Adolf Schönke/Horst Schröder: Strafgesetzbuch

von Rechtsreferendar Martin Linke 

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2019, Verlag C.H. Beck, ISBN:978-3-406-70383-6, S. 3361, Euro 179,00.

I. Einleitung

Ende November 2018 erschien mit der 30. Auflage des Schönke/Schröder eine Jubiläumsausgabe des Klassikers. 4 Jahre sind vergangen, seit die letzte Auflage auf den Markt kam. Ein Werk, das in einiger Regelmäßigkeit erscheint, zu rezensieren, ist mit Schwierigkeiten verbunden. Die Vorzüge des betreffenden Kommentars wurden bereits in früheren Rezensionen hinreichend gewürdigt.[1] Diese Vorzüge bleiben auch in der 30. Auflage bestehen. Die Qualität des Schönke/Schröder ist weiterhin hervorragend. Eingegangen werden soll im Folgenden stichprobenartig auf einige nach Auffassung des Rezensenten besonders hervorzuhebende Neuerungen. Die Besprechung erfolgt entsprechend der Normierung im StGB.

II. Die Neuauflage im Allgemeinen

Die rege gesetzgeberische Aktivität, die vorwiegend aus Erweiterungen und Ergänzungen – zum Teil auch aus Neustrukturierung (§§ 73ff. StGB) – des bestehenden Strafrechts bestand, sorgte für eine Vielzahl an Aktualisierungen gegenüber der Vorauflage. Die Seitenanzahl ist gegenüber der 29. Auflage von 3238 um 123 auf nunmehr 3361 Seiten angestiegen. Durch die zahlreichen Änderungen und Erweiterungen der letzten Jahre war es eine umso größere Herausforderung, den Kommentar weiterhin in einem Band herausgeben zu können. Wie beschwerlich der Weg für die Autoren war, zeigt sich schon bei der Lektüre des Vorwortes. Preislich liegt die Neuauflage 20€ über der Vorauflage. Der Autorenkreis hat sich in quantitativer Hinsicht gegenüber der Vorauflage nicht verändert, Verschiebungen der zu kommentierenden Normen wurden jedoch vorgenommen. Im Vorwort wird im Einzelnen erläutert, wie die jeweiligen Kommentierungen aufgeteilt wurden. Eingearbeitet wurden alle Gesetzesänderungen der 18. Legislaturperiode. Rechtsprechung und Literatur wurden durchweg bis Ende 2017 eingearbeitet.

III. Einzelheiten

Einen Gesamtüberblick über die Gesetzgebungsgeschichte seit der Vorlauflage wird in der Einführung gegeben (Rn. 9). Wenig später wird ein Thema beleuchtet, welches in der jüngeren Vergangenheit verstärkt ins Blickfeld von Judikatur und Wissenschaft gerückt ist. Der 2. Strafsenat des BGH hat 2014 einen Anfragebeschluss an die übrigen Strafsenate gerichtet[2] und seine Bedenken in Hinblick auf die Vereinbarkeit der ungleichartigen Wahlfeststellung mit Art. 103 Abs. 2 GG darlegte. Hierzu finden sich Erläuterungen inklusive Stellungnahme (§ 1 Rn. 64ff.) mit dem Ergebnis, dass die Bedenken im Ergebnis nicht überzeugend seien (§ 1 Rn. 65, 67).[3]

Die „Krone der Strafrechtsdogmatik“[4]– die Vorbemerkungen zu § 13 ff. StGB – enthält die grundlegenden Fragestellungen, insbesondere zum Aufbau des Verbrechens und zur strafrechtlichen Zurechnung eines Erfolgs. Dieses von Eisele bearbeitete Kapitel informiert umfassend über die Probleme rund um Kausalität und objektive Zurechnung. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang gewesen, die in letzter Zeit verstärkte Kritik an der objektiven Zurechnung[5] darzustellen. Der Hinweis auf diese Konstruktion ablehnende Autoren (Vor §§ 13 ff. Rn. 90a) ermöglicht jedoch eigenständige Recherchen.

Aufsehen erregte in der jüngeren Vergangenheit der Fall um die Tierschützer, die in eine Zuchtanlage eindrangen, um Missstände zu dokumentieren. Sowohl das Amts[6]-, Land[7]– als auch das Oberlandesgericht[8] sprachen die Angeklagten vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei. Die Thematik wird zwar angesprochen, jedoch nicht sehr detailreich dargestellt (§ 32 Rn. 8). An dieser Stelle wird aber der Generationenwechsel der Bearbeiter des Schönke/Schröder deutlich. Während in den Vorauflagen lange die Mindermeinung vertreten wurde, Notwehr sei auch zugunsten von Tieren zulässig[9], ist diese Position nunmehr im Zuge der Neubearbeitung aufgegeben worden zugunsten des Anschlusses an die h. M., die eine Anwendung des § 32 StGB ablehnt.

Durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wurden die §§ 73 ff. StGB grundlegend verändert. Die zuvor bestehende Zweiteilung in Verfall und Einziehung wurde aufgegeben, der Verfall gänzlich abgeschafft. Die Erläuterungen von Eser und Schuster behandeln in den Vorbemerkungen zunächst die Rechtsentwicklung, wobei auch die Neufassung als solche sowie die Reformziele dargestellt werden (vor §§ 73 ff. Rn. 8 ff.). Auch die Literaturhinweise wurden in solche unterteilt, die sich auf die frühere Fassung beziehen und solche, die bereits die Neufassung zum Gegenstand haben (S. 1244 ff.). Eine umfassende Auswertung des aktuellen Meinungsspektrums sowie Vergleiche zur früheren Rechtslage sind daher ohne großen Suchaufwand möglich.

In den letzten Jahren war es vielfach das Sexualstrafrecht, das von Reformen umgeben war und dessen Ausgestaltung zum Teil heftig kritisiert wurde.[10] Sehr ausführlich wird der Leser von Eisele über § 177 StGB informiert. Mit über 150 Fußnoten gehört diese Bearbeitung zu den Umfangreichsten Normkommentierungen im gesamten Werk und reiht sich ein in die umfassend kommentierten Grundlagen des Allgemeinen Teils (bspw. enthalten die Vorbemerkungen zu §§ 13ff. 161 Randnummern und § 15 230 Randnummern. Im Besonderen Teil hat lediglich der Betrugstatbestand mit 193 Randnummern einen über § 177 StGB hinausgehenden Umfang).

Die zur Reform der Tötungsdelikte eingesetzte Expertengruppe hat einen über 1000 Seiten umfassenden Abschlussbericht angefertigt. Stattgefunden hat sie indes nicht. Die Reformbestrebungen selbst werden ausführlich von Eser und Sternberg-Lieben dargestellt (Vor §§ 211 ff. Rn. 2a f.), wobei auch umfangreiche Literaturhinweise speziell zur Reform gegeben werden. Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört die aktuelle Diskussion um die Manipulation bei Organtransplantationen. Die grundlegende Entscheidung des BGH[11] lehnt eine Strafbarkeit wegen Totschlags ab. Ausführlich wird die Problematik unter Einbeziehung aller für die strafrechtliche Beurteilung relevanten Umstände dargestellt (§ 212 Rn. 4 ff.).

Kaum ein Thema hat in der jüngeren Auseinandersetzung so viel Raum eingenommen wie die Diskussion um Strebehilfe und den § 217 StGB,[12] der auch schon das BVerfG erreichte.[13] Allein die (sehr ausführliche) verfassungsrechtliche Beurteilung der Norm füllt nahezu 3 Kommentarseiten. Neben der gelungenen Erläuterung der Tatbestandsmerkmale findet sich mit § 217 Rn. 33 eine Darstellung weiterer Problemfelder.

Eine für Wissenschaft und Praxis zugleich relevante Gesetzesänderung betrifft die Reform des Wohnungseinbruchsdiebstahls. Während dieser in der früheren Fassung lediglich in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB normiert war, existiert nunmehr mit § 244 Abs. 4 ein Verbrechenstatbestand, der den Einbruchsdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung bestraft. Diese in mehrfacher Hinsicht kritisierte Änderung[14] wird systematisch von Bosch erläutert mit den dazu gehörigen dogmatischen Problemen (insbesondere der Frage nach der geschützten Räumlichkeit, § 224 Rn. 32) und den Konsequenzen (§ 233 Rn. 31 ff.).

Große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft erfuhr das LG Berlin, als es mit Urteil vom 27.2.2017 zwei Teilnehmer eines illegalen Autorennens wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilte.[15] Das Urteil fand zum Teil Zustimmung, zum Teil auch Ablehnung. Der BGH hob es auf und verwies es zur erneuten Verhandlung an das LG Berlin. Wohl auch als Reaktion um die Problematik des (Nicht-)Vorliegens des Tötungsvorsatzes hat der Gesetzgeber nun mit § 315d StGB eine Strafnorm geschaffen, die bis dato nicht von den § 315c StGB erfasste illegale Straßenrennen unter Strafe stellt.

IV. Fazit

Der Schönke/Schröder ist für jeden neugierigen Leser geeignet, der gern einen Blick hinter die Kulissen werfen will und sich nicht durch den Lesefluss unterbrechende Nachweise im Kommentartext abschrecken lässt. Es handelt sich hierbei um einen Kommentar, der durch seine klare systematische Struktur überzeugen kann und stellenweise durchaus sogar studentischen Lesern zur Zuhilfenahme empfohlen werden kann. Über aktuelle Fragen und Geschehnisse wird in gewohnter Qualität berichtet.

 

[1]     Engländer, NJW 2014, 248 zur 29. Auflage; Mitsch, NJW 2011, 1053f. zur 28. Auflage.
[2]     BGH, NStZ 2014, 392.
[3]     S. hierzu auch die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen, NStZ 2018, 41; JA 2018, 568 m. Besprechung Baur.
[4]     So Mitsch, NJW 2013, 2877.
[5]     Renzikowski, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2013, vor § 13 Rn. 99 m.w.N. „konturenlose Superkategorie“; s. insbesondere auch Gössel, in: Maurach/Gössel/Zipf, AT Teilband 2, 8. Aufl. (2014), § 43 Rdnr. 115 ff.; umfassend Goeckenjan, Revision der Lehre von der objektiven Zurechnung, 2017.
[6]     AG Haldensleben, Urt. v. 26.9.2016 – 3 Cs 224/15 (182 Js 32201/14), juris.
[7]     LG Magdeburg, StV 2018, 335.
[8]     OLG Naumburg, NStZ 2018, 472; s. die Anmerkungen und Besprechungen von Hotz, NJW 2018, 2064; Mitsch, studere 2018, 40; Scheuerl/Glock, NStZ 2018, 448.
[9]     Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 22. Aufl. (1985), § 32 Rn. 8; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. (2014), § 32 Rn. 8.
[10]   Exemplarisch die Kritik an § 184j StGB von Renzikowski, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 3. Aufl. (2017), § 184j Rn. 1.
[11]   BGH, NJW 2017, 3245.
[12]   Die Literaturangaben zu § 217 StGB umfassen mehr als 60 Zeilen!
[13]   Die gegen das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung erhobenen Verfassungsbeschwerden wurden nicht angenommen, s. BVerfG, Beschl. v. 20.7.2017 – 2 BvR 2492/16; BVerfG, Beschl. v. 20.7.2016 – 2 BvR 2507/16.
[14]   S. bspw. Bosch, JURA 2018, 5; Mitsch, KriPoz 2017, 21.
[15]   LG Berlin, NStZ 2017, 471.

 

 

 

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