Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
BGH, Beschl. v. 18.08.2020 – StB 25/20: Kein Beschwerderecht gegen Pflichtverteidigerbestellung
Amtlicher Leitsatz:
Einem Pflichtverteidiger steht gegen die Aufhebung seiner Bestellung kein eigenes Beschwerderecht zu.
Sachverhalt:
Gegen den Angeklagten wird vor dem OLG Frankfurt ein Strafverfahren wegen Mordes geführt.
In diesem Verfahren war der Beschwerdeführer dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet, was der Beschuldigte beantragt hatte, aufgrund von Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, rückgängig zu machen. Diesem Antrag war der Vorsitzende gefolgt und hatte den Beschwerdeführer von seinem Mandat entbunden.
Entscheidung des BGH:
Der BGH verwarf die sofortige Beschwerde als unzulässig.
Sie sei zwar gemäß § 304 Abs. 4 S. 2 HS 2 Nr. 1 StPO statthaft, jedoch sei eine Beschwer des Verteidigers nicht ersichtlich.
Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erfolge allein im öffentlichen Interesse zum Schutz des Beschuldigten und nicht im Interesse des Verteidigers. Daher stehe dem Pflichtverteidiger, im Gegensatz zu den Fällen der Ablehnung einer von ihm beantragten Entpflichtung, in den Fällen, in denen die Entpflichtung auf Antrag des Angeklagten erfolgt, kein eigenes Beschwerderecht zu.
Die Rücknahme einer Bestellung als Pflichtverteidiger greife nicht beschwerend in dessen Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein, so der BGH. Es bestehe kein Anspruch auf Fortführung des Mandas, was auch wirtschaftliche Erwägungen oder ein etwaiges Rehabilitationsinteresse in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu ändern vermögen.
Eine vergleichbare Interessenlage zu einem Wahlverteidiger sei aufgrund der öffentlichen Funktion des Pflichtverteidigers ebenfalls abzulehnen, da der entbundene Pflichtverteidiger auch weiterhin als Wahlverteidiger für den Mandanten tätig werden dürfe, was für den ausgeschlossenen Wahlverteidiger gerade nicht gelte.
Dieses Ergebnis stimme auch mit den gesetzgeberischen Wertungen und der Auslegung der EU-Richtlinie 2016/1919/EU überein, da der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 in Kenntnis der bisherigen Praxis für die sofortige Beschwerde in § 143a Abs. 4 StPO an dem Erfordernis einer Beschwer festgehalten habe und gerade für diese Konstellation keine andere Rechtsschutzmöglichkeit eingeführt habe.
Anmerkungen der Redaktion:
Informationen zum Gesetz zur Neureglung des Rechts der notwendigen Verteidigung, mit dem der Gesetzgeber die EU-Richtlinie über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in nationales Recht umgesetzt hat, finden Sie hier.