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Verteidigung in Strafbefehlsverfahren in Deutschland, Frankreich und der Schweiz

von Dr. Raluca Enescu, Wiss. Mit. Adja Lea Niang und Prof. Dr. Carsten Momsen

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Abstract
In Deutschland, Frankreich und der Schweiz bemüht man sich in Gesetzgebung und Justizpraxis seit mehr als 20 Jahren konstant, das Strafverfahren effizienter auszugestalten. Eine herausgehobene Rolle kommt in allen drei Ländern dem Strafbefehlsverfahren zu. Denn dieses erlaubt, Straftaten in einem weitgehend schriftlichen Verfahren zu einem rechtskräftigen Abschluss zu bringen, der einem Gerichtsurteil nach einer mündlichen Hauptverhandlung gleichsteht. Doch diese Verfahrensweise führt zu einem erhöhten Risiko, fehlerhafte Entscheidungen zu treffen, da auf wesentliche Aspekte der Ermittlung des Sachverhalts durch die Erhebung von Beweisen vor Gericht, aber auch schon im Ermittlungsverfahren verzichtet wird. Weil teilweise sogar auf eine Anhörung des Beschuldigten verzichtet werden kann und in der Regel die Verteidigung durch Anwälte nicht vorgesehen ist, gestaltet sich die Verteidigung häufig als schwierig. Der nachfolgende Beitrag zeigt rechtsvergleichend die Herausforderungen für die Verteidigung in Strafbefehlsverfahren. Dabei wird in funktional vergleichender Methode analysiert, ob eines der Länder als Vorbild für die anderen dienen kann.

In France, Germany and Switzerland, there have been constant efforts in legislation and judicial practice for more than 20 years to make criminal proceedings more efficient. In all three countries, the penalty order procedure plays a prominent role.This is because it allows criminal offenses to be brought to a legally binding conclusion in a largely written procedure, which is equivalent to a court verdict after an oral main hearing.  However, this procedure leads to an increased risk of wrongful decisions, since essential aspects of the investigation of the facts are omitted by the taking of evidence in court but also already in the preliminary proceedings.Because in some cases it is even possible to dispense with a hearing of the accused and there is usually no provision for defense by lawyers, the defense often turns out to be difficult. The following article shows the challenges for the defense in criminal proceedings by way of a legal comparison. In doing so, a functional comparative method is used to analyze whether one of the countries can serve as a model for the others.

I. Einführung

In Deutschland nimmt das Strafbefehlsverfahren für die Erledigung der Kriminalität leichter und mittlerer Schwere eine zentrale Rolle ein. Das Strafbefehlsverfahren ist mit einer Reihe von Besonderheiten ausgestattet, welche häufig besondere Verteidigungsstrategien erfordern und teilweise die Verteidigung erschweren. Strukturelle Ursache dafür ist, dass die Verfahrenseffizienz gegenüber der Sachverhaltsaufklärung einen größeren Stellenwert besitzt, als dies in anderen Verfahrensformen üblich ist. Dabei zeigt jedoch der Blick auf die Nachbarländer Schweiz und Frankreich, dass einerseits das Strafbefehlsverfahren noch nicht, wie in der Schweiz, zum absoluten Regelverfahren geworden ist. Andererseits bieten sich für die Verteidigung andere Ansatzpunkte im Ermittlungsverfahren vor dem Erlass des Strafbefehls als in Frankreich. Daher stellt sich die Frage, ob eine der drei Rechtsordnungen einen Vorbildcharakter beanspruchen kann – zumindest aus einer verteidigungsnahen Perspektive – oder ob absehbar ist, dass sich im Rahmen der Europäisierung des Strafverfahrens ein Modell durchzusetzen scheint.

II. Strafbefehle in Deutschland

1. Überblick über Entwicklung, Rechtslage und Praxis

Als eine der verkürzten Erledigungsformen ist das Strafbefehlsverfahren aus dem deutschen Strafprozess nicht mehr wegzudenken. Im Jahr 2019 wurden 547.665 Strafbefehlsanträge gestellt; angeklagt hingegen wurde nur in 418.709 Fällen.[1]

Die Masse der Verfahren erfordert eine Möglichkeit, geringfügige Delikte schnell und einfach zu erledigen, was neben den Einstellungen aus Opportunitätsgründen vor allem auch durch das Strafbefehlsverfahren erfolgt. Dessen Anwendungsbereich liegt insbesondere im Bereich der Verkehrsstraftaten, gefolgt von den Vermögensdelikten (hier insbesondere Betrug, Untreue, Diebstahl und Unterschlagung), aber auch im Bereich der Betäubungsmitteldelikte und der Wirtschaftsstraftaten sowie im Nebenstrafrecht, etwa dem Migrationsrecht.[2] Neben der Beschränkung auf Vergehen sieht § 407 Abs. 2 StPO nur bestimmte Rechtsfolgen vor, die durch Strafbefehl verhängt werden dürfen. Die praxisrelevanteste hierbei ist die Geldstrafe[3], deren zulässige Höhe sich nach den allgemeinen Vorgaben aus § 40 StGB bestimmt (maximal 360 Tagessätze bei maximal 30.000 Euro Tagessatzhöhe); aber auch die Festsetzung einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, ist durch Strafbefehl möglich. In diesem Fall muss der Angeschuldigte[4] einen Verteidiger haben (Abs. 2 S. 2). Daneben sieht das Gesetz unter anderem auch ein Fahrverbot, die Einziehung, Vernichtung, oder Unbrauchbarmachung, eine Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung (Nr. 1) oder die Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre für die Erteilung einer neuen Erlaubnis nicht mehr als zwei Jahre betragen darf (Nr. 2), vor.

Seine Beschleunigungswirkung entfaltet das Verfahren durch den Verzicht auf eine Hauptverhandlung. Nach Abschluss der Ermittlungen kann die Staatsanwaltschaft sich für die Beantragung eines Strafbefehls beim zuständigen Strafrichter am Amtsgericht[5] entscheiden, sofern der Sachverhalt einfach gelagert und die Beweislage klar ist, sodass es keiner weiteren Aufklärung in einer Hauptverhandlung bedarf, § 407 Abs. 1 StPO. In dem Fall entscheidet der Richter gem. § 408 StPO über den Erlass oder die Ablehnung des Strafbefehls oder beraumt eine Hauptverhandlung an. Sofern der Richter den Strafbefehl – zwingenderweise so wie von der Staatsanwaltschaft beantragt – erlässt, wird dieser dem Angeklagten zugestellt, der binnen zwei Wochen (§ 410 Abs. 1 StPO) hiergegen Einspruch einlegen kann. Tut er dies, kommt es zur Hauptverhandlung. Andernfalls wird der Strafbefehl rechtskräftig und steht einem Urteil gleich, § 410 Abs. 3 StPO. Durch die Möglichkeit des Einspruchs weist das Verfahren starke konsensuale Elemente auf.

Eine Verteidigung (geregelt in den §§ 137 ff. StPO) kann in Hinblick auf das Strafbefehlsverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Bereits im Ermittlungsverfahren kann eine vorhandene Verteidigung auf die Erledigung durch Strafbefehl hinwirken, um für den Beschuldigten eine diskrete Erledigung herbeizuführen. Im Strafbefehlsverfahren kommt zwar der Staatsanwaltschaft zunächst die entscheidende Rolle zu, da nur sie einen Strafbefehl beim Strafrichter beantragen kann (vgl. § 407 Abs. 1 StPO). Dennoch kann die Sachverhaltsermittlung von Seiten eines Verteidigers insbesondere durch ein Geständnis des Beschuldigten derart vereinfacht werden, dass eine Erledigung durch Strafbefehl in Betracht kommt. In dem Zusammenhang werden auch Absprachen relevant, wenn die Verteidigung sich dahingehend mit der Staatsanwaltschaft einigt.[6]

Die Aufgabe der Verteidigung nach Erlass des Strafbefehls konzentriert sich zunächst darauf, den Strafbefehl auf seine Richtigkeit zu überprüfen und ggf. binnen der zweiwöchigen Frist Einspruch einzulegen. Bei der Prüfung hat die Verteidigung ihr Augenmerk insbesondere auf die Sachverhaltsfeststellung und die Tagessatzhöhe der festgesetzten Geldstrafe zu legen. Da bei letzterem gem. § 40 Abs. 3 StGB geschätzt werden kann, sieht man hier oftmals unzutreffende Summen, die, sofern sie die juristisch korrekt bemessene Tagessatzhöhe übersteigen, mit Hilfe eines Einspruchs korrigiert werden müssen. Gegebenenfalls ist mit der Staatsanwaltschaft auch eine Ratenzahlung zu vereinbaren. Da zum Zweck einer gründlichen Überprüfung des Strafbefehls regelmäßig eine Akteneinsicht erforderlich ist, diese unter Umständen (aus zeitlichen Gründen) aber nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann, ist in diesen Fällen zunächst Einspruch einzulegen, um die Frist zu wahren. Sofern sich der Einspruch nach erfolgter Akteneinsicht als unbegründet erweist, kann er auch noch während der Hauptverhandlung zurückgenommen werden.

Das Kernproblem für eine effektive Verteidigung im Strafbefehlsverfahren liegt daher sowohl für den Beschuldigten wie auch den Verteidiger darin, vor der Beantragung des Strafbefehls überhaupt Kenntnis von dem Verfahren zu erlangen und so ein Mandat begründen zu können.

2. Chancen und Risiken für die Verteidigung

a) Die Risiken des Verfahrens

Das Strafbefehlsverfahren birgt aufgrund seiner Ausgestaltung diverse Risiken für Fehlentscheidungen. Daher muss die Verteidigung, sofern erst einmal Kenntnis von dem laufenden Verfahren besteht, dem entgegenwirken, insbesondere, wenn eine für den Beschuldigten nachteilige und ggf. auch fehlerhafte Entscheidung droht.

Sofern eine Verteidigung bereits im Ermittlungsverfahren vorhanden ist, hat sie dafür Sorge zu tragen, dass der Sachverhalt nicht lediglich zu Lasten des Beschuldigten ermittelt und entlastendem Material die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt wird. Insbesondere fehlerhafte Sachverhaltsfeststellungen, die durch die fehlende Anhörung vor Strafbefehlserlass (§ 407 Abs. 3 StPO) entstehen, können durch die Wahrnehmung der Anhörungsmöglichkeit i.S.d. § 163a Abs. 1 StPO verhindert werden.

Die bereits angesprochenen Absprachen, die zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren getroffen werden, bergen insofern ein Risikopotential, als sie keine Bindungswirkung entfalten[7]. Auch wenn dies in der Praxis in der Regel kein abweichendes Verhalten seitens der Staatsanwaltschaft zur Folge hat, da diese regelmäßig ein Interesse daran hat, verfahrensverkürzende Absprachen auch umzusetzen, ist der Mandant hierauf dennoch hinzuweisen.

Der häufigere Fall wird sein, dass ein Verteidiger – wenn überhaupt; die meisten Strafbefehlsempfänger werden nicht verteidigt – erst nach Erhalt des Strafbefehls konsultiert wird. In dem Fall kann jener keinen Einfluss mehr auf die Ermittlungen oder den Strafbefehl selbst nehmen; insofern beschränkt sich seine Aufgabe auf die Überprüfung des Strafbefehls, die Beratung des Angeklagten und die Einlegung des ggf. erforderlichen rechtzeitigen Einspruchs.

Die ersten Schwierigkeiten für die Verteidigung können sich bereits bei der Bewertung des Strafbefehls bzgl. der Sachverhaltsfeststellung und der rechtlichen Subsumtion ergeben: Bei dem Erlass des Strafbefehls besteht für den Richter keine allgemeine Begründungspflicht, vgl. § 409 StPO.[8] Sofern der Sachverhalt im Strafbefehl wie üblich aber nur recht kurz dargestellt ist, bedarf es einer Akteneinsicht (§ 147 StPO), um eine genaue Bewertung vorzunehmen. Hier muss der Verteidiger, wie bereits angesprochen, regelmäßig mit einem vorsorglich eingelegten Einspruch dem drohenden Fristablauf entgegenwirken. Aufgrund der Fehleranfälligkeit des Verfahrens ist dieser Schritt aber unumgänglich, wenn die Schilderungen des Angeklagten von denen im Strafbefehl abweichen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Strafbefehl tatsächlich fehlerhaft erging, ist nicht zu unterschätzen. Die Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaft ist erheblich, sodass sie dazu geneigt sein kann, das Ermittlungsverfahren auch in hierfür ungeeigneten Fällen mit einem Strafbefehlsantrag abzuschließen, um eine Hauptverhandlung zu umgehen.[9] Um zu dem Zwecke auch einen Einspruch zu vermeiden, können zudem zu geringe Strafhöhen beantragt werden, um den Angeklagten zur Akzeptanz des Strafbefehls zu bewegen.[10] In so einem Fall obliegt es dem Verteidiger herauszufinden, ob der Strafbefehl für den Angeklagten womöglich sogar besonders günstig ist.

Die bereits angesprochene Möglichkeit, die Höhe der Tagessätze bei Geldstrafen zu schätzen, begründet das größte Fehlerrisiko im Strafbefehlsverfahren, sowohl zu Gunsten des Angeklagten wie auch zu seinen Lasten. Insbesondere besteht die Gefahr einer Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB), wenn zu hohe Summen geschätzt werden, die der Angeklagte nicht zu leisten imstande ist. Insofern ist hier stets erforderlich, dass der Verteidiger die persönlichen und insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten in Erfahrung bringt[11] und der festgesetzten Tagessatzanzahl und insbesondere -höhe gegenüberstellt.

Sofern kein Verteidiger vorhanden ist, besteht die Gefahr einer Ersatzfreiheitsstrafe aber auch, wenn der Angeklagte den Strafbefehl aufgrund Sprachbarrieren nicht versteht oder sich aus Desinteresse nicht mit den behördlichen Schriftstücken auseinandersetzt. Eine Verteidigung kann dieser Gefahr entgegenwirken.

Auch eine Untersuchung von Dunkel[12] zeigt die besondere Anfälligkeit des Strafbefehlsverfahrens für Fehlentscheidungen: Über die Hälfte der untersuchten Wiederaufnahmeverfahren richteten sich gegen Strafbefehle, wovon wiederum etwa die Hälfte dieser Fälle erfolgreich waren. Der häufigste Wiederaufnahmegrund dabei war die unerkannte Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Insofern sollte auch die Verteidigung für diesen Aspekt sensibilisiert werden.

Eine weitere Schwäche des Strafbefehlsverfahrens ist die Ausgestaltung des Einspruchsverfahrens. Sprachhindernisse, verspätete tatsächliche Kenntnisnahmen im Zustellungsverfahren[13] und anderweitige Hindernisse wie Angst vor einer schärferen Sanktion[14] können dazu führen, dass ein eigentlich berechtigter Einspruch unterbleibt. Zudem werden bestimmte Verfahrensgrundsätze wie das rechtliche Gehör, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, die Öffentlichkeit und die Mündlichkeit erst in der durch einen Einspruch herbeigeführten Hauptverhandlung gewahrt[15], sodass es von besonderer Bedeutung ist, die Hürden für einen Einspruch gering zu halten. Mit Blick auf derartige sprach- und terminologiebedingten Schwierigkeiten kann eine Verteidigung im Strafbefehlsverfahren eine wichtige Rolle spielen.

Sofern die Verteidigung Einspruch einlegt, kommt es, außer in den Fällen des auf die Höhe der Tagessätze beschränkten Einspruchs, über den der Richter bei Zustimmung des Angeklagten auch durch Beschluss entscheiden kann, §§ 410 Abs. 2, 411 Abs. 1 S. 3 StPO, zur Hauptverhandlung. In dieser hat die Verteidigung die Möglichkeit, die Fehler des Strafbefehls aufzuzeigen und auf eine Korrektur hinzuwirken. Sofern auch der Sachverhalt fehlerhaft festgestellt wurde, kann die Verteidigung hier auf ein besonderes Hindernis stoßen: Denn in der dem Einspruch folgenden Hauptverhandlung besteht eine verkürzte Beweisaufnahme, §§ 411 Abs. 2 S. 2, 420 StPO, nach der unter anderem Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen oder Erklärungen von Behörden über ihre dienstlichen Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse unter vereinfachten Bedingungen verlesen werden können; insofern ist der Grundsatz der Unmittelbarkeit durchbrochen. Insbesondere ist der Richter bei Beweisanträgen wegen § 420 Abs. 4 StPO nicht an die Ablehnungsgründe der § 244 Abs. 3-5 StPO gebunden[16], sodass ein ggf. durch den bereits von ihm erlassenen Strafbefehl voreingenommener Richter[17] hier zu einer vorschnellen Ablehnung neigen könnte. In der Praxis gehen die Richter ihrer weiterhin geltenden Amtsaufklärungspflicht (§§ 411 Abs. 2 S. 2, 420 Abs. 4 StPO) jedoch in aller Regel nach[18]; die Möglichkeit der vereinfachten Ablehnung von Beweisanträgen könnte allerdings bei Absprachen als Druckmittel seitens der Staatsanwaltschaft herangezogen werden. Um die Voreingenommenheit des Richters im Falle eines berechtigten Einspruchs zu reduzieren, ist es ratsam, den Einspruch eingehend zu begründen.

Sofern im Strafbefehl eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe beantragt werden soll, ist dem Angeschuldigten ein Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern dieser noch nicht verteidigt ist, §§ 407 Abs. 2 S. 2, 408b StPO. Diesbezüglich sind die §§ 141 ff. StPO anwendbar. Unabhängig davon, dass die Möglichkeit, (zur Bewährung ausgesetzte) Freiheitsstrafen durch Strafbefehl zu beantragen, kritisch zu sehen ist[19], können nach der Beiordnung Komplikationen entstehen. Nicht selten kann bereits kein Kontakt zum Angeklagten hergestellt werden, sodass der Verteidiger dazu gezwungen ist, vorsorglich Einspruch einzulegen, um so einem Anwaltsverschulden zu entgehen. In diesen Fällen läuft der Angeklagte zudem Gefahr, ohne seine (rechtzeitige) Kenntnis zu einer Bewährungsstrafe verurteilt zu werden. Ohne den Kontakt zum Mandanten ist eine optimale Verteidigung regelmäßig unmöglich.

b) Chancen und Reformbedarf aus der Sicht der Verteidigung

Neben der bereits erwähnten schnelleren und diskreten Verfahrenserledigung[20] ist das Strafbefehlsbefehlsverfahren für den Beschuldigten auch mit weniger Kosten verbunden. Die Umgehung einer Hauptverhandlung erspart ihm zudem regelmäßig das Bekanntwerden seines Verfahrens in der Öffentlichkeit. Dies sind Gründe für die Verteidigung, (in geeigneten Fällen) auf einen Strafbefehl hinzuwirken.

Der Beschuldigte kann die Erledigung im Wege des Strafbefehlsverfahrens zwar nicht selbst beantragen, dennoch steht der Verteidigung die Möglichkeit offen, dies – womöglich auch im Wege einer Absprache – gegenüber der Staatsanwaltschaft anzuregen. Im Falle einer Absprache ist allerdings zu beachten, dass diese nicht das alleinige Kriterium für die Entscheidungen zugunsten eines Strafbefehls sein darf. Das von der Verteidigung regelmäßig angebotene Geständnis sollte nicht völlig ungeprüft übernommen werden. Da die Verteidigung zudem regelmäßig eine möglichst geringe Strafe und ein für den Beschuldigten möglichst günstiges Verfahrensergebnis anstrebt, ist seitens der Staatsanwaltschaft insbesondere auf die Angemessenheit der Strafe und die Dokumentation der Absprache zu achten.[21] Da sich das Strafbefehlsverfahren aufgrund seiner konsensualen Elemente für Absprachen anbietet, ist hier Vorsicht geboten, um nicht rechtsmissbräuchlich zu agieren.

Auch nach Erlass des Strafbefehls besteht für die Verteidigung die Möglichkeit, eine Korrektur des Strafbefehls ohne Hauptverhandlung zu erwirken, sofern lediglich die Höhe der Tagessätze streitig sind. Hierfür kann sie gem. § 411 Abs. 1 S. 3 StPO den Einspruch auf die Höhe der Tagessätze der festgesetzten Geldstrafe beschränken und die Zustimmung zur Entscheidung ohne Hauptverhandlung erteilen, sodass das Gericht durch Beschluss entscheidet. In dem Fall tritt auch der positive Aspekt ein, dass die Strafe gegenüber der im Strafbefehl festgesetzten nicht erhöht werden darf.

Sofern eine Hauptverhandlung nicht mehr vermieden werden kann, besteht für den Verteidiger nach § 411 Abs. 2 S. 1 StPO die Möglichkeit, den Angeklagten in jener zu vertreten und diesem ein persönliches Erscheinen zu ersparen. Dies gilt selbst dann, wenn ein solches gem. § 236 StPO durch den Richter angeordnet wurde.[22] Von diesem Recht sollte der Verteidiger aber nur Gebrauch machen, wenn der Angeklagte ein persönliches Erscheinen so dringend verhindern will, dass er dafür eine mögliche Verärgerung des Richters über die fehlende Übernahme von Verantwortung hinnimmt.

Eine ganz andere Situation, die für die Verteidigung eine Chance darstellen kann, ist die Möglichkeit, nach § 408a StPO einen Strafbefehl auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens erlassen zu können, sofern die Voraussetzungen des § 407 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO vorliegen und der Durchführung einer Hauptverhandlung das Ausbleiben oder die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderer wichtiger Grund entgegensteht. Da auch das Ausbleiben des Angeklagten ein Grund für einen Strafbefehl nach § 408a StPO sein kann, kann der Verteidiger sich dies zu Nutze machen und die Abwesenheit des Angeklagten inszenieren, indem er vor Beginn der Verhandlung bei Staatsanwalt und Richter ankündigt, nicht zu erscheinen und vorschlägt, nach § 408a StPO zu verfahren. Sofern der Verteidiger erst später zugezogen wurde und im Ermittlungsverfahren daher keine Gelegenheit hatte, auf das Strafbefehlsverfahren hinzuwirken, um die Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung zu vermeiden, kann er dies auf diese Weise „nachholen“. Auch wenn die Staatsanwaltschaft dies während einer bereits laufenden Verhandlung anregt und absehbar ist, dass es zu keinem Freispruch kommen wird, kann die Verteidigung auf diesen Vorschlag eingehen, indem sie ankündigt, gegen den Strafbefehl keinen Einspruch einzulegen und dem Angeklagten auf diese Weise weitere Verhandlungsstunden ersparen. Dennoch bleibt die Konstruktion des § 408a StPO mit seiner Anfälligkeit für Absprachen kritisch zu würdigen.[23]

c) Aktuelle Reformüberlegungen

Ein aktuelles Reformvorhaben des deutschen Gesetzgebers gibt es nicht. In jüngerer Zeit wurde von verschiedener Seite gefordert, das Verfahren auf Freiheitsstrafen (ausgesetzt zur Bewährung) auszuweiten und auch vor den Land- und Oberlandesgerichten anwenden zu können. Diesen Vorschlägen ist aufgrund des Risikopotentials für Fehlentscheidungen nicht zuzustimmen. Immerhin heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag (Dezember 2021): „Das Sanktionensystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen überarbeiten wir mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung.[24] Damit ist zu hoffen, dass die neue Regierung jedenfalls die angesichts der aufgezeigten Schwächen besonders problematische Freiheitsentziehung in der mittelbaren Sanktionsfolge von Strafbefehlen einzudämmen versuchen wird.

III. Strafbefehle in der Schweiz[25]

1. Entwicklung, Rechtslage und Praxis

In der schweizerischen Strafrechtspraxis kommt dem Strafbefehlsverfahren noch erheblich größere Bedeutung zu als in Deutschland. Mehr als 90 % der Strafsachen werden in der Schweiz durch Strafbefehl erledigt.[26] Im Kanton Freiburg sind es sogar 95 % und im Kanton Basel-Stadt 98 %.[27]

Als Hintergrund der Entwicklung des Strafbefehlsverfahrens ist es erhellend, dass im Januar 1975 durch eine Änderung der Strafprozessordnung zunächst ein grundlegender Schutz für die Angeklagten geschaffen wurde: Freiheitsstrafen wurden aus dem Arsenal der Sanktionen im Rahmen von Strafbefehlen ausgeschlossen. Ein Richter, der den Angeklagten weder gesehen noch angehört hat und ausschließlich schriftliche Unterlagen zu einem Fall geprüft hat, konnte nur Geldstrafen bzw. sonstige nicht freiheitsentziehende Sanktionen verhängen. Zu einer gegenläufigen Entwicklung kam es dann im März 1993, als für solche Verfahren Bewährungsstrafen von bis zu einem Jahr eingeführt wurden.[28] Weitere Veränderungen folgten:

In Zürich erlaubte eine Weisung aus dem Jahr 1992 den Staatsanwälten, Strafbefehle zu erlassen, ohne den Angeklagten anzuhören. Im Jahr 1995 wurde die Möglichkeit, vollstreckbare Freiheitsstrafe festzusetzen, erneut ausgeweitet, und zwar auf drei Monate (auch ohne Aussetzung zur Bewährung) und 2006 verdoppelte sie sich auf sechs Monate. Die Höhe der Geldstrafe blieb indessen unverändert. Im Jahr 2007 wurde ein Fall von fahrlässiger Tötung durch Strafbefehl entschieden, für den der Angeklagte eine Geldstrafe von 38.250 CHF auf Bewährung und eine Buße von 5.000 CHF erhielt. Der einstweilige Höhepunkt dieser Entwicklung wurde im Kanton Genf im Jahr 2010 erreicht, als die Staatsanwälte eine Geldstrafe von bis zu 10.000 CHF und eine Freiheitsstrafe von bis zu zwölf Monaten durch Strafbefehl verhängen konnten. Anders als in Frankreich oder Deutschland sind Strafbefehle lediglich durch die maximal Strafhöhe, die ausgesprochen werden kann, limitiert. Beschränkungen auf bestimmte Delikte oder Deliktskategorien existieren in der Schweiz nicht.

Wie erwähnt, werden 95 % der Straftaten insgesamt und 85 % der Verbrechen und Vergehen mit einem Strafbefehl erledigt.[29] Verfahren mit einer öffentlichen Verhandlung, die ein kontradiktorisches Verfahren vor einem Richter ermöglicht, wurden damit de facto zur Ausnahme.[30] Seit 2011 ersetzt die neue Strafprozessordnung (chStPO) die Prozessordnungen der einzelnen Kantone. Das Verfahren für Strafbefehle ist in fünf Artikeln geregelt – §§ 352 bis 356 chStPO. Strafbefehle ergehen in einem schriftlichen Verfahren ohne kontradiktorische Debatte. Der Höchstbetrag für eine Geldstrafe liegt bei 10.000 CHF, die Freiheitsstrafe ist auf sechs Monate begrenzt.[31] Diese Sanktionen sind ausreichend, um sogar die Verurteilung von Tötungsdelikten durch Strafbefehl zu ermöglichen.[32]

Wenn die Verantwortlichkeit des Beschuldigten hinreichend festgestellt wurde oder wenn der Beschuldigte seine Verantwortlichkeit durch ein Geständnis anerkannt hat, erlässt der Staatsanwalt einen Strafbefehl. Ein Polizeibericht reicht für den Erlass eines Strafbefehls aus, wenn die Verantwortlichkeit des Beschuldigten klar ist. Die Sanktion kann eine Geldstrafe, eine Geldbuße von höchstens 180 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe von höchstens sechs Monaten sein. Die Höhe einer Tagessatzstrafe kann je nach Einkommen des Beschuldigten zwischen 30 CHF und 3.000 CHF pro Tagessatz liegen (§ 34 chStGB). Werden verschiedene Arten von Strafen kombiniert, ist ihre Gesamtsumme auf 180 Einheiten begrenzt, was sechs Monaten entspricht. Wie bei einer Stichprobe von Strafbefehlen im Kanton St. Gallen festgestellt wurde, schöpfen die Staatsanwälte bei der Strafzumessung häufig die Höchstgrenze für die Bemessungseinheiten aus.[33] Eine Geldstrafe kann immer mit jeder anderen Art von Strafe kombiniert werden und wird bei der Berechnung der 180 Einheiten nicht berücksichtigt (§ 352 chStPO). Jede Strafe kann mit den in §§ 66 und 67e-73 chStGB beschriebenen Maßnahmen verbunden werden: Mit einer Friedensbürgschaft[34] [1] mit einem Verbot der Ausübung einer Tätigkeit, mit einem Entzug der Fahrerlaubnis für einen Zeitraum von einem Monat bis zu fünf Jahren, mit der Veröffentlichung des Urteils [2] oder mit der Einziehung gefährlicher Gegenstände oder Vermögenswerte bzw. einer gleichwertigen Forderung [3]. Schließich kann die Staatsanwaltschaft eine Bewährungsfrist anordnen und Beistands- oder Verhaltensauflagen erteilen (§ 44 Abs. 2 chZGB).

In einer vorläufigen Fassung sah der damalige § 356 chStGB-E eine Anhörung des Angeklagten vor, wenn der Strafbefehl ihn zu einer Freiheitsstrafe oder gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Leider wurde dieses Element nicht beibehalten; im aktuellen Gesetzbuch ist der Staatsanwalt nicht verpflichtet, den Angeklagten zu hören, bevor er einen Strafbefehl erlässt. Er kann sich bei seiner Entscheidung allein auf den Polizeibericht stützen.[35] Wenn der Staatsanwalt zusätzliche Informationen einholen muss, kann er eine Anhörung des Beschuldigten beantragen. Die Anhörung bietet dem Beschuldigten die Möglichkeit, seine eigenen Argumente vorzubringen und nützliche Informationen zu seiner Person zu liefern.[36] Kommt der Beschuldigte dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht nach, kann dennoch ein Strafbefehl erlassen werden. In Deutschland erhalten Staatsanwälte durchschnittlich 120 neue Fälle pro Monat; die für jeden Fall aufwendbare Zeit hängt von dessen Komplexität ab. In ihren Interviews mit Staatsanwälten macht Boynedeutlich, dass sie sich von objektiven Tatsachenermittlern unterscheiden[37]: „Wir führen nicht so viele Ermittlungen selbst durch. Die meisten Ermittlungen werden von der Polizei durchgeführt. In unserer Abteilung gibt es, wie Sie sehen, eine Menge Akten. Wenn man nur ein paar Akten hat, kann man vielleicht ein paar Ermittlungen auf eigene Faust durchführen. Ich mache so etwas immer nur in ganz besonderen Fällen […]. Aber in normalen Fällen – da mache ich das nicht. Das ist zu viel Arbeit.“ Mit anderen Worten: Staatsanwälte können es sich de facto nicht leisten, nach der Wahrheit zu suchen und Zeit für Bagatellfälle aufzuwenden.[38] Diese Überlegungen dürften sich auch auf die Situation in der Schweiz übertragen lassen.

Wenn der Beschuldigte nach Erhalt des Strafbefehls Einspruch erheben möchte, kann er innerhalb von zehn Tagen schriftlich und ohne Begründung Einspruch einlegen. Legt er keinen Einspruch ein, wird der Strafbefehl stillschweigend angenommen und die Anklage der Staatsanwaltschaft zum rechtskräftigen Urteil (§ 354 Abs. 3 chStPO). Der Einspruch muss für seine Gültigkeit unterschrieben sein; eine Einlegung per Fax ist unzulässig. Die Staatsanwaltschaft muss die Korrektur von Formfehlern zulassen. Das Einspruchsschreiben kann am zehnten Tag bei einer schweizerischen oder liechtensteinischen Post aufgegeben werden, nicht aber bei einem anderen ausländischen Postamt. In letzterem Fall muss das Schreiben früher aufgegeben werden, damit es am zehnten Tag bei der in der Strafverfügung angegebenen Schweizer Einspruchsadresse eintrifft. Allerdings ist ein Einspruch großzügig bzw. meistbegünstigend auszulegen: Verlangt eine Person beispielsweise einen Pflichtverteidiger, bedeutet dies, dass gegen den Strafbefehl Einspruch erhoben wurde, auch wenn dies nicht ausdrücklich formuliert ist. Wenn die Absichten der Person, die Einspruch erhebt, nicht klar sind, wendet sich der Staatsanwalt an sie, um sie aufzuklären. Wenn gegen den Strafbefehl (Sanktionsentscheidung) Einspruch erhoben wurde, muss der Staatsanwalt zusätzliche Beweise sammeln, um den Einspruch zu bewerten. Er kann die Polizei anweisen, weitere Ermittlungen durchzuführen und muss eine Anhörung des Beschuldigten anordnen. Wenn bereits eine Anhörung während der polizeilichen Ermittlungen stattgefunden hat, ist eine zweite Anhörung nicht zwingend erforderlich. Der Beschuldigte kann sich bei der Anhörung nicht durch eine andere Person vertreten lassen. Bleibt er unentschuldigt aus, gilt sein Einspruch als zurückgenommen. Wird die Anhörungsanordnung ins Ausland geschickt, kann der Staatsanwalt den Einspruch nicht zurücknehmen, wenn der Beschuldigte nicht zur Anhörung erscheint. Ist die Vernehmung des Beschuldigten zur Feststellung des Sachverhalts erforderlich, beantragt der Staatsanwalt Rechtshilfe, um den Beschuldigten zu vernehmen. Ist der Sachverhalt hinreichend geklärt, muss der Staatsanwalt die Aufhebung des Strafbefehls beantragen. Nach der Erhebung zusätzlicher Beweise entscheidet der Staatsanwalt, ob er den Strafbefehl aufrechterhalten will oder ob er eine der drei anderen Möglichkeiten, d.h. die Einstellung des Verfahrens, den Erlass eines neuen Strafbefehls oder eine Anklageerhebung vor dem Gericht erster Instanz, vorzieht (§ 355 chStPO).

Der Staatsanwalt kann nach einem Einspruch eine schwerere Strafe wählen, da er weder an sein erstes Urteil noch an ein Verbot der reformatio in peius gebunden ist. Dieses Element könnte die Angeklagten durchaus von der Einlegung des Rechtsbehelfs abhalten. Der Staatsanwalt lässt den Fall unüberprüft und hebt einen Strafbefehl auf, wenn dieser Sachverhalte betrifft, die bereits zuvor von einem Gericht oder einer anderen Behörde in einem anderen Bereich geprüft wurden. Obwohl es auf der Hand liegt, dass der Grundsatz ne bis in idem für Strafbefehle gelten sollte, ist er in einer großen Zahl von Fehlurteilen zu finden.[39]

Um den Beschuldigten zu helfen, einen Strafbefehl zu verstehen und Einspruch zu erheben, hat Fabio Burgener, ein junger Anwalt in Genf, 2017 eine kostenlose Online-Ressource entwickelt, die die wichtigsten Elemente des Verfahrens klar darstellt.[40] Darin wird zum Beispiel erklärt, dass die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet ist, den Fall vollständig zu untersuchen, bevor sie einen Strafbefehl erlässt. Einige Tatsachen, insbesondere solche, die für den Angeklagten sprechen, könnten unbekannt sein und daher bei einer Verurteilung durch Strafbefehl nicht berücksichtigt werden. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse einer Studie zu Fehlurteilen in Hamburg zwischen 2003 und 2015 gestützt. Die Hauptursachen für Fehlentscheidungen waren fehlende Ermittlungen zur psychischen Gesundheit des Angeklagten, eine Vorverurteilung wegen derselben Straftat und eine unvollständige Beweisaufnahme zu Gunsten des Angeklagten.[41] Wenn der Beschuldigte die Fehlerhaftigkeit des Strafbefehls bemerkt und sich dazu entscheidet, Einspruch zu erheben, kann nach Eingabe der im Strafbefehl übermittelten Daten online ein Einspruch generiert werden. Auf der Website werden weitere Fragen geklärt, wie z.B. die Einspruchsfrist, der Adressat des Einspruchs, die Folgen des Nichterscheinens bei der Anhörung bei der Staatsanwaltschaft, die mögliche Rücknahme des Einspruchs und die Folgen eines Einspruchs. Obwohl die Initiative von Burgener sehr nützlich ist, stößt sie auf widersprüchliche Reaktionen: Die Verteidiger befürworten die Konsultation der Online-Ressource und betonen, dass die Zustellung eines Strafbefehls keinen Unterschied zu einer Zahlungserinnerung darstellt, was natürlich zu vielen Fehlurteilen führt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf erklärt, dass jede Person, die einen Strafbefehl erhält, darin alle relevanten Informationen über den Einspruch finden kann.[42] Leider vernachlässigt diese Aussage die Tatsache, dass viele Personen die formale juristische Sprache nicht verstehen können[43] oder dass manche eine der vier Verfahrenssprachen nicht gut beherrschen. Dies gilt insbesondere für die Schweiz, wo eine Person aus einem deutschsprachigen Kanton einen Strafbefehl aus einem italienisch- oder französischsprachigen Kanton erhalten kann und umgekehrt.[44] In 69 % der Fälle, in denen die Beschuldigten die Verfahrenssprache nicht verstehen, werden die Strafbefehle nicht übersetzt. Im Mai 2016 hat die Staatsanwaltschaft in Basel einen Strafbefehl mit 1,5 Monate Gefängnis ohne Bewährung aber auch ohne Einvernahme bzw. Anhörung des Beschuldigten und ohne Übersetzung erlassen. Die Beschuldigte hatte einen gefälschten kamerunischen Pass und wurde von der Polizei festgenommen und vernommen. Ihr wurde lediglich ein Formular mit der Erläuterung zum Strafbefehlsverfahren ausgehändigt.[45]

Eine laufende Studie von Thommen an der Universität Zürich untersucht die zwischen 2014 und 2016 beim Bundesamt für Statistik registrierten Strafbefehle für Vergehen und Verbrechen (Bagatelldelikte ausgeschlossen).[46] Deren Anzahl ist von 93.928 Strafbefehlen im Jahr 2014 auf 105.266 im Jahr 2015 und 105.730 im Jahr 2016 gestiegen. Eine vertiefte Analyse wird für eine Auswahl von Strafbefehlen in vier Kantonen durchgeführt: Untersucht wurden 40.461 Fälle in Bern, 17.924 in St. Gallen, 10.457 in Neuenburg und 37.687 in Zürich. Vorläufige Ergebnisse aus 7.000 Fällen zeigen, dass in 89 % der Fälle eine Geldstrafe verhängt wird, in 74 % eine Buße und in 8 % der Strafbefehle eine Freiheitsstrafe. Die Freiheitsstrafe beläuft sich meist 30, 60 oder 90 Tage. Strafbefehle müssen nur selten begründet werden[47] (Freiheitsentziehungen, § 353 Abs. 1 lit. f chStPO). Fast drei Viertel (70 %) der Strafbefehle ergehen ohne jede Begründung, 25 % enthalten eine überobligatorische Begründung und 5 % eine gesetzlich vorgesehene Begründung. In 36 % der Fälle fehlt sogar die gesetzlich vorgesehene Begründung.[48] Die Einspruchsquote beträgt in Zürich 6 %, in Bern 12 %, in St. Gallen 10 % und in Neuenburg 14 %. Ein Drittel der Einsprüche wird zurückgenommen, nachdem die Staatsanwaltschaft eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hat. Wesentliche Argumente sind die Verfahrenskosten und das Risiko der Verhängung einer härteren Strafe. Strafverteidiger werden nicht immer hinzugezogen. In St. Gallen suchten nur 7 % der Beschuldigten einen Rechtsbeistand auf, andere Kantone müssen noch analysiert werden. Diese geringen Prozentsätze bedeuten nicht, dass die Angeklagten ihre Verurteilung akzeptieren. Abgesehen von den oben genannten Gründen könnten auch unschuldige Personen aufgrund der Folgen eines öffentlichen Prozesses davon absehen, Einspruch einzulegen. So hat beispielsweise ein Lehrer, der zu Unrecht beschuldigt wurde, illegale pornografische Inhalte angesehen zu haben, keinen Einspruch eingelegt, weil er eine verheerende öffentliche Aufmerksamkeit und Schäden für sein berufliches und soziales Leben befürchtete.[49] Das Verfahren ist dennoch nicht völlig geheim: Interessierte Personen können Einsicht in den erlassenen Strafbefehl verlangen (§ 69 Abs. 2 chStPO). Die Folgen eines Einspruchs zeigen, dass im Kanton St. Gallen die Mehrheit der Einsprüche, nämlich 37 %, mit einer Rücknahme enden. Die vier aufgeführten Folgen in § 355 Abs. 3 chStPO finden sich in folgendem Verhältnis: In 24 % der Einsprüche erlässt der Staatsanwalt einen neuen Strafbefehl, in 15 % der Fälle hält er den Strafbefehl aufrecht, in 15 % stellt er das Verfahren ein und nur in 5 % der Einsprüche erhebt der Staatsanwalt beim erstinstanzlichen Gericht Anklage mit dem Ziel eines kontradiktorischen Verfahrens.[50] Diese Ergebnisse unterstreichen die Rolle der Staatsanwaltschaft bei der Bearbeitung von Bagatelldelikten und dem Erlass von Strafbefehlen: Selbst, wenn Einspruch eingelegt wurde, gelangt ein Fall nur sehr selten auf den Schreibtisch eines Richters und erfährt ein vollständiges Verfahren mit Gerichtsverhandlung.

2. Chancen und Risiken aus der Sicht der Verteidigung

Die Strafbefehle haben zwar die Überlastung der Gerichte reduziert, bringen aber eine lange Liste von Kollateralschäden mit sich: Das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör wurde unterdrückt, das Recht auf einen Rechtsbeistand ist auf die wenigsten Fälle beschränkt, die Gewaltenteilung zwischen Staatsanwälten und Richtern ist nicht mehr vorhanden, das Recht auf Übersetzung nicht gewährleistet und die materielle Wahrheit wurde der Effizienz der Strafjustiz geopfert. Wenn die Unabhängigkeit des Entscheidungsträgers, des Richters, der Ermittlungsbehörden, d. h. der Staatsanwaltschaft und der Polizei, unterdrückt wird, besteht ein höheres Risiko für Fehlurteile. Studien haben umfassend gezeigt, dass Polizeibeamte und Staatsanwälte gegenüber dem Verdächtigen voreingenommen sind. Dabei muss es sich nicht um betrügerische Handlungen handeln, obwohl solche existieren, sondern lediglich um kognitive Wahrnehmungs- und Bewertungsverzerrungen wie Tunnelblicke oder eine Voreingenommenheit bei Bestätigungen.[51]

Die Verurteilung einer Person ohne Anhörung durch den Staatsanwalt vermeidet die Wiederholung eines polizeilichen Verhörs. Gleichzeitig verliert der Beschuldigte sein Recht, von demjenigen angehört zu werden, der ihn verurteilt und das Strafmaß bestimmt. Rechtliches Gehör ist eine „Bringschuld“ (dette portable) des Staates und keine „Holschuld“ (dette quérable) des Beschuldigten.[52] Bei den zwischen 2014 und 2016 in Bern, Neuenburg, St. Gallen und Zürich erlassenen Strafbefehlen hat die Polizei in 67 % der Fälle den Beschuldigten angehört, die Staatsanwaltschaft nur in 8 % der Fälle (keine Anhörung in 25 % der Fälle). Angeschuldigte können einen Verteidiger bei der polizeilichen Vernehmung hinzuziehen. Sie können ebenfalls eine amtliche Verteidigung beatragen, die gewährt werden muss, wenn der Fall rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist und eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Monaten oder eine Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen zu erwarten ist (§ 132 chStGB). Eine deutliche Mehrheit von 93 % aller Angeschuldigten sind jedoch im Strafbefehlsverfahren nicht verteidigt. 6 % haben eine Wahlverteidigung und nur 1 % eine amtliche Verteidigung. Die Verteidigung nach Nationalität betrachtet zeigt, dass Schweizer öfter als Ausländer und eher privat statt amtlich verteidigt sind. Die Bekanntgabe der Strafbefehle erfolgt zu 77 % per Postsendung, zu 11 % im Wege einer anderen persönlichen Aushändigung und in nur 2 % durch die Staatsanwaltschaft. In den verbleibenden 10 % erfolgt eine fiktive Zustellung, d.h. der Strafbefehl wird als zur Kenntnis genommen behandelt, obwohl er dem Angeschuldigten nicht persönlich zugestellt wurde. Man kann drei Erscheinungsformen differenzieren: Eine Abholscheinfiktion lag in 6 % der Fälle vor, wenn die eingeschriebene Sendung nicht innerhalb von sieben Tagen bei der Post abgeholt wurde. In 3 % erfolgt eine Zustellung an die Staatsanwaltschaft, wenn Personen mit Wohnsitz im Ausland eine Zustellungsadresse in der Schweiz vorlegen müssen (§ 87 Abs. 3 chStPO). Der Strafbefehl wird dann an die Staatsanwaltschaft fristauslösend zugestellt.[53] In 1 % existiert eine Publikationsfiktion[54], wenn keine zustellungsfähige Anschrift ermittelt werden kann und der Strafbefehl im Amtsblatt veröffentlicht wird oder eine Dossierfiktion, wenn der Staatsanwaltschaft entscheidet, auf eine Veröffentlichung des Strafbefehls im Amtsblatt zu verzichten. Die Zustellung wird fingiert und der Strafbefehl wird einfach in das Dossier geschoben (§ 88 Abs. 4 chStGB). Es bestehen hier erhebliche Unterschiede zwischen der Handhabung in den Kantonen, insbesondere bei der fiktiven Zustellung: In St. Gallen erfolgt dies bei 26 % der Strafbefehle, in Bern in 16 % und in Zürich nur in 2%.[55] Nach Ansicht von Mattmann et al. sind diese Urteile als Geheimurteile zu bewerten und verletzen Art. 6 EMRK.[56]

Von 2.090 Freiheitsstrafen gehen 76 % auf Strafbefehle zurück und nur 24 % auf ein Gerichtsverfahren.[57] Staatsanwälte betonen, dass Angeklagte gegen den Strafbefehl problemlos Einspruch erheben können. Das können sie sicherlich, wenn sie den Brief verstehen, aber das Recht auf Anhörung sollte vom Staat gewährleistet werden. Schubarth schreibt, dass Strafbefehle auf der Annahme beruhen, dass die Angeklagten in der Lage sind, ihren Fall selbstverantwortlich zu bearbeiten, was oft nicht der Fall ist.[58] Das Recht auf Anhörung verdeutlicht für den Beschuldigten den Übergang vom Objekt der Inquisition zum Teilnehmer an seinem eigenen Verfahren.[59] Es ist auch ein Zeichen des Mindestrespekts, der dem Beschuldigten gewährt wird und stellt ein Gebot der Menschenwürde dar.[60] Die Anhörung sollte daher kein Recht darstellen, das der Beschuldigte lediglich wahrnehmen kann, wenn er das Verfahren richtig versteht, sondern ein im Verfahren verankertes Recht. In der Schweiz führt der Einspruch gegen einen Strafbefehl nicht automatisch dazu, dass ein Gericht über den Fall entscheidet. Vielmehr geht er an den Staatsanwalt zurück, der weitere Beweise einholt. Der Staatsanwalt entscheidet dann, ob er die Strafverfügung aufrechterhält, das Verfahren einstellt, eine neue Strafverfügung mit einer tendenziell härteren Strafe erlässt oder eine Anklageschrift an das erstinstanzliche Gericht schickt. Wäre die Anhörung eines Angeklagten obligatorisch, könnten mögliche Fehler rechtzeitig erkannt werden. Im Rahmen einer Teilrevision der Strafprozessordnung will der Bundesrat das Gesetz in diesem Punkt ändern. Bei einer Annahme wäre die Staatsanwaltschaft verpflichtet, einen Beschuldigten anzuhören, wenn die Sanktion eine Freiheitsstrafe vorsieht. Für Baschi Dürr, den ehemaligen Direktor des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt und Vizepräsidenten der Konferenz der kantonalen Justiz- und Sicherheitsdirektoren, geht dieser Vorschlag zu weit. Er findet das derzeitige Verfahren ohne mündliche Verhandlung „nicht ungerecht“, da die Beschuldigten Einspruch erheben können. Er befürchtet, dass die Kosten für solche Anhörungen zu hoch sein würden und wünscht sich einen Kompromiss zwischen „der Perfektion eines Rechtsstaates und einem kosteneffizienten Pragmatismus“.[61]

In einer Studie über ungerechtfertigte Verurteilungen in der Schweiz wurde festgestellt, dass von 236 Revisionen zwischen 1995 und 2004 159 Strafbefehle betroffen waren. In 136 Fällen konnten neue Beweise zu Gunsten des Angeklagten vorgelegt werden, wobei in 54 Fällen eine falsche Identifizierung des Angeklagten vorlag. So wurde beispielsweise das Nummernschild eines Fahrzeugs falsch abgelesen und dem falschen Fahrer ein Strafbefehl zugestellt; in einem anderen Fall legte eine Person den Personalausweis einer anderen Person vor, die dann zu Unrecht verurteilt wurde. Diese Ergebnisse zeigen, dass es den Polizeiberichten und den von den Staatsanwälten geführten Ermittlungen an der nötigen Sorgfalt mangeln kann. Die Revisionen führten in 21 Fällen zu einer reduzierten Strafe, nur einmal zu einer härteren und in der überwiegenden Mehrheit der 109 Fälle zu einem Freispruch.[62] In Deutschland zeigt eine aktuelle Studie über ungerechtfertigte Verurteilungen eine ähnliche Tendenz.[63] Zwischen 2003 und 2015 betraf in Hamburg die Mehrheit der ungerechtfertigten Verurteilungen – 27 von 48 – Strafbefehle. Die Ursachen für Fehlurteile wurden in drei Kategorien eingeteilt: In zwölf Fällen wurde eine psychische Störung, die eine Verteidigung wegen Unzurechnungsfähigkeit und einen Freispruch hätte begründen müssen, in den früheren Urteilen nicht anerkannt; acht Fehlurteile wurden durch fehlerhafte oder fehlende materielle Beweise verursacht; in zwei Fällen war der Angeklagte bereits wegen desselben Vorwurfs verurteilt worden und hätte nicht erneut verurteilt werden dürfen (ne bis in idem). Ähnlich wie die Ergebnisse in der Schweiz zeigen diese Kategorien, dass Polizei und Staatsanwaltschaft in der Ermittlungsphase manchmal entscheidende entlastende Beweise vernachlässigen. Auch wenn das Strafbefehlsverfahren die Polizei nicht dazu verpflichtet, die persönlichen Umstände des Verdächtigen eingehend zu untersuchen, sollte seine psychische Verfassung Teil der Ermittlungen sein. Die Daten aus beiden Ländern deuten darauf hin, dass die fehlende Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative zu einem bekannten Ergebnis führt: Bei Schnellverfahren besteht ein höheres Risiko, dass es zu ungerechtfertigten Verurteilungen kommt. Schubarth, ehemaliger Schweizer Bundesrichter, nennt das Phänomen, dass Staatsanwälte – die, die ermitteln – Urteile fällen, die „Rückkehr der Inquisition“.[64]

In der Schweiz hat der Staatsanwalt eine sehr starke und günstige Position, in der er Strafbefehle gleichsam als „Versuchsballons“ erlassen kann, um zu testen, ob der Angeklagte das staatsanwaltliche Urteil ablehnt oder akzeptiert. Lehnt er ab, hat der Staatsanwalt immer noch die Möglichkeit, einen neuen Strafbefehl zu erlassen, nachdem er zusätzliche Beweise gesammelt hat, z. B. durch Anhörung des Beschuldigten. Er ist nicht verpflichtet, den Fall vor Gericht zu bringen, und kann durch den Erlass eines neuen Strafbefehls einen weiteren Versuchsballon in Gang setzen, möglicherweise mit einer härteren Strafe, die von einem erneuten Einspruch abschrecken könnte. Nur wenn der Staatsanwalt beschließt, dass der Fall vor Gericht gehen soll, leitet er seine Anklageschrift an einen Richter weiter. Das Risiko dieser Praxis besteht darin, dass Staatsanwälte Strafbefehle verschicken, auch wenn sie nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt sind. Diese Praxis wurde in Deutschland bereits als Bestätigung eines hinreichenden Tatverdachts oder, noch unverblümter, als Verdachtsstrafe bezeichnet und diskutiert.[65] Vorverfahren und Ermittlungen stellen keine solide Grundlage für die Ermittlung der materiellen Wahrheit dar. Sie sind lediglich der Anfang, auf dessen Basis der Fall vor einem Gericht, das eine kontradiktorische Debatte ermöglicht, verhandelt werden kann. Obwohl Strafbefehle die Belastung der Gerichte verringern, sind sie nicht so konzipiert, dass sie die Richtigkeit des Urteils garantieren. Der Kern einer Ermittlungsphase besteht aus einem inquisitorischen Verfahren, das dazu dient, Anklage gegen einen Beschuldigten zu erheben. Es dient nicht der Wahrheitsfindung, auf die sich ein Urteil stützen sollte.[66] Mit anderen Worten: Das Ermittlungsverfahren zielt darauf ab, ausreichende Beweise zu sammeln, um eine Anklage gegen einen Beschuldigten zu erheben, die dann von einem Gericht gewichtet wird. Der Umstand, dass Strafbefehle mangels erfolgreichen Einspruchs des Beschuldigten dieses Gegengewicht nicht bieten, führt dazu, dass ein inquisitorisches Verfahren gleichsam unmittelbar in ein Urteil umgewandelt wird.[67]

Wie im vorigen Abschnitt erörtert, kann ein Angeklagter eine härtere Strafe erhalten, wenn er Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt und sein Fall vor Gericht verhandelt wird. Dieses Phänomen wird als Prozessstrafe bezeichnet[68] und verdeutlicht das Unschuldsdilemma. Um die Belastbarkeit der Prozessstrafenhypothese zu überprüfen, untersuchte Thommen 50 Strafverfahren mit per Strafbefehl angeordneten Freiheitsstrafen in St. Gallen, die alle nach einem erfolgreichen Einspruch vor Gericht kamen.[69] Die Ergebnisse zeigen, dass die Freiheitsstrafe in 23 Fällen bestätigt wurde, davon erhielten zwei Angeklagte allerdings 60 Tage weniger, zwei 40 Tage weniger, in 17 Fällen änderte sich die Dauer der Freiheitsstrafe nicht und in einem Fall wurden 40 Tage mehr verhängt. In 16 Fällen wurde eine Geldstrafe verhängt, die bei fünf Angeklagten ausgesetzt wurde, zwei erhielten gemeinnützige Arbeit und fünf wurden freigesprochen. Die Differenz bei der Dauer der Freiheitsstrafe reicht von 40 bis 180 Tagen weniger nach einem Prozess, nur in einem Fall wurden 40 Tage mehr als zuvor durch Strafbefehl angeordnet. Im Durchschnitt erhielten die Angeklagten 75 Tage weniger, was 63 % ihrer Strafe ausmacht. Obwohl die Stichprobe von eher geringer Größe ist, sind die Ergebnisse signifikant und zeigen einen erheblichen Strafnachlass. Es stellt sich also die Frage: Sollten Staatsanwälte eine Freiheitsstrafe verhängen dürfen? Der EGMR hat sich in keinem Grundsatzurteil mit Freiheitsstrafen in Strafbefehlen befasst. Diese Frage könnte auch in Deutschland anhand von Strafbefehlen, die eine Freiheitsstrafe auf Bewährung vorsehen, oder allgemein anhand der Ergebnisse von Einsprüchen untersucht werden.

3. Reformansätze

Wie von den Staatsanwaltschaften und Dürr[70] erneut bestätigt wurde, spielt die Effizienz der Strafverfolgung für die Justizbehörden eine wesentliche Rolle.[71] Die Soziologin Mirjam Stoll zeigt, wie der Umgang mit Kriminalität neoliberalen Prinzipien folgt.[72] Die Justizbehörden übertragen die Verantwortung auf die Angeklagten, die dann entscheiden müssen, ob sie gegen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Einspruch einlegen wollen.[73] Diese Übertragung entspricht einer verstärkten Zuweisung der Verantwortung an die Angeklagten anstelle der Verantwortung des Staates für das Strafverfahren. Dieser Ansatz führt zu Ungleichheiten, da Personen mit geringerer Bildung, die die Rechtssprache des Strafbefehls weniger gut verstehen oder über weniger finanzielle Mittel verfügen, keinen Einspruch gegen die Entscheidung des Staatsanwalts einlegen können, selbst wenn diese fehlerhaft ist, während begünstigte Personen dazu in der Lage sind und sogar einen Verteidiger engagieren können, der sie in ihrem Verfahren unterstützt. Die Grenze zwischen Effizienz und Ungerechtigkeit ist in der Tat dünn[74], wenn Staatsanwälte ungerechtfertigte Verurteilungen von benachteiligten Angeklagten herbeiführen können, um die Gerichte zu entlasten. Eine Lösung könnte darin bestehen, Strafbefehle in ein explizit konsensuales Verfahren umzuwandeln, bei dem die Beschuldigten ihr Einverständnis mit dem Strafbefehl erklären müssen, sowie die Frist für einen Einspruch mit Begründung auf 20 oder 30 Tage zu verlängern.[75]

Hinzu kommt, dass der Bedarf an Sanktionen in der Schweiz wie auch in anderen Ländern mit der Zunahme von Sicherheitsmaßnahmen und dem Übergang von einem Rechts- zu einem Sicherheitsstaat deutlich stärker ausgeprägt ist[76] und jede Änderung der Kriminalpolitik umfassende gesellschaftliche und politische Debatten erfordert. Eine vielversprechende Lösung bestünde darin, die wachsende Zahl von Bagatellstrafsachen und die bei den Gerichten anhängigen Verfahren zu reduzieren, und zwar nicht durch Steigerung der Effizienz der Justiz mit vereinfachten Verfahren, sondern durch die Entkriminalisierung der kleinsten Vergehen und die Einstellung von Bagatellverfahren. Diese Maßnahme wurde 1987 von den Justizministern der europäischen Mitgliedsstaaten in dem Dokument mit der Empfehlung zur Entwicklung von Strafverfügungen zur Vereinfachung der Strafrechtssysteme unter dem Titel Entkriminalisierung und Schnellverfahren für an sich geringfügige Vergehen vorgeschlagen[77]: „Rechtssysteme, die zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten unterscheiden, sollten Schritte zur Entkriminalisierung von Straftaten, insbesondere von Massendelikten im Bereich des Straßenverkehrs-, Steuer- und Zollrechts, unter der Voraussetzung unternehmen, dass sie von Natur aus geringfügig sind.“. Nach der jahrzehntelangen Entwicklung umfangreicher Strafverordnungen ist es an der Zeit, auf die Empfehlung zurückzukommen und die Entkriminalisierung der geringfügigsten Verstöße in Angriff zu nehmen.

IV. Strafbefehle in Frankreich

1. Entwicklung, Rechtslage und Praxis

a) Strafbefehle für Übertretungen, Vergehen und Verbrechen

Strafbefehle wurden 1972 in das französische Strafverfahren eingeführt, fast ein Jahrhundert nach Deutschland und der Schweiz. Ihre Anwendung war zunächst geringfügigen Straftaten vorbehalten, die in flagranti begangen wurden und bei denen kein Zweifel an der Schuld des Täters bestand.[78] Die schrittweise Ausweitung auf weitere Delikte im Laufe der Jahre zielte ursprünglich darauf ab, die Bearbeitung geringfügiger Straftaten zu erleichtern.[79] Bemerkenswert ist daher, dass im Jahr 2018, dem letzten Jahr, für das Statistiken vorliegen, Verurteilungen wegen Vergehen die Mehrheit der Strafverfahren ausmachten (606.937). Übertretungen der ersten vier Kategorien sind mit 318.467 Verurteilungen nur gut halb so häufig. Sowohl Verurteilungen wegen schwerer Verbrechen (2.279) als auch wegen Übertretungen der fünften Kategorie (5.747) sind dagegen selten.[80] Diese Zahlen zeigen, dass die Delikte, auf die Strafbefehle angewendet werden können – Übertretungen und Vergehen – die Mehrheit der Fälle im französischen Strafrechtssystem darstellen. Obwohl die offiziellen Daten keine Angaben darüber enthalten, wie viele Fälle in den einzelnen Kategorien durch Strafbefehl abgeurteilt wurden, wurden 174.020 Strafbefehle von den Gerichten erlassen – 0,7 % mehr als im Vorjahr. Eine Schätzung besagt, dass 15 % der Vergehen durch Strafbefehle abgeurteilt werden; der Prozentsatz der Übertretungen, die in einem vollständigen oder vereinfachten Verfahren abgeurteilt werden, ist nicht bekannt.[81]

Im französischen Strafrecht werden Straftaten in drei Kategorien eingeteilt, die sich durch die Schwere ihrer Strafe unterscheiden: Übertretungen, Vergehen und Verbrechen.[82] Übertretungen werden von einer Verwaltungsbehörde, dem Staatsrat oder Conseil d’Etat, geschaffen, geändert oder aufgehoben, d.h. von der Regierung ein Dekret erlassen.[83] Gesetzliche Tatbestände für Vergehen und Verbrechen werden ausschließlich von der Legislative durch Parlamentsgesetz geschaffen. Übertretungen sind geringfügige Straftaten, die mit einer Geldstrafe von bis zu 1.500 Euro oder 3.000 Euro im Wiederholungsfall geahndet werden (§ 131-13, frStPO). Sie sind in der Strafprozessordnung (§§ R621-1 bis R-655-1 frStPO) in fünf Klassen entsprechend ihrer Schwere und der entsprechenden Geldstrafe aufgeführt: 38 Euro für die erste Klasse, 150 Euro für die zweite, 450 Euro für die dritte, 750 Euro für die vierte und 1.500 Euro für die fünfte Klasse.

Übertretungen werden von sog. „Polizeigerichten“ verhandelt, die aus einem Einzelrichter und einem Staatsanwalt bestehen (§ 521 frStPO). Für sie gibt es drei Verfahrensformen: eine Verhandlung vor dem Polizeigericht als Standardverfahren, ein vereinfachtes Verfahren durch Strafbefehl oder eine festgelegte Geldstrafe für die Klassen eins bis vier, wenn der Staatsanwalt dies für angemessen erachtet. Seit Januar 2020 können Übertretungen der ersten vier Klassen sowie Übertretungen der fünften Klasse, für die eine feste Geldstrafe verhängt werden kann, vor dem Polizeigericht durch einen Einzelrichter auf Zeit verhandelt werden[84] (§ 523 frStPO). Vergehen werden in der Regel vor einem Strafgerichtshof verhandelt, das mit einem Vorsitzenden und zwei Richtern besetzt ist. Sie können mit einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten bis zu zehn Jahren und einer Geldstrafe von mindestens 3.750 Euro geahndet werden. Wenn sie durch Strafbefehl verhandelt werden können und der Staatsanwalt dies nicht tut, sondern ein vollständiges Verfahren durchführt, besteht das Gericht aus einem Richter mit den Befugnissen eines Vorsitzenden Richters (§ 398 Abs. 3 frStPO).

Der Erlass von Strafbefehlen wird durch sieben Artikel für Übertretungen (§§ 524 bis 528-2 frStPO) und zehn Artikel für Vergehen (§§ 495 bis 495-6 frStPO) geregelt. Zunächst wird das Verfahren für Übertretungen näher beleuchtet und anschließend das Verfahren für Vergehen beschrieben. Auch jede Übertretung kann per Strafbefehl abgeurteilt werden, selbst bei Wiederholungstätern (§ 524 Abs. 1 frStPO). Seit 2016 können auch arbeitsrechtliche Übertretungen durch Strafbefehl erledigt werden. Strafbefehle sind jedoch ausgeschlossen, wenn das Opfer den Angeklagten vor Erlass des Strafbefehls direkt vorgeladen hat (§ 524 Abs. 3 frStPO): Tatsächlich kann, wer durch eine Übertretung geschädigt wurde, den Angeschuldigten gerichtlich vorladen lassen, bevor der Strafbefehl selbst vom Gericht erlassen wird (§ 525 frStPO). Der Staatsanwalt übermittelt dem Richter die Akte mit den Anklagepunkten und dem Strafmaß, das er für den Fall vorschlägt. Der Richter entscheidet ohne vorherige Anhörung über den Fall und wählt zwischen den drei Möglichkeiten der Entlassung, der Verurteilung zu einer Geldstrafe entweder mit oder ohne einer Zusatzstrafe. Stellt er fest, dass eine kontradiktorische Verhandlung sinnvoll wäre, schickt er die Akte an die Staatsanwaltschaft zurück, damit sie nach den üblichen Verfahrensformalitäten weiterverfolgt werden kann (§ 525 frStPO). Der Staatsanwalt hat zehn Tage Zeit, um gegen die Entscheidung des Richters Einspruch zu erheben, indem er eine Erklärung bei der Geschäftsstelle des Gerichts einreicht. Wird kein Einspruch eingelegt, wird der Strafbefehl dem Angeklagten auf eine der drei gesetzlich vorgesehenen Arten (§ 495-3 Abs. 2 frStPO) zugestellt und das Urteil auf dieselbe Weise vollstreckt wie ein von einem Gericht gefälltes Urteil. Der Angeklagte hat demgegenüber deutlich länger, nämlich dreißig Tage Zeit, um Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen.

Diese Frist ist vom Gesetzgeber sehr genau festgelegt: Wenn aus der Empfangsbestätigung nicht hervorgeht, dass der Angeklagte das Benachrichtigungsschreiben erhalten hat, kann der Einspruch auch nach dreißig Tagen eingelegt werden. Die Frist beginnt an dem Tag zu laufen, an dem der Angeklagte von seiner Verurteilung auf irgendeine Weise erfährt und über die Frist und das Verfahren zum Einspruch gegen den Strafbefehl informiert wird (§ 527 frStPO). Legt der Staatsanwalt oder der Beschuldigte Einspruch ein, wird der Fall vor dem Polizeigericht in einem vollständigen Verfahren verhandelt. Bis zur Durchführung des ordentlichen Verfahrens kann der Beschuldigte auf seinen Einspruch verzichten (§ 528 frStPO). Die älteste Norm des Strafbefehlsverfahrens, die seit Beginn des Verfahrens im Jahr 1972 unverändert geblieben ist, besagt, dass ein Strafbefehl die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hat, ähnlich wie ein Gerichtsurteil, das nach einem vollständigen Verfahren ergeht. Der Strafbefehl hat jedoch keine Rechtskraftwirkung in Bezug auf eine zivilrechtliche Klage auf Ersatz eines durch die Straftat verursachten Schadens (§ 528-1 frStPO). Das Opfer kann den Täter auch nach Erlass eines Strafbefehls noch direkt beim Polizeigericht vorladen (§ 528-2 frStPO).

Im März 2020 wurden per Dekret zwei Übertretungen der Klasse vier im Zusammenhang mit der Gefährdung der Gesundheit im Rahmen der COVID-19-Pandemie eingeführt (Gesetz Nr. 2020-264 und 290). Ein Jahr später, im März 2021, veröffentlichte die Wochenzeitung L’Express einen Artikel mit dem Titel Amendes Covid: …les ordonnances pénales, une justice expéditive ?, übersetzt etwa „Covid Geldstrafe: Strafbefehle, Express-Justiz?“.[85] Der Autor stellt fest, dass die Richter Strafbefehle verwenden, um die Gerichte mithilfe dieses Verfahrens ohne Anhörung oder Prozess zu entlasten. Zutreffender wäre die Aussage, dass es die Staatsanwälte sind, die Strafbefehle zu diesem Zweck einsetzen, da die Richter den zu erlassenden Strafbefehl lediglich unterschreiben. Der Schwerpunkt des Artikels liegt auf der Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den Bürgern und dem für sie geltenden Strafrechtssystem. Während des ersten und zweiten Lockdowns wurden nach Angaben des Innenministeriums mindestens 1,4 Millionen Geldstrafen verteilt, viele davon wegen fehlender oder falscher Dokumente, die zum Verlassen der Wohnung berechtigen oder im Zusammenhang mit dem Tragen von Masken. Im März 2020 beispielsweise ging eine Person in der Nähe ihrer Wohnung spazieren und wurde 400 Meter entfernt von Polizeibeamten zur Identitäts- und Dokumentenkontrolle angehalten. Sie teilten der Person mit, dass sie sich nicht draußen aufhalten dürfe, und ließen sie dann ohne Verwarnung gehen. Acht Monate später erhielt die Person einen Strafbefehl, in dem sie wegen unerlaubten Verlassens ihrer Wohnung zu einer Geldstrafe von 166 Euro verurteilt wurde, davon 31 Euro Verfahrensgebühr. Dementsprechend wird die Frage gestellt, ob es sich bei diesen Fällen um Fehler handelt, die leicht korrigiert werden können, oder eher um eine missbräuchliche Handhabung der Erledigungsform durch die Polizei. Die Verteidiger gaben an, dass dieses Verfahren bürokratisch sei, weil die Richter ihre Entscheidung auf den Polizeibericht stützten, ohne dem Angeklagten die Möglichkeit zu geben, seine Meinung zu äußern oder Widersprüche vorzubringen. Es sei quasi automatisch ein Verfahren mit Schuldgarantie, sagt Rémy Josseaume, ein Pariser Anwalt, im Artikel von L’Express. Wird nach Erhalt des Strafbefehls Einspruch eingelegt, findet die Anhörung vor Gericht im Durchschnitt 18 Monate nach Tatbegehung statt und kann zu einer härteren Strafe führen. Nach Ansicht der Verteidigerin Nathalie Tehio, die sich mit Menschenrechtsfällen befasst, sind Strafbefehle darauf angewiesen, dass nur eine Minderheit der Angeklagten Einspruch gegen ihre Verurteilung einlegt.[86] Denn warum sollte man nach eineinhalb Jahren eine höhere Strafe riskieren, anstatt die ursprüngliche Geldstrafe zu zahlen? Das Verfahren zeigt dies sehr deutlich: Fälle, die durch Strafbefehle abgeurteilt werden, sollten eindeutig sein und keinen Zweifel an der Schuld einer Person lassen. 

Seit 2002 gibt es eine begrenzte Anzahl von Vergehen, für die keine Freiheitsstrafe, auch nicht ausgesetzt zur Bewährung, verhängt werden kann.[87] Zunächst betraf dies nur Straftaten gegen die Straßenverkehrsordnung und die Straßenverkehrsordnung, die in § 495 frStPO aufgeführt waren.[88] Mit jeder Änderung wurden Straftaten aus anderen Gesetzbüchern (Handels-, Geistes-, Presse- und Medienrecht) hinzugefügt. Bis heute sind zudem noch die Besetzung von Gebäuden, Drogenmissbrauch und Fälschungen über das Internet in die Liste aufgenommen worden.[89] Auch Straftaten, die vom Gesetzgeber ausgeschlossen wurden, weil sie eine Gerichtsverhandlung erfordern würden, um den Sachverhalt angemessen zu behandeln, können nun per Strafbefehl verfolgt werden: So etwa das Verlassen der Familie, der einfache oder schwere Diebstahl, die Bedrohung, die Hehlerei, die Missachtung und Behinderung sowie Straftaten im Zusammenhang mit einer technischen Streitigkeit (Forstgesetzbuch, Landwirtschaftsgesetzbuch, Gesetzbuch der Seefischerei, Städtebaugesetzbuch). Seit dem 1. September 2019 befindet sich die vollständige Liste der Vergehen, die per Strafbefehl geahndet werden, in § 398-1 frStPO. Seitdem gelten Strafbefehle für alle in § 398-1 frStPO aufgeführten Straftaten, mit Ausnahme von Straftaten gegen die Person. Bis heute umfasst die Liste 27 Kategorien von Straftaten aus dem Strafgesetzbuch, sämtliche Straftaten aus dem Verkehrsgesetzbuch und verschiedene Straftaten aus zehn weiteren Gesetzbüchern (z.B. der Straßenverkehrsordnung, dem Handelsgesetzbuch, dem Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen, dem Gesetzbuch über das Bau- und Wohnungswesen, dem Gesetzbuch über geistiges Eigentum, dem Gesetzbuch über Geld und Finanzen oder dem Gesetzbuch über innere Sicherheit). Der letzte Zusatz zu § 398-1 frStPO stammt von Mai und August 2021 mit Änderungen im Zusammenhang mit der Gesundheitskrise und dem Umweltschutz.

Strafbefehle können nur dann angewandt werden, wenn die polizeilichen Ermittlungen den Sachverhalt klar und eindeutig ergeben haben, sodass kein Zweifel an der Schuld des Beschuldigten besteht. Die Informationen über die Persönlichkeit des Beschuldigten und seine finanzielle Situation sollten ebenfalls ausreichen, um seine Strafe zu bestimmen. Das Verfahren kann nicht gewählt werden, wenn die Rechte des Opfers/der Opfer verletzt werden. Wie bereits erwähnt, ist eine Freiheitsstrafe ausgeschlossen und die Geldstrafe darf 5.000 Euro nicht übersteigen. Ein starker Anreiz, den Strafbefehl zu akzeptieren, besteht darin, dass die Geldstrafe nur die Hälfte des Betrags erreicht, der in einem vollständigen Verfahren verhängt wird(§ 495 frStPO). Ergänzende Maßnahmen gemäß §§ 131-5 bis 131-8-1 frStPO können der Geldstrafe hinzugefügt oder als Hauptstrafe verhängt werden (§ 495-1 Abs. 2 StPO). Das Verfahren kann auch dann nicht angewendet werden, wenn der Angeklagte am Tag der Zuwiderhandlung jünger als 18 Jahre ist. Außerdem ist es, wie bei Übertretungen, nicht anwendbar, wenn das Opfer den Angeklagten vor der Unterzeichnung des Strafbefehls durch den Richter zu einer Anhörung vor Gericht geladen hat. Wenn die strafbefehlsfähige Straftat gleichzeitig mit einer anderen Straftat begangen wurde, für die der Strafbefehl nicht angewendet werden kann, ist das Strafbefehlsverfahren ausgeschlossen. Seit dem 1. September 2019 können Strafbefehle gegen Wiederholungstäter verhängt werden, was bis dahin eindeutig ausgeschlossen war (§ 495 Abs. 3 frStPO). Der Grund für den Ausschluss von Wiederholungstätern war, dass der schriftliche Charakter von Strafbefehlen es den Richtern nicht ermöglicht, pädagogisch auf die Betroffenen einzuwirken, indem sie dem Angeklagten ihr Urteil persönlich mitteilen.[90]

Der Staatsanwalt übermittelt die Akte zusammen mit der Anklage und dem beantragten Strafmaß an den Vorsitzenden Richter des Gerichts. Dieser Richter entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch einen Strafbefehl, der zu einer Entlassung oder einer Geldstrafe sowie zu ergänzenden Strafen führen kann. Gemeinnützige Arbeit kann nur dann verhängt werden, wenn der Angeklagte während der Ermittlungen kontaktiert wurde und sich bereit erklärt hat, eine solche Strafe zu verbüßen. Hält der Richter eine kontradiktorische Anhörung oder eine Haftstrafe für erforderlich, verweist er die Akte an den Staatsanwalt zurück (§ 495-1 frStPO). Im Gegensatz zu Übertretungen müssen Strafbefehle für Vergehen begründet werden, insbesondere im Hinblick auf die Feststellung des Sachverhalts und die Informationen über die Einkünfte und Ausgaben des Angeklagten (§ 495-2 frStPO). Seit 2011 befasst sich ein neuer Artikel mit zivilrechtlichen Ansprüchen, der es ermöglicht, weitere Fälle per Strafbefehl zu verhandeln: Wenn das Opfer während der polizeilichen Ermittlungen als zivilrechtliche Partei eine Entschädigung oder Rückerstattung beantragt hat, entscheidet der Präsident auch in diesem Punkt per Strafbefehl. Kann er dies nicht, schickt er die Akte an den Staatsanwalt zwecks Einleitung eines Verfahrens vor einem Zivilgericht zurück (§ 495-2-1 frStPO). Nach der Entscheidung des Richters wird der Strafbefehl an den Staatsanwalt geschickt, der innerhalb von zehn Tagen entweder durch eine Erklärung bei der Geschäftsstelle des Gerichts Einspruch erheben oder die Vollstreckung des Strafbefehls veranlassen kann. Der Strafbefehl kann dem Angeklagten auf verschiedene Weise zugestellt werden: per Einschreiben mit Rückschein oder durch direkte Zustellung durch den Staatsanwalt oder eine ihn vertretende Person. Letzteres ist obligatorisch, wenn die Strafe entweder in einer Geldstrafe oder in gemeinnütziger Arbeit besteht. Zahlt der Angeklagte die Geldstrafe nicht, wird die Strafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt, d.h. es wird eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Der Beschuldigte ist darüber zu informieren, dass er ab dem Datum der Zustellung 45 Tage Zeit hat, Einspruch gegen den Strafbefehl zu erheben. Sein Einspruch leitet ein komplettes Verfahren mit Anhörung der Parteien vor dem Strafgericht ein. Bei diesem Verfahren kann er sich von einem Verteidiger unterstützen lassen, der ihm auf Wunsch beigeordnet werden kann. Der Angeklagte wird auch darüber informiert, dass das Strafgericht, wenn es ihn für schuldig befindet, eine Freiheitsstrafe verhängen kann, wenn diese Art von Strafe auf die Straftat anwendbar ist. Dies soll den Angeklagten vor der Ablehnung des Strafbefehls abschrecken. Denn, anders als bei Übertretungen, bei denen lediglich die Geldstrafe nach einem Einspruch höher ausfallen kann, riskiert der Angeklagte hier eine Freiheitsstrafe. Liegt keine Empfangsbestätigung vor, die beweist, dass der Angeklagte das Benachrichtigungsschreiben erhalten hat, kann gegen den Strafbefehl bis zum Ablauf einer Frist von dreißig Tagen ab dem Datum, an dem der Angeklagte von seiner Verurteilung sowie von der Frist und den Einspruchsmöglichkeiten erfahren hat, Einspruch erhoben werden (§ 495-3 frStPO).

Wenn der Strafbefehl über einen zivilrechtlichen Anspruch entscheidet, wird die Entscheidung dem Opfer zugestellt, das ebenfalls 45 Tage Zeit hat, nur gegen diesen Punkt des Urteils Einspruch einzulegen (§ 495-3-1 frStPO). Wird von der Staatsanwaltschaft oder dem Angeklagten Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, wird der Fall in einem vollständigen Verfahren mit einer Anhörung vor dem Strafgericht verhandelt. Bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung kann der Einspruch zurückgenommen werden. Die Vollstreckungswirkung des Beschlusses tritt dann erneut ein; ein weiterer Einspruch ist unzulässig (§ 495-4 frStPO). Wenn kein Einspruch eingelegt wird, hat das Urteil die gleiche Wirkung wie ein Urteil in einer Gerichtsverhandlung vor dem Strafgericht. Allerdings hat es diese Wirkung nicht in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche, die für einen durch die Straftat verursachten Schaden geltend gemacht werden. Das Opfer kann zu einem späteren Zeitpunkt zivilrechtliche Ansprüche geltend machen, wenn es dazu vorher nicht in der Lage war (§§ 495-5, 495-5-1 frStPO). Diese Bestimmungen heben nicht die Möglichkeit des Opfers auf, den Täter direkt vor dem Strafgericht zu verklagen. In diesem Fall entscheidet das Gericht nur über die zivilrechtlichen Belange, wenn die Strafverfügung rechtskräftig geworden ist. Bei dieser Verhandlung besteht das Gericht ebenfalls aus einem Vorsitzenden, der als Einzelrichter tagt (§ 495-6 frStPO). Seit 2011 lässt sich eindeutig feststellen, dass die Rechte des Opfers gestärkt wurden.

b) Vorteile und Risiken von Strafbefehlen

Das Hauptmerkmal des Strafbefehls ist der Verzicht auf eine Gerichtsverhandlung, bei der in der Regel sämtliche Verfahrensbeteiligte anwesend sind. Sowohl das Polizeigericht als auch das Strafgericht können ein Urteil per Strafbefehl erlassen, ohne den Angeklagten zu hören, wenn der Staatsanwalt sich für dieses vereinfachte Verfahren entscheidet. Dieses Verfahren kann zwar für Straftaten geeignet sein, die von Polizeibeamten an Ort und Stelle (in flagranti) aufgenommen wurden, ist aber in Fällen, in denen die Zeugenaussage des Angeklagten von Vorteil wäre, aus der Sicht der Verteidigung riskanter. Französische Richter sind nicht verpflichtet, ein mit Gründen versehenes Urteil zu fällen, wenn es sich um eine Übertretung handelt, wohl aber bei einem Vergehen. Sobald das Urteil ergangen ist und nicht fristgerecht Einspruch erhoben wird, wird die Strafe vollstreckt. Ist dies nicht der Fall, können Vollzugsbeamte zur Vollstreckung entsandt werden. Es gibt keine weitere Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einzulegen und den Fall erneut vor ein Berufungsgericht zu bringen. Nur ein Opfer kann gegen die Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche Berufung einlegen.

Die französischen Staatsanwälte werden angehalten, ein vereinfachtes Strafbefehlsverfahren zu wählen, wenn sie der Ansicht sind, dass der Fall klar ist und keine öffentliche Debatte erfordert (§ 495 frStPO). Sie werden insbesondere ermutigt, ein Strafbefehlsverfahren einzuleiten anstatt auf verfügbare Alternativen zu einer Strafanzeige wie ein Vergleichsangebot (composition pénale) oder eine Verwarnung (rappel à la loi) zurückzugreifen. Dies ist vor allem bei Massendelikten der Fall, sofern der Sachverhalt eindeutig ist und nicht der Interpretation unterliegt, selbst wenn er mehrere Täter oder Opfer impliziert. Mit anderen Worten: Die Staatsanwälte werden dazu angehalten, hier eine schnelle Anklage zu erheben, anstatt alternative Angebote zu machen.[91]

Eine Folge dieser Praxis ist, dass immer mehr Menschen vorbestraft sind und daher Gefahr laufen, als Rückfalltäter behandelt zu werden, wenn sie erneut Straftaten begehen. Dies zieht höhere Geld- oder Freiheitsstrafen nach sich. Die Angeklagten werden auch dazu angehalten, einen Strafbefehl zu akzeptieren. Legen sie keinen Einspruch ein, erhalten sie eine Ermäßigung von 20 % auf die Geldstrafe, wenn sie diese Kosten innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Strafbefehls begleichen. Hinzu kommen Verfahrenskosten im Sinne einer allgemeinen Verfahrensgebühr in Höhe von 31 Euro (Allgemeines Steuergesetzbuch, §1018 A).

Bis 2004 konnten Strafbefehle nur per Briefzustellung mit Empfangsbestätigung übermittelt werden. Damit sollte der Zugang des Strafbefehls beschleunigt werden, doch in Wirklichkeit wurde der Strafbefehl erst mehr als acht Monate nach der Begehung der Straftat zugestellt. Die Gerichtsbediensteten waren mit dieser Art der gerichtlichen Kommunikation überlastet und konnten die große Zahl der Strafbefehle nicht schneller bearbeiten. Außerdem wurden die Briefe oft an die falsche Adresse geschickt oder von den Angeklagten nicht abgeholt. Wurde der Brief nicht bei der Post abgeholt, mussten die Strafverfolgungsbeamten ihn dem Beschuldigten zustellen, was wiederum recht kostenintensiv war. Aus diesen Gründen hat der Staatsanwalt oder eine Person, die die Staatsanwaltschaft vertritt, seit 2004 die Möglichkeit, den Strafbefehl dem Beschuldigten zu überbringen. Diese Art der Übermittlung des Strafbefehls wird immer mehr bevorzugt, auch aufgrund des pädagogischen Werts eines solchen Verfahrens. Sie ersetzt zwar nicht die Anhörung, hat aber den Vorteil, dass sie von den Beschuldigten, die die Ernsthaftigkeit eines Schreibens vielleicht zunächst nicht verstehen, viel ernster genommen wird. Es gibt keine offiziellen Daten über die Zahl der persönlichen Zustellungen von Strafbefehlen. Man kann dies als kleinen Versuch interpretieren, einen persönlichen Kontakt zum Angeklagten herzustellen, insbesondere in eher schwerwiegenden Fällen, die per Strafbefehl erledigt werden. Die pädagogische Dimension einer öffentlichen Anhörung und ihr Fehlen haben den französischen Gesetzgeber dazu veranlasst, in einer Empfehlung die Zustellung von Strafbefehlen in sogenannten Gerichtsterminen vorzusehen.[92] Die Staatsanwälte oder ihre Vertreter vereinbaren einen Termin mit dem Angeklagten, um ihm das Urteil und die Bedeutung des Strafbefehls zu erläutern. Dieser direkte Kontakt könnte wiederum die Vollstreckung von Urteilen verbessern und ein besseres Verständnis des Verfahrens fördern.

c) Die Rolle der Verteidigung im Vergleich zum deutschen und schweizerischen Verfahren

Obwohl sich das Ziel vereinfachter Verfahren zur Entlastung der Gerichte als erfolgreich erweist, ist zu betonen, dass im Strafbefehlsverfahren die Rechte der Verteidigung in Frankreich auf ein Mindestmaß reduziert sind. Die Rolle der Verteidigung beschränkt sich auf den Einspruch und die anschließende Verhandlung im Rahmen eines vollständigen Verfahrens vor dem Gericht. Insoweit unterscheiden sich die Handlungsmöglichkeiten nicht signifikant von denen der Verteidigung im deutschen Ermittlungsverfahren vor Erlass des Strafbefehls. Allerdings besteht ein wichtiger struktureller Unterschied: In Frankreich kommt eine Verteidigung vor Erhalt des Strafbefehls nicht in Betracht. Demgegenüber ist eine frühe Verteidigung in Deutschland zumindest in den (wenigen) Fällen denkbar, in denen es zu einer Vorladung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren kommt und er demzufolge Kenntnis von dem gegen ihn gerichteten Verfahren hat.

Dazu muss der Angeklagte den Strafbefehl zunächst natürlich verstehen und die Hilfe eines Anwalts in Anspruch nehmen können. Die Rechte der Verteidigung werden auch dadurch gewahrt, dass der Angeklagte gegen den Strafbefehl mit einem einfachen Schreiben Einspruch einlegen kann, ohne seine Entscheidung begründen zu müssen. Der Einspruch eröffnet den Weg zu einem vollständigen Verfahren, und diese Möglichkeit stellt die Mindestanforderung für die Rechte des Angeklagten dar. Die Einspruchsfrist ist in Frankreich länger als in Deutschland oder in der Schweiz: 45 Tage für Vergehen und 30 Tage für Übertretungen. Tatsächlich legen die Angeklagten in 2 bis 7 % der Fälle in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten Einspruch gegen Strafbefehle ein. Bedeutet dies, dass Strafbefehle Angeklagte zu milderen Strafen verurteilen, als es Gerichte infolge einer mündlichen Verhandlung tun würden? Bei Vergehen wurden ähnliche Strafen verhängt, d.h. es gibt keine Strafmilderung für die Annahme eines Strafbefehls (also keine Bonifikation für den Verzicht auf einen Einspruch).[93] Dieser Punkt könnte darauf hindeuten, dass sich die Richter an den Akten der Staatsanwaltschaft, die ein Strafmaß enthalten, orientieren. In einem normalen Verfahren scheinen die Richter nicht von dem Antrag des Staatsanwalts abzuweichen und den Strafbefehl vielmehr zu bestätigen. Indem er sich der Individualisierung der Strafe entzieht, wird die Rolle des Richters zu der eines automatischen Verteilers von Strafen („distributeur automatique de peines“).[94] Diese Tendenz ist in der Schweiz nicht zu beobachten. Empirische Daten zeigen hier, dass Angeklagte, die Einspruch gegen ihren Strafbefehl erheben, im Ergebnis bei richterlicher Entscheidung in einem vollständigen Verfahren ein milderes Urteil erhalten.[95]

d) Anknüpfungspunkte für Reformen

Strafbefehle umgehen Gerichtsverhandlungen, enthalten aber ein Urteil und eine strafrechtliche Sanktionsentscheidung, die derjenigen eines Gerichts gleichkommt. Die im einleitenden Artikel der Strafprozessordnung aufgeführten Punkte stellen eine Reihe von Verfahrensgrundsätzen auf, die auf Strafurteile Anwendung finden. Sie gelten für Verstöße aller Schweregrade, einschließlich derjenigen, die durch Strafbefehle geahndet werden. Sie gelten zudem für Verfahren vor allen Gerichten (Polizeigericht, Strafgericht, Landgericht) sowie für Verfahren, die in der Ermittlungsphase vor einer Verurteilung stattfinden.

Einer der Grundsätze betrifft die Verfahrenssprache: Wenn der Angeklagte kein Französisch versteht, hat er das Recht, während des gesamten Verfahrens einen Dolmetscher hinzuzuziehen, auch für Gespräche mit seinem Verteidiger, wenn diese direkt mit einer Anhörung oder einem Verhör zusammenhängen. Außerdem hat der Angeklagte das Recht, eine Übersetzung der wichtigsten Dokumente zu erhalten, die es ihm ermöglichen, seine Verteidigung aufzubauen, es sei denn, er verzichtet ausdrücklich auf dieses Recht, nachdem er erklärt hat, dass er verstanden hat, worum es geht.[96] Personen, die durch Strafbefehl verurteilt wurden, sind sich ihrer Rechte möglicherweise nicht bewusst; wenn sie zudem nichts von dem gegen sie geführten Verfahren wussten und nicht vom Staatsanwalt angehört wurden, ist es durchaus anzunehmen, dass sie sich ihres Rechts auf Rechtsbeistand oder Dolmetscher/Übersetzer nicht bewusst waren.

Ein Verteidiger ist nur dann obligatorisch, wenn der Streitwert eines Verfahrens 10.000 Euro übersteigt. Bei Strafbefehlen ist kein Verteidiger erforderlich, die Höchststrafe beträgt 5.000 Euro. In Frankreich hört der Staatsanwalt den Angeklagten nicht an, und wenn der Sachverhalt klar genug ist, schreibt er einen Strafvorschlag und schickt die Akte zur Bestätigung an einen Richter. Wenn der Richter einen Strafbefehl erlässt, hatte der Angeklagte weder die Möglichkeit vom Staatsanwalt noch vom Richter angehört zu werden. Die einzige Möglichkeit, eine Anhörung zu erhalten, besteht darin, innerhalb von 30 oder 45 Tagen Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen.

Im Strafbefehlsverfahren besteht kein Zwang zur anwaltlichen Verteidigung. Wenn der Angeklagte einen Verteidiger wünscht aber keine eigene Wahl trifft, beauftragt der Richter einen Anwalt, dessen Vergütung von den finanziellen Möglichkeiten des Angeklagten abhängt und entsprechend festgesetzt wird. Die Kosten der Verteidigung können unter den Bedingungen der Rechtshilfe (aide juridictionnelle) bis zu 100 % übernommen werden.

Schließlich äußern Verteidiger ihre Besorgnis über die zunehmende Anwendung dieses vereinfachten Verfahrens: die Rechte der Verteidigung werden auf ein Minimum reduziert.[97] Die Hinzuziehung eines Verteidigers kann nur dann erfolgen, wenn der Beschuldigte von dem Strafbefehl erfährt, Einspruch einlegen möchte und er sich zudem seines Rechts bewusst ist, bei der Beauftragung eines Anwalts finanzieller Unterstützung zu erhalten.

V. Ausblick

Heutzutage sind ordentliche Verfahren nicht mehr auf eine gerichtliche Hauptverhandlung ausgerichtet, sondern priorisieren von der Staatsanwaltschaft geführte Schnellverfahren, wobei Strafbefehle in Deutschland, Frankreich und der Schweiz die bei weitem häufigste Form sind. Dieser Wandel entspricht auch einem Wandel in der Rechtsprechung: Nicht mehr die in einem Prozess gewonnene Wahrheitsfindung, sondern mehr und mehr die Zustimmung des Angeklagten führt zu einer Verurteilung und stützt diese. Das summarische Verfahren wurde von Potter als „Känguru-Gericht“ bezeichnet, weil es der Justiz erlaubt, von Fakten zu Schlussfolgerungen zu springen.[98] Die schweizerische Ausgestaltung des Strafbefehlsverfahren weist auch aus verteidigungsnaher Perspektive keinen Vorbildcharakter für eine Reformierung des deutschen Rechts auf. Für den Erlass von Strafbefehlen ist, anders als im deutschen Recht, in der Schweiz allein die Staatsanwaltschaft zuständig. Eine richterliche Kontrolle findet auch nach einem Einspruch nicht statt. Häufig werden Strafbefehle in der Schweiz ohne ausreichende Ermittlungen und in der Regel auch ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten erlassen. In der berechtigten Erwartung, dass regelmäßig kein Einspruch eingelegt wird, räumt man der schnellstmöglichen Erledigung Vorrang ein. Auch im deutschen Verfahren ist die richterliche Kontrolle faktisch unzureichend. Aber gerade deshalb kann auf die Kontrollinstanz als Institution nicht verzichtet werden. Eine Verteidigung, die in nur wenigen Fällen vorhanden ist, hat zunächst die wichtige Aufgabe, den Strafbefehlsempfänger dabei zu unterstützen, den Strafbefehl zu verstehen, da sprachlich begründete Verständnisprobleme keine Ausnahme darstellen. Dies gilt für die Verfahren in Deutschland wie der Schweiz gleichermaßen. Die Einlegung eines Einspruchs ist aufgrund des Umstandes, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Fall ergänzende Ermittlungen vornehmen und daraufhin erneut einen (abgeänderten und auch härteren) Strafbefehl erlassen kann, in der Schweiz allerdings in seiner Effektivität begrenzt. Zudem beträgt die Einspruchsfrist lediglich zehn Tage und ist damit kürzer als im deutschen Strafbefehlsverfahren, was eine eingehende Prüfung für die Verteidigung erschwert. Trotz dieser gravierenden Mängel kann in der Schweiz auch ohne Verteidigerkonsultation eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monate ohne Aussetzung zur Bewährung festgesetzt werden. Studien zeigen jedoch, dass das Verfahren nicht unerheblich fehleranfällig ist. Daher ist nicht absehbar, dass sich im Rahmen der Europäisierung des Strafverfahrens das schweizerische Modell durchsetzen wird.

Die Ausgestaltung des Strafbefehlsverfahrens in Frankreich hingegen weist einige positive Aspekte auf, die bei Reformierung europäischer Strafbefehlsverfahren berücksichtig werden sollten. Hierzu gehören neben dem stärker eingeschränkten Anwendungsbereich durch die Begrenzung der Geldstrafe und der Ausnahme der Freiheitsstrafe auch eine Stärkung der Rechte des Opfers. Französische Staatsanwälte werden ermutigt, Strafbefehle zu verwenden, während sie in Deutschland und der Schweiz Strafbefehle beantragen müssen, so oft der Fall dies zulässt. Die Rechte  der  Verteidigung  in  Frankreich  beschränken sich auf den Einspruch und die anschließende Verhandlung – anders als im deutschen Recht, in dem auch eine – wenn auch rein faktische – Einflussnahme der Verteidigung (sofern vorhanden) bereits im Ermittlungsverfahren möglich ist. Die längere Einspruchsfrist (je nach Delikt 30 oder 45 Tage) ermöglicht der Verteidigung eine eingehendere Prüfung des Strafbefehls, ebenso wie die die Begründungspflicht jedenfalls im Falle der Vergehen. Auch das Einspruchsverfahren in Frankreich weist gegenüber der deutschen Regelung insofern Vorteile für die Verteidigung auf, als nach einem Einspruch ein Richter in einem vollständigen, im Beweisrecht nicht eingeschränkten Verfahren – anders als in §§ 411 Abs. 2 S. 2, 420 dStPO – vor dem Strafgericht verhandelt. Eine notwendige Verteidigung sieht allerdings auch das französische Recht beim Strafbefehlsverfahren grundsätzlich nicht vor. Betrachtet man das Strafbefehlsverfahren unter dem Gesichtspunkt einer durch die EMRK unbeschränkt zugesicherten effektiven Verteidigung, so ist auch die französische Regelung trotz gewisser Vorteile an vielen Stellen defizitär. Dabei zeigt sich, dass eine effektive Verteidigung nur möglich ist, wenn ein Minimum an Konfrontation der betroffenen Interessen gewährleistet wird. Ebenso zeigt sich, dass dies auch den Interessen der Verletzten dient. Effektivität lässt sich nicht nur an der Zeit bemessen, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vergeht.

Ein Strafverfahren, das nicht mehr auf einem gerichtlich festgestellten Schuldnachweis, sondern auf einem stillschweigenden Schuldanerkenntnis des Beschuldigten beruht, würde dem Legalitätsprinzip (§ 7 EMRK) nicht mehr genügen. Der Gesetzgeber sollte Garantien vorsehen, die es dem Beschuldigten ermöglichen, eine autonome und informierte Entscheidung zu treffen: Dazu gehören namentlich eine Anhörung durch den Staatsanwalt oder einen Vertreter, bei der die Anklage und die Rechte erläutert werden und ein Verteidiger, um Waffengleichheit mit der Staatsanwaltschaft zu erreichen, zumindest aber eine effektive Verteidigung zu ermöglichen. Nur so kann das Strafbefehlsverfahren zu einem fairen Verfahren werden, das eine minimale Anzahl von Fehlurteilen und eine effiziente Erledigung gewährleistet.

 

[1]      Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.6, 2019, Tabelle 2.2.1.1 (Deutschland).
[2]      Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.6, 2019, Tabelle 3 (Deutschland).
[3]      Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.6, 2019, Tabelle 2.2.1.1 (Deutschland).
[4]      Zur besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet; selbstverständlich sind immer alle Geschlechter angesprochen.
[5]      Oder dem Schöffengericht, was in der Praxis allerdings nur bei Strafbefehlen nach § 408a StPO eine Rolle spielt.
[6]      Dies kommt in der Praxis regelmäßig vor, vgl. Hutzler, Ausgleich struktureller Garantiedefizite, 2011, Rn. 93 f.
[7]      Außerhalb des § 257c StPO entfalten Absprachen keine Bindungswirkung, vgl. BVerfG, NStZ 2016, 422 (423); BGH, NStZ 2011, 107.
[8]      Eine Begründungspflicht fordert z.B. Weßlau/Degener, in: SK-StPO, 4. Aufl. (2013), Vor §§ 407 ff. Rn. 26.
[9]      Vgl. Weßlau, ZStW 2004, 150 (159 f.).
[10]    Dies kann sowohl im Rahmen einer Absprache vereinbart worden sein, vgl. Schmidt-Hieber, NJW 1982, 1017 (1020) oder aber durch den Staatsanwalt selbst bei Beantragung des Strafbefehls vorgenommen werden.
[11]    Dies obliegt gem. Nr. 13-15 RiStBV zwar der Staatsanwaltschaft bzw. den ermittelnden Polizeibeamten; allerdings ist der Beschuldigte nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet, sodass die Ermittlungsmöglichkeiten hier nicht nur auf tatsächliche, sondern auch auf rechtliche Grenzen stoßen.
[12]    Dunkel, Fehlentscheidungen in der Justiz: Systematische Analyse von Wiederaufnahmeverfahren in Strafverfahren im Hinblick auf Häufigkeit und Risikofaktoren, 2018; siehe auch Kemme/Dunkel, StV 2020, 52.
[13]    Vgl. Maleika, Freiheitsstrafe und Strafbefehl, 2000, S. 119 f.
[14]    Preuß, ZJS 2017, 176.
[15]    Ranft, JuS 2000, 633.
[16]    BT-Drs. 12/6853, S. 36.
[17]    AE-ASR, GA 2019, 1 (88).
[18]    Auch der BGH misst den Richtern die Kompetenz bei, in diesen Fällen neutral entscheiden zu können, vgl. BGH, NStZ-RR 2012, 350.
[19]    So z.B. Fezer, ZStW 1994, 1 (21 f., 41 f.); Weßlau/Degener, in: SK-StPO, Vor §§ 407 ff. Rn. 26; andere hingegen befürworten die Ausdehnung der Freiheitsstrafe, so z.B. Leipold/Wojtech, ZRP 2010, 243.
[20]    Maur, in: KK-StPO, Vor § 407 Rn. 3.
[21]    Vgl. BGH, NJW 1998, 86 (88).
[22]    OLG Dresden, StraFo 2005, 299; Preuß, ZJS 2017, 176 (183).
[23]    Kritisch zur Vorschrift auch Fezer, in: FS Baumann, 1992, S. 395 (397).
[24]    „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ – Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, S. 106.
[25]    Wir möchten uns ganz herzlich bei Fachanwalt Philippe von Bredow, Kanzlei Fontanet in Genf, für seine ausführliche und geduldige Aufklärung bedanken.
[26]    Gless, Der Strafbefehl in der schweizerischen Strafprozessordnung. In Schweizerische Strafprozessordnung und schweizerische Jugendstrafprozessordnung – Tagung der Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter vom 17. Juni 2010 in Luzern, S. 21.
[27]    Riklin, Urteilseröffnung beim Strafbefehl. In P. Zen-Ruffinen (Ed.), Du monde pénal – Mélanges en l’honneur de Pierre-Henri Bolle, 2006, S. 115.
[28]    Rieß, ZIS 2009, S. 466 – 483.
[29]    Thommen, Penal orders, prosecutorial discretion and trial penalty (Conference session) 2019, Hebrew University.
[30]    Wenger, Horizons – Le magazine Suisse de la recherche scientifique, 2020, Nr. 124, S. 34–35.).
[31]    Riklin, in: FS Jung, 2008, S. 761-779.
[32]    Schubarth, in: FS Riklin, 2007, S. 527 (529).
[33]    Thommen/Studer, in: Genillod-Villard et al., Wiedereingliederung im Kontext der Null-Risiko-Gesellschaft, 2020, S. 43–65.
[34]    § 66 chStGB: Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten.
[35]    Siehe Gless (Fn. 26), S. 18; Gilliéron, University of Cincinnati Law Review, 2013, 80(4), 1113 (1162).
[36]   Markwalder/Killias/Biberstein, The impact of hearings on prosecutorial decision-making, University of St. Gallen, ESC Conference, 30.9.2018, Sarajevo.
[37]    Boyne, in: Luna/Waade, The Prosecutor in Transnational Perspective, 2010, S. 37 (45).
[38]    Boyne, in: Ross/Thaman, Comparatve Criminal Procedure, 2018, S. 219 (236–237).
[39]    Siehe Dunkel (Fn. 12).
[40]    Siehe https://www.ordonnance-penale.ch/ (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[41]    Siehe Dunkel (Fn. 12).
[42]    Lafargue, Il vous livre tous les secrets de l’ordonnance pénale, Tribune de Genève, 2017, abrufbar unter : https://www.tdg.ch/geneve/actu-genevoise/livre-secrets-ordonnance-penale/story/16183579 (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[43]    Siehe Gilliéron (Fn. 35), S. 1162.
[44]    Siehe Schubarth (Fn. 32), S. 532.
[45]    Thommen, Penal orders and abbreviated proceedings, Elgar Encyclopaedia of Criminal Law and Criminal Justice, preprint, 2021.
[46]    Siehe Thommen (Fn. 29).
[47]    So etwa bei einem kurz begründeten Widerruf einer bedingt ausgesprochenen Sanktion oder einer bedingten Entlassung.
[48]    Siehe Thommen (Fn. 45).
[49]    Siehe Wenger (Fn. 30).
[50]    Siehe Thommen (Fn. 29).
[51]    Siehe z.B. Jonas/Schulz-Hardt/Frey/Thelen, Journal of Personality and Social Psychology, 2001, 80(4), S. 557–571; Findley/Scott, Law Review, 2006, 2, S. 291–307.
[52]    Siehe Riklin (Fn. 31).
[53]    In gewissen Kantonen kann der Beschuldigte in einer Einvernahme die Staatsanwaltschaft als Zustellungsadresse auswählen.
[54]    Aus den Akten ist nicht immer ersichtlich, ob eine Veröffentlichung stattfand oder nicht, deshalb wurden diese zwei Zustellfiktionen zusammen erfasst.
[55]    Siehe Thommen (Fn. 45).
[56]    Mattmann/Eschle,/Rader/Walser/Thommen, ZStrR 2021, 253-278.
[57]    Siehe Thommen (Fn. 29).
[58]    Siehe Schubarth (Fn. 32), S. 531.
[59]    Vest, in: FS Trechsel, 2002, S. 781–800.
[60]    Thommen, Schweizerische Zitschrift für Strafrecht, 4, 373 (393).
[61]    Siehe Wenger (Fn. 30), S. 35.
[62]    Siehe Gilliéron (Fn. 35), S. 160-161.
[63]    Siehe Dunkel (Fn. 12).
[64]    Siehe Schubarth (Fn. 32), S. 528.
[65]    Siehe z.B. Thaman, Electronic Journal of Comparative Law, 2007, vol. 11(3), 1 (18); Thaman, in: Luna/Waade, The Prosecutor in Transnational Perspective, 2012, S. 156 (171).
[66]    Schünemann, in: GS Vogler, 2004, S. 81 (83).
[67]    Siehe Schubarth (Fn. 32), S. 537.
[68]    Alschuler, A nearly perfect system for convicting the innocent. Albany Law Review, 2016, 79(3), S. 919–940.
[69]    Siehe Thommen (Fn. 29).
[70]    Siehe Wenger (Fn. 30), S. 35.
[71]    Siehe Gless (Fn. 26), S. 22.
[72]    Stoll, Beschleunigungsstrategien der Strafjustiz – Eine empirische Studie zum Strafbefehlsverfahren in der Schweiz, 2018.
[73]    Bernauer, Strafbefehl: Nein danke? Von der fehlenden Einsprache zum Zustimmungserfolgnis, Jusletter, 26 mars 2018, S. 8.
[74]    Siehe Gless (Fn. 26).
[75]    Siehe Bernauer (Fn. 73), S. 9.
[76]    Brunhöber, in: Puschke/Singelnstein, Der Staat und die Sicherheitsgesellschaft. Staat – Souveränität – Nation, 2018, S. 193 (215). 
[77]    Council of Europe, Recommendation of the Committee of Ministers concerning the simplification of criminal justice, R(87), Strasbourg, September 18, 1987, S. 3.
[78]    Vivell, Das Strafbefehlsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 408a StPO) – Eine kritische Untersuchung und Analyse, 2006.
[79]    Roussel, L’essor de l’ordonnance pénale délictuelle. Droit et Société, 2014, 3(88), S. 607–620.
[80]    Bréchard/Legargasson/Le Caignec, Les chiffres-clés de la Justice 2020.
[81]    Kanzlei Gueguen-Carroll, Ordonnance pénale: procédure simplifiée en matière pénale, 2016, abrufbar unter: https://avocat-gc.com/permis/ordonnance-penale-procedure/2011 (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).  
[82]    Französisches Strafgesetzbuch/Code pénal français – Zweisprachige synoptische Ausgabe, herausgegeben vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht – Freiburg, abrufbar unter: (https://www.bijus.eu/?p=10720 (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[83]    Dupré de Boulois, Pouvoir réglementaire et contraventions: à propos des circonvolutions du juge administratif autour du fondement du pouvoir réglementaire contraventionnel, 2012, abrufbar unter: http://www.revuedlf.com/droit-administratif/pouvoir-reglementaire-et-contraventions-article/ (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[84]    Angehörige von Rechtsberufen können unter bestimmten Bedingungen für fünf Jahre zu Richtern auf Zeit gewählt werden, die per Strafbefehl über Ordnungswidrigkeiten entscheiden: www.metiers.justice.gouv.fr/magistrat-12581/magistrat-exercant-a-titre-temporaire-12884/ (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[85]    Chahuneau, “Amendes Covid”: les ordonnances pénales, une justice expéditive? L’Express, 9.3.2021, abrufbar unter: https://www.lexpress.fr/actualite/societe/amendes-covid-les-ordonnances-penales-une-justice-expeditive_2146341.html (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[86]    A.a.O.
[87]    In Deutschland kann durch Strafbefehl eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zur Bewährung verhängt werden, während in der Schweiz eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten verhängt werden kann.
[88]    Taleb, Revue Internationale de Droit Pénal, 2012, 83(1), 89 (91).
[89]    Siehe Circulaire du 20 mars 2012 présentant les dispositions de la loi du 13 décembre 2011 relative à la répartition des contentieux et à l’allègement de certaines procédures juridictionnelles étendant les procédures d’ordonnance pénale et de comparution sur reconnaissance préalable de culpabilité, Bulletin Officiel du Ministère de la Justice et des Libertés, 2012, S. 2.
[90]    Siehe Bulletin officiel du Ministère de la Justice, 2004, abrufbar unter:  http://www.justice.gouv.fr/bulletin-officiel/3dacg95a_fiche2.htm#fiche2 (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[91]    Siehe Roussel (Fn. 79).
[92]    Siehe Bulletin officiel du Ministère de la Justice (Fn. 91).
[93]    Siehe Roussel (Fn. 79).  
[94]    Siehe Kanzlei Gueguen-Carroll (Fn. 81). 
[95]    Thommen/Eschle, Penal orders, Prosecutorial Discretion, and Trial Penalty (Powerpoint slides), 2019, abrufbar unter: https://www.ius.uzh.ch/de/staff/professorships/alphabetical/thommen/person/publikationen.html (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[96]    Siehe Article préliminaire Abs. 3, abrufbar unter: https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGISCTA000006098229/ (zuletzt abgerufen am 3.1.2022).
[97]    Siehe Kanzlei Guenguen-Carroll (Fn. 81).
[98]    Potter, International Journal of Punishment and Sentencing (IJPS), 1(3), 2005, 118–151.

 

 

 

 

 

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