deklaratorischen Gründen aufgehoben werden.
  • § 235 StGB – Entziehung Minderjähriger 
    Der Straftatbestand soll an die Rechtsprechung des EuGH angepasst werden (EuGH, Urt. v. 19.11.2020 – C-454/19; EuGH, Beschl. v. 16.5.2022 – C-724/21), da eine Ungleichbehandlung einer Entziehung Minderjähriger in Deutschland und im Ausland im Widerspruch zur Freizügigkeit der Unionsbürger stehe.
  • § 265a StGB – Erschleichen von Leistungen 
    Der Straftatbestand soll künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
  • § 266b StGB – Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten
    Aufgrund des Wegfalls von Scheckkarten soll die Tatbestandsvariante gestrichen werden.
  • § 284 ff StGB – Unerlaubtes Glücksspiel 
    Da entsprechende Verstöße gem. § 28a des Glücksspielstaatsvertrages der Länder geahndet werden können, sollen die §§ 284 bis 287 StGB aufgehoben werden. Eine Strafbarkeit verbleibt bei Manipulation des Spiels wegen Betrugs (§ 263 StGB).
  • § 290 StGB – Unbefugter Gebrauch von Pfandsachen
    Mangels Bedeutung in der Rechtspraxis soll der Tatbestand aufgehoben werden.
  • § 316a StGB – Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer
    „Die hohe Strafandrohung, die ohnehin eine restriktive Auslegung der Norm erfordert, der historische Hintergrund und die systematische Einordnung im Achtundzwanzigsten Abschnitt des StGB (Gemeingefährliche Straftaten) begründen seit längerem Zweifel an der kriminalpolitischen Legitimation des Tatbestandes“, so das Eckpunktepapier. Der Tatbestand soll ebenfalls gestrichen werden.
  • § 323b StGB – Gefährdung einer Entziehungskur 
    Auch diese Vorschrift soll aufgehoben werden, da sich dahinter kein relevantes Kriminalitätsphänomen verberge.
  • § 352 StGB – Gebührenüberhebung 
    Eine Privilegierung der Berufsgruppen der Anwält:innen, Notar:innen, Gerichtsvollzieher:innen oder Bezirksschornsteinfeger:innen durch § 352 StGB gegenüber § 263 StGB sei rechtspolitisch nicht begründbar. Die Norm soll daher ebenfalls aufgehoben werden.

Daneben erwähnt das Eckpunktepapier auch Tatbestände, die bereits Gegenstand anderer Vorhaben sind oder waren:

  • § 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte
    Eine Reduzierung der Strafandrohung für die Tatbestandsalternativen des § 184b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB wurde bereits am 17. November 2023 auf den Weg gebracht. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.
  • § 202a ff. StGB – Ausspähen von Daten, Abfangen von Daten, Vorbereitung des Ausspähens und Abfangens von Daten
    Zur Vorbereitung eines Entwurfs fand am 30. Juni 2023 und 4. Oktober 2023 ein Symposium mit Expert:innen statt. Die Auswertung soll Eckpunkte für diesen erfassen und in der ersten Jahreshälfte 2024 vorgelegt werden.
  • § 219a StGB – Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
    Der Tatbestand wurde bereits aufgehoben. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.

 

Eckpunktepapier des BMJ zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts

Gesetzentwürfe: 

 

Das BMJ hat am 23. Februar 2o23 ein Eckpunktepapier zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts veröffentlicht. 

Als „besonders leistungsfähiger Rechtsstaat“ sei es erforderlich, dass sich die rechtsstaatlichen Institutionen Deutschlands bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen besonders engagieren. Die gegenwärtigen Herausforderungen des russischen Angriffskrieges hätten gezeigt, dass das Völkerstrafrecht gestärkt und fortentwickelt werden müsse. Strafbarkeitslücken sollen geschlossen, Opferrechte gestärkt und die Breitenwirksamkeit des Völkerstrafrechts verbessert werden. 

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann dazu: „Das Völkerstrafrecht ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Sein zentrales Versprechen ist von dramatischer Aktualität: Völkerrechtsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben! Deutschland hat eine besondere Verantwortung, dieses Versprechen mit Leben zu füllen: aufgrund unserer Geschichte und aufgrund der Stärke unseres Rechtsstaats. Der brutale russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mahnt uns, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Ich setze mich deshalb für eine Fortentwicklung des Völkerstrafrechts ein: Ich will Strafbarkeitslücken schließen und Opferrechte stärken. Egal ob in Butscha, in Damaskus oder andernorts – überall muss gelten: Wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht nicht.“

Das Eckpunktepapier sieht dazu vor: 

  • Erweiterung der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, da sie sich aktuell nur auf die Angehörigen von Staaten, die Vertragsparteien des Römischen Statuts sind erstreckt
  • Verfahrensaspekte: 
    • Nebenklagebefugnis für Opfer von Straftaten nach dem VStGB
    • Verdolmetschung für Medienvertreter in Gerichtsverfahren
    • Videoaufzeichnung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken
    • Übersetzung von Urteilen auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts
  • Fortentwicklung des VStGB
    • Anpassungen im Hinblick auf sexualisierte, reproduktive und geschlechtsbezogene Gewalt
    • Anpassungen im Hinblick auf den ergänzten Artikel 8 des Römischen Statuts (die Tatbestände aus Artikel 8 des Statuts zur Verwendung von Waffen, deren Splitter mit Röntgenstrahlen nicht erkennbar sind, sowie der Verwendung von dauerhaft blindmachenden Laserwaffen sollen in das VStGB überführt werden)

 

 

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