von Wiss. Mit. Henning Lorenz und Akad. Rat a.Z. Mustafa Oğlakcıoğlu
Abstract
Das Coronavirus hat Deutschland fest im Griff. Auch das Recht ist in der Krise vor zahlreiche Fragen gestellt. So hat die Politik zur Eindämmung der Pandemie weitreichende Schutzmaßnahmen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) getroffen. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die Frage, inwieweit die nebenstrafrechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes geeignet sind, diese mit Sanktionsandrohung und -verhängung abzusichern.
The corona virus has taken hold of Germany. In times of crisis, a number of questions have to be posed in regards to jurisdiction. To contain the pandemic, politics have established extensive protective measures based on the Law on the Prevention of Infection (IfSG). The following contribution examines the extent to which supplementary penal provisions of this law are suitable to secure the threat and imposition of sanctions
I. Deutschland im Corona-Lockdown
Deutschland befindet sich im Corona-Lockdown. Die Politik will den Anstieg der Infektionskurve bremsen (flatten the curve) und damit eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindern. Vor tragische und schicksalhafte Entscheidungen über Leben und Tod in Triage-Konstellationen – wie in Italien – sollen Ärzte hierzulande nicht gestellt werden.[1] Bundeskanzlerin Merkel mahnte in ihrer Rede an die Nation: „Unsere Vorstellung von Normalität, von öffentlichem Leben, von sozialem Miteinander – all das wird auf die Probe gestellt wie nie zuvor.“[2]
Eine genauere Vorstellung davon, wie weitreichend die Auswirkungen eines Lockdowns sein können, bietet die zwischenzeitlich um eine Rechtsverordnung[3] ergänzte Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.3.2020.[4] Während das Gebot eines Mindestabstands (von 1,5 m), die Beschränkung der Gastronomie auf Abgabe und Lieferung mitnahmefähiger Speisen sowie die Untersagung des Besuchs einiger Institutionen inzwischen weitgehend einheitlich ausgestaltet wurden, herrscht bei den Ausgangsbeschränkungen noch Uneinigkeit. Bayern hat ein grundsätzliches Verbot installiert, die Wohnung zu verlassen. Erlaubt soll dies nur sein, wenn triftige Gründe dafür bestehen. Beim Spaziergang um seiner selbst willen oder beim Sport ist bspw. der Freistaat streng: Erlaubt ist dies nur alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes, jede Gruppenbildung ist verboten. Demgegenüber bleiben die unverbindlichen, gemeinsamen Leitlinien von Bund und Ländern zur Beschränkung sozialer Kontakte[5] und einige seitdem ergangene Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen dahinter zurück. Eine Beschränkung auf den Hausstand ist dort nicht vorgesehen.
Dabei könnte man sich in Zeiten, in denen die Krise noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, in Zurückhaltung üben was potenzielle strafrechtliche Fragestellungen in diesem Kontext angeht.[6] Angesichts erster (freilich mit Vorsicht zu genießenden) Verlautbarungen über die Situation in Italien[7] scheint eine Sensibilisierung der Rechtspflege, insbesondere der Strafverfolgungsbehörden bzgl. etwaiger Strafbarkeitsrisiken das letzte zu sein, was die vor einem präventiv-polizeilichen Härtetest stehende Rechtsordnung gerade braucht. Auf der anderen Seite lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen, dass es gerade das Strafrecht (insbesondere in rechtsstaatlicher Anwendung) sein kann, das die Gesellschaft in solch einer Ausnahmesituation zusammenhält; nämlich dahingehend, dass die Bedeutung der nunmehr vorgenommenen Maßnahmen mit den Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft kommuniziert wird.[8] Hierzu zählen eben auch neu formulierte oder neuerdings Bedeutung erlangende Verhaltensnormen. Das ändert freilich nichts daran, dass in akuten Gefahrenlagen die präventiv-polizeiliche Tätigkeit vorrangig ist, deren Durchsetzung nicht durch die erneute Androhung von Sanktionen, sondern durch unmittelbaren Zwang und Ersatzvornahme gewährleistet wird. Dies gilt auch für das einschlägige IfSG, das als besonderes Sicherheitsrecht insofern atypisch viele Ordnungswidrigkeiten- und Straftatbestände enthält.[9] In jedem Fall gilt es, Rechtsklarheit im Hinblick auf potentielle Strafbarkeitsrisiken zu schaffen, sowohl aus dem Blickwinkel des Normadressaten als auch der Polizeibeamten, denen die Aufgabe zukommt, die Einhaltung etwaiger Sicherungsmaßnahmen zu überwachen und ggf. mit Zwang durchzusetzen.
Solch eine Akzentuierung deutet bereits darauf hin, dass der Fokus der Ausführungen im Folgenden nicht im Kernstrafrecht liegen kann, dessen Sanktionsnormen überwiegend gerade nicht allein an Verhaltensnormverstöße knüpfen, sondern bspw. den Eintritt eines Verletzungs- oder Gefährdungserfolgs zur Voraussetzung machen. Bereits an anderer Stelle wurde diesbezüglich dargelegt,[10] dass die Körperverletzungs- und Tötungsdelikte, bei deren Beurteilung sich die Parallele zu einer älteren Debatte aufdrängt[11], keine effektiven „Pandemie-Compliance“-Instrumente darstellen. Zum einen erfordert deren Ausgestaltung als Erfolgsdelikte eine Zurechnung der Infektion (was nicht nur im Hinblick auf die „generelle“ Kausalität, sondern auch bzgl. des Topos „eigenverantwortliche Selbstgefährdung“ Schwierigkeiten mit sich bringt). Zum anderen setzt die strafrechtliche Verantwortung vorsätzliches Handeln oder einen Fahrlässigkeitsvorwurf voraus. Dies wird man annehmen können, wenn eine Person von der eigenen Infektion wusste oder davon – durch einen gebotenen Test – hätte erfahren können. In den meisten Fällen wird aber keine Kenntnis von der Infektion bestehen und ein Test ebenso wenig geboten sein. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer an Infizierten aufgrund der symptomfreien oder -armen Verläufe hoch ist. Das Kernstrafrecht ist – jedenfalls im Bereich des Lebensschutzes – also weder in seinem Wesen für Krisenbewältigung gedacht noch eignet es sich speziell im Falle der fahrlässigen Erhöhung des Risikos einer Ansteckung als Instrument der Verhaltenssteuerung (bzw. -optimierung).
So geraten (spätestens nach Lektüre der Allgemeinverfügung des Freistaats Bayern) die in der Strafrechtswissenschaft bis dato – angesichts seines Regelungsgegenstands kaum erstaunlich – nur stiefmütterlich behandelten Ordnungswidrigkeiten und Strafvorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), insbesondere die augenscheinlich einschlägigen §§ 73 Abs. 1 Nr. 6a, 74 sowie 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG im Folgenden in den Fokus. Die Ausführungen beginnen mit einem kursorischen Überblick zum System der Strafbewehrung im IfSG (II. 1.), um im Anschluss vornehmlich das Konzept der Sanktionierung von Verstößen gegen vollziehbare Anordnungen im Gefüge des Nebenstrafrechts auszuleuchten (II. 2.). Sodann werden die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Konsequenzen erläutert, die insbesondere durch einen Verstoß gegen die in den Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen aufgestellten Verhaltenspflichten in Betracht kommen.
II. Das Infektionsschutzstrafrecht als Nebenstrafrechtsmaterie
1. Überblick und Systematik
a) Zweck des IfSG und Rechtsnatur
Gem. § 1 verfolgen die Vorschriften des IfSG den Zweck, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Entsprechend definiert das Gesetz in § 2 IfSG die zentralen Begriffe, die in den Eingriffsermächtigungen in den anschließenden Vorschriften wiederkehren (wie z.B.: Krankheitserreger, Infektion, Kranker usw.). Vornehmlich in den §§ 15a ff. sowie §§ 24 ff. IfSG finden sich Ermächtigungsgrundlagen für Schutzmaßnahmen und für den Erlass von Rechtsverordnungen. Deren verfassungsrechtliche Legitimation und Reichweite wird (nicht nur aus dem Blickwinkel der Gewaltenteilung, sondern auch aus demjenigen des Bestimmtheitsgrundsatzes) ebenso kontrovers beurteilt wie ihre dogmatische Einordnung[12] und ihr Verhältnis zu sonstigen Vorschriften des Gefahrenabwehrrechts (etwa zum Katastrophenschutzrecht).[13] Diese teils ganz grundsätzlichen verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Streitpunkte, die – wie nunmehr auch – hochkochen, wenn einem bestimmten Virus aufgrund seiner Verbreitung und Gefährlichkeit Aufmerksamkeit zuteilwird[14], sollen im Folgenden weitestgehend ausgeblendet werden.
b) Akzessorische und strafrechtsautonome Betrachtung
Vielmehr müssen die Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten der §§ 73 ff. IfSG „genuin“ betrachtet werden, auch wenn sie als akzessorische Tatbestände weitestgehend an die verwaltungsrechtlichen bzw. gefahrenabwehrrechtlich begründeten Pflichten knüpfen. Unklarheiten innerhalb der Bezugsmaterie (die übrigens nunmehr auch den Gesetzgeber auf den Plan rufen[15]) greifen zwar auch auf das Strafrecht über; dies bedeutet – wie sich zeigen wird – jedoch keine vollständige Gleichschaltung von Verwaltungsrecht und Strafrecht. So unterliegt bereits die verfassungsrechtliche Legitimation der Strafvorschriften verschärften Anforderungen (Art. 103 II GG), hinzu tritt das grundsätzliche Erfordernis vorsätzlicher Begehung, § 15 StGB (und damit einhergehend die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Irrtümern im Hinblick auf die Bezugsmaterie).
c) Dreiteilung des Infektionsschutzstrafrechts
Die Sanktionsnormen (§§ 73, 74, 75 IfSG) erfahren durch eine Dreiteilung eine Grobstruktur, wobei die Abfolge der Vorschriften nicht den Schweregrad impliziert (wie dies bspw. im Arzneimittelstrafrecht der Fall ist), sondern mit der Ordnungswidrigkeit des § 73 IfSG beginnt, der seinerseits numerisch nach den Anknüpfungsverboten und -geboten geordnet ist (und hierbei an fast alle Verbote und Pflichten des IfSG knüpft, §§ 6, 7, 15a Abs. 2 S. 1, § 16 Abs. 2 S. 3 IfSG usw.). Der in der Mitte positionierte § 74 IfSG (Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) knüpft an bestimmte Ordnungswidrigkeiten des § 73 Abs. 1, Abs. 1a (Nrn. 1 – 7, 11 bis 20, 22, 22a, 23 oder 24) IfSG an und „qualifiziert“ diese zu einer Straftat, wenn der Täter „dadurch“ (also durch die Verwirklichung der Ordnungswidrigkeit) eine in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG genannte Krankheit oder einen in § 7 genannten Krankheitserreger verbreitet.[16] Es handelt sich um eine Vorsatz-Vorsatz-Kombination, die im Hinblick auf den Erfolgsteil dieselben Probleme mit sich bringt, die bereits im Kontext der Körperverletzungsdelikte zur Ansprache kamen und damit kaum praktische Relevanz verspricht. Das Trio vervollständigt § 75 IfSG, der im ersten Absatz wiederum an ganz konkrete (sozusagen dem Strafrecht „vorbehaltene“) Verstöße gegen Schutzmaßnahmen und im zweiten Absatz an Verstöße gegen eine Rechtsverordnung nach § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 sowie Abs. 2 Nr. 4 IfSG knüpft, „soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist“. In § 75 Abs. 3 IfSG findet sich zudem eine Qualifikation, die beim Eintritt des in § 74 IfSG beschriebenen Erfolgs greift, während § 75 Abs. 4 IfSG die fahrlässige Verwirklichung des § 75 Abs. 1 oder 2 IfSG unter Strafe stellt.
Systematik und Zweckrichtung des IfSG haben bereits zur Folge, dass die Verhaltensnormen auf einen bestimmten Kreis von Adressaten zugeschnitten sind, nämlich auf Personen, die aufgrund bestimmter Eigenschaften ein erhöhtes Risiko im Hinblick auf die Verbreitung von Krankheiten darstellen. Dementsprechend eingeschränkt ist auch nicht selten der Täterkreis der akzessorischen Strafvorschriften, sodass diese zwar nicht technisch unbedingt als „Sonderdelikte“ ausgestaltet sein müssen, aber faktisch dennoch selten „Jedermann“ betreffen. Eine Grundsatzfrage, nämlich inwiefern das IfSG die Sicherheitsbehörden überhaupt dazu ermächtigt, wirklich „Jedermann“ in die Pflicht zu nehmen, begegnet uns in der Debatte um die Rechtmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten (vgl. im Folgenden), wie sie in den einzelnen Ländern – mehr oder weniger restriktiv – nun qua Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung aufgestellt werden. Genau diese aufgestellten Pflichten sind es auch, die als Anknüpfungspunkt für eine Bebuß- und Strafbarkeit auch derjenigen Personen fungieren, die nicht zum Phänotyp des IfSG-Normadressaten zählen. Soweit nämlich den Sicherheitsbehörden die Kompetenz eingeräumt wird, zur Durchsetzung der Maßnahmen Rechtsverordnungen zu erlassen und einzelne (sofort vollziehbare) Anordnungen zu treffen, ist damit zugleich die Kreation einer Straf- oder Ordnungswidrigkeitennorm verbunden, wenn der Tatbestand (wie bspw. § 73 Abs. 1a Nr. 6 – mittelbar im Handlungsteil somit auch § 74 oder § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG) an den Verstoß gegen die vollziehbare Anordnung knüpft.
2. Blankettcharakter der Strafvorschriften und Binnenverweise
Die Regelungstechnik ähnelt also derjenigen zahlreicher anderen Nebengesetze, die Ge- und Verbote im grundsätzlich erlaubnisfreien Verkehr mit bestimmten Waren (z.B. AMG, AWG) zum Gegenstand haben. Die Tatbestände des IfSG nehmen hierbei entweder unmittelbar auf die im IfSG aufgestellten Ge- und Verbote Bezug,[17] indem sie entweder das „Zuwiderhandeln“ gegen eine Norm erfassen (§ 73 Abs. 1 Nrn. 6, 7d, 11a, 22, 24; § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 IfSG)[18] oder die verwaltungsrechtlich gebotene Handlung zitieren und deren Nichtvornahme für strafbar oder bebußbar erklären (Melden, Auskunft erteilen, Vorlegen/Zugänglichmachen von Unterlagen etc., vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 1 – 5 IfSG). Insoweit handelt es sich nur um „Binnenverweise“, die in puncto Legitimation und Dogmatik als weniger problematisch eingeordnet werden können.
Zum Teil sanktionieren die Vorschriften allerdings auch das Zuwiderhandeln gegen Rechtsakte, die auf Grundlage der vorgesehenen Befugnisnormen (ggf. auch im Zusammenhang mit einer Rechtsverordnung) erlassen worden sind. Derlei Strafbarkeiten kommen im Neben- bzw. Wirtschaftsstrafrecht häufiger vor,[19] sie sind aber auch dem Kernstrafrecht nicht gänzlich fremd, weil das StGB ebenso eine verwaltungsrechtsakzessorische Rechtsmaterie enthält (§§ 324a, 325 i.V.m. § 330d Nr. 4c, d StGB[20]). Der Gesetzgeber bezieht in diesen Fällen die Nichtbefolgung des Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts in die Strafandrohung mit ein,[21] delegiert also partiell die Konkretisierung (nicht die grundsätzliche Ausgestaltung, vgl. noch im Folgenden) des Verhaltensnormbefehls an die zuständige Behörde. So gesehen haben diese Vorschriften den Charakter eines Blanketts, die jeweils durch den erlassenen Verwaltungsakt „ausgefüllt“ werden.
Ob es sich um echte Blanketttatbestände handelt, dürfte indessen davon abhängig sein, welchen Charakter man dem Rechtsakt zuschreibt: Während der Verwaltungsakt unproblematisch als rechtlicher Einzelakt eingeordnet werden kann, könnte man zumindest aus der Perspektive des Strafrechts darüber diskutieren, ob eine Allgemeinverfügung nicht als Rechtsnorm begriffen werden müsste, was jedenfalls Auswirkungen auf den Vorsatzbezugspunkt bzw. die Irrtumslehre hätte.[22] Denn als „Rechtsnorm-Analogon“ wäre sie blankettausfüllend und müsste mit dem Straftatbestand zusammengelesen werden. Stuft man die Allgemeinverfügung als rechtlichen Einzelakt ein, wäre auf Grundlage der herrschenden Dogmatik (Laien-)Vorsatz hinsichtlich ihres rechtlichen Ergebnisses nötig, also des Verbots.
Schon diese Überlegungen machen deutlich, dass die in Rede stehende Regelungstechnik grundsätzliche Fragen aufwirft, wie man sie bereits aus dem Wirtschafsstrafrecht kennt und die im Folgenden knapp „vor die Klammer gezogen“ werden sollen, um im Anschluss – sozusagen im Besonderen Teil – potenzielle Verstöße gegen die landesrechtlich verordneten Schutzmaßnahmen den skizzierten Vorschriften zuzuordnen und den damit verknüpften spezifischen Problemen nachzugehen.
a) Strafverfassungsrechtliche Implikationen
Ist erst einmal die Parallele zum Wirtschaftsstrafrecht hergestellt bzw. das Stichwort „Blankett“ gefallen, gehen die spezifisch-strafverfassungsrechtlichen Implikationen nicht in den Wirren rund um die Legitimation und Reichweite der Ermächtigungsgrundlagen des IfSG allgemein unter. Spätestens mit der Entscheidung des BVerfG zum Rindfleischetikettierungsgesetz[23] ist bei jedem Strafrechtler angekommen, dass Strafvorschriften mit einem „Kompetenzsprung“ einer besonders kritischen Begutachtung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG, Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG unterzogen werden müssen. Soweit bspw. § 74 IfSG im Handlungsteil an § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG knüpft, wonach (vgl. noch im Folgenden ausführlich) u.a. das Zuwiderhandeln gegen vollziehbare Anordnungen nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG erfasst ist, stellt sich diese Frage in besonderem Maße: schließlich handelt es sich hierbei um eine Generalklausel, die den Erlass durchaus unterschiedlicher – in ihrer Qualität kaum vergleichbarer – Verwaltungsakte ermöglicht, solange diese als notwendige Schutzmaßnahmen in Betracht kommen.
Das BVerfG hatte aber eine Delegation der Verhaltensnorm nur im Sinne einer Konkretisierung zugelassen:[24] verfassungswidrig sei es dagegen, wenn es der Behörde als Verordnungsgeber oder als die den Rechtsakt erlassende Institution völlig freistand, zu bestimmen, welche Verstöße (in concreto: gegen das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht) als strafwürdig anzusehen waren.[25] Zur Klarstellung: dies muss weder bedeuten, dass die Ermächtigungsgrundlage als solches verfassungswidrig ist, noch dass der Gesetzgeber keine Möglichkeit hätte, Art und Umfang der potentiell strafbewehrten Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Rechtsakte näher zu bestimmen;[26] in der jetzigen Ausgestaltung wird man aber zumindest diejenigen Strafnormen als mit Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig einordnen müssen, die im Handlungsteil an nicht näher konkretisierte bzw. in Art und Umfang der Maßnahme eingeschränkte Ermächtigungsgrundlagen knüpfen.[27] Für § 74 IfSG dürfte dies angenommen werden, soweit die Strafbarkeit im Handlungsteil an den Verstoß gegen Maßnahmen knüpft, die auf die Generalklausel gestützt werden.
b) Verwaltungsakt und Akzessorietät
Auch im Hinblick auf die Qualität und Rechtmäßigkeit der vollziehbaren Anordnung als Verwaltungsakt (oder Allgemeinverfügung, hierzu noch im Folgenden) tun sich Fragen auf, für die der mit den §§ 73 ff. IfSG (hoffentlich nur vereinzelt) konfrontierte Rechtsanwender ausreichend sensibilisiert sein sollte. Die bereits existierende Kasuistik führt in einen Streit rund um die Folgen der Rechtswidrigkeit eines für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakts. Einigkeit besteht wohl nur im Hinblick auf den Umstand, dass eine Strafbarkeit bei nichtigen Verwaltungsakten ausscheidet, umgekehrt (nach Auffassung des BVerfG) es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Strafbarkeit an einen noch nicht bestandskräftigen, sondern nur vollziehbaren Verwaltungsakt anknüpft.[28] Im Übrigen besteht hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts Streit dahingehend, ob es bei sofort vollziehbaren Anordnungen überhaupt auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ankommen darf und muss. Bei einer grundsätzlich kritischen Haltung wird man mit der Überlegung sympathisieren, dass das zentrale Unrechtsmoment des Verstoßes nicht in der Auflehnung gegen den Sofortvollzug liegt (dann müsste übrigens wiederum dessen Rechtmäßigkeit überprüft werden), sondern im Zuwiderhandeln gegen die Anordnung, die somit auch rechtmäßig sein muss.[29] Hierfür spricht auch die Erwägung, dass die sofortige Vollziehbarkeit eine zügige, nicht durch ein Gerichtsverfahren gehemmte Vollstreckung vereinfachen soll.[30] Dieser Zweck ist zum Zeitpunkt der Verhängung eines Bußgeldes allerdings nicht mehr gegeben, sodass es unverhältnismäßig wäre diese aufrechtzuerhalten, obwohl sich die Anordnung im Nachhinein als rechtswidrig herausstellte.[31]
3. Zwischenfazit
Es hat sich gezeigt, dass die Strafvorschriften, aber auch Ordnungswidrigkeitentatbestände, per se strafverfassungsrechtlich belastet sind, v.a. diejenigen Tatbestände, die an ein Zuwiderhandeln gegen eine vollziehbare Anordnung knüpfen. Im „Besonderen Teil“ wird nun der Frage nachgegangen, welche weiteren Probleme sich im Zusammenspiel konkreter Schutzmaßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten (als vollziehbare Anordnungen)[32] mit den §§ 73 ff. IfSG ergeben können. Hierfür müssen zunächst die unterschiedlichen Formen der Schutzmaßnahmen und die Instrumente, von denen die Sicherheitsbehörden in diesem Zusammenhang Gebrauch gemacht haben, genauer betrachtet werden, um im Anschluss potentielle Verstöße gegen die Schutzmaßnahmen den einschlägigen Sanktionsnormen zuzuordnen.
4. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Bewehrung von Ver- und Geboten auf Grundlage des IfSG
a) Verstoß gegen individuelle Anordnungen
In den Anfängen der Epidemie wurden noch vergleichsweise wenige Personen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Für positiv Getestete (Kranke) und Krankheits- sowie Ansteckungsverdächtige ordnen die zuständigen Behörden gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG Quarantäne an. Konkret bedeutet das ganz überwiegend ein, durch eine individuelle, vollziehbare Anordnung getroffenes, striktes Verbot, die eigene Wohnung zu verlassen. Die Betroffenen mussten ihre Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs über Verwandte, Freunde oder Bekannte sicherstellen. Kontrolliert wurde die Einhaltung des Verbots durch die zuständigen Behörden mit Telefonanrufen oder stichprobenartigen Wohnungsbesuchen. Verstöße gegen Anordnungen (es handelt sich um Verwaltungsakte der zuständigen Gesundheitsbehörde), die auf den speziellen Ermächtigungsnormen basieren, die in § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG zitiert werden (wie auch die beschriebenen Quarantäne-Maßnahmen), sind nach dieser Vorschrift strafbar, sodass es nicht erstaunt, dass in Anbetracht der zahlreich festgestellten Verstöße bereits Strafanzeigen gestellt wurden.[33] Daneben bleibt es möglich, Einzelanordnung auf Grundlage der Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zu treffen (wobei wiederum umstritten ist, welche Maßnahmen von dieser Vorschrift umfasst sind, vgl. im Folgenden);[34] Verstöße gegen derlei – nicht in § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG genannte – Anordnungen können als Ordnungswidrigkeit gem. § 73 Abs. 1 Nr. 6 IfSG geahndet (und ggf. als Straftat gem. § 74 IfSG, siehe oben, verfolgt) werden.
b) Verstoß gegen Allgemeinverfügungen am Beispiel Bayerns und Sachsen-Anhalts, insbesondere gegen die Ausgangsbeschränkung
Angesichts der rasch angestiegenen Fallzahlen und der Befürchtung, es könne trotz der zahlreichen Maßnahmen (z. B. weitreichenden Schließungen von Gastronomie und Einzelhandel) in absehbarer Zeit zu einer weiteren Verbreitung des Virus und damit einer Überlastung des Gesundheitssystems kommen, kamen weitergehende Maßnahmen ins Gespräch. Da sich immer noch zahlreiche Menschen im öffentlichen Raum aufhielten, erließ zunächst der Freistaat Bayern eine Allgemeinverfügung, in der u. a. eine Ausgangsbeschränkung enthalten ist.[35] Danach ist das Verlassen der Wohnung nur noch aus „triftigen Gründen“ erlaubt. Ein solcher soll u.a. ein Besuch beim Lebenspartner sein. Bekannte und Freunde hingegen darf man in Bayern nicht mehr besuchen. Sachsen-Anhalt hat zwischenzeitlich eine ganz ähnliche Allgemeinverfügung erlassen.[36] Wie aber ist eine Zuwiderhandlung strafrechtlich zu bewerten, wenn man beispielsweise auf dem Weg zu einem Freund von Polizeibeamten aufgegriffen wird? Ungeachtet der Schwierigkeit, die Besuchsintention nachzuweisen, insbesondere, evtl. Schutzbehauptungen des Angetroffenen zu widerlegen, richtet sich die materielle Rechtslage nach den bereits skizzierten §§ 73, 74 und 75 IfSG.
aa) Deklaratorische Hinweise in den Allgemeinverfügungen auf den Charakter als Ordnungswidrigkeit und Unrechtsbewusstsein
Konsultiert man die Allgemeinverfügung von Bayern, findet man in Nr. 7 folgenden Hinweis: „Ein Verstoß gegen diese Allgemeinverfügung kann nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.“ In der Begründung heißt es allerdings ergänzend: „Die Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ist gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG strafbewehrt.“ In den FAQ zu den Ausgangsbeschränkungen auf der Internetseite des Staatsministeriums für Inneres wird weiterhin die Frage, ob man bei einem Verstoß verhaftet werden kann, mit „Ja“ beantwortet und auf § 74 IfSG hingewiesen.[37] Die Allgemeinverfügung in Sachsen-Anhalt verweist demgegenüber in ihrer Nr. 6 nur auf die Möglichkeit der Ahndung eines Verstoßes als Ordnungswidrigkeit gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG. Die Rechtslage erscheint – selbst für den juristisch geschulten Leser – zunächst verwirrend.
Tatsächlich ist der Hinweis im Allgemeinverfügungstext allein auf die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG irreführend. Denn über § 74 IfSG wird jeder vorsätzliche Verstoß gegen diese Norm zur Straftat „hochgestuft“, wenn eine dadurch eingetretene Verbreitung des Coronavirus nachgewiesen werden kann. Letzteres mag zwar – wie erwähnt – oftmals nicht gelingen oder gar nicht in Rede stehen . Gleichwohl besteht bei einem Verstoß gegen § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG – wie zumindest in den bayerischen FAQ mitgeteilt – jedenfalls im Grundsatz die Möglichkeit, sich auch strafbar zu machen. Die Allgemeinverfügungen (ohne Hinzuziehung der Begründung) suggerieren indes das Gegenteil. Das kann Auswirkungen auf die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein und einem Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB haben. Fordert man für das Unrechtsbewusstsein gerade die Kenntnis der Verletzung einer Strafnorm und lässt es nicht ausreichen, dass der Adressat sein Verhalten als ordnungswidrig eingestuft hat, wird es problematisch.[38] Die in den Allgemeinverfügungen enthalten Hinweise allein auf die Bußgeldvorschrift in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG, könnten Beschuldigte als starkes Indiz für ihre Unkenntnis des Strafcharakters ins Feld führen.
bb) Ermächtigungsgrundlage der Ausgangsbeschränkung und Bestimmtheitsgrundsatz
Ungeachtet dieser Frage ist Voraussetzung einer Ahndung nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG bzw. einer Strafbarkeit nach § 74 IfSG ein Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG. Dabei dürfte zwar unbestritten sein, dass es sich bei der angeordneten Ausgangsbeschränkung in der Allgemeinverfügung um eine vollziehbare Anordnung handelt. Unklar ist jedoch, auf welche Ermächtigungsgrundlagen dieses weitreichende Verbot gestützt wird. Sowohl Bayern als auch Sachsen-Anhalt zitieren als Ermächtigungsgrundlage kumulativ § 28 Abs. 1 S. 1 und S. 2 IfSG. Das ist problematisch.
Das gilt schon deshalb, weil § 74 IfSG Vorsatz und einen nachweisbaren Verbreitungserfolg verlangt und eine Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG in Bezug nimmt. Demgegenüber setzt § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG nur eine vorsätzlich oder eine fahrlässige Handlung (§ 75 Abs. 4 IfSG) wider eine vollziehbare Anordnung nach § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG voraus. Es ist also entscheidend, ob § 28 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 IfSG die Ermächtigungsgrundlage für die Ausgangsbeschränkung ist. Auch dies könnte sich auf das Unrechtsbewusstsein (bzw. – siehe oben – auf den Vorsatz) auswirken.
Losgelöst von subjektiven Überlegungen soll an dieser Stelle kurz die materiell-rechtliche Frage beleuchtet werden, auf welche Ermächtigungsgrundlage nun eigentlich die Ausgangsbeschränkung gestützt werden kann. Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, auf § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 IfSG zu rekurrieren. Dort ist die Befugnis enthalten, bestimmte Aufenthaltsgebote und Betretungsverbote zu erlassen (Behörde kann „[…] Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten […]“). Allerdings enthält die Vorschrift eine Einschränkung, indem sie darauf hinweist, dass entsprechende Maßnahmen getroffen werden können „[…] bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.“ Diese notwendigen Schutzmaßnahmen sind in den §§ 28 Abs. 1 S. 1 und 29 bis 31 IfSG geregelt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Ausgangsbeschränkungen zur Vorbereitung anderer Maßnahmen dienen. Es handelt sich wohl vielmehr um eine Hauptmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten. Diese vornehmlich öffentlich-rechtliche Diskussion soll hier nicht weiter vertieft werden. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass im Bundestag inzwischen eine Änderung des § 28 IfSG auf den Weg gebracht wurde. Danach soll § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 IfSG in den S. 1 inkorporiert und der Hinweis auf den vorbereitenden Charakter entsprechender Maßnahmen („[…] bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.“) gestrichen werden.[39] Auch wenn die Entwurfsbegründung meint, dass der Wortlaut des § 28 Abs. 1 IfSG nur „aus Gründen der Normenklarheit angepasst“ werde, kann das die dargestellten Zweifel an der bisherigen Tauglichkeit des § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 IfSG als Ermächtigungsgrundlage nicht ausräumen.[40]
Damit bliebe letztlich nur § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG als Ermächtigungsgrundlage für die Ausgangsbeschränkung. Hier können zwei Einwände vorgebracht werden: Zum einen würde die Generalklausel, die zu den „notwendigen Schutzmaßnahmen“ berechtigt, auch Aufenthaltsgebote und Betretungsverbote ermöglichen, die in der spezielleren Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 IfSG nur als vorbereitende Maßnahmen zugelassen werden. Zum anderen würde sie – soweit man die Ausgangsbeschränkung als Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 GG sieht – dem Vorwurf ungenügender Bestimmtheit ausgesetzt, der in strafrechtlicher Hinsicht – vgl. bereits die Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Implikationen der Regelungssystematik – in besonderem Maße gilt. Festzuhalten bleibt: Hinsichtlich eines Verstoßes gegen Allgemeinverfügungen gelten im Grundsatz keine Besonderheiten im Vergleich zu (sofort vollziehbaren) individuellen Anordnungen. Soweit man davon ausgeht, dass § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG als Ermächtigungsnorm für Ausgangsbeschränkungen herhalten kann, wäre bei einem Verstoß gegen diese § 73 Abs. 1a Nr. 6 (und ggf. § 74) IfSG einschlägig.[41] Bei den auf Einzelfälle zugeschnittenen Schutzmaßnahmen, auf die § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG Bezug nimmt, erscheint eine Maßnahme im Wege der Allgemeinverfügung ohnehin schwer vorstellbar, sodass § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG in diesem Kontext selten eine Rolle spielen wird.
c) Verstoß gegen Rechtsverordnungen am Beispiel Nordrhein-Westfalens: Das Kontaktverbot
In Auseinandersetzung und Abgrenzung zur Ausgangsbeschränkung in Bayern hat sich die Regierung in Nordrhein-Westfalen im Kampf gegen das Coronavirus für ein umfangreiches Kontaktverbot entschieden. Dazu hat es eine Rechtsverordnung auf Grund der §§ 32, 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG erlassen (CoronaSchVO).[42] Das darin u.a. enthaltene, an die Bürger gerichtete Verbot setzt nicht bereits beim Verlassen der Wohnung, sondern erst im öffentlichen Raum an (§ 12 CoronaSchVO): Zusammenkünfte und Ansammlungen in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen sind untersagt. Es bestehen eine Handvoll Ausnahmetatbestände.
In straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlicher Hinsicht teilt die Verordnung mit, dass Verstöße als Ordnungswidrigkeiten und als Straftaten verfolgt werden (§ 14 CoronaSchVO). Anknüpfungspunkte hierfür sollen die §§ 73 Abs. 1a Nr. 6, 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 und 4 IfSG sein. Zudem hat die Landesregierung einen Straf- und Bußgeldkatalog zur Umsetzung des Kontaktverbots veröffentlicht.[43] Darin wird das Verbot von Ansammlungen in der Öffentlichkeit und Zusammenkünften (§ 12 CoronaSchVO) als durch § 75 IfSG strafbewehrt ausgewiesen. Strafverfolgung soll allerdings erst ab 10 Personen eingeleitet werden. Unterhalb dieser Personenzahl sollen Verstöße als Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG geahndet werden.
Diese Hinweise sind ebenso problematisch. Anders als die Ausgangsbeschränkungen, mag das Kontaktverbot in Gestalt der Zusammenkunfts- und Ansammlungsverbote im öffentlichen Raum möglicherweise auf die Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 IfSG gestützt werden können. Dafür spricht, dass der Wortlaut so verstanden werden kann („[…] kann die zuständige Behörde Veranstaltung oder sonstige Ansammlungen einer Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten […]“) und nur der zweite, nicht der erste Halbsatz den Hinweis auf den vorbereitenden Charakter hiernach erlassener Maßnahmen enthält („[…] bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.“). Eine Strafbewehrung über § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG wäre bei einem derartigen Verbot, gestützt auf § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Eine gleichzeitige Bewehrung als Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG würde demgegenüber ausweislich seines expliziten Wortlauts voraussetzen, dass die Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gesehen wird. Ein und dasselbe Verbot kann aber nicht auf § 28 Abs. 1 S. 1 und S. 2 IfSG gestützt werden. Das zeigt – wie bereits dargelegt – ein systematischer Blick auf die §§ 73, 74 und 75 IfSG. Denn Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG sind im Grundsatz nur bußgeldbewehrt und erst unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 74 IfSG (Vorsatz und Nachweis eines Verbreitungserfolgs) strafbar.
Unabhängig davon, setzt aber jedwede straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung nach den §§ 73, 74 und 75 IfSG im hier interessierenden Kontext das Handeln wider eine vollziehbare Anordnung voraus. Zwar enthalten die Sanktionsnormen den Zusatz, dass sie auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG eingreifen. Doch darf das nicht derart missverstanden werden, dass allein ein Zuwiderhandeln gegen eine Rechtsverordnung ausreicht. Das Sanktionskonzept des IfSG knüpft bei Schutzmaßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG mit der vollziehbaren Anordnung gerade primär an konkrete Handlungsformen der Verwaltung an und lässt lediglich sekundär einen darin enthaltenen Rückgriff auf abstrakt-generelle Rechtsverordnungen zu. Deutlich zeigt das auch ein systematischer Binnenvergleich etwa mit § 75 Abs. 2 IfSG. Dort wird bei den strafbaren Handlungen direkt unterschieden zwischen Zuwiderhandlung gegen Rechtsverordnungen (nach § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 oder Abs. 2 IfSG) und gegen vollziehbare Anordnungen auf Grund einer solchen Rechtsverordnung. Erstere Umschreibung der strafbaren Handlung wäre auch in den §§ 73 Abs. 1a Nr. 6, 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG[44] erforderlich, um Verstöße allein gegen eine Rechtsverordnung straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich zu bewähren. Da sie fehlt, ist ein Verstoß gegen die nordrhein-westfälische Verordnung (CoronaSchVO) weder eine Ordnungswidrigkeit noch Straftat. Soweit in einzelnen Kommunen jedoch Allgemeinverfügungen erlassen wurden, könnte man annehmen, dass Verstöße gegen darin enthaltene vollziehbare Anordnungen entsprechend geahndet werden können. Freilich bleibt solch ein Vorgehen problematisch, da auf diese Weise eine faktisch „abstrakt-generelle“ Anordnung geschaffen und damit das zentrale Unrechtsmoment (der Verstoß gegen eine konkrete Anordnung durch das „angesprochene Individuum“) unterlaufen wird. So müssen sich diejenigen Landesregierungen, die eine Allgemeinverfügung erlassen haben, den Vorwurf gefallen lassen, über eine Art „Etikettenschwindel“ den Weg der individuellen Anordnung zu umgehen, um auf diese Weise zu einer potenziellen Bebußung zu gelangen. Dem könnte man durch eine Anpassung der Straf- und Bußgeldvorschriften des IfSG abhelfen. Zu denken wäre an eine Vorschrift etwa i.S.d. § 75 Abs. 2 Alt. 1 IfSG, bei der künftig schon die Zuwiderhandlung gegen Rechtsverordnungen nach § 32 IfSG entweder straf- oder bußgeldbewehrt ist.
III. Fazit
Angesichts der im Detail nicht auf Anhieb zugänglichen Unterscheidungskriterien und den vorgeschalteten verfassungsrechtlichen Fragestellungen, erstaunt es nicht, dass bezüglich der Strafvorschriften des IfSG (scheinbar auch bei den zuständigen Behörden) Rechtsunsicherheit zu bestehen scheint. Der Beitrag war daher bemüht, die einschlägigen Normen einer Systematisierung zuzuführen und grundsätzliche Kritik „auszulagern“. Ergebnis ist eine konkrete Zuordnung einzelner Verstöße gegen bestimmte Schutzmaßnahmen. Während v.a. die auf den speziellen Ermächtigungsgrundlagen basierenden Maßnahmen (insbesondere die Quarantäne, Verbot von Versammlungen sowie Veranstaltungen) als Straftaten nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG eingeordnet werden können, hat sich herausgestellt, dass die Ausgangsbeschränkung (und auch sonstige Maßnahmen wie die Schließung von Freizeiteinrichtungen oder das Kontaktverbot) – wenn überhaupt – als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können (auch, weil der Nachweis des nach § 74 Abs. 1 IfSG erforderlichen Erfolgs kaum gelingen wird). Man kann nur hoffen, dass die Erwägungen Anleitungen aus dem Elfenbeinturm bleiben, um in wenigen Einzelfällen des Verwaltungsungehorsams angemessen und v.a. rechtmäßig reagieren zu können. Szenarien, in denen es (wiederum nur theoretisch) um die Frage geht, inwiefern ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) auch bei Rechtswidrigkeit der vollziehbaren Anordnung tatbestandsmäßig ist und – aus gleichsam umgekehrter Perspektive – inwiefern Polizei und Sicherheitsbehörden sich nach §§ 239, 240 Abs. 1 StGB strafbar machen, wenn sie freiheitsentziehende Maßnahmen ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage an protestierenden Bürgern vollstrecken, will man sich derzeit nicht ausmalen. Und spätestens dann wäre das Strafrecht das geringste Problem.
[1] Instruktiv zur Thematik Brech, Triage und Recht, 2008, passim; zur aktuellen Coronakrise vgl. Zimmermann, Wer stirbt zuerst?, in: LTO v. 23.3.2020, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-triage-tod-strafrecht-sterben-krankenhaus-entscheidung-auswahl/ (zuletzt abgerufen am 27.3.2020) und die, von einigen Fachverbänden erlassenen klinisch-ethischen Empfehlungen für Triage-Konstellationen, online abrufbar unter: https://dynamic.faz.net/download/2020//COVID-19_Ethik_Empfehlung_Endfassung_2020-03-25.pdf (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[2] Im Wortlaut ist die Rede online abrufbar unter: https://www.n-tv.de/politik/Merkels-Rede-im-Wortlaut-article21652668.html (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[3] Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24.3.2020, in: BayMBl. 2020 Nr. 130, online abrufbar unter: https://www.verkuendung-bayern.de/files/baymbl/2020/130/baymbl-2020-130.pdf (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[4] Online abrufbar unter: https://www.stmgp.bayern.de/wp-content/uploads/2020/03/20200320_av_stmgp_ausgangsbeschraenkung.pdf (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[5] Online abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/besprechung-der-bundeskanzlerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-1733248 (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[6] Monographisch zur Rolle des Rechts im Kontext von Risikolagen (und speziell am Beispiel der Pandemie) Klafki, Risiko und Recht, 2017.
[7] Bott spricht in einem Interview von mehreren tausend Verstößen täglich, online abrufbar unter: https://rp-online.de/panorama/coronavirus/coronavirus-ausgangssperre-droht-regeln-ausnahmen-strafen_aid-49672827 (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[8] Zur kommunikativen Funktion der Strafe statt vieler nur Jakobs, ZStW 107 (1995), 843; Hassemer/Neumann, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), Vorb. § 1 Rn. 105 m.w.N.
[9] Dies erscheint betonenswert, da es sich auch um eine im Nebenstrafrecht atypische Ausgestaltung handelt: Das Verwaltungsstrafrecht bezieht sich typischerweise auf Überwachungspflichten und Erlaubnisvorbehalte im Kontext gefährlicher Verhaltensweisen, nicht auf akute Gefahrenlagen und den Verstoß gegen hierauf basierenden Schutzmaßnahmen (man stelle sich vor, die Nichtbefolgung eines Platzverweises nach Art. 16 BayPAG könnte als Ordnungswidrigkeit geahndet werden).
[10] Lorenz, NJW-aktuell 12/2020, 17 und ders./Turhan, Verantwortungslosigkeit kann straflos sein, in: FAZ-Einspruch v. 21.3.2020, online abrufbar unter: https://www.faz.net/einspruch/corona-krise-verantwortungslosigkeit-kann-strafbar-sein-16689724.html (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[11] BGHSt 36, 1 = NJW 1989, 718; zur Zurechenbarkeit des Tötungs- oder Körperverletzungserfolgs Frisch, in: FS Szwarc, 2009, S. 497 ff.; Knauer, GA 1998, 428; Prittwitz, NJW 1988, 2942; zum Tötungsvorsatz in HIV-Fällen Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 212 Rn. 73; Sternberg-Lieben, in: Schöne/Schröder, 30. Aufl. (2019), § 223 Rn. 66; Strafrecht und das HI-Virus, vgl. hierzu BGHSt 36,1.
[12] Vgl. etwa Engels, DÖV 2014, 464; Kraft/Dohmen, PharmR 2008, 401.
[13] Trute, GSZ 2018, 125; Walus, DÖV 2010, 127; Stober/Eisenmenger, NVwZ 2005, 121.
[14] Für die Schweinegrippe Correll, NJW 2009, 3069, für die Vogelgrippe etwa Scheidler, GewA 2006, 194.
[15] Vgl. dazu insgesamt BT-Drs. 19/18111.
[16] Daher handelt es sich bei den aufgezählten Anknüpfungstatbeständen um Vorschriften, die im Handlungsteil auf den beschriebenen Erfolgsteil „passen“.
[17] Und zwar dergestalt, dass nicht nur Begriffe oder bestimmte Merkmale des Unrechtstatbestands durch die Anknüpfungsnormen konkretisiert werden, sondern überwiegend der gesamte Normbefehl aus diesen heraus rekonstruiert werden muss.
[18] Hierzu Empfehlungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für die Ausgestaltung von Straf- und Bußgeldvorschriften (Handbuch des Nebenstrafrechts), 3. Aufl. (2018), S. 112.
[19] Vgl. etwa §§ 23, 26 Nr. 1 VersG, § 20 VereinsG; § 17 Abs. 1 AWG; § 97 Abs. 2 Nr. 6 AMG; § 120 Abs. 1 Nr. 1, 2b WpHG; § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG.
[20] Zur Umweltrechtsakzessorietät instruktiv Krell, Umweltstrafrecht, 2017, S. 11; zur Akzessorietät im Wirtschaftsstrafrecht vgl. nur Kudlich/Oğlakcıoğlu, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl. (2020), Rn. 1 ff.
[21] Zu dieser Technik erläuternd Handbuch des Nebenstrafrechts (Fn. 20), S. 62 ff.
[22] Kudlich/Oğlakcıoğlu (Fn. 20), Rn. 57 ff.
[23] BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 648 m. Anm. Hecker; die Entscheidung stieß auf ein breites Echo, vgl. nur Brand/Kratzer, JR 2018, 422; Cornelius, NStZ 2017, 682; Sinn,ZJS 2018, 381.
[24] Hierzu auch Kudlich/Oğlakcıoğlu (Fn. 20), Rn. 49 ff.
[25] BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 648 (650).
[26] Nach unserer Einschätzung steht der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung weder entgegen, dass es sich bei § 74 IfSG um ein Delikt handelt, das erst durch den „zusätzlichen Erfolg“ zu einem Straftatbestand qualifiziert wird, noch, dass die Entscheidung des BVerfG sich auf eine Rechtsverordnung und nicht auf eine vollziehbare Anordnung bezog. Denn während eine Allgemeinverfügung der Rechtsverordnung zumindest strukturell ähnelt, muss ein individuell jedes Mal aufs Neue kreierter Verwaltungsakt, dessen Nichtbefolgung strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen soll, erst recht eingehegt werden.
[27] Die Verfassungsmäßigkeit der strukturell vergleichbaren Vorschrift des § 17 Abs. 1 AWG anzweifelnd Hoffmann, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Aufl. (2020), 24. Kap. Rn. 60.
[28] So jedenfalls für § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG: BVerfG, NJW 1990, 37.
[29] Bei solch einer Annahme hat die Aufnahme der sofortigen Vollziehbarkeit in den Wortlaut der Vorschriften wohl nur klarstellende Funktion dahingehend, dass nicht vollstreckbare Verwaltungsakte (§ 80 Abs. 1 VwGO) keine strafrechtliche Folgen nach sich ziehen können, so auch Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 228. EL Januar 2020, im Kontext des § 39 WpHG (a.F) Rn. 80.
[30] Daher ist auch die Vollstreckung einer rechtswidrigen sofort vollziehbaren Anordnung rechtmäßig, vgl. BVerfG, StV 1993, 123 (124 f.)
[31] Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas (Fn. 29), § 39 WpHG (a.F) Rn. 80.
[32] Die Terminologie Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbot ist juristisch nicht vorgeprägt, ihre Ausbildung ist den konkreten politischen Maßnahmen in der Coronakrise geschuldet. Dabei kann von einer Ausgangsbeschränkung gesprochen werden, wenn ein grundsätzliches Verbot, die Wohnung zu verlassen, besteht und Ausnahmefälle (”triftige Gründe”) vorgesehen sind. Das Kontaktverbot hingegen beschränkt sich auf das grundsätzliche Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit, ohne das Verlassen der Wohnung als solches zu verbieten.
[33] Ein Bericht zu zahlreich festgestellten Verstößen gegen Quarantäneanordnungen nach § 30 I IfSG enthält https://www.mz-web.de/halle-saale/strafanzeigen-gestellt-kontrollen–hallenser-halten-sich-nicht-an-corona-quarantaene-36410946 (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[34] Solange Menschen meinen, ihre Krankheit vortäuschen zu müssen und ihr an den Tag gelegtes Verhalten die Vermutung trägt, es werde gegen Quarantänemaßnahmen verstoßen, kann in solch einem schlechten Scherz auch das Vortäuschen einer Straftat gem. § 145d StGB liegen. Vgl. Zu einem solchen Fall etwa https://www.spiegel.de/panorama/justiz/muenchen-angeblich-mit-coronavirus-infizierter-mann-leckt-rolltreppe-ab-a-a971fde5-cc27-44c4-8110-f71271cfc3cc (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[35] Gegen diese Allgemeinverfügung wurde im Wege einstweiligen Rechtsschutzes bereits erfolgreich vorgegangen. Dabei stellte das VG München die formelle Rechtswidrigkeit zugunsten zweier Einzelpersonen (”inter partes”) fest. Im Übrigen behalte sie aber ihre Wirksamkeit, vgl. https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/vg-muenchen-setzt-wirksamkeit-coronabedingter-ausgangsbeschraenkungen-in-zwei-einzelfaellen-vorlaeufig-ausser-kraft (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[36] Diese wurde mittlerweile (nach Abschluss des Manuskripts), wegen des Erlasses einer Rechtsverordnung auf Grundlage des § 32 IfSG, widerrufen, vgl. dazu https://lvwa.sachsen-anhalt.de/das-lvwa/unterseite-start/oeffentliche-bekanntmachung-des-landesverwaltungsamtes-sachsen-anhalt/ (zuletzt abgerufen am 27.3.2020). Das ist insoweit problematisch, als nunmehr auf Landesebene eine vollziehbare Anordnung fehlt, auf die man eine Bebußung oder Strafbarkeit nach §§ 73, 74 und 75 IfSG stützen könnte, vgl. dazu II. 4. c).
[37] Die FAQ sind online abrufbar unter: https://www.stmi.bayern.de/
miniwebs/coronavirus/faq/index.php (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[38] Vgl. zu dieser Sichtweise Heuchemer, in: BeckOK-StGB, 45. Edition (Stand: 1.2.2020), § 17 Rn. 8 m.w.N.
[39] BT-Drs. 19/18111, S. 10.
[40] A.a.O., S. 25.
[41] Lehnt man dagegen eine auf die Generalklausel gestützte Ausgangsbeschränkung oder andere vergleichbare Maßnahmen ab, läuft § 73 Abs. 1 Nr. 6 IfSG nicht vollständig ins Leere. Vielmehr können nach wie vor Verstöße gegen notwendige Schutzmaßnahmen nach § 29 IfSG (Beobachtung) bußgeldbewehrt werden. Bei § 29 IfSG handelt es sich um eine Ermächtigungsgrundlage, auf die § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG nicht Bezug nimmt.
[42] Sie ist abrufbar unter: https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-03-22_coronaschvo_nrw.pdf (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[43] Dieser ist abrufbar unter: https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/200323_bussgeldkatalog_zur_rechtsverordnung_22.03.2020.pdf (zuletzt abgerufen am 27.3.2020).
[44] In § 74 IfSG bedürfte es einer solchen Umschreibung nicht, da dort § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG durch Verweis inkorporiert wird.