Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vom 31.5.2023: BGBl I 2023, Nr. 140
Gesetzentwürfe:
- Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019
- Referentenentwurf
- Regierungsentwurf: BT Drs. 20/3442
- Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 20/23
- Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 372/1/22
- Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 372/22(B)
- Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 20/4909
- Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: BT Drs. 20/5992
- Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: BT Drs. 20/5991
- Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: BT Drs. 20/6193
- Ergebnis der zweiten Sitzung des Vermittlungsausschusses
- Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses: BT Drs. 20/6700
Die Europäische Kommission hat am 23. April 2018 einen Richtlinienvorschlag zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Am 23. Oktober 2019 wurde diese Richtlinie verkündet. Sie hätte bereits bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. In der vergangenen Legislaturperiode gab es hierzu bereits zwei Umsetzungsvorschläge (s.u.).
Nun hat das BMJ am 13. April 2022 erneut einen Referentenentwurf für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das unionsrecht melden, veröffentlicht. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hierzu:
„Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz, wenn sie Missstände bei ihren Arbeitgebern melden. Der nun vorgelegte Referentenentwurf soll ihnen Rechtsklarheit darüber geben, wann und durch welche Vorgaben sie bei der Meldung oder Offenlegung von Verstößen geschützt sind. Ein effektiver Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern liegt aber auch ganz maßgeblich im Interesse der Unternehmen und Behörden selbst. Durch den Aufbau von internen Meldesystemen erhalten Hinweisgeber die Möglichkeit, ohne Angst vor Repressalien Verstöße dort zu melden, wo sie am schnellsten untersucht und abgestellt werden können. So lassen sich Missstände beheben, aber auch Haftungsansprüche gegebenenfalls vermeiden.“
Kern des Entwurfs ist ein Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das von Änderungen im Bundesbeamtengesetz, Beamtenstatusgesetz, Soldatengesetz, Finanzdienstleistungsaufsichtgesetz, Geldwäschegesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz flankiert wird. Der Entwurf beinhaltet überwiegend die bereits im November 2020 geplanten Neuregelungen. Hinweisgeber sollen zukünftig frei zwischen internen und externen Meldestellen wählen können. Während die zentrale externe Meldestelle beim BMJ angesiedelt wird, soll es weitere Stellen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, beim Bundeskartellamt und beim BfJ geben. Ebenso steht es den Ländern frei, für Meldungen, die die Landes- oder Kommunalverwaltung betreffen, eigene externe Meldestellen einzurichten. Arbeitgeber in der Privatwirtschaft sowie im öffentlichen Bereich trifft eine Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen, sofern mindestens 50 Personen beschäftigt sind. Bei Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten besteht zudem die Möglichkeit eine gemeinsame Meldestelle einzurichten oder hierfür einen Dritten zu beauftragen. Die Regelungen aus dem Entwurf von November 2020 bzgl. der Meldungen an die Öffentlichkeit und zum Vertraulichkeitsgebot wurden beibehalten, genauso wie die Regelungen zur Anonymität der Meldungen und dem Schutz vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligungen. Bei Verstößen gegen das HinSchG soll eine Geldbuße drohen.
Die Länder und Verbände hatten bis zum 11. Mai 2022 Zeit zu dem Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen finden Sie hier.
Am 27. Juli 2022 hat das Kabinett das Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen und den Regierungsentwurf vorgestellt. Der Bundesrat beschäftigte sich erstmals am 16.09.2022 mit dem Entwurf. Die Ausschüsse hatten empfohlen (BR Drs. 372/1/22) entsprechend Stellung zu nehmen (BR Drs. 372/22(B)).
Am 19. Oktober 2022 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Grundsätzlich begrüßten die Experten den Regierungsentwurf. Jedoch wurden auch Mängel im Schutzkonzept für Whistleblower deutlich. Annegret Falter (Vorsitzende des Whistleblower Netzwerks) wies darauf hin, dass beispielsweise nicht strafwürdiges, aber unethisches Verhalten nicht erfasst sei. So wäre der unbekannte Whistleblower des RBB-Skandals nicht durch das Gesetzt geschützt oder Fälle der Vernachlässigung in der Altenpflege nicht erfasst. David Werdemann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte warf einen Blick auf den öffentlichen Dienst. Auch hier sei der Whistleblowerschutz weitgehend ausgehöhlt, da Dokumente mit einem besonderen Geheimhaltungsschutz (wie Verschlusssachen) nicht verwertet werden dürften. Ebenso fehle in der Auflistung des Regierungsentwurfs das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Mit seinen Begrifflichkeiten sei das Gesetz zudem teilweise ungenau. Rechtsanwalt Dr. Nico Herold äußerte Bedenken dahingehend, dass ein potentieller Whistleblower gar nicht erkennen könne, ob er in seinem Fall auch tatsächlich durch das Schutzgesetzt erfasst wird. Damit sei dem Entgegenwirken der „Melde-Angst“ nicht ausreichend gedient. Dr. Simon Gerdemann kritisierte den Begriff des „Fehlverhaltens“ und äußerte den Vorschlag, diesen durch „erhebliche Missstände“ zu ersetzen. Damit soll klargestellt sein, dass nicht nur auf einzelne Personen beziehbare Sachverhalte erfasst seien.
Als problematisch angesehen wurde auch das Fehlen eines Vorranges für unternehmensinterne Meldestellen vor den externen. Kristina Harrer-Kouliev (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) berichtete, dass bereits viele Unternehmen freiwillige Meldestrukturen geschaffen hätten, um von Fehlverhalten in den eigenen Reihen Kenntnis zu erlangen. Jedoch sei auch gerade bei kleineren Unternehmen „die Sorge vor dem Gesetz groß“, da die Pflicht der Einrichtung einer Meldestelle für Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern mit erheblichen Kosten verbunden sei, so Hildegard Reppelmund vom Deutschen Industrie- und Handleskammertag. Auch wachse angesichts des im Entwurf vorgesehenen Kündigungsschutzes die Angst vor falschen Anschuldigungen. Im Bereich des Kündigungsschutzes sah dagegen Jana Wömper vom Deutschen Gewerkschaftsbund Verbesserungsbedarf. „Wer Missstände meldet, handelt im Interesse aller“, betonte sie. In den Schutzkreis mit aufzunehmen seien vor allem auch die Mitarbeiter in betriebsinternen Meldestellen.
Prof. Dr. Gregor Thüsing von der Universität Bonn kritisierte die Möglichkeit, sich an die Öffentlichkeit wenden zu können, wenn eine externe Meldestelle den Hinweis nicht fristgerecht bearbeite. Dies führe zu erheblichen Nachteilen für zu unrecht beschuldigte Personen und Unternehmen. Letztendlich sei auch die personelle Ausstattung der externen Meldestelle im Bundesamt für Justiz völlig unzureichend.
Am 14. Dezember 2022 passierte der Regierungsentwurf den Rechtsausschuss. Allerdings gibt es einige von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Änderungen, die mehrheitlich angenommen wurden.
U.a. wurden Meldungen zu verfassungsfeindlichen Äußerungen von Beamtinnen und Beamten in den Hinweisgeberschutz eingeschlossen. Umfasst werden sollen dabei schriftliche wie mündliche oder durch Gebärden getätigte Äußerungen. Dies soll auch für solche unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. „Die Verfassungstreue ist insbesondere verletzt, wenn ein Beamter beispielsweise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt. Er verletzt so seine gesetzliche normierte Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise“, so die Koalitionsfraktionen, die sich damit auf die Diskussion um sog. „Reichsbürger“ im öffentlichen Dienst beziehen. Außerdem sollen sich nunmehr nur die Meldestellen mit anonymen Meldungen beschäftigen und der Digital Markets Act der Europäischen Union wurde in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes gezogen. Letztere Entscheidung wurde gegen die Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und AfD und mit Enthaltung der Fraktion Die Linke getroffen.
Am 16. Dezember 2022 stimmte der Bundestag für den geänderten Entwurf. In der Plenarsitzung am 10. Februar 2023 erhielt die Gesetzesänderung jedoch nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen im Bundesrat. Daher haben die Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP am 15. März 2023 zwei „neue“ Gesetzentwürfe zum Hinweisgeberschutz in den Bundestag eingebracht. Der „Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (BT Drs. 20/5992) entspricht weitestgehend dem vom Bundestag verabschiedeten Entwurf vom 16. Dezember 2022 (BT Drs. 20/4909). Aus dem Anwendungsbereich herausgelöst wurden allerdings „Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, sonstige der Aufsicht eines Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst“. Die Fraktionen sind der Ansicht, dass der Entwurf in seiner geänderten Form einer Zustimmung des Bundesrates nicht mehr bedürfe und so schneller verabschiedet werden könne. In einem zweiten Gesetzentwurf „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ (BT Drs. 20/5991) werden die Ausnahmen wieder aufgehoben und der Anwendungsbereich erweitert. Zur vollständigen Umsetzung der HinSch-RL sei „eine Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des HinSchG auf den Personenkreis erforderlich, der nach § 1 Absatz 3 HinSchG ausgeschlossen ist.“ Beide Entwürfe wurden schon am 17. März 2023 im Bundestag beraten und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Am 27. März 2023 fand dort eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.
Die Experten sahen insbesondere das gesetzgeberische Vorgehen als problematisch an. Prof. Dr. Winfried Kluth erörterte, dass das BVerfG in der Vergangenheit eine Aufspaltung von Gesetzgebungsverfahren in einen zustimmungsbedürftigen und einen nicht zustimmungsbedürftigen Teil zwar mehrfach gebilligt habe, allerdings nur dann, wenn nicht gegen das Willkürverbot verstoßen werde. Diesen Punkt sah Kluth bei den vorliegenden Entwürfen eindeutig als gegeben an: „Die Aufteilung in zwei Gesetzesvorhaben war einzig die Reaktion auf die Verweigerung der Zustimmung zum ersten, alle Aspekte umfassenden Gesetzesentwurf.“ Prof. Dr. Gregor Thüsing fand für das Vorgehen ebenfalls klare Worte: „Wenn es sich hier nicht um Willkür, also nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigte, sondern nur aus dem System der Zustimmungsbedürftigkeit hergeleiteten Trennung handelt, wann dann?“ Er verwies auf das Vermittlungsverfahren. Kosmas Zittel vom Whistleblower-Netzwerk wies zudem auf ein weiteres Problem hin. Sollte das als zustimmungspflichtig eingestufte Gesetz im Bundesrat keine Zustimmung finden, dann bestünde zwischen den Beamten des Bundes und der Länder und Kommunen ein „Zwei-Klassen-Recht“, das zudem auch nicht der EU-Vorgabe entspreche, denn die EU-Richtlinie sei für das gesamte Land umzusetzen und somit auch für Landesbedienstete. Inhaltlich gab es für die Entwürfe die bereits bei der Anhörung vom 19. Oktober 2022 geäußerte Kritik. Seitdem hatte der Rechtsausschuss kleinere Änderungen in der ursprünglichen Fassung vorgenommen, die sich auch jetzt in den Gesetzentwürfen wiederfinden. Diskussionsthema waren unter anderem die verpflichtenden anonymen Meldestellen. Diese seien – so Louisa Schloussen – auf die Kritik von Transparency International nach der Anhörung im Oktober 2022 in den Entwurf aufgenommen worden. Hildegard Reppelmund kritisierte, dass dies gerade für kleinere Unternehmen eine enorme Belastung darstelle. Dr. Christoph Klahold vom Deutschen Institut für Compliance hingegen sprach sich klar für anonyme Meldestellen auf Betriebsebene aus. Er berichtete aus seiner Praxis, dass in kleinen Betrieben die Leitung weniger an der Klärung des Sachverhalts interessiert sei als daran, wer die Meldung getätigt habe. Jana Wömper vom Deutschen Gewerkschaftsbund gab zu bedenken, dass der Gesetzentwurf mit uneindeutigen Rechtsbegriffen wie dem „hinreichenden Grund zur Annahme“ keine Rechtsklarheit schaffe. Außerdem blieben einige Regelungen zum Hinweisgeberschutz und zum Schadenersatz immer noch hinter der EU-Richtlinie zurück. Bezüglich des Hinweisgeberschutzes machte Dr. Simon Gerdemann von der Universität Göttingen auf eine Entscheidung des EGMR aufmerksam, die im Zusammenhang mit dem LuxLeaks-Skandal ergangen ist. Daraus ergebe sich, dass der Schutz des Gesetzes auch auf die Hinweisgeber erstreckt werden müsse, die zwar auf legale aber gesellschaftlich bedenkliche Vorgänge hinweisen. Kontrovers wurde auch die Regelung zur Erfassung von Hinweisen auf verfassungsrechtlich bedenkliche Äußerungen von Beamten diskutiert. Während David Werdemann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte die Möglichkeit begrüßte, so auch gegen geschlossene Chatgruppen vorgehen zu können die rechtsextreme Äußerungen austauschen, warnten andere Experten vor einer Kollision mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit.
Am Abend des 27. März 2023 hat der Rechtsausschuss die Gesetzentwürfe verabschiedet. Sie wurden ohne Änderungen mit Gegenstimmen der Fraktion CDU/CSU und AfD mit Enthaltung von Die Linke angenommen. Der Bundestag sollte bereits am 30. März 2023 über die Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen abstimmen. Der Rechtsausschuss hat dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt. Der Tagesordnungspunkt wurde jedoch kurzfristig gestrichen. Am 5. April 2023 hat die Bundesregierung sich dazu entschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dieser befasste sich am 9. Mai 2023 mit dem Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden und konnte eine Einigung erzielen.
Folgende Änderungen wurden vereinbart:
- Es besteht keine Pflicht für die internen als auch externen Meldestellen anonyme Meldungen zu ermöglichen. Für den Fall, dass intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann, sollen hinweisgebende Personen die Meldung auch an eine interne Meldestelle bevorzugen.
- Der sachliche Anwendungsbereich soll auf den beruflichen Kontext beschränkt werden. Hinweise sollen demnach nur dann in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber beziehen oder auf eine Stelle, mit der die hinweisgebende Person im beruflichen Kontakt stand.
- Die Beweislastumkehr, die in dem Fall greift, dass die hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet, bleibt bestehen. Sie soll aber an die Bedingung geknüpft werden, dass die hinweisgebende Person dies auch geltend macht.
- Die Höhe der Bußgelder wurde auf einen Maximalbetrag von 50.000 EUR reduziert.
Der Bundestag hat den geänderten Entwurf am 11. Mai 2023 angenommen. Im Anschluss stimmte auch der Bundesrat in seiner Plenarsitzung am 12. Mai 2023 für das Hinweisgeberschutzgesetz.
Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (BGBl I 2023, Nr. 140) wurde am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Art. 1, § 41 des Hinweisgeberschutzgesetzes tritt bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft. Im Übrigen tritt das Gesetz am 2. Juli 2023 in Kraft.
19. Legislaturperiode:
Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)
- Referentenentwurf des BMJV
Im November 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Referentenentwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, erarbeitet.
Der Entwurf soll einen wirksamen und nachhaltigen Schutz für Hinweisgeber vor Benachteiligungen bilden und zugleich die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie umsetzen.
Dafür ist ein gänzlich neues Stammgesetz (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) geplant, in dem alle Regelungen zum Hinweisgeberschutz enthalten sein sollen. Die maßgeblichen geplanten Neuregelungen sind:
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Der persönliche Anwendungsbereich (§ 1 HinSchG-E) soll alle Personen umfassen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben.
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Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG-E) soll die durch die Richtlinie vorgegebenen Rechtsbereiche aufgreifen. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden und die praktische Anwendung für hinweisgebende Personen handhabbar zu gestalten, werden die Rechtsbereiche in begrenztem Umfang auf korrespondierendes nationales Recht ausgeweitet. Einbezogen werden dabei insbesondere das Strafrecht und das Recht der Ordnungswidrigkeiten.
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Für hinweisgebende Personen werden mit internen und externen Meldekanälen zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege vorgesehen, zwischen denen sie frei wählen können (§§ 7 bis 30 HinSchG-E).
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In Umsetzung der Anforderungen der Hinweisgeberschutz-Richtlinie und unter Beachtung der Rechtsprechung des EGMR werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen eine hinweisgebende Person Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen darf (§ 31 HinSchG-E).
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Sofern hinweisgebende Personen die Anforderungen des HinSchG-E an eine Meldung oder Offenlegung einhalten, werden sie umfangreich vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligungen geschützt (§§ 32 bis 38 HinSchG-E).
Daneben sieht der Entwurf kleinere Änderungen im Arbeitsschutzgesetz und dem Beamtenstatusgesetz vor.
In KriPoZ 3/2021 haben sich Kim Erlebach und Miguel Veljovic in ihrem Beitrag (KriPoZ 2021, 165 ff.) mit dem HinSchG-E beschäftigt.
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz)
- Entwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: BT Drs. 19/4558
- Empfehlungen der Ausschüsse zum Vorschlag der EU-Richtlinie: BR Drs. 173/1/18
- Antrag der AfD zum Vorschlag einer EU-Richtlinie: BT Drs. 19/3188
- Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT Drs. 19/4713): BT Drs. 19/5226
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte am 5. Oktober 2018 einen Gesetzentwurf zum Schutz von Whistlewblowern in den Bundestag ein. Nach Ansicht der Fraktion bedürfen Menschen, die Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machen und damit dem Allgemeinwohl dienen, einen besonderen Schutz. Sie sollen insbesondere vor Strafverfolgung und dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden.
Ein Schutz alleine durch die Rechtsprechung reiche nicht aus. Die Europäische Kommission hat am 23. April 2018 einen Richtlinienvorschlag zum Schutze von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Am 23. Oktober 2019 wurde diese Richtlinie verkündet. Um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, sei eine deutsche Positionierung in Form eines „vorbildlichen nationalen Whistleblower-Schutzgesetzes“ notwendig.
Hierzu sollen Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Berufsbildungsgesetz, Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz vorgenommen werden, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen Hinweisgeber sich an andere Stellen oder an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Insbesondere sollen in § 353c StGB Regelungen geschaffen werden, die Whistleblower straffrei stellen:
„§ 353c StGB – Befugtes Offenbaren eines Geheimnisses
Befugt ist das Offenbaren eines Geheimnisses dann, wenn der Täter zur Aufklärung, Verhinderung oder Beendigung einer Grundrechtsverletzung oder der Begehung einer schweren Straftat (§ 100c Absatz 2 der Strafprozessordnung) handelt, rechtzeitige Abhilfe nicht zu erwarten ist und das öffentliche Interesse an der Weitergabe der Information das Geheimhaltungsinteresse erheblich überwiegt. Das Gleiche gilt für das Offenbaren eines Geheimnisses zur Verhinderung oder Beendigung einer drohenden oder gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit, das Persönlichkeitsrecht, die Freiheit der Person, die Stabilität des Finanzsystems oder die Umwelt.“
Bislang regeln lediglich die §§ 93 ff. StGB die Strafbarkeit der Preisgabe von Staatsgeheimnissen und § 353b StGB die Verletzung von Dienstgeheimnissen.
Im Rahmen der netzpolitik.org.-Affäre hatte die Fraktion bereits 2016 die Geheimnisverrats- Straftatbestände (Landesverrat, Verrat von Dienstgeheimnissen) überarbeitet und in den Bundestag eingebracht (Drs. 18/ 10036). Die damaligen Änderungsvorschläge wurden in den Gesetzentwurf aufgenommen.
Der Bundestag beriet am 18. Oktober 2018 erstmals über den Regierungsentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (BT Drs. 19/4724) und über den Gesetzentwurf der Fraktion. Beide Entwürfe wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz weitergeleitet.