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Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings

von Prof. Dr. Jörg Eisele

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Abstract
Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und besseren Erfassung des Cyberstalkings. Dabei soll der Grundtatbestand ausgedehnt, um weitere Nachstellungshandlungen des Cyberstalkings ergänzt und die ursprüngliche Qualifikation in einen besonders schweren Fall mit (weiteren) Regelbeispielen umgewandelt werden. Abgesehen von Ausgestaltungen im Detail ist der Entwurf insgesamt positiv zu bewerten.

This article discusses the German government’s draft law for more effective prosecution of stalking and better coverage of cyberstalking. The basic offense is to be expanded to include further acts of cyberstalking and the original qualification is to be changed into a particularly serious case with (further) standard examples. Apart from some details, the draft is positive overall.

I. Einführung

Der Tatbestand der Nachstellung des § 238 StGB wurde im Jahre 2007 in das Strafgesetzbuch eingefügt, um Strafbarkeitslücken in Fällen des Stalkings zu schließen.[1] Eine maßgebliche Umgestaltung erfuhr der Tatbestand sodann im Jahre 2017 mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen, das ihn in ein potenzielles Gefährdungsdelikt bzw. Eignungsdelikt umgestaltet hat.[2] Seither muss keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung eintreten, vielmehr genügt es, wenn eine unbefugte und beharrliche Nachstellung vorgenommen wird, die „geeignet ist“, das Opfer in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend zu beinträchtigen. Anlass für die nunmehr geplanten Änderungen ist der Evaluierungsbericht zu dieser Neufassung des § 238 StGB vom 4. Februar 2021.[3] Dieser zeigte, dass die Anwendung des Tatbestandes für die Praxis immer noch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Als die maßgeblichen Gründe wurden vor allem genannt: Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob ein Verhalten im Einzelfall noch sozialadäquat und daher nicht strafwürdig ist,[4] die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „Beharrlichkeit“, „Unbefugtheit“, „Eignung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“[5] sowie  Beweisprobleme (da es sich häufig um zwei Personen-Konflikte handelt[6]), auch und insbesondere hinsichtlich des Tätervorsatzes betreffend die Lebensgestaltung des Opfers.

II. Änderungen im Einzelnen

Der Entwurf verfolgt das Ziel, dem Rechtsanwender durch Ergänzungen des Grundtatbestandes eine bessere Konturierung des Tatbestandes vor allem auch für Fälle des sog. Cyberstalkings an die Hand zu geben.[7] Ferner möchte er die praktischen Nachweisprobleme und „hohen Hürden“ dadurch beseitigen, dass er das Merkmal „beharrlich“ durch das Merkmal „wiederholt“ ersetzt und den Grad der Beeinträchtigung der Lebensgestaltung von „schwerwiegend“ auf „nicht unerheblich“ herabsetzt: „in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt (…).“ Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die schwierige Abgrenzung zu (noch) sozialadäquaten Verhaltensweisen beim Stalking auch durch eine abweichende Fassung kaum beseitigen lässt und diese Entscheidung letztlich der Rechtsanwender immer im Wege einer Gesamtwürdigung zu treffen hat. Entsprechendes gilt für tatsächliche Nachweisprobleme, die auf Zwei-Personen-Konstellationen beruhen, da diese unabhängig von Erweiterungen der Tatbestandsfassung bestehen. Letztlich soll die Qualifikation des § 238 Abs. 2 StGB durch einen mit Regelbeispielen exemplifizierten besonders schweren Fall ersetzt werden, um größere Flexibilität zu erlangen.

1. Änderungen des Grundtatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB

a) Herabsetzung des Grades der Beeinträchtigung der Lebensgestaltung

Im Grundtatbestand wird bislang die Eignung der Nachstellungshandlungen zu einer „schwerwiegenden“ Beeinträchtigung der Lebensgestaltung verlangt. Diese Schwelle soll nun im Entwurf von einer „schwerwiegenden“ auf eine „nicht unerhebliche“ Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herabgesetzt werden. Vorzugswürdig wäre es freilich, von einer „erheblichen“ Beeinträchtigung zu sprechen, weil ansonsten lediglich Bagatellfälle ausgeklammert und bereits leichteste Beeinträchtigungen bei Alltagsstreitigkeiten erfasst wären.

aa) Erforderlich waren bislang gravierende und ernst zu nehmende Beeinträchtigungen, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung hinausgehen.[8] Nimmt man diese Formel zum Gegenstand, so wird man nunmehr auf das Erfordernis der gravierenden Beeinträchtigung verzichten können. Damit wird die Schwelle für den Nachweis der Eignung der Stalkinghandlungen zur Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herabgesetzt und zugleich werden bestehende Unsicherheiten beseitigt, wenngleich natürlich auch beim normativen Merkmal „nicht unerheblich“ bzw. „erheblich“ ein Wertungsspielraum verbleiben muss. Das Täterverhalten muss aber weiterhin die Eignung aufweisen, das Opfer zur Veränderung der Lebensgestaltung gerade durch die Nachstellungshandlungen zu zwingen.[9] Es genügt damit aber dennoch nicht jede Belästigung des Opfers, die mit der Austragung und Lösung von Konflikten, insbesondere auch im Rahmen des Scheiterns von Beziehungen, verbunden ist.[10] Regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung können auch weiterhin kein strafwürdiges Unrecht begründen.

bb) Bislang waren folgende Beeinträchtigungen nicht erfasst,[11] die nunmehr nach Absenkung der Schwelle hinsichtlich des Grades der Beeinträchtigung der Lebensgestaltung vom Tatbestand erfasst werden können: die Einrichtung einer Fangschaltung,[12] das Wechseln der Telefonnummer,[13] das Installieren von Alarmanlagen,[14] ein einwöchiger Umzug in eine Ferienwohnung,[15] das Beantragen von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz,[16] der Austritt aus einem Verein[17] und konsequenterweise auch aus einem Fitnessstudio usw. Noch hinnehmbar sind hingegen m.E. übliche Schutzmaßnahmen – wie das Verschließen von Fenstern und Türen[18] – oder der bloße Verzicht auf die Entgegennahme von einzelnen Anrufen, soweit es sich nicht insgesamt um einen Verzicht auf die Nutzung des Telefons handelt. Maßgeblich ist damit, ob es sich um Reaktionen handelt, die das Opfer bei einfachen, alltäglichen Streitigkeiten nicht vornehmen würde. So würde es bei üblichen Streitigkeiten möglicherweise den einen oder anderen Anruf nicht entgegennehmen, jedoch nicht gleich die Nummer des Mobiltelefons ändern.

b) Ersetzung des Merkmals „beharrlich“

Das Merkmal „beharrlich“, das eine gewisse Hartnäckigkeit zum Ausdruck bringt, soll durch das Merkmal „wiederholt“ ersetzt werden.  Dies ist zu begrüßen, da die Beharrlichkeit, die auf die innere Einstellung des Täters abstellt,[19] recht unscharf, schwer nachweisbar und schon im Hinblick auf ein Tatstrafrecht fragwürdig ist.[20] Da Bestandteil des beharrlichen Verhaltens bereits jetzt eine wiederholte Begehung ist, kann insoweit auf diese Grundsätze weiterhin zurückgegriffen werden.[21] Durch den Wegfall der subjektiv geprägten Komponente der Beharrlichkeit wird der Tatbestand auch nicht zu weit gefasst, da zumindest Eventualvorsatz vorliegen muss, der sich auf die Eignung zur nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung gerade durch die wiederholte Tatbegehung beziehen muss. Die Entwurfsbegründung lässt für die Anzahl der Wiederholungen „schon eine geringe einstellige Anzahl“ genügen.[22] Bei der Einführung des § 238 StGB wurden hingegen fünf Handlungen genannt,[23] so dass zwei oder drei Handlungen, die sich über einen längeren Zeitraum verteilen, in der Regel nicht genügen. Unerheblich ist insoweit, ob sich der Täter unterschiedlicher Verhaltensweisen nach Nrn. 1 bis 8 bedient,[24] da die Unberechenbarkeit der Handlungen für das Opfer sogar gravierender sein kann.[25]

c) Ergänzung des Tatbestandes um weitere Nachstellungshandlungen

Obgleich in der bisherigen Nr. 5 (Nr. 8 des Entwurfs) ein Auffangtatbestand enthalten ist,[26] ist es zu begrüßen, dass wichtige Erscheinungsformen des sog. Cyberstalkings explizit aufgeführt werden, um dem Tatbestand schärfere Konturen zu verleihen und so dessen Anwendbarkeit in der Praxis zu erleichtern.

aa) Nach Nr. 5 soll als Nachstellungshandlung erfasst werden, wenn der Täter zulasten dieser Person oder einer ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a StGB begeht. Auch wenn die Verschaffung des unbefugten Zugangs zu Daten durch eine Tat nach § 202a StGB bereits per se nach dieser Vorschrift strafbar ist, ist dieser „elektronische Hausfriedensbruch“ für das Opfer des Stalkings eine große Belastung, da der Täter tief in die Privatsphäre eindringt und das Opfer sich einer sicheren und vertraulichen Kommunikation nicht mehr gewiss sein kann. Angesichts des Auffangtatbestandes, der nunmehr in Nr. 8 geregelt ist, erscheint es nicht zwingend, weitere Konstellationen bzw. Tatbestände aufzunehmen. § 202b StGB[27] hat angesichts der technischen Weiterentwicklung ohnehin nur geringe Bedeutung und die Vorfeldstrafbarkeit des § 202c StGB betrifft noch nicht die Privatsphäre des Opfers. Nicht ganz überzeugend erscheint auch der Vorschlag, die unbefugte Zugangsverschaffung oder Erhebung von personenbezogenen Daten unter Verwendung technischer Mittel oder von Passwörtern zu erfassen.[28] Zum einen ist der Opferkreis nicht nur bei personenbezogenen Daten – § 202a Abs. 2 StGB erfasst hingegen alle Daten – betroffen, zum anderen ist die Überwindung einer Zugangssicherung i.S.d. § 202a StGB ein plausibles Merkmal, um die strafwürdigen Fälle herauszufiltern.

bb) Überzeugend ist auch das Verbreiten oder öffentliche Zugänglichmachen von Abbildungen des Opfers und nahestehender Personen nach Nr. 6 einbezogen, zumal dieses nicht immer zugleich eine Strafbarkeit nach § 201a StGB begründen muss. Ungereimt ist freilich, dass bei Nr. 6 neben der „nahestehenden Person“ auch „Angehörige“ genannt sind, nicht aber bei Nr. 5. Das Drohen mit einer Verbreitung wird – obgleich praktisch durchaus relevant – nicht erfasst. Jedoch kann auch hier der Auffangtatbestand greifen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nämlich Handlungen erfasst werden, die gegenüber denjenigen der anderen Tatvarianten „sowohl quantitativals auch qualitativ eine vergleichbare Schwereaufweisen und in ihrem Handlungs- und Erfolgsunwert diesen gleichkommen“.[29] Nicht verlangt wird demnach eine in der Begehungsweise vergleichbare Handlung, die sich an die gesetzlich geregelten Begehungsweisen im äußeren Ablauf anlehnt. Sofern also ein vergleichbarer Schweregehalt der Tat vorliegt, besteht richtigerweise kein Ausschluss für solche Handlungen, die „knapp neben oder kurz vor“ den gesetzlich genannten Verhaltensweisen liegen.[30] Nicht erfasst wird beispielsweise von Nr. 2, wohl aber vom Auffangtatbestand, der sog. „Telefonterror“ durch ständiges Anrufen und Auflegen, bei dem der Täter – anders als von Nr. 2 vorausgesetzt – gerade eine Kommunikation mit dem Opfer vermeiden und unmittelbar dessen psychische Verfassung angreifen möchte.

cc) Eine gewisse Parallele zu Nr. 3, der Waren und Dienstleistungen erfasst, weist sodann Nr. 7 auf, wenn es hier um die Täuschung der Urheberschaft bei Inhalten i.S.d. § 11 Abs. 3 StGB geht. Erfasst werden sollen mit guten Gründen Fälle, in denen der Täter einen Inhalt (§ 11 Abs. 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht.

2. Umwandlung der Qualifikation in einen besonders schweren Fall

Besonders schwere Fälle, die mit Regelbeispielen exemplifiziert sind, haben gegenüber Qualifikationen einen Vor- und einen Nachteil. Der Vorteil ist darin zu sehen, dass weitere im Gesetz nicht genannte Fälle den besonders schweren Fall begründen können. Der Nachteil liegt darin, dass der vom Gesetzgeber genannte Erschwerungsgrund durch mildernde Strafzumessungsumstände widerlegt und dann auf den Grundstrafrahmen zurückgegriffen werden kann, was vor allem das Herbeiführen der Gefahr einer Gesundheitsschädigung als bisherige Qualifikation des Abs. 2 betrifft. Etwas „übertrieben“ wirkt es, dass gleich acht Regelbeispiele genannt werden, es ließen sich angesichts der Vielgestaltigkeit des Stalkings beliebig viele weitere Erschwerungsgründe nennen.

a) Die bisherige Qualifikation ist nun in Abs. 2 S. 2 Nr. 2 genannt; vertretbar ist, dass in Nr. 1 auch das Eintreten einer einfachen Gesundheitsschädigung erfasst wird. Allerdings legt die Formulierung „verursacht“ nahe, dass es sich um eine Erfolgsqualifikation bzw. genauer um ein erfolgsqualifiziertes Regelbeispiel[31] handelt, für das entsprechend § 18 StGB Fahrlässigkeit ausreichend ist. Hingegen ist bei Qualifikationen bzw. Regelbeispielen mit Vorsatzerfordernis das Wort „bringt“ die übliche Terminologie.[32] Dass bereits Fahrlässigkeit i.S.d. § 18 StGB hinsichtlich einer einfachen Körperverletzung den erhöhten Strafrahmen begründen kann, wäre nicht überzeugend und auch im Verhältnis zu Nr. 2 systemwidrig. Sollte an Nr. 1 festgehalten werden, ist daher zu einer anderen Formulierung zu raten (etwa „eine Gesundheitsschädigung hervorruft“).

b) Nach Nr. 3 ist als Regelbeispiel vorgesehen, dass dem Opfer durch täglich oder nahezu täglich begangene Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten nachgestellt wird, während Nr. 4 eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens neun Monaten verlangt. Hier muten die Monatsangaben etwas willkürlich an, zumal bei der Begründung für das Merkmal „nahezu täglich“ eine Rechenangabe angegeben wird („75% der Tage und zudem jede Woche mindestens eine Tathandlung“).[33] Überzeugender wäre es, beide Strafschärfungen zusammenzufassen und angelehnt an Nr. 4 eine „Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten“ zu verlangen. Dies wäre eine plausible Leitlinie, mit Hilfe derer sodann in Anwendung der Regelbeispielstechnik weitere Konstellationen ebenfalls erfasst und ggf. trotz Vorliegens des Regelbeispiels auf den Grundstrafrahmen ausgewichen werden könnte.

c) Strafschärfend soll nach Nr. 5 wirken, dass der Täter ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist.Auch diese Strafschärfung dürfte entbehrlich sein, da der Einsatz einer Spy-Ware nur eine Möglichkeit ist, den Grundtatbestand des Abs. 1 Nr. 5 zu verwirklichen, ohne dass der Unrechtsgehalt signifikant steigt. Auch bei § 202a StGB ist dieser Umstand nicht als strafschärfend normiert.

d) Nicht überzeugend sind ferner die vorgesehenen Kombinationen in Nr. 6 und Nr. 7. Erfasst wird nach Nr. 6, wenn der Täter eine durch eine Tathandlung nach Abs. 1 Nr. 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Abs. 1 Nr. 6 verwendet. Nr. 7 sieht als Regelbeispiel vor, dass der Täter einen durch eine Tathandlung nach Abs. 1 Nr. 5 erlangten Inhalt (§ 11 Abs. 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet. Diese Fälle können ebenfalls innerhalb des Grundstrafrahmens sachgerecht abgeurteilt werden, wobei im Übrigen die Möglichkeit verbleibt, einen unbenannten besonders schweren Fall anzunehmen. Zudem muss man sehen, dass auch die Verwirklichung verschiedener Tathandlungen des Abs. 1 gerade eine wiederholte Begehungsweise begründen kann.[34] Insoweit wird das Ausspähen der Daten gerade den Handlungen der Nr. 6 und Nr. 7 zeitlich vorgehen, so dass die Kumulation bereits in die Anzahl der Tathandlungen des Grundtatbestandes eingeht.

e) Gut vertretbar ist hingegen das Regelbeispiel der Nr. 8, weil Personen unter 16 Jahren in  ihrer  psychischen  Verfassung häufig noch nicht so gefestigt sind und daher das Stalking besonders massiv wirkt. Die Mindestaltersgrenze auf Täterseite ist sachgerecht, um Verhaltensweisen unter Jugendlichen und Heranwachsenden nicht zu kriminalisieren.

f) Im Hinblick auf die Konturen des Tatbestandes wird zutreffend der Auffanggrundtatbestand der Nr. 8 vom besonders schweren Fall ausgeklammert, um die Kumulierung unbestimmter Merkmale zu vermeiden.[35] Allerdings verbleiben so besonders schwere Fälle innerhalb des Grundtatbestandes, selbst wenn der Täter mittels schwerer Nachstellungshandlungen gegen das Opfer vorgeht. Eine Koppelung des besonders schweren Falles an Nr. 8 wäre jedenfalls dann nicht im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig, wenn man den Auffangtatbestand des Grundtatbestands noch als hinreichend bestimmt ansieht. Denn besonders schwere Fälle bzw. Regelbeispiele sind nach ganz h.M. anders als Qualifikationen keine Tatbestandsmerkmale, die mit dem Grundtatbestand verknüpft werden, so dass insgesamt ein unbestimmter Tatbestand entstehen könnte. Vielmehr handelt es sich um Strafzumessungsregeln,[36] die nur die Rechtsfolgenseite betreffen. Insoweit kennt das Strafgesetzbuch aber auch zahlreiche unbenannte besonders schwere und minder schwere Fälle, gegen die ebenfalls nicht der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhoben wird.

 

[1]      40. StÄG v. 22.3.2007, BGBl. I S. 354.
[2]      BGBl. I, S. 386; BT-Drs. 18/9946 S. 10 f., 13 f. und dazu Kubiciel/Borutta, KriPoZ 2016, 194 ff.
[3]      BT-Drs. 19/26515.
[4]      BT-Drs. 19/28679, S. 4 und S. 7.
[5]      BT-Drs. 19/28679, S. 4.
[6]      BT-Drs. 19/28679, S. 5.
[7]      BT-Drs. 19/28679, S. 7.
[8]      BT-Drs. 16/3641, S. 14, BGHSt 54, 189 (197); OLG Brandenburg, NStZ 2010, 519 (520).
[9]      Vgl. BT-Drs. 16/575, S. 8.
[10]    OLG Brandenburg, NStZ 2010, 519 (520); OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 175; Peters, NStZ 2009, 238 (241).‘
[11]    Siehe dazu Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 238 Rn. 32.
[12]    BT-Drs. 16/575, S. 8; BGHSt 54, 189 (197).
[13]    So BT-Drs. 19/28679, S. 9. Schon bisher für eine Einbeziehung Mosbacher, NStZ 2007, 665 (667); Mitsch, Jura 2007, 401 (405); dagegen Gazeas, JR 2007, 497 (503);Valerius, JuS 2007, 319 (323).
[14]    Fischer, StGB, 68. Aufl. (2021), § 238 Rn. 24
[15]    AG Löbau, StV 2008, 646.
[16]    OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 175. 
[17]    So BT-Drs. 19/28679, S. 9
[18]    OLG Brandenburg, NStZ 2010, 520.
[19]    Vgl. BT-Drs. 16/575 S. 7; BGHSt 54, 189 (195); BGH, NStZ 2016, 724 (725).
[20]    Zur Kritik Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 24.
[21]    Zum Aspekt der Wiederholung Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 24.
[22]    BT-Drs. 19/28679, S. 10.
[23]    BT-Drs. 15/5410, S. 7. Nach BGHSt 54, 189 (196), sind Vorfälle an fünf Tagen auch bei größeren zeitlichen Abständen von bis zu sechs Wochen ausreichend.
[24]    BT-Drs. 19/28679, S. 10; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 25.
[25]    BGHSt 54, 189 (196); OLG Stuttgart, Die Justiz 2015, 181 (282); Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1032).
[26]    Die Frage, ob der Auffangtatbestand den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG genügt, soll hier nicht vertieft werden; vgl. näher Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 23 f.
[27]    Für eine Einbeziehung Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 19/29639, S. 2.
[28]    Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 19/29639, S. 2.
[29]    BT-Drs. 16/3641 S. 14.
[30]    Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 21; vgl. aber etwa Kühl, in: Lackner/Kühl, 29. Aufl. (2018), § 238 Rn. 5.
[31]    Vgl. auch § 218 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB, wo freilich die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung als Regelbeispiel genannt ist, sog. gefahrerfolgsqualifiziertes Regelbeispiel.
[32]    Eisele, Strafrecht Besonderer Teil I, 6. Aufl. (2021), Rn. 443; Kühl, Festgabe BGH 2000, 237 (243 ff.)
[33]    BT-Drs. 19/28679, S. 11.
[34]    BT-Drs. 19/28679, S. 10; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 25.
[35]    BT-Drs. 19/28679, S. 11.
[36]    BGHSt 23, 254 (257); BGHSt 33, 370 (373); Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 38 ff. Rn. 47.

 

 

 

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