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KriPoZ-RR, Beitrag 15/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 07.01.2020 – 3 StR 561/19: Beschluss nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO ist letzte maßgebliche Entscheidung nach § 55 Abs. 1 StGB

Amtlicher Leitsatz:

Der Beschluss, mit dem nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO über den auf die Höhe der Tagessätze einer festgesetzten Geldstrafe beschränkten Einspruch des Angeklagten gegen einen Strafbefehl entschieden wird, ist die für die mögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe maßgebliche letzte tatgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB.

Sachverhalt:

Das LG Osnabrück hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer früher gegen ihn verhängten Geldstrafe verurteilt.

Die verfahrensgegenständliche Tat war vom Angeklagten am 9. Mai 2019 begangen worden. Für diese Tat hat das LG eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten ausgeurteilt. Des Weiteren hat das AG C. am 2. Mai 2019 per Strafbefehl eine Geldstrafe gegen den Angeklagten verhängt. Diese Strafe ist auf den Einspruch des Angeklagten hin am 7. Juni 2019 in der Höhe herabgesetzt worden. Diese – nach der verfahrensgegenständlichen Tat gebildete – Strafe hat das LG einbezogen und eine Gesamtstrafe von zwei Jahren vier Monaten und einer Woche gebildet.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Entscheidung des LG, da die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung erfüllt gewesen seien.

Der Beschluss gem. § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO, der letztendlich die Höhe der Tagessätze festgelegt hatte, sei eine frühere Verurteilung im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB gewesen.

Der Begriff der „Verurteilung“ in § 55 StGB erfasse nicht nur Urteile als Entscheidungsform, sondern entgegen des Wortlauts in § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB auch einem Urteil gleichstehende Erkenntnisse. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Gesamtstrafenbildung sei dann der Erlass des Strafbefehls bzw. des Urteils, wenn gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt worden sei.

In einem Fall, in dem – wie im gegenständlichen Verfahren – die Höhe der Tagessätze durch Beschluss nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO festgesetzt werden, sei das Datum des Beschlusses die letzte Sachentscheidung und damit der maßgebliche Zeitpunkt.

Diese Gleichsetzung von Beschluss und Urteil sei auch mit dem Sinn und Zweck des § 55 StGB vereinbar, da dieser dem Angeklagten den Vorteil erhalten wolle, der ihm bei gemeinsamer Aburteilung der Taten entstanden wäre. Entscheide das Gericht nun durch Beschluss anstelle eines Urteils, gelte dieser Zweck weiterhin und das Unterlassen einer Gesamtstrafenbildung würde den Angeklagten ungerechtfertigt belasten, so der BGH.

Zudem stelle die Entscheidung über die Höhe der Tagessätze auch eine Entscheidung über die Straffolge in der Sache dar, da diese die Höhe der Geldstrafe insgesamt beeinflusse und zumeist nur nach einem neuen Sachvortrag durch den Angeklagten ergehe.

Damit seien die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB erfüllt gewesen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Dieser Rechtsprechung des 3. Senats hat sich in einer neueren Entscheidung auch der 1. Senat angeschlossen. Die Entscheidung (BGH, Beschl. v. 03.12.2019 – 1 StR 535/19) finden Sie hier.

Auch in diesem Beschluss argumentiert der BGH damit, dass, nach der Wertung des § 410 Abs. 3 StPO, ein rechtskräftiger Strafbefehl einem in Rechtskraft erwachsenen Urteil gleichstehe. Auch das Argument, der Zweck des § 55 StGB bestehe in der Vorteilserhaltung für den Angeklagten und spreche daher für ein weites Verständnis seines Anwendungsbereichs, wiederholt der 1. Senat.

Durch ein rechtsfehlerhaftes Unterlassen einer Gesamtstrafenbildung wäre der Angeklagte beschwert gewesen: BGH, Beschl. v. 23.01.2020 – 5 StR 501/19.

Zum Umfang der Vollstreckung einer Geldstrafe im Rahmen des § 55 StGB siehe: BGH, Beschl. v. 21.01.2020 – 3 StR 567/19.

 

 

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