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Editorial

 

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Unser zweites Heft in diesem Jahr beginnt mit Überlegungen zu dem Gesetz zur Änderung des IRG vom 5.1.2017. Rackow stellt einen neuen Abschnitt im IRG vor (§§ 91a bis 98e IRG), in dem mit Wirkung zum 22.5.2017 die Europäische Ermittlungsanordnung geregelt ist. Im Anschluss beschäftigt sich der Beitrag von Bohn mit den Vorschriften zum Sportwettbetrug und zur Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe, die zukünftig eine Strafbarkeit begründen werden. Der Bundestag hatte am 9.3.2017 diese Ergänzungen im materiellen Strafrecht beschlossen. Basar setzt sich in seinem Aufsatz kritisch mit dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens auseinander. Der Regierungsentwurf bleibt noch einmal deutlich hinter der Ausgestaltung des Referentenentwurfes (Besprechung von Basar/Schiemann, KriPoZ 2016, 177) zurück. Der nächste Beitrag von Gerson behandelt den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts, wobei er sich auf die Änderungen des Schöffenrechts beschränkt. Gerson sieht diese Änderungen sehr kritisch. Beispielsweise laufe die Modifikation des Entwurfes der Bundesregierung auf ein „ununterbrochenes“ Schöffenamt sowie eine strukturelle Reduktion der Auswahllisten für potentielle Kandidaten hinaus, was insgesamt als wenig nachvollziehbar und kontra-produktiv zu bewerten sei. Heger/Jahn stellen in ihrem Aufsatz den Bundesratsentwurf zur effektiven Bekämpfung von sogenannten Gaffern sowie Verbesserung des Persönlichkeitsrechts vor. Während sie die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 201a StGB auf verstorbene Personen begrüßen, kritisieren sie zum Teil § 115 StGB-E. Dieser Paragraf soll die Behinderung von Hilfeleistungen von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst unter Strafe stellen. Abschließend befasst sich Baur in seinem Beitrag mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ausweitung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung auf extremistische Straftäter. Hiernach soll aber nicht nur der Katalog auf staatschützende und terrorismusbekämpfende Vergehen ergänzt, sondern noch andere Ausweitungen vorgenommen werden. Der Autor sieht diesen Entwurf, insbesondere die großzügige Verwendung der mithilfe der EAÜ erhobenen Daten zur Gefahrenabwehr, als kritisch an. Abgerundet wird Heft 2 durch vier Buchbesprechungen und einen Tagungsbericht zur Thematik „Hass trifft Helfer“ des Kriminologischen Forums in Mainz.

Im Februar und März (Stand: 24.3.) hat sich kriminalpolitisch wieder eine Menge bewegt. Am 10.2.2017 hat der Bundesrat keine grundlegenden Bedenken am Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze (BT-Drs. 18/11272) geäußert. Er regte aber an, eine Klarstellung zum geplanten Wegfall des Richtervorbehalts zur Blutprobenentnahme vorzunehmen. Die Bundesregierung hat ihren Gesetzentwurf am 2.3.2017 in den Bundestag eingebracht, die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesrates jedoch überwiegend abgelehnt. Bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucher am 22.3. wurde die geplante Regelung zum Fahrverbot als Nebenstrafe überwiegend positiv bewertet. Kontrovers diskutiert wurde allerdings von den Sachverständigen die schon vom Bundesrat kritisierte Regelung zur Blutprobenentnahme.

Über das neustrukturierte BKA-Gesetz hat am 17.2.2017 der Bundesrat erstmalig beraten. Innen- und Rechtsausschuss haben datenschutzrechtliche Bedenken angemeldet. Daneben äußerte der Bundesrat am 10.3. finanzielle Bedenken. Der Gesetzentwurf ist vor allem deswegen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, weil er erstmals auch eine EAÜ für Gefährder vorsieht.

Am 9.3.2017 wurde der Regierungsentwurf des Gesetzes zum Einsatz sogenannter bodycams – mobiler, am Körper getragener Videotechnik – durch die Bundespolizei im Bundestagsplenum mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Linken und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. In gleichem Stimmenverhältnis wurde auch der Gesetzentwurf zum Videoüberwachungsverbesserungsgesetz angenommen, der ein Erweiterung des Videokameraeinsatzes an öffentlichen Plätzen im Bundesdatenschutzgesetz vorsieht.

Am 10.3.2017 in Kraft getreten ist das Gesetz, das die Cannabis-Therapie für Schwerkranke ermöglicht. Schwerkranke Patienten können zukünftig getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in kontrollierter Qualität auf ärztliche Verschreibung hin in Apotheken erhalten. Eingerichtet werden soll eine staatliche Cannabisagentur, die den Anbau und Vertrieb koordiniert und kontrolliert.

Am 23.3.2017 wurde der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Europol-Gesetzes in erster Lesung im Bundestag beraten und danach zur federführenden Beratung an den Innenausschuss überwiesen. Durch den Gesetzentwurf soll der Zugang zu Daten, die bei Europol zum Zweck der operativen Analyse verarbeitet werden, nach dem „Treffer/Kein Treffer-Verfahren“ erweitert werden. Bislang erfolgen derartige Abfragen nur durch das deutsche Verbindungsbüro bei Europol. Mit dem Gesetzentwurf soll es der Bundespolizei, dem Zollfahndungsdienst und den Polizeien der Länder ermöglicht werden, selber solche Abfragen vorzunehmen. Der Zugang zu den Daten soll auch auf Daten ausgedehnt werden, „die bei Europol zum Zweck der strategischen und thematischen Analyse“ verarbeitet werden. Dazu gehören z.B. Daten zu neuen Vorgehensweisen beim Kreditkartenbetrug oder Daten zu Routen beim Drogenschmuggel.

Am 16.3.2017 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/681 beschlossen, das sog. Fluggastdatengesetz (FlugDaG). Der Entwurf sieht die die Verwendung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Record-Daten) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität vor. In Zukunft können Fluggastdaten von den zuständigen Behörden in den Mitgliedsstaaten überprüft und unter bestimmten Voraussetzungen auch ausgetauscht werden. Am 23.3.2017 fand die erste Lesung statt. Im Anschluss wurde der Entwurf zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung hat der Innenausschuss übernommen.

Bereits am 22.2.2017 hat die Bundesregierung das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen beschlossen. Die Vierte Geldwäscherichtlinie ist von den Mitgliedsstaaten bis zum 26.6.2017 in nationales Recht umzusetzen. Durch das Gesetz sollen künftig die geldwäscherechtlich Verpflichteten über ein angemessenes Risikomanagement verfügen und dadurch ihr jeweiliges Risiko der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unter Berücksichtigung ihrer Kundenstruktur und Dienstleistungen selbst prüfen und ggf. Maßnahmen zur Minderung des Risikos treffen. Zudem soll ein elektronisches Transparenzregister eingeführt und Bußgelder für schwerwiegende, wiederholte und systematische Verstöße angehoben werden.

Um die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken zu verbessern, hat das BMJV im März 2017 einen Referentenentwurf (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) vorgestellt. Der Entwurf zielt darauf ab, die Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten, sog. Fake News, auf den Plattformen sozialer Netzwerke zu bekämpfen. Sie sollen zu einer umfassenden und zügigen Bearbeitung von Beschwerden gezwungen werden. Dazu setzt der Entwurf auf gesetzliche Compliance-Regeln. Die Betreiber sozialer Netzwerke sind danach verpflichtet, offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu löschen oder zu sperren, jeden strafbaren Inhalt innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Beschwerde zu löschen oder zu sperren und den Nutzer über jede Entscheidung bezüglich seiner Beschwerde zu informieren. Des Weiteren trifft sie eine gesetzliche Berichtspflicht über den Umgang mit Hasskriminalität, die Pflicht zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten und die Entwicklung und Bereitstellung eines wirksamen Beschwerdemanagements, um die zügige Bearbeitung der Beschwerde auch gewährleisten zu können. Verstöße können mit Bußgeldern von bis zu fünf Millionen Euro gegen eine für das Beschwerdeverfahren verantwortliche Person und bis zu 50 Millionen Euro gegen das Unternehmen selber geahndet werden.

Am 9.3.2017 wurde erstmals im Bundestag über den Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches debattiert, durch den der Rahmenbeschluss 2008/841/JI zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität umgesetzt wird. Das Gesetz enthält eine Legaldefinition in § 129 StGB-E zum Begriff der Vereinigung (eine Besprechung findet sich bei Zöller, KriPoZ 2017, 26). Der Entwurf wurde zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.

Zum Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften fand am 22.3.2017 eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz statt. Der Entwurf sieht vor, die Begehungsform des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte aus § 113 StGB herauszulösen und in § 114 StGB-E als selbstständigen Straftatbestand zu regeln. Der Strafrahmen soll dabei verschärft werden. In der Anhörung gingen die Meinungen der Sachverständigen darüber auseinander, ob der Gesetzentwurf das adäquate Mittel sei, Einsatzkräfte vor Übergriffen zu schützen.

Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ist zum 10.3.2017 in Kraft getreten. Es sieht neue Kompetenzen für die Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden der Länder vor. Ausweispapiere müssen in Zukunft nicht nur der Zollverwaltung, sondern auch den Bediensteten der zuständigen Landesbehörden vorgelegt werden. Die Landesbehörden erhalten außerdem weitere Prüfungsbefugnisse.

Das Gesetz zum sog. Stalking ist am 10.3.2017 ebenfalls in Kraft getreten. Der ursprünglich als Erfolgsdelikt ausgestaltete Straftatbestand der Nachstellung wurde in ein potentielles Gefährdungsdelikt umgewandelt. Danach ist für die Tatbestandsverwirklichung ausreichend, dass die Handlung des Täters objektiv geeignet ist, beim Betroffenen eine gravierende eigenständige Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herbeizuführen.

Am 16.2.2017 hat der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz beraten. Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung Konsequenzen aus den sog. „Panama Papers“ ziehen und gezielt gegen Steuerbetrug über Briefkastenfirmen vorgehen. Der Gesetzentwurf ist zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss weitergeleitet worden.

Nachdem der Bundesrat bereits einen Gesetzentwurf zur Streichung des § 103 StGB – der sog. „Majestätsbeleidigung“ – vorgelegt hatte, hat die Bundesregierung im Februar einen eigenen Entwurf mit dem kurzen Wortlaut „§ 103 StGB wird aufgehoben“ in den Bundestag eingebracht. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Gesetz im Januar 2018 in Kraft treten. Mitsch hatte bereits in Heft 2/2016 der KriPoZ zur geplanten Streichung unter dem Titel „§ 103 StGB – Ist das noch Recht oder kann das weg?“ Stellung bezogen.

Die umfassende Reform zur Vermögensabschöpfung steht kurz vor ihrem Abschluss. Am 23. März 2017 hat der Bundestag die geänderte Fassung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen. Nachdem Bundesrat und Rechtsausschuss noch Verbesserungsbedarf gesehen haben, wurden weitere Änderungen am Regierungsentwurf vorgenommen (Bittmann hat den Regierungsentwurf in der alten Fassung bereits in KriPoZ 2016, 120 besprochen).

Prof. Dr. Anja Schiemann

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