Sandra Riebel: Verdeckte Online-Durchsuchung in der Bundesrepublik Deutschland – Eine Analyse anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Vorschriften der Strafprozessordnung und des Bundeskriminalamtgesetzes

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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2019, Verlag Dr. Kovač, ISBN: 978-3-339-11214-9, S. 325, Euro 99,80.

 Die Dissertation von Riebel widmet sich insbesondere der Untersuchung des im August 2017 neu in Kraft getretenen § 100b StPO sowie ergänzender Vorschriften in der StPO bezüglich der Einhaltung der durch das BVerfG definierten Anforderungen an die verdeckte Online-Durchsuchung. Der Fokus liegt dabei auf der Rechtsprechung des BVerfG, an Hand der analysiert wird, ob die Vorschriften einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten werden. Auch die entsprechende Regelung im BKAG wird flankierend untersucht.

Insofern arbeitet die Verfasserin zunächst die unterschiedlichen Aufgabenbereiche heraus, nämlich präventive und repressive Tätigkeiten. Diese Trennung zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sei wichtig, da dies Einfluss auf die Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage für bestimmte Ermittlungsmaßnahmen habe. Insbesondere die Voraussetzungen für den rechtmäßigen Eingriff in die Rechte der von der Maßnahme Betroffenen können sich je nach Aufgabenbereich unterscheiden (S. 40).

Im dritten Kapitel, dem Kernstück der Dissertation, untersucht Riebel ausführlich die verdeckte Online-Durchsuchung als Maßnahme zur Beweiserhebung (S. 41 ff.). Zunächst werden wesentliche Begriffe definiert und Methoden der Infiltration des Zielsystems dargestellt. Daran anschließend erfolgt eine Abgrenzung zur Quellen-TKÜ.

Strikt getrennt wird dann zwischen der verdeckten Online-Durchsuchung zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung. Zunächst beschäftigt sich die Verfasserin mit der verdeckten Online-Durchsuchung zur Gefahrenabwehr und beleuchtet die beiden Urteile des BVerfG hierzu. Diese Entscheidungen sind von grundsätzlicher Bedeutung, leitete doch das BVerfG aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht das neue Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer System ab. Zudem entwickelte das Gericht seine bisherige  Rechtsprechung  zum  Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung fort und erstellte ein zweistufiges Schutzkonzept, das den Anforderungen und Besonderheiten der verdeckten Online-Durchsuchung bei der Beweiserhebung und Beweisverwertung gerecht werden sollte. Des Weiteren wurden dem Gesetzgeber Formulierungen und Anforderungen zur verfassungsgemäßen Ausgestaltung der Norm an die Hand gegeben (S. 128).

In einem weiteren Unterkapitel wird dann die verdeckte Online-Durchsuchung zur Strafverfolgung gem. §§ 100b ff. StPO anhand der Vorgaben des BVerfG überprüft (S. 130 ff.). Die Verfasserin kommt nach dezidierten Erwägungen und einer hilfreichen synoptischen Gegenüberstellung (S. 191 ff.) zu einem ernüchternden Fazit. Ihrer Meinung nach halten die Regelungen der StPO zur verdeckten Online-Durchsuchung einer bevorstehenden Überprüfung durch das BVerfG nur teilweise stand. Als nicht verfassungskonform bezeichnet sie die Regelungen über die Anordnungskompetenz des Kammervorsitzenden im Einzelfall, den Straftatenkatalog sowie die Subsidiaritätsklausel (S. 239). Allerdings ist sie der Auffassung, dass diese Regelungen im Rahmen einer Überarbeitung durch den Gesetzgeber so angepasst werden könnten, dass eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlage zur Durchführung von verdeckten Online-Durchsuchungen zum Zweck der Strafverfolgung grundsätzlich möglich sei (S. 255). Hier hätte es sich angeboten, wenn Riebel einen eigenen de lege ferenda Vorschlag präsentiert hätte, der ihrer Meinung nach die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt.

Doch auch wenn der de lege ferenda Vorschlag zu einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage zur verdeckten Online-Durchsuchung fehlt, so zeichnet sich die Dissertation doch durch eine umfangreiche Literatur- und Rechtsprechungsanalyse aus. Diese ist ein guter Grundstein, um darauf aufbauend in die kriminalpolitische Diskussion über eine Änderung der §§ 100b StPO ff. nachzudenken. Letztlich wird die zukünftige Entscheidung des BVerfG über die anhängigen Verfassungsbeschwerden zur verdeckten Online-Durchsuchung zeigen, ob Riebel mit ihrer Einschätzung der teilweisen Verfassungswidrigkeit der Vorschrift recht behält.

 

 

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