Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
BGH, Beschl. v. 14.01.2021 – 1 StR 476/20: Zum Ausnutzen einer schutzlosen Lage bei § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB
Leitsatz der Redaktion:
§ 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB ist kein Auffangtatbestand und tritt auch nicht hinter den anderen beiden Varianten auf Konkurrenzebene zurück.
Sachverhalt:
Das LG Traunstein hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB verurteilt.
Dem Beschluss sind keine tatsächlichen Feststellungen zu entnehmen.
Entscheidung:
Der BGH bestätigte die tateinheitliche Verurteilung wegen beider Nummern des Tatbestands durch das LG.
Die drei Tatbestandsvarianten des § 177 Abs. 5 StGB stünden gleichrangig nebeneinander. Dann griff der Senat eine vorangegangene Entscheidung des 4. Senats auf und schloss sich dahingehend an, dass zur Beurteilung der schutzlosen Lage stets eine Gesamtbetrachtung aller Umstände zu erfolgen habe. Dies stelle sicher, dass für diese Variante ein eigener Anwendungsraum verbleibe und sie gerade nicht bei Gewaltanwendung oder Drohung durch den Täter stets mitverwirklicht sei.
Der eigenständige gesteigerte Unrechtsgehalt der Variante rechtfertige ein Zurücktreten auf Konkurrenzebene lediglich, wenn die Schutzlosigkeit der Lage auf einer vorherigen Gewaltanwendung des Täters beruhe.
Anmerkung der Redaktion:
Bereits am 2. Juli 2020 hatte der 4. Strafsenat des BGH entschieden, dass die vorher zur Ausnutzung einer schutzlosen Lage ergangene Rechtsprechung nicht ohne Weiteres auf den Tatbestand nach der Gesetzesänderung im November 2016 übertragbar sei. Informationen dazu finden Sie im KriPoZ-RR, Beitrag 64/2020.