Abstract
Traditionelle und neue Maßstäbe strafrechtswissenschaftlicher Gesetzgebungskritik schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich. Tradition hat die Argumentation mit dem Rechtsgüterschutz. Zweifellos produziert die Fokussierung auf das Rechtsgut viele richtige Ergebnisse. Das Rechtsgut ist allerdings kein Allheilmittel zur vernünftigen Begrenzung von Strafrecht. In Grenzbereichen leisten aber auch andere – „moderne“ – Maßstäbe nicht mehr. Daher sollte man auf das Rechtsgut nicht verzichten.
Strafgesetzgebungskritik
Maßstäbe wissenschaftlicher Strafgesetzgebungskritik
von Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel und Prof. Dr. Thomas Weigend
Abstract
Als Maßstab für eine Bewertung von Vorhaben der Strafgesetzgebung werden vielfach die Topoi des Rechtsgüterschutzes sowie des Strafrechts als ultima ratio vorgeschlagen. Beide weisen jedoch Defizite auf, insbesondere lassen sich „Rechtsgüter“ relativ leicht postulieren, ohne dass ihre Notwendigkeit rational überprüfbar wäre. Präziser ist der Maßstab des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; hier ist insbesondere die Eignung neuer Strafnormen zur Erreichung ihrer Zwecke ein auch praktisch relevantes Kriterium. Darüber hinaus schlagen die Autoren vor, Strafrechtsnormen vor allem danach zu beurteilen, ob sie in die vorhandenen Strukturen des Strafrechts einzupassen sind und ob sie den Freiheits(grund)rechten potentieller Täter genügend Raum lassen.