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Was lange währt, wird endlich gut (?) Zur Einführung des nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes

von Benedict Pietsch, M.A., M. Iur. 

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Abstract
Der Beitrag thematisiert das neue Versammlungsgesetz NRW (VersG NRW). Erläutert werden zunächst die verfassungsrechtlichen Hintergründe des Versammlungsrechts. Anschließend werden ausgewählte versammlungsrechtliche Vorschriften des VersG NRW dargestellt und einer (ersten) Bewertung unterzogen. Es zeigt sich, dass sämtliche Normen auf die Lösung konkreter versammlungsrechtlicher Herausforderungen hin ausgestaltet sind. Sie sind dabei, abgesehen von kleineren Korrekturvorschlägen, inhaltlich insgesamt überzeugend und werden den Anforderungen des Art. 8 GG gerecht. Es handelt sich daher durchweg um zeitgemäße, moderne versammlungsrechtliche Regelungen.

The article aims at illustrating the main features of the northrhine-westfalian law which establishes the preconditions for the peaceful exercise of the freedom of peaceful assembly (VersG NRW). Firstly, the constitutional background will be discussed. Afterwards, the article focusses on selected norms which will be short-term evaluated and discussed. With respect to the requirements established by Art. 8 GG, all discussed norms are formed in a convincing way and could be therefore qualified as part of an appropriate and modern legal framework for the freedom of assembly.

I. Einleitung

Am 15. Dezember 2021 hat der nordrhein-westfälische Landtag das Gesetz zur Einführung eines nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften (VersGEinfG NRW) mit den Stimmen von CDU und FDP, gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, bei Enthaltung der AfD, in der Fassung der Beschlüsse des Innenausschusses verabschiedet.[1] Das Gesetz trat am Tag nach der Verkündung in Kraft[2] und ist damit seit dem 18. Dezember 2021 in Nordrhein-Westfalen geltendes Recht.

Mit dem VersG NRW erhält Nordrhein-Westfalen erstmals ein eigenes Versammlungsgesetz. Es löst das Versammlungsgesetz des Bundes (BVersG) ab, welches seit dem 10. August 1953[3] in Ausgestaltung von Art. 8 GG die rechtlichen Rahmenbedingungen für Aufzüge und Versammlungen darstellte, seit 2006 jedoch aufgrund des Entfalls des entsprechenden Kompetenztitels des Bundes bis zu seiner Ersetzung durch Landesrecht nur noch einstweilen fortgalt, um eine Regelungslücke zu vermeiden (Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG).[4]

Die Einführung des VersG NRW kann an sich nicht überraschen. Schon im Koalitionsvertrag von 2017 hatten sich die Regierungsparteien aus CDU und FDP darauf verständigt, „die Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Schaffung eines modernen Versammlungsgesetzes (zu) nutzen.“[5] Im Ergebnis hat die Landesregierung noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (15.5.2022) eines ihrer Prestigeprojekte erfolgreich zu Ende geführt.

Die Verabschiedung des VersG NRW erfolgt gleichwohl zu einem Zeitpunkt, in dem die Versammlungsfreiheit im Zuge der COVID-19-Pandemie verstärkt im Fokus medialer und (rechts-)wissenschaftlicher Diskussion steht.[6] Zur Verdeutlichung genannt seien hier lediglich die Topoi„Totalverbote“[7] und „Digitale Versammlung“[8]. Auch die Exekutive und Judikative suchen nach einer „anfänglichen Schockstarre“[9] nach wie vor tastend nach Wegen einer pandemiegerechten Gewährleistung der Versammlungsfreiheit.[10] Jüngst halten sog. Corona-Spaziergänge, bei denen Personen unter vermeintlich unpolitischem Label zu tausenden auf der Straße gegen die staatliche Corona-Politik protestieren, Öffentlichkeit und zuständige Behörden in Atem.[11]

Zu den pandemiebedingten Herausforderungen tritt die seit der Einführung des Regierungsentwurfs[12] hierzu breit und teilweise vehement geführte gesellschaftliche Diskussion.[13] Selbst die zum Gesetzgebungsvorhaben eingeholten Stellungnahmen sind von Polemik nicht freigeblieben.[14]

Ohnehin gilt das Versammlungsrecht in Fachkreisen „als heißes Eisen“. Zu dominant erscheint die durch die sog. Brokdorf-Rechtsprechung[15] des BVerfG geprägte,[16] dogmatische Überformung des Art. 8 GG, als das landesspezifische Diskussionsbeiträge durchzudringen vermöchten. Angesichts detaillierter verfassungsgerichtlicher Vorgaben erscheint der Regelungsspielraum des einfachen Gesetzgebers gering.– Gerade auch in Anbetracht der Fortgeltung des BVersG drängt sich der Eindruck auf, der Erlass eigener landesrechtlicher Regelungen „lohne“ sich letztlich nicht. [17]

Bei der Schaffung des neuen VersG NRW hat der Gesetzgeber versucht, den spezifisch mit dem Versammlungsrecht verbundenen Schwierigkeiten gerecht zu werden.[18] Erklärtes Ziel war es, ein „insgesamt rundum modernes Versammlungsrecht, mit dem die Herausforderungen unserer Zeit vollumfänglich gemeistert werden können“[19] zu schaffen. Dies sollte erreicht werden, indem „Gestaltungsspielräume auf einfachgesetzlicher Grundlage für einen Ausgleich von Versammlungsfreiheit und öffentlicher Sicherheit unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren in gesellschaftlicher wie technischer Hinsicht fortschreitenden Entwicklungen“[20] genutzt werden sollten. Dieser umfassende Regelungsanspruch schlägt sich zunächst rein äußerlich, im Umfang des Gesetzesentwurfs, namentlich der Gesetzesbegründung (ca. 50 Seiten) nieder. Ersichtlich ist das Gesetz von dem Bemühen getragen, nicht im Hauruckverfahren zu dekretieren. Stattdessen sollen angesichts des hohen Stellenwerts der Versammlungsfreiheit langfristig überzeugende, von der (Verfassungs-)Rechtsmaterie informierte, zugleich aktuelle versammlungsrechtliche Entwicklungen aufgreifende – und in diesem Sinne insgesamt „moderne“ – Lösungen angeboten werden. Dies wird insbesondere im konzeptionellen Zugriff deutlich: Während die COVID-19-Pandemie nur am Rande thematisiert wird,[21] erfolgt die Ausgestaltung des VersG NRW insgesamt in intensiver Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Hintergründen und den damit verbundenen (auch gesellschaftlichen) Problemstellungen.[22]

II. Verfassungsrechtliche Hintergründe des VersG NRW

1. Das Versammlungsrecht im Kompetenzgefüge des GG

Bis zur sog. Föderalismusreform I[23] besaß der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG a.F.). Dieser Titel ist 2006 ersatzlos entfallen. Nach dem Grundsatz des Art. 70 GG sind nunmehr die Länder für die Materie des Versammlungsrechts zuständig.

Mit dem neuen VersG NRW fügt sich Nordrhein-Westfalen in den bislang (noch) überschaubaren Kreis derjenigen ein, die nach gut 15 Jahren von der mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Kompetenz im Versammlungsrecht auch Gebrauch gemacht haben.[24] Verpflichtet sind die Länder hierzu nicht.[25] Nach Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG, wonach das Versammlungsgesetz des Bundes ohnehin als Bundesrecht fortgilt, „können“ die Länder ein eigenes Versammlungsgesetz beschließen. Gründe gibt es hierfür jedoch reichlich. So ist streitig, inwieweit der Bund seit dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder noch in den Normbestand seines Versammlungsgesetzes eingreifen darf.[26] Art. 125a GG ist nach Wortlaut und Systematik (Stellung im XI. Abschnitt des GG – Übergangs- und Schlussbestimmungen) als Übergangsvorschrift einzustufen, die Folgen eines Kompetenzentfalls regelt und keine Kompetenz begründet. Hat das BVerfG dem Bund gleichwohl ein limitiertes Änderungsrecht zugebilligt,[27] um einer drohenden „Versteinerung“ des Versammlungsrechts vorzubeugen, ist dies nichts weiter als ein verfassungsrechtlicher Notnagel, zumal die Defizite des BVersG schon seit langem offen zutage liegen.[28] So ist etwa die Anwendung des § 14 BVersG bei Spontanversammlungen überhaupt nicht und bei Eilversammlungen nur gegen den Wortlaut verfassungskonform möglich.[29] Bei § 3 BVersG liegt ein Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung nur vor, wenn das Auftreten in derartigen Kleidungsstücken nach den Gesamtumständen geeignet ist, eine suggestivmilitante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen.[30] – Dieses Merkmal findet im Tatbestand des § 3 BVersG hingegen keinen Niederschlag.

„Ersetzt“ der Landesgesetzgeber, wie in Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG vorgesehen, das BVersG durch ein eigenes Gesetz,[31] lässt sich hierfür aus der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz zweierlei herleiten. Erstens liefert der Hintergrund der Kompetenzübertragung auf die Länder, der im Charakter des Versammlungsrechts als Recht der besonderen Gefahrenabwehr und die enge Verbindung mit dem Polizeirecht begründet war[32] einen guten Grund dafür, ein Versammlungsgesetz als „klassisches“ Gesetz mit klar ordnenden Vorgaben und angemessenen Sanktionsmöglichkeiten auszugestalten.[33] Zweitens ist der Landesgesetzgeber bei der inhaltlichen Gestaltung des ersetzenden Landesrechts grundsätzlich frei,[34] eigene rechtspolitische Akzente zu setzen[35] und länderspezifische Besonderheiten, etwa die „regionale Lage“ oder die „Mentalität der Bewohner“ herauszustellen.[36] Eine damit potenziell verbundene, versammlungsrechtliche „Kleinstaaterei“[37] mag für Grundrechtsträger irritierend und für Behörden (insbesondere bei länderübergreifenden Versammlungslagen) unpraktisch sein. Bei der durch die Föderalismusreform beabsichtigten „Stärkung der Landesgesetzgeber“[38] ist dieser Umstand jedoch bewusst in Kauf genommen worden. In Diskrepanzen des versammlungsrechtlichen Normbestands äußert sich ein Wesensmerkmal des (Sicherheits-)Föderalismus, wie es auch in anderen Materien des Gefahrenabwehrrechts, insbesondere im Polizeirecht, zutage tritt.

2. Verfassungsrechtlicher Stellenwert der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG)

Der Brokdorf-Beschluss des BVerfG gilt weithin als „Magna Charta“ der Versammlungsfreiheit.[39] In ihm hat das Gericht die – bis heute maßgeblichen – Grundaussagen zu Bedeutung und Tragweite des Art. 8 GG getroffen.[40] Für das BVerfG handelt es sich bei der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) um eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, dem für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstitutive Wirkung zukommt. Insbesondere zu berücksichtigen ist dabei der enge Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. HS GG. Art. 8 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen.[41] Der Inhalt einer Meinungsäußerung, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, darf daher auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken.[42]

Ihre besondere Relevanz gewinnt die Versammlungsfreiheit dabei vor allem als Ausdruck „ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie“.[43] Sie gestattet es in weitem Umfang Unmut und Kritik öffentlich vorzubringen und abzuarbeiten, und fungiert auf diese Weise als notwendige Bedingung eines „politischen Frühwarnsystems“,[44]  das Störpotentiale anzeigt, Integrationsdefizite bestimmter Bevölkerungsgruppen sichtbar und damit auch Kurskorrekturen der offiziellen Politik möglich macht.[45] Dies ist insbesondere in parlamentarischen Demokratien wichtig, die sich grundsätzlich durch nur geringe plebiszitäre Mitwirkungsrechte auszeichnen.[46]

Die Bedeutung des Art. 8 GG erschöpft sich für das BVerfG jedoch nicht in seiner „negativen“ Funktion als Abwehrrecht. Das Gericht betont vielmehr auch die grundrechtsermöglichende Rolle des Staates. Dabei sind vor allem zwei Aspekte entscheidend. Erstens soll der Staat gegenüber den Protestierenden nicht als der „große Andere“ auftreten, sondern ist i.S. einer friedlichen Durchführung von Versammlungen zu Dialog und Kooperation verpflichtet.[47] Zweitens begreift der Brokdorf-Beschluss demokratische Legitimation (Art. 20 Abs. 1, 3 GG) als partizipativ, aus der Perspektive einer grundrechtswahrnehmenden Minderheit heraus.[48] Diese ist konsequent vor Störungen und Ausschreitungen Dritter zu schützen.[49] Auf der anderen Seite ist die Versammlungsfreiheit trotz ihres hohen Rangs nicht vorbehaltlos gewährleistet. Art. 8 GG garantiert lediglich das Recht, sich „friedlich und ohne Waffen zu versammeln“ und stellt dieses Recht für Veranstaltungen unter freiem Himmel unter Gesetzesvorbehalt (Art. 8 Abs. 2 GG). Damit, so das BVerfG, werde dem Umstand Rechnung getragen, dass für die Ausübung der Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel wegen der Berührung mit der Außenwelt ein besonderer organisationsrechtlicher und verfahrensrechtlicher Regelungsbedarf besteht, um einerseits die realen Voraussetzungen für die Ausübung zu schaffen und andererseits kollidierende Interessen anderer hinreichend zu wahren.[50]Beim Erlass grundrechtsbeschränkender Vorschriften habe der Gesetzgeber jedoch die für die freiheitliche Demokratie grundlegende Bedeutung von Art. 8 GG im Allgemeinen zu beachten.[51] Dies gilt auch für deren Auslegung und Anwendung durch Behörden und Gerichte.

III. Ausgewählte Einzelregelungen des VersG NRW

Allgemein zeichnet sich das VersG NRW durch eine hohe strukturelle und begriffliche Klarheit aus.[52] Von seinem äußeren Erscheinungsbild ist es an die bisher in NRW geltende Rechtslage angelehnt.[53] Inhaltlich schöpft das Gesetz vornehmlich aus drei Quellen. Als konzeptionelle Grundlage fungierte der im „Arbeitskreis Versammlungsrecht“ erstellte Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes (ME VersG),[54] der die grundsätzliche Eignung von Mustergesetzen als Vorlage im Gesetzgebungsverfahren nochmals[55] eindrücklich unter Beweis stellt. Normative Kongruenzen bestehen zweitens mit den Regelungen in anderen Landesversammlungsgesetzen. Beispielsweise besteht das NVersG seit Jahren und ist in dieser Zeit mehrfach geändert worden.[56] Dies diente dem nordrhein-westfälischen Gesetzgeber bei der Erstellung des VersG NRW als hinreichendes Anschauungsmaterial. Hieraus konnten insbesondere eigene Schlüsse aus legislativen Fehlentscheidungen gezogen werden.[57] Über normative „Referenzwerke“ hinaus setzt das VersG NRW – drittens – eigenständige und innovative Akzente.[58]

Im Folgenden wird nicht versucht, den umfassenden Regelungsanspruch des VersG einer ebenso umfangreichen Analyse zu unterziehen. Stattdessen wird der Fokus auf bestimmte Gewährleistungs- und Eingriffstatbestände gelegt, die im Gesetzgebungsprozess besonders umstritten gewesen sind oder denen ein „innovativer“ Charakter zukommt. Auf weniger Streitiges wird hingegen verzichtet.[59] Dies gilt vor allem für die Regelungen, die an das ME VersG oder das BVersG angelehnt sind.[60]

1. „Versammlungsgesetz“ – oder „Versammlungsfreiheitsgesetz“ NRW?

Hinsichtlich der Bezeichnung tritt das neue Regelwerk bescheiden auf. Es ist schlicht mit „Versammlungsgesetz Nordrhein-Westfalen“ überschrieben und steht damit begrifflich in einer Kontinuitätslinie zum alten BVersG. Damit wird zugleich einer jüngeren Entwicklung eine Absage erteilt, wonach Versammlungsgesetze dezidiert als „Versammlungsfreiheitsgesetze“ verabschiedet worden sind.[61] Auch der von der SPD-Fraktion protegierte Entwurf eines Versammlungsgesetzes für Nordrhein-Westfalen wurde als „Versammlungsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen“ in den Landtag eingebracht.[62] Indes erscheint diese Bezeichnung wenig überzeugend. Soweit damit ein Gesetz gemeint ist, welches auf der Ebene des einfachen Rechts das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zum Gegenstand hat (Versammlungsfreiheits-Gesetz), ist dies, da zweifellos zutreffend, nicht zu beanstanden. Verkannt wird aber der Zweck, den ein Gesetz zu dieser Regelungsmaterie erfüllen sollte: Das Recht der Versammlungen dient in erster Linie einer rechtsförmigen Durchführung von Versammlungen sowie der Abwehr versammlungsspezifischer Gefahren.[63] Dem (einfachen) Gesetzgeber steht es nicht an, über Bedeutung der Grundrechte und ihrem Verhältnis zueinander zu urteilen – dazu ist er weder zuständig noch befugt.[64] Vielmehr hat der Gesetzgeber die effektive Wahrnehmung staatlicher Aufgaben zu gewährleisten, die mit der Versammlungsfreiheit in Verbindung stehen. In Ausprägung des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) hat er insbesondere normative Vorgaben in Gestalt von Ge- und Verboten sowie versammlungsrechtsspezifische Befugnisnormen zu schaffen.[65] Wird durch den Begriff ferner suggeriert, erst ein „Versammlungsfreiheitgesetz“ verhelfe den sich Versammelnden zu ihrem Recht (Versammlungs-Freiheitsgesetz), so ist diese Vorstellung irreführend, da die Freiheitsgarantie des Art. 8 GG unabhängig von den Normierungen des einfachen Gesetzgebers gilt und eine einfachgesetzliche „Ertüchtigung“ der Grundrechtsträger folglich nicht erforderlich ist. Schief ist zuletzt die Vorstellung, ein Weniger an Staat komme einem Mehr an (Versammlungs-)Freiheit gleich. Angesichts eines teilweise hochpolarisierten Meinungsklimas erscheint kaum eine Stelle des Brokdorf-Beschlusses des BVerfG so aktuell wie jene, die dem Staat die Aufgabe zuweist, sich schützend vor Versammlungen zu stellen.

Kommt es auf den materiellen Gehalt eines Gesetzes an, ist dessen Name letzten Endes zweitrangig. Indes erscheint das Anliegen, weniger grundrechtliche Gewährleistungen zu deklarieren als vielmehr ein praktikables, „den Anforderungen der behördlichen Praxis“[66] genügendes Regelwerk zum Phänomenbereich „Versammlung“ zu schaffen,[67] vorzugswürdig. Die Bezeichnung „Versammlungsgesetz“ drückt dieses Anliegen überzeugend aus. Dass das VersG NRW nicht gänzlich ohne symbolische Gesten auskommt, verdeutlichen die Ausführungen zu § 1 VersG NRW, wo der Ausdruck „jedermann“ (vgl. § 1 BVersG) durch „jede Person“ ersetzt wurde, „um die möglicherweise gesetzessprachlich altertümlich anmutende und Irritationen bzw. Abwehrreaktionen auslösende Formulierung ‚jedermann‘ zu vermeiden.“[68] Abgesehen davon, dass zwischen der Bedeutung beider Begriffe keine ernstzunehmenden Unterschiede bestehen, ist die Verwendung von „jedermann“ verfassungsrechtlich verbürgt (vgl. Art. 9 Abs. 3, 17, 56, 93 Abs. 1 Nr. 4a, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 24 Abs. 1 S. 2, 53, 75 Nr. 5a, 80 NRW Verf.). Die Assoziation, mit jedermann seien nur männliche Versammlungsteilnehmer gemeint, ist materiell-verfassungsrechtlich[69] wie linguistisch fernliegend (mhd. man: irgendeiner, jeder beliebige Mensch, so auch engl. mankind, Menschheit, nicht: Männerheit). Das Recht des Gesetzgebers, trotzdem auf die Formulierung „jede Person“ abzustellen, bleibt davon unberührt. Dasselbe gilt für die Verdopplung des materiellen Gehalts[70] bei §§ 6 Abs. 2, 9 Abs. 1, Abs. 2, 16 Abs. 5 Nr. 1, 26 Abs. 4 Nr. 1 VersG NRW durch das Hinzufügen des grammatischen Femininums.

2. Bestimmung des Begriffs „Versammlung“ (§ 2 Abs. 3 VersG NRW)

Dem Beispiel anderer Versammlungsgesetze der Länder folgend[71] ist nun auch in Nordrhein-Westfalen der Begriff der Versammlung im einfachen Recht legaldefiniert (§ 2 Abs. 3 VersG NRW). Danach ist unter „Versammlung“ eine örtliche Zusammenkunft von mindestens drei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten, Erörterung oder Kundgebung zu verstehen. Augenfällig ist erstens, dass die Definition in der Frage, ab wie vielen Teilnehmern von einer „Versammlung“ gesprochen werden kann, mit drei Personen eindeutig Stellung bezieht. In den Versammlungsgesetzen der Länder wird die Frage durchaus heterogen beantwortet. Während § 2 Abs. 1 VersFG S-H ebenfalls von drei Personen ausgeht, lassen Art. 2 Abs. 1 BayVersG und § 2 Abs. 1 NVersG zwei Personen genügen;[72] letzteres dürfte allerdings die (wohl) h.M.[73] abbilden. Grundsätzlich tragen Legaldefinitionen zur Normklarheit und zur Erleichterung der Rechtsanwendung bei. Bemühungen des Gesetzgebers in dieser Hinsicht sind daher grundsätzlich zu begrüßen. Abgesehen davon, dass die Diskussion über die genaue Teilnehmerzahl bisweilen etwas lebensfremd[74] (insbesondere die Bezeichnung von zwei oder drei Personen als „Versammlung“ und die daraus folgende Notwendigkeit, einen Versammlungsleiter bestimmen zu müssen, vgl. § 10 Abs. 2 S. 2 VersG NRW) oder willkürlich wirkt,[75] hat sich das BVerfG zu dieser Frage nur insoweit geäußert, dass jedenfalls eine Person nicht ausreicht, um eine Versammlung zu begründen.[76] Insgesamt wäre möglicherweise ein pragmatischer Ansatz, wie ihn auch das BVerfG vertritt, vorzugswürdig gewesen. Das Gericht spricht insoweit von der Entfaltung von Kommunikation „mehrerer Personen“[77], was eine „typologisch-wertende Betrachtungsweise“[78] ermöglicht.

Zweitens liegt eine Versammlung nach § 2 Abs. 3 VersG NRW nur vor, wenn diese „überwiegend“ auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinung gerichtet ist. Diese Formulierung ist nicht unproblematisch. Zwar geht aus der Rechtsprechung, insbesondere aus der des BVerfG[79], aber auch aus der des BVerwG[80] hervor, dass es für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 GG wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht ausreicht, dass die Teilnehmer bei ihrer gemeinschaftlichen kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Enthält eine Veranstaltung indes sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob eine derart gemischte Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist.[81] Kann hierbei ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln.[82] Ist also die Meinungskundgabe, wie bei einer auf Spaß und Unterhaltung ausgerichteten öffentliche Massenparty,[83] nicht nur „beiläufiger Nebenakt“[84], sind gemischte Veranstaltungen in dubio der Versammlungsfreiheit zuzuordnen.

Indem Veranstaltungen, bei denen sich nicht eindeutig ein Überwiegen der dem öffentlichen Meinungsaustausch dienenden Elemente feststellen lässt, vom Anwendungsbereich des VersG NRW ausgenommen werden, droht das Merkmal „überwiegend“ den Schutzbereich des Art. 8 GG in unzulässiger Weise zu verkürzen. Um die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 2 VersG NRW zu vermeiden,[85] wäre eine Harmonisierung mit dem verfassungsgerichtlichen Versammlungsbegriff sinnvoll.[86]

Zwingend erfordert eine Versammlung die gleichzeitige physische Präsenz mehrerer Personen an einem Ort.[87] Virtuelle „Versammlungen“ sind somit keine i.S.d. Art. 8 GG.[88] Dem Gesetzgeber hätte es allerdings durchaus freigestanden, Phänomene wie Online-Demonstrationen dem Anwendungsbereich des VersG NRW unterfallen zu lassen. Zwar stellen „Online-Versammlungen“ aus grundrechtlicher Perspektive kein funktionales Äquivalent dar;[89] im Hinblick auf die, insbesondere im Zusammenhang mit der der COVID-19-Pandemie, gewachsene Relevanz hätte eine Aufnahme jedenfalls – entsprechend zur Entwicklung in anderen Rechtsgebieten[90] – zu einer Erhöhung des normativen Stellenwerts „nur“ virtueller Zusammenkünfte beigetragen.[91]

Abschließend ist zu begrüßen, dass in § 10 Abs. 3 und 4 VersG NRW erstmals Bestimmungen zur sog. Eil- und Spontanversammlung getroffen werden (vgl. anders § 1 Abs. 1 BVersG).[92] Bei der Definition der Spontanversammlung ist bewusst der vom BVerfG als präzise erachtete Anknüpfungspunkt des „aktuellen Anlasses“ gewählt worden.[93] Gegenüber dem Entwurf der SPD-Fraktion, welcher den „spontanen Entschluss“ der sich Versammelnden als maßgebliches Kriterium vorsah,[94] ist der „aktuelle Anlass“ einer objektiven Prüfung zugänglich, was es deutlich erschwert, die in § 2 Abs. 3 S. 1 VersG NRW normierte Anzeigepflicht zu umgehen.

Dass überdies die im ursprünglichen Entwurf geplante Außerachtlassung von Samstagen, Sonn- und Feiertagen bei der Berechnung der 48-Stunden-Anmeldefrist für Eilversammlungen nach den Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss wieder zurückgenommen wurde,[95] zeugt exemplarisch für die im politischen Wettbewerb grundsätzlich achtenswerte Bereitschaft, überzeugende Kritik[96] konstruktiv bei der Normgestaltung einzubringen.

3. Statuierung als allgemeines Störungsverbots (§ 7 VersG NRW)

Nach § 7 Abs. 1 VersG NRW ist es verboten, eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, diese zu behindern oder zu vereiteln. Die Normierung eines Störungsverbots in § 7 Abs. 1 VersG NRW zielt, wie § 2 Abs. 2 BVersG und entsprechende Vorschriften in anderen Landesversammlungsgesetzen[97]darauf ab, die Durchführung von Versammlungen zu ermöglichen sowie die Grundrechtsausübung vor Störungen und Ausschreitungen Dritter zu schützen (vgl. § 3 Abs. 1 VersG NRW).[98] § 7 VersG NRW dient damit unmittelbar der Umsetzung des Brokdorf-Beschlusses.

§ 7 Abs. 1 VersG NRW verdient in mehrfacher Hinsicht besondere Aufmerksamkeit. Zunächst ist die Vorschrift, anders als § 7 Abs. 1 MEVersG, der (auch) für die nordrhein-westfälische Norm Pate gestanden hat,[99] nicht mit einem Erheblichkeitsvorbehalt ausgestattet.[100] Damit ist grundsätzlich jedwede Störung einer Versammlung untersagt, und sei sie noch so unerheblich.[101] An der Ausgestaltung des Störungsverbots ist während des Gesetzgebungsprozesses massive Kritik geübt worden. Gegen die Regelung wurde insbesondere vorgebracht, sie verunmögliche den lautstarken Gegenprotest, der seinerseits vom Schutzbereich des Art. 8 GG erfasst ist.[102] Eine gewisse Angriffsfläche bot dabei das Merkmal des „Behinderns“,[103] das, i.S. einer (bloßen) Behinderung interpretiert, sich als Anspruch auf weitestgehendes Fernhalten von unerwünschten Einflüssen (miss-)deuten ließe. Dagegen machen schon die qualifizierten Regelbeispiele („insbesondere“) in Abs. 2 deutlich, dass es sich bei beiden in Abs. 1 genannten Alternativen um abgestufte Erscheinungsformen einer „Störung“ der Versammlung handeln muss. „Destruktive“[104]Versammlungen, zielen darauf ab, die Gegenveranstaltung zu verhindern oder sind nach Art und Aufmachung des Protests hierzu geeignet (z.B. durch das Erzeugen von ohrenbetäubendem Lärm). Hier muss der Staat zugunsten der beeinträchtigten Versammlung eingreifen, um eine andernfalls drohende Entleerung des materiellen Gehalts der Versammlungsfreiheit durch nichtstaatliche Akteure zu verhindern. Diese Pflicht kommt ihm grundsätzlich unabhängig vom Niveau der Versammlung und davon zu, ob deren Anliegen erstrebenswert erscheint oder nicht.[105] Umgekehrt gilt: Überschreiten Gegenproteste diese Grenze nicht, stellen sie keine „Behinderungen“, d.h. „Störungen“ im versammlungsrechtlichen Sinne dar und sind folglich auch nicht verboten. Trotz der Möglichkeit, § 7 Abs. 1 VersG NRW in dieser Weise auszulegen, hat sich der Gesetzgeber letzten Endes dazu entschlossen, in einem § 7 Abs. 3 VersG NRW explizit klarzustellen, dass nichtstörende, kommunikative Gegenproteste nicht dem Störungsverbot unterfallen.

Die bereits erwähnten Regelbeispiele in § 7 Abs. 2 VersG NRW dienen der Konkretisierung des Störungsbegriffs. Während das Regelbeispiel in Nr. 1 den Gehalt des Absatzes 1 unmittelbar konkretisiert, zielt Nr. 3 mit dem Schutz von Versammlungsleitern und Ordnern auf diejenigen, die bei der Versammlung in besonderer Verantwortung stehen und nach außen besonders exponiert sind (etwa durch das Tragen einer Warnweste).[106]

Im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik stand indessen das im Hinblick auf die bisherige Rechtslage, aber auch hinsichtlich der versammlungsrechtlichen Regelungslandschaft „neuartige“[107] Regelbeispiel in Nr. 2. Unter Ergänzung von Nr. 1 verbietet es Handlungen, die auf die „Förderung“ der dort beschriebenen Handlungen gegen bevorstehende Versammlungen gerichtet sind. Die Vorschrift zielt auf die Durchführung sog. Blockadetrainings.[108] Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Schulungsveranstaltungen, bei denen den Teilnehmern einer Gegendemonstration notwendige Praktiken vermittelt werden, um eine später angesetzte bestimmte Versammlung möglichst effektiv stören bzw. vereiteln zu können. Durch die Schaffung der Nr. 2 reagiert der Gesetzgeber einerseits auf den Umstand, dass derartige Veranstaltungen durch die Rechtsprechung als eigenständige Versammlung anerkannt worden sind,[109] andererseits angenommen wurde, der Wortlaut des § 2 Abs. 2 BVersG („bei Versammlungen“) setze den Beginn der Versammlung voraus.[110] In der Sache ist § 7 Abs. 2 Nr. 2 VersG NRW berechtigt. Soweit darauf abgestellt wird, allein das Einüben von Blockadepraktiken stelle als solches noch keine Gefahr dar bzw. ob eine Blockade in der Folge auch tatsächlich stattfinde, stünde „nicht sicher fest“,[111] erscheint dies wenig überzeugend: Ob im Falle des Falles „Blockadeprofis“ beteiligt sind oder nicht, macht in der konkreten Versammlungslage einen erheblichen Unterschied. Entsprechende Schulungen erhöhen die Blockadefähigkeiten potenzieller Blockierer und bestärkt diese zudem in ihrer Blockadeabsicht, was sich wiederum potenziell nachteilig für die blockierte Versammlung auswirkt.[112]

Das BVerfG hat in seinem Brokdorf-Beschluss explizit darauf hingewiesen, dass Art. 8 GG „auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugute kommt“[113]. I.d.S. ist die Erweiterung der Möglichkeit, derartige Veranstaltungen zum adäquaten Schutz zwar umstrittener, aber rechtmäßiger Versammlungen zu erweitern, sehr gut nachvollziehbar[114] und verfassungsrechtlich zulässig, zumal die Anliegen der Organisatoren entsprechender Trainings nur von der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gedeckt sind. Für die Art von Blockade, die von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt ist – sog. symbolische oder kommunikative Blockade – bedarf es keines Trainings.[115] Insoweit wird durch Nr. 2 gerade der hohe Stellenwert eines fairen, auf die „geistige Auseinandersetzung“[116] gerichteten Versammlungsgeschehens betont.

4. Anwendbarkeit des Polizeirechts in Versammlungs- lagen (§ 9 VersG NRW)

Die Anwendbarkeit des Polizeirechts gehörte unter dem BVersG zu den umstrittensten Materien (Stichwort: „Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts“[117]). § 15 Abs. 1 BVersG sieht vor, dass die Versammlungsbehörde die Versammlung verbietet oder von bestimmten Auflagen abhängig macht, wenn nach den Umständen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit unmittelbar gefährdet ist; sie kann nach § 15 Abs. 2 BVersG eine Versammlung auflösen, wenn sie nicht angemeldet ist, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Abs. 1 gegeben sind. Andere Maßnahmen als die Auflösung der Versammlung nennt § 15 Abs. 2 BVersG nicht.

Regelte § 15 Abs. 1 BVersG mögliche Gefahrenabwehrmaßnahmen abschließend, behalf sich die Rechtsprechung traditionell mit dem Konstrukt sog. Minusmaßnahmen:[118] Nach ihrer Ansicht hat die Regelung in § 15 BVersG nicht zur Folge, dass die Behörde den durch eine Versammlung verursachten Gefahren ausschließlich durch Auflösung der Veranstaltung begegnen könnte. Vielmehr verweise die Vorschrift mit der Wendung, dass die zuständige Behörde die Versammlung von „bestimmten Auflagen“ abhängig machen kann, auf den Katalog der zur Abwehr von Gefahren zustehenden – auch polizeirechtlicher – Befugnisse und lässt deren Anwendung als Mittel zur Abwehr unmittelbarer Gefahren i.S. von § 15 BVersG zu, wenn die Unterbindung oder Auflösung einer Versammlung unverhältnismäßig wäre. Bekommt die Polizei während einer Versammlung etwa den anonymen Hinweis, einige Versammlungsteilnehmer führten verbotene Betäubungsmittel mit sich, kann sie Teilnehmer auf Grundlage des allgemeinen Polizeirechts durchsuchen, um auf diese Weise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.[119] Der „oft überstrapazierte“[120] Begriff der Polizeifestigkeit bedeutet mithin nicht, dass in die Versammlungsfreiheit nur aufgrund von versammlungsgesetzlichen Befugnissen eingegriffen werden könnte.[121]

Durch die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 1 VersG NRW[122] wird das ohnehin fragwürdige Konstrukt der Minusmaßnahmen obsolet.[123] Ein Rückgriff auf Normen des allgemeinen Polizeirechts ist danach, aber auch nur dann zulässig, soweit das VersG NRW die Abwehr von Gefahren gegenüber „einzelnen Teilnehmern nicht regelt“ und „nach den erkennbaren Umständen eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht“. Insbesondere in Bezug auf die Gesamtversammlung entfalten die Befugnisse des VersG NRW eine Sperrwirkung für das Polizeirecht (§§ 10, 12, 14 VersG NRW). Die Eingriffsschwelle der „unmittelbaren Gefahr“ greift auf die im Versammlungsrecht übliche Gefahrenkategorie zurück.[124]

Etabliert § 9 VersG NRW durch Sondervorschriften für Versammlungen in geschlossenen Räumen (Abs. 2) und durch die Unterbindung der Teilnahme (Abs. 3) insgesamt ein ausgewogenes, differenziertes Regelungsregime, begegnet allerdings die Regelung in § 9 Abs. 4 VersG NRW Bedenken. Danach kommt das VersG NRW nicht mehr zur Anwendung, sobald die Versammlung beendet ist (S. 1); entsprechendes gilt für Personen, die den räumlichen Bereich der Versammlung bereits verlassen haben (S. 2). Ist anerkannt, dass von Art. 8 GG auch die „Beendigungsphase“ erfasst ist, d.h. das Recht, sich von einer Versammlung zu entfernen, [125] wäre § 9 Abs. 3 VersG NRW i.d.S. jedenfalls grundrechtsfreundlich auszulegen. Da die Vorschrift – richtig verstanden – ohnehin nur Grundrechtsgehalte abbildet, wäre zu erwägen, sie zu streichen.  Auch, um der Gefahr einer Verkürzung des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit entgegenzuwirken.[126]

5. Entfall des Schutzguts der öffentlichen Ordnung (vgl. § 15 VersG NRW)

Im Gegensatz zum BVersG[127] ist im VersG NRW vom Schutzgut der öffentlichen Ordnung an keiner Stelle (mehr) die Rede. Dies verwundert nicht. Im Hinblick auf die Brokdorf-Rechtsprechung des BVerfG galt das Schutzgut im versammlungsrechtlichen Kontext als schwer angeschlagen. Darin hatte das Gericht festgestellt, dass „eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen nicht genügen wird“[128], um Versammlungen aufzulösen oder zu verbieten. In weiteren Entscheidungen[129] hatte das Gericht diese Aussage weitergehend dahin konkretisiert, Beschränkungen des Inhalts und der Form einer Meinungsäußerung fänden ihre Rechtfertigung ausschließlich in den in Art. 5 Abs. 2 GG aufgeführten Schranken auch dann, wenn die Äußerung in einer oder durch eine Versammlung erfolge.[130] Soweit es sich um einen typischen Sachverhalt handelt, ist der Gesetzgeber – mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes[131] – aufgerufen, sozial unerwünschtes Verhalten zu regeln.[132] Indes hatte noch der ursprüngliche Regierungsentwurf das Schutzgut der öffentlichen Ordnung an verschieden Stellen[133] vorgesehen. In einer recht buchstäblichen Lesart des Brokdorf-Beschlusses sollten auf die öffentliche Ordnung gestützten Verfügungen jedoch nicht bei Auflösungen oder Verboten von Versammlungen (§ 3 Abs. 2 VersG NRW) Anwendung finden können.  Vielmehr sollte dies lediglich bei Beschränkungen unterhalb eines Verbots (§ 13 Abs. 2 VersG NRW), nach der überkommenen Diktion des BVersG: „Auflagen“ (§ 15 Abs. 1 BVersG) und damit an solchen Stellen, an denen die öffentliche Ordnung „noch Relevanz besitzen kann“[134],  zulässig sein.

Die öffentliche Ordnung kann rechtlich nur sinnvoll sein, wenn ihr ein von der „öffentlichen Sicherheit“ abgrenzbarer Inhalt zugesprochen wird, dieser Inhalt in verfassungskonformer Weise konkretisiert werden kann und ein praktisch relevantes Bedürfnis für seinen Schutz besteht.[135] Ob dies der Fall ist, ist letztlich eine Geschmacksfrage. Sicher ist, dass die öffentliche Ordnung keine Anwendung hätte finden dürfen, wenn der Verstoß lediglich in der Äußerung von Meinungen bestanden hätte.[136] Zur Abwehr von kommunikativen Angriffen sind die hierzu geschaffenen Strafrechtsnormen (vor allem §§ 86a, 126, 130 StGB) jedenfalls im Hinblick auf seit langem bekannte Gefahrensituationen abschließend.[137] Übrig blieben Versammlungen, bei denen der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung sich aus besonderen, beispielsweise provokativen oder aggressiven, das Zusammenleben der Bürger konkret beeinträchtigenden Begleitumständen ergibt. Derartige Verstöße, die nicht die Meinungsäußerung selbst, sondern die Art und Weise des Auftretens der Versammlungsteilnehmer betreffen, sind allerdings explizit in §§ 17, 18 und 19 des VersG NRW geregelt. Gegenüber solchen expliziten Regelungen tritt die öffentliche Ordnung als die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, welche für eines geordnetes menschliches Zusammenlebens unerlässlich sind,[138] zurück. Weist ein Verhalten, das von einer dieser Vorschriften erfasst sein könnte, im konkreten Fall jedoch nicht die erforderliche Intensität auf, kann für versammlungsrechtliche Verfügungen nicht mehr an ungeschriebene Verhaltensnormen angeknüpft werden.[139]

Damit wäre die öffentliche Ordnung beschränkt[140] auf versammlungsrechtliche Skurrilitäten wie – gleichsam als Parallele zum Nacktjoggen im allgemeinen Ordnungsrecht[141] – bei Nacktversammlungen.[142] Allenfalls eine auch im Polizeirecht beschworene Reservefunktion“[143] für zukünftige, völlig neuartige oder atypische störende Versammlungspraktiken kommt ihr eine gewisse Funktion zu, wobei es naturgemäß schwer fällt, solche Praktiken ex ante auf den Begriff zu bringen.

Letzten Endes hatte der Gesetzgeber eine Abwägung zwischen den Vorteilen, die eine Aufnahme der öffentlichen Ordnung bedeutet hätte, mit deren Risiken vorzunehmen – und er hat sich, zumindest im Versammlungsrecht[144] überzeugend,[145] letzten Endes gegen die öffentliche Ordnung entschieden.[146]

6. Weiterentwicklung des Uniformierungs- zu einem allgemein Gewalt- und Einschüchterungsverbotes (§ 18 VersG NRW)

Gegenüber dem in § 3 Abs. 1 BVersG enthaltenen Uniformverbot ist in § 18 Abs. 1 VersG NRW nunmehr ein Gewalt- und Einschüchterungsverbot enthalten. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber eins zu eins an verfassungsgerichtlichen Vorgaben orientiert.  So ist nach Auffassung des BVerfG der Gesetzgeber nicht daran gehindert, „die Meinungsäußerungsform des öffentlichen Uniformtragens schon in den Ansätzen und auch in ihren Umgehungsformen zu unterbinden. Zu solchen Umgehungsformen gehört insbesondere das gemeinsame Tragen solcher (ziviler) Kleidungsstücke, die im Wesentlichen einheitlich aussehen und erkennbar Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppierungen aufweisen. Von ihrer Gleichartigkeit mit Uniformen kann dabei um so eher ausgegangen werden, wenn die Anlehnung durch zusätzliche Umstände (Abzeichen, Auftreten mit militärischem Gebaren) verstärkt wird.“[147] § 18 Abs. 1 VersG NRW ist diesen Aussagen des BVerfG nachgebildet und spiegelt deren Regelungsgehalt.

Als vermeintlich zu unbestimmt wurde § 18 Nr. 3 VersG NRW-E, welcher – neben einem Verbot infolge des Tragens einer Uniform oder uniformähnlicher Kleidung (Nr. 1) oder paramilitärischen Auftretens – einen Auffangtatbestand („in vergleichbarer Weise“) vorgesehen hatte, im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen.[148] Beibehalten wurde der Ansatz des § 3 Abs. 1 BVersG, neben Versammlungen unter freiem Himmel dezidiert auch sonstige öffentliche Veranstaltungen in den Geltungsbereich des Gewalt- und Einschüchterungsverbots einzubeziehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 VersG NRW).[149] Dies mag man als systemfremd bewerten. Die Regelung bleibt (vgl. § 17a BVersG) aber zweckmäßig, da die unerwünschte, einschüchternde Wirkung nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel beschränkt ist, sondern diese auch aus anderen öffentlichen Veranstaltungen hervorgehen kann (etwa bei der Zusammenkunft von Fußball-Hooligans).[150] Indem § 18 Abs. 1 VersG NRW lediglich verfassungsrechtliche Rechtsprechung kodifiziert, wird keinen Deut von der geltenden Rechtslage abgewichen. Umgekehrt ist in der Debatte zum „Militanzverbot“[151] völlig untergegangen, dass der Gesetzgeber dessen Reichweite sogar eingeschränkt hat: Es gilt ausweislich des Wortlauts (nur) noch bei öffentlichen Versammlungen und sonstigen öffentlichen Veranstaltungen (vgl. § 2 Abs. 4 VersG NRW). Dagegen hatte § 3 Abs. 1 BVersG über eine funktionale Beteiligung am Versammlungsgeschehen hinaus jedermann das uniformierte Auftreten in der Öffentlichkeit untersagt.[152] Die (womöglich unbeabsichtigte[153]) Folge der Neuregelung: Verhalten wie dasjenige einer Gruppierung radikaler Salafisten, die 2014 als „Scharia-Polizei“ Wuppertaler Passanten zum Verzicht auf Alkohol und Glücksspiel aufforderten, wäre nicht mehr strafbar (vgl. § 27 Abs. 8 VersG NRW).

7. Durchführung von Versammlungen auf Privateigentum (§ 21 VersG NRW)

Nach § 21 VersG NRW können auf Grundstücken in Privateigentum öffentliche Versammlungen auch ohne die Zustimmung des Eigentümers durchgeführt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Flächen zuvor „dem allgemeinen Publikum zum kommunikativen Verkehr“ geöffnet worden sind.

Hintergrund[154] dieser Regelung bildet eine jüngere Entwicklung in der Rechtsprechung des BVerfG, welche – insbesondere[155] im Geltungsbereich der Versammlungsfreiheit – zunehmend dazu übergeht, auch eine Grundrechtsbindung Privater anzunehmen.[156]

Art. 8 GG verbürgt ein Selbstbestimmungsrecht der Grundrechtsträger über die Durchführung der Versammlungen.[157] Hiervon umfasst ist auch die Entscheidung über die Modalitäten der Versammlung, d.h. über Art, Zeitpunkt oder Ort der Versammlung zu entscheiden.[158] Grundsätzlich berechtigt das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht dazu, eine Versammlung gegen den Willen des Eigentümers auf einem Privatgrundstück durchzuführen. Art. 8 GG ist ein Abwehrrecht gegen den Staat[159] und gibt das Recht, im Allgemeingebrauch stehende Flächen oder Straßen mitzubenutzen.[160] Art. 8 GG verleiht aber keine Rechte gegenüber einem Eigentümer, der auf seinem Grundstück eine Versammlung nicht dulden will. Dieser kann vielmehr grundsätzlich andere von jeder Einwirkung auf sein Grundstück ausschließen (§ 903 BGB).[161]

In der sog. Fraport-Entscheidung[162] hatte das BVerfG entschieden, dass Private ähnlich oder auch genauso weit durch die Grundrechte in Pflicht genommen werden könnten, „wenn sie in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Pflichten- oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat.“[163] Dabei konnte das Gericht (noch) offen lassen, ob auch rein privatwirtschaftliche Unternehmen bzw. natürliche Personen der mittelbaren Grundrechtsbindung unterfallen, sollten sie auf ihrem Eigentum kommunikativen Verkehr ermöglichen. Jedenfalls gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die, wie die Fraport-AG, von der öffentlichen Hand beherrscht werden, unterlägen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende, aber in Privatrechtsform organisierte Unternehmen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.[164] Hingegen hatte in dem im sog. Bierdosen-Flashmob-Beschluss[165] zugrunde liegenden Sachverhalt eine private GmbH & Co. KG ohne jedwede staatliche Beteiligung dem Veranstalter einer stationären öffentlichen Versammlung Hausverbot erteilt; die Versammlung sollte auf einem zentral gelegenen Platz stattfinden, der allerdings im Eigentum des Unternehmens stand. Wiewohl sich das Unternehmen auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG berufen konnte, hinderte dies nach Ansicht des Gerichts den Veranstalter nicht daran, sich auf die Versammlungsfreiheit zu berufen: Der beabsichtigte Ort der Versammlung sei für den Publikumsverkehr offen und schaffe einen Raum des Flanierens, des Verweilens und der Begegnung, der dem Leitbild des öffentlichen Forums entspreche.[166] Als objektives Prinzip sei Art. 8 GG daher im Wege der mittelbaren Drittwirkung zu beachten, wobei sich die Reichweite dieser Bindung dabei nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in Ausgleich der sich gegenüberstehenden Grundrechte ergebe.[167]

Ebenso wie die o.g. Entscheidung des BVerfG überzeugt, setzt § 21 VersG NRW in gelungener Weise den verfassungsrechtlichen Auftrag (vgl. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG) um,[168] Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen und den Gegenstand der Eigentumsgarantie versammlungsfreundlich auszugestalten.[169] Indem der Eigentümer sein Grundstück für den Publikumsverkehr geöffnet und einen Raum des Flanierens, des Verweilens und der Begegnung, der dem Leitbild des öffentlichen Forums entspricht, erschaffen hat, hat er aus freien Stücken dessen Sozialbildung i.S. eines Ortes der allgemeinen Kommunikation realisiert. Dass auf derartigen Flächen die Durchführung von Versammlungen zulässig sein kann, ist folgerichtig.[170]

Anders, als dies in § 18 VersFG S-H und § 20 VersFG BE der Fall ist, geraten durch die Ermessensvorschrift des § 21 VersG NRW die schützenswerten Belange des Eigentümers dabei nicht aus dem Blick: Nach § 21 Abs. 1 S. 2 VersG NRW ist, in Ansehung der konkreten Umstände (etwa Art und Ausmaß der Belastung auf der einen, die Bedeutung des Orts für das Anliegen der Versammlung auf der anderen Seite), ein Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen im Einzelfall herzustellen.[171] Dieser Ansatz ist ganz auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BVerfG, hatte das Gericht doch zur Auflösung der Grundrechtskollision von Art. 8 und 14 GG statt auf eine generelle und pauschale Lösung auf eine behutsame Prüfung der „spezifischen Bedingungen“[172] des jeweils zu entscheidenden Falles verwiesen.[173] Letztlich handelt es sich in Satz 2 um eine auf die Tatbestandsebene vorgelagerte Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Dass die Rechte des Eigentümers hinreichende Berücksichtigung finden, ist auch aus einem weiteren Punkt wichtig: Hat der Eigentümer eine Fläche für den öffentlichen Verkehr geöffnet (etwa einen Schlosspark), steht es ihm frei, diese wieder zu „entwidmen“. Nehmen jedoch öffentliche Verkehrsflächen in Privatbesitz heute vielfach die Stellung ein, die früher Grundstücke in staatlicher Hand wahrgenommen haben, besteht ein allgemeines Interesse daran, durch einseitige („versammlungsfreiheitliche“) Gesetzgebung nicht die Zahl an kommunikativen Orten zu reduzieren. Versammlungsfreundlich i.S.d. Brokdorf-Rechtsprechung ist die Ausgestaltung des § 21 VersG NRW zuletzt auch deshalb, weil nach S. 3 die zuständige Behörde einen alternativen öffentlichen Versammlungsort anbieten soll, sofern die Interessen des Eigentümers überwiegen. Insoweit stellt Satz 3 eine das allgemeine Kooperationsgebot (vgl. § 3 VersG NRW) konkretisierende, versammlungsfreiheitsermöglichende Regelung dar.

IV. Fazit und Ausblick

Mit dem VersG NRW erhält Nordrhein-Westfalen erstmals ein eigenes Versammlungsgesetz. Hierzu, nach Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG (i.V.m. Art. 70 GG) ermächtigt, räumte die Verfassungsnorm dem nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber auf der einen Seite sehr weitgehende Spielräume bei der Auswahl landesspezifischer versammlungsrechtlicher Akzentuierungen ein. Dabei durften jedoch die Bedeutung und Tragweite der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG in ihrer durch die Brokdorf-Rechtsprechung des BVerfG verliehenen Gestalt nicht verkannt werden.

Im Kern handelt es sich bei Versammlungsecht um spezifisches, gleichwohl in besonderer Weise grundrechtssensibles Gefahrenabwehrrecht. Dieser Qualifikation der zu regelnden Rechtsmaterie und die hierbei zu beachtenden, verfassungsrechtlichen Anforderungen wird der Gesetzgeber bei den hier untersuchten exemplarischen Vorschriften in rechtspraktischer Weise gerecht:

  • Die Legaldefinition der Versammlung in § 2 Abs. 3 VersG NRW befördert die Normklarheit und erleichtert die Gesetzesanwendung. Indem § 9 VersG NRW Bestimmungen zum Verhältnis von Polizei- und Versammlungsrecht trifft, tritt eine gesetzliche an die Stelle der von der Rechtsprechung entwickelten Richtschnur.
  • 7 und § 18 VersG NRW tragen dem „doppelten Schutzbedürfnis“ bei Versammlungslagen Rechnung: Während § 7 VersG NRW dem Schutz von Versammlungen dient, ist § 18 VersG NRW, der das überkommene Uniformverbot konsequent i.S. eines allgemeinen Gewalt- und Einschüchterungsverbots weiterentwickelt, auf  den  Schutz  Dritter  vor  Versammlungen gerichtet. Beide Normen berücksichtigen damit die grundsätzliche Bedeutung der Versammlungsfreiheit ebenso wie die spezifischen Risiken des sich auf diese Weise vollziehenden Willensbildungsprozesses im demokratischen Gemeinwesen.
  • Die Streichung des Schutzguts der öffentlichen Ordnung verdeutlicht das Bemühen um hinreichend bestimmte, der Anforderungen des Art. 8 GG genügende Eingriffsbefugnisse. Es zeigt zudem, dass der Gesetzgeber sich dabei nicht an traditionellen Begriffen und Kategorien „festgeklammert“ hat.
  • 21 VersG NRW regelt die Durchführung von Versammlungen auf sich in Privateigentum befindlichen Flächen in einer grundsätzlich versammlungsfreundlichen Weise, ohne dabei die Interessen der Eigentümer aus dem Blick zu verlieren.

In den vorgestellten Normen hat der Gesetzgeber die entsprechenden Regelungen im BVersG in inhaltlich grundsätzlich überzeugender und „rechtstechnisch reife[r]“[174] Weise abgelöst. Spezifischer Anpassungs- bzw. Überprüfungsbedarf (etwa eine Harmonisierung des Begriffs der „Versammlung“ in § 2 Abs. 2 VersG NRW mit dem verfassungsgerichtlichen Versammlungsbegriff in Art. 8 GG, eine [fakultative] Erhöhung des normativen Stellenwerts „nur“ virtueller Zusammenkünfte oder ggf. die Streichung des § 9 Abs. 4 VersG NRW) vermag hieran nichts zu ändern.

Indes wird sich das VersG NRW in der versammlungsrechtlichen Praxis und Rechtsprechung bewähren müssen. So wird sich beispielsweise zeigen, ob sich die „Scharniernorm“ des § 9 VersG NRW, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, tatsächlich zu einer Klärung des Verhältnisses von Versammlungs- und Polizeirecht führen wird – oder, wie teilweise befürchtet, sich als „eine weit offene Tür“[175] für unzulässige Rechtsanwendung entpuppt. Während sich die Politik de lege lata zur Evaluation des Gesetzes verpflichtet hat (vgl. § 34 VersG NRW), ist die Wissenschaft aufgerufen das VersG NRW weitergehend zu analysieren, Schwachstellen aufzudecken und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Dabei nicht nur normative, sondern auch empirische Untersuchungen anzustellen (etwa den Einfluss des neuen VersG NRW auf das Protestgeschehen zu untersuchen), wäre für eine phänomenzentrierte Bewertung und Weitentwicklung des Versammlungsrechts wünschenswert.

 

[1]      NRW LT-Drs. 17/15915 (Neudruck).
[2]      GV. NRW. 2022 Nr. 1 v. 6.1.2022, S. 2, Art. 4.
[3]      BGBl. I S. 684, zuletzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S. 1789).
[4]      Vgl. BVerwG, NVwZ 2008, 1129 (1131) zur Fortgeltung des BbesG für Landesbeamte.
[5]      https://www.cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/downloads/nrwkoalition_koalitionsvertrag_fuer_nordrhein-westfalen_2017_-_2022.pdf, S. 58 (zuletzt abgerufen am 24.1.2022). Vgl. auch NRW LT-Drs. 17/12423, S. 1.
[6]      Vgl. Völzmann, DÖV 2020, 893.
[7]      Vgl. hierzu Hong, in: Peters/Janz, VersammlungsR-HdB, 2. Aufl. (2021), Kap. B, Rn. 78b-78h; Martini/Thiessen/Ganter, NJOZ 2020, 929 (934 f.); Eibenstein, NVwZ 2020, 1811.
[8]      Siehe hierzu Sinder, NVwZ 2021, 103 (108); Welzel, MMR 2021, 220.
[9]      Sinder, NVwZ 2021, 103 (108). Zur Rspr. des BVerfG zu Corona-Fällen Zuck/Zuck, NJW 2020, 2302.
[10]    Vgl. BVerfG, NVwZ 2020, 711.
[11]    Vgl. hierzu das mit Prof. Dr. Dr. Markus Thiel geführte Interview von L. Langenau zum Thema „Corona und Versammlungsfreiheit: Warum sind ‚Spaziergänge‘ verboten?“, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/coronavirus-spaziergaenge-rechtlich-polizei-1.5500799?reduced=true (zuletzt abgerufen am 24.1.2022).
[12]    Der Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 17/12423) wurde am 21.1.2021 in den nordrhein-westfälischen Landtag eingebracht. Der Entwurf wurde nach der 1. Lesung einstimmig an den Innenausschuss – federführend –, an den Hauptausschuss sowie an den Rechtsausschuss überwiesen.
[13]    Siehe nur den Artikel von Rau, „Restriktives Versammlungsgesetz steht kurz vor Verabschiedung“, abrufbar unter: https://netzpolitik.org/2021/nordrhein-westfalen-restriktives-versammlungsgesetz-steht-kurz-vor-verabschiedung/ (zuletzt abgerufen am 24.1.2022) sowie „Umstrittenes Versammlungsgesetz in NRW: Schwarz-Gelb zieht durch“ in der TAZ, abrufbar unter: https://taz.de/Umstrittenes-Versammlungsgesetz-in-NRW/!5822488/ (zuletzt abgerufen am 24.1.2022).
[14]    Siehe nur die Stellungnahme 17/3857 (VVN-BdA), wo vom Entwurf als einem „Versammlungsverhinderungsgesetz“, von einem „Schleifen“ der Grundrechte und „willkürliche Entscheidungen der Polizei“ die Rede ist.
[15]    BVerfGE 69, 315. Vgl. dazu den Band v. Doering-Manteuffel/Greiner/Lepsius, Der Brokdorf-Beschluss, 2015.
[16]    Vgl. DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR (2016), Einl. Rn. 18.
[17]    Bspw. hat das BVerfG, NVwZ, 2009, 441 Teile des BayVersG (Art. 21 Nr. 1, 2, 7, 13 und 14) vom 22.7.2008 (GVBl S. 421) wegen Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 8 Abs. 1 GG im Wege einer vorläufigen Anordnung (§ 32 BVerfGG) außer Kraft gesetzt bzw. mit einschränkenden Maßgaben versehen (Art. 9 Abs. 2 S. 1, 2, Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BayVersG). Der bayerirische Gesetzgeber hat diesen Bedenken alsdann mit dem Gesetz zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes vom 22.4.2010 (GVBl. 2010 S. 190) Rechnung getragen. Siehe hierzu insgesamt Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. (2021), Rn. 430.
[18]    Dezidiert NRW LT-Drs. 17/12423, S. 44.
[19]    NRW LT-Drs. 17/12423, S. 44.
[20]    NRW LT-Drs. 17/12423, S. 1.
[21]    NRW LT-Drs. 17/12423, S. 63 f., S. 65.
[22]    NRW LT-Drs. 17/12423, S. 63 f., S. 1 f., S. 41 ff.
[23]    Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c GG), ausgefertigt am 28.8.2006, verkündet am 31.8.2006 (BGBl. I 2006, Nr. 41, S. 2034). Zum Gesetzentwurf siehe BT-Drs. 16/813. Zur Föderalismusreform I siehe allgemein Nierhaus/Rademacher, LKV 2006, 385, zur dadurch erfolgten Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen Degenhart, NVwZ 2006, 1209.
[24]    Bislang von der „Ersetzungsbefugnis“ (so zutreffend Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 95. EL (7/2021), Art. 125a Rn. 29) des Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG Gebrauch gemacht haben Bayern (BayVersG), Berlin (VersFG BE), Niedersachsen, (NVersG), Sachsen (SächsVersG), Sachsen-Anhalt (VersG S-A) und Schleswig-Holstein (VersFG S-H). Vgl. auch LT-Drs. 17/12423, S. 41.
[25]    Vgl. schon Jarass, NVwZ 1996, 1041 (1042).
[26]    Krit. etwa Poschmann, NVwZ 2004, 1318 (1321 f.).
[27]    BVerfGE 111, 10 (28 ff.); 111, 226 (268 f.); 112, 226 (250 ff.). Vgl. dazu Seiler, in: BeckOK-GG, 49. Ed. (Stand: 15.11.2021), Art. 125a Rn. 4.
[28]    Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, 18. Aufl. (2019), Teil I Rn. 13 („leidlich funktionsfähiger status quo“).
[29]    Vgl. BVerfGE 85, 69 (74 f.).
[30]    Vgl. nur BVerfG, NJW 1982 (1803); BayObLG, NJW 1987, 1778; BGHSt 63, 66.
[31]    Zum Begriff des „Ersetzens“ BVerfGE 111, 10 (29).
[32]    Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 70 Rn. 123; zust. Nierhaus/Rademacher, LKV, 385 (390).
[33]    Vgl. Braun, Stellungnahme 17/3815, S. 3.
[34]    Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 125a Rn. 29 m.w.N.; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I Rn. 6.
[35]    Vgl. Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I Rn. 8 ff., zu den Akzentsetzungen der VersG der anderen Bundesländer.
[36]    Vgl. Frommel, NK 2020, 123 (131).
[37]    DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, 2016, Einl. Rn. 16.
[38]    BT-Drs. 16/813, S. 9.
[39]    So klassisch Hoffmann-Riem, in: FS Simon, 1987, S. 379.
[40]    Vgl. DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, Einl. Rn. 18; Gericke, DÖV 2016, 948.
[41]    Vgl. BVerfGE 111, 147 (154 f.).
[42]    Vgl. BVerfGE 111, 147 (155.); Schneider, in: BeckOK-GG, Art. 8 Rn. 38.
[43]    BVerfGE 69, 315 (347).
[44]    BVerfGE 69, 315 (347).
[45]    BVerfGE 69, 315 (348).
[46]    BVerfGE 69, 315 (347). Während sich im GG nur vereinzelt (und an entlegenen Stellen) Elemente direkter Demokratie finden lassen, vgl. Art. 28 Abs. 1, 29 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 4, 5, 6, 8 S. 3-5, 118 S. 2, 118a, 146 GG, zu letzterem vgl. BVerfGE 123, 267 (347 f.), sieht Art. 67 NRW Verf. die Möglichkeit von Volksinitiativen und Art. 68 NRW Verf. die Möglichkeit von Volksentscheiden vor. Gem. Art. 69 Abs. 3 NRW Verf. können sowohl der Landtag als auch die Regierung die Zustimmung zu einer Änderung der Verfassung durch Volksentscheid einholen, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags nicht zustanden kommt. Generell ist die NRW Verf. deutlich mehr auf eine (auch) „direktere“ demokratische Legitimation bedacht; so steht gem. Art. 3 Abs. 1 NRW Verf. die Gesetzgebung dem Volk und der Volksvertretung gleichberechtigt zu (vgl. dagegen Art. 20 Abs. 2 GG).
[47]    Vgl. BVerfGE 69, 315 (355, 357 ff.).
[48]    Vgl. Lepsius, in: Doering-Manteuffel/Greiner/Lepsius, Der Brokdorf-Beschluss, 2015, S. 142 f. Vgl. dagegen zur sog. Legitimationsketten-Rspr., die auf den Willen eines kollektiven Subjekts abstellt BVerfGE 77, 1 (40); 83, 60 (72); 93, 37 (66); 107, 59 (87),
[49]    Vgl. BVerfGE 69, 315 (355); Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 8 Rn. 122 m.w.N.
[50]    BVerfGE 69, 315 (348).
[51]    BVerfGE 69, 315 (348).
[52]    So auch Braun (Fn. 33), S. 2. Als Beispiel genannt sei das Bemühen, durchweg zwischen Vorschriften zur Verfahrensgestaltung und Eingriffstatbeständen zu unterscheiden, vgl. NRW LT-Drs. 17/12423, S. 64.
[53]    An Teil 1, der „Allgemeine Regelungen“ enthält, schließen sich Regelungen zu Versammlungen unter freiem Himmel (Teil 2) und in geschlossenen Räumen (Teil 3) an. Teil 4 enthält versammlungsrechtsspezifische Straf- und Ordnungswidrigkeitsnormen, Teil 5 trifft Bestimmungen zur Entschädigung und Schadenersatz. Teil 6 enthält Zuständigkeits- und Schlussvorschriften. Vgl. zu geringfügigen Abweichungen zur Struktur des BVersG NRW LT-Drs. 17/12423, S. 2.
[54]    Hong/Enders/Hoffmann-Riem/Kniesel/Poscher/Schulze-Fielitz, Arbeitskreis Versammlungsrecht. Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes (ME VersG), 2011.
[55]    Vgl. etwa zum Einfluss des MEVersG auf das VersFG BE Schlüsselburg, LKV 2021, 211. Krit. insoweit (noch) DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, Einl. Rn. 17. Zur Bedeutung des Musterentwurfs für ein einheitliches Polizeigesetz (MEPolG) für die Entwicklung des PolR vgl. Knemeyer, LKV 1991, 321 sowie Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. (2021), Rn. 25.
[56]    Bspw. ist das NVersG bislang einmal berichtigt (Nds. GVBl. 2010 S. 532) und zweimal (2017: Nds. GVBl. S. 106; 2019: Nds. GVBl. S. 88) geändert worden.
[57]    Im NVersG ist 2017 der Verstoß gegen das Vermummungsverbot (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 NVersG) zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft worden, um – mit Verweis auf das im Ordnungswidrigkeitenrecht bestehende Opportunitätsprinzip – den „Handlungsspielraum“ der Polizeikräfte zu erhöhen (vgl. LT-Drs. 17/6233, S. 7). Die erneute Hochstufung als Straftatbestand 2019 (§ 20 Abs. 2 Nr. 5 NVersG) erfolgte ohne Begründung. Vgl. hierauf bezugnehmend die Begründung zur Strafvorschrift des § 27 Abs. 7 VersG NRW (NRW LT-Drs. 17/12423, S. 86).
[58]    Vgl. NRW LT-Drs. 17/12423, S. 44.
[59]    Bspw. § 3 VersG NRW.
[60]    Bspw. ist die Zulässigkeit des § 16 Abs. 2 VersG NRW, der die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen bei großen und unübersichtlichen Versammlungslagen gestattet, mit Blick auf die hierzu ergangene verfassungsgerichtliche Rspr. (BVerfGE 122, 342 [373]) unstreitig, vgl. Braun (Fn. 33), S. 15; Schwarz, Stellungnahme 17/3815, S. 3. Nach Ansicht des OVG Münster (ZUM 2020, 646) stellen bloße Übersichtsaufnahmen, die erkennbar der Lenkung eines Polizeieinsatzes, namentlich von Großdemonstrationen dienen, sogar schon keinen Grundrechtseingriff dar. Krit. Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. (2020), § 21 Rn. 6.
[61]    Vgl. Fn. 24.
[62]    Vgl. NRW LT-Drs. 17/11673.
[63]    Vgl. BVerfGE 69, 315 (348 ff.); DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, Einl. Rn. 5.
[64]    Vgl. Thiel, Stellungnahme 17/3858, S. 5. Vgl. i.d.S. ebenso NRW LT-Drs. 17/12423, S. 48.
[65]    So zu Recht Thiel (Fn. 65), S. 5.
[66]    NRW LT-Drs. 17/12423, S. 44.
[67]    Vgl. NRW LT-Drs. 17/12423, S. 46.
[68]    NRW LT-Drs. 17/12423, S. 45.
[69]    Wenn BVerfGE 69, 315 (344) davon spricht, dass die Versammlungsfreiheit „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit“ (Hervorh. durch Verfasser) gilt, sind Frauen von dieser Aussage schon begrifflich umfasst.
[70]    Schon bei der „geschlechterdifferenzierten Betrachtung der Auswirkungen des Gesetzes“ weist der Entwurf darauf hin, dass das „Gesetz keine Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern (hat). Die Wirkungen treten unabhängig vom Geschlecht der Betroffenen ein“, siehe NRW LT-Drs. 7/12423, S. 3.
[71]    Vgl. nur Art. 2 Abs. 1 BayVersG, § 2 Abs. 1 VersFG S-H, § 2 Abs. 1 NVersG.
[72]    Auch im ursprünglichen Entwurf war, entsprechend § 2 Abs. 2 die Anzahl von zwei Personen vorgesehen, vgl. NRW LT-Drs. 17/12423, S. 47. Zust. insoweit Thiel (Fn. 65), S. 11, 6.
[73]    HessVGH, Beschl. v 31.5.2012 – 8 A 514/12 –, juris; VGH BW, Urt. v. 25.4.2007 – 1 S 2828/06 –, juris; Kniesel, NJW 2000, 2857 (2857), DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, Einl. Rn. 26; Weber, Grundzüge des VersR, 2010, S. 12; Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 8 Rn. 45 m.w.N.
[74]    Vgl. Laubinger/Repkewitz, VerwArch 92 (2001), 585 (615), die von einem „Streit um des Kaisers Bart“ sprechen.
[75]    Der häufige Verweis auf § 56 BGB besitzt keine verfassungsrechtliche Grundlage.
[76]    BVerfG, NJW 1987, 3245. Konkret ging es um das Anliegen des Bf., vor dem Elternhaus Erichs Honeckers eine Mahnwache abzuhalten. Indes kann sich eine „1-Mann-Demonstration“ auf andere Grundrechte, insbes. auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG berufen.
[77]    BVerfGE 104, 92 (104); BVerfG, Beschl. v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28, 30/01, Rn. 16; ebenso OVG Weimar, DÖV 1998, 123 (124).
[78]    Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 8 Rn. 45.
[79]    BVerfGE 104, 92 (104).
[80]    BVerwG, NVwZ 2007, 1431 (1432); Schwarz (Fn. 61), S. 2.
[81]    BVerfGE 143, 161 (211); BVerfG, Beschl. v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28, 30/01, Rn. 22 ff.; BVerwG, NVwZ 2007, 1431 (1432 f.); Schwarz (Fn 61), S. 2.
[82]    Dezidiert BVerfGE 143, 161 (211); BVerwG, NVwZ 2007, 1431 (1433).
[83]    BVerfG, NJW 2001, 2459 (2460).
[84]    BVerfGE 143, 161 (213).
[85]    Als Vorlage des § 2 Abs. 2 VersG NRW dient wohl § 2 Abs. 1 S. 1 ME VersG, der ebenfalls den Zusatz „überwiegend“ enthält. In der Begr. (siehe Hong/Enders/Hoffmann-Riem/Kniesel/Poscher/
Schulze-Fielitz
, Arbeitskreis Versammlungsrecht. Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes, S. 17) wird dazu klargestellt, dass im Zweifel der hohe Rang der Versammlungsfreiheit bewirke, dass eine Veranstaltung als Versammlung zu behandeln sei: „Dies bedarf keiner ausdrücklichen Klarstellung im Gesetz.“ Einen solchen Passus weist die Begr. zu § 2 Abs. 2 VersG NRW indes nicht auf.
[86]    So auch Schwarz (Fn. 61), S. 2; Thiel (Fn. 65), S. 11.
[87]    H.M., siehe BVerfGE 69, 315 (345); OVG Münster, NVwZ 2017, 648 (649). Krit. etwa Möhlen MMR 2013, 221 (227 ff.) sowie Welzel, MMR 2021, 220 (225), der eine „technikbegleitende Auslegung“ des Art. 8 GG für unabdingbar hält.
[88]    Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 8. Rn. 46.
[89]    Sinder, NVwZ 2021, 103 (103).
[90]    Bspw. sind seit dem 28.3.2020 die Durchführungen rein virtueller Mitglieder- und Hauptversammlungen sowie dezentrale Gremienbeschlüsse möglich (Art. 2 des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht [BGBl. I 2020, S. 569]); die Geltungsdauer der Regelungen wurde zunächst durch Verordnung vom 20.8.2020 bis Ende 2021 verlängert (BGBl. I 2020, S. 2258) und gilt nunmehr bis zum 31.8.2022 (BGBl. I 2021, S. 4147). § 37a GO BW sieht die Sitzungen des Gemeinderats und die Durchführung von Beschlussfassungen ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder bei zeitgleicher Übertragung von Bild und Ton vor, wenn „Gegenstände einfacher Art“ oder „schwerwiegende Gründe“ vorliegen. Zur Debatte um die Einführung des gleichgelagerten § 58a Abs. 1 GO NRW siehe das Gutachten des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachtensdienstes NRW, Inf. 17/322, S. 25 ff.
[91]    Vgl. hierzu die Ausführungen von Arzt, Stellungnahme 17/3834, S. 5.
[92]    Dazu erstmals BVerfGE 69, 315 (350 f.).
[93]    NRW LT-Drs. 17/12423, S. 63.
[94]    Vgl. § 11 Abs. 6 SPD-E. Siehe hierzu die Begr. bei NRW LT-Drs. 17/11673, S. 29.
[95]    Vgl. NRW LT-Drs. 17/15915, S. 10.
[96]    Siehe die Stellungnahme der Gewerkschaft ver.di, NRW LT-Drs. 17/3829, S. 10.
[97]    Vgl. nur § 4 NVersG, § 7 VersFG S-H, § 2 Abs. 2 VersG S-A, Art. 8 BayVersG.
[98]    Vgl. bereits BVerfGE 69, 315 (355).
[99]    Vgl. NRW LT-Drs. 17/12423, S. 58.
[100]   § 7 Abs. 1 MEVersG lautet: Es ist verboten, eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, deren Durchführung erheblich zu behindern und zu vereiteln. Auch § 7 des VersG NRW-Entwurfs der SPD-Fraktion hatte einen Erheblichkeitsvorbehalt vorgesehen, um die „kommunikative Auseinandersetzung“ nicht zu gefährden, NRW LT-Drs. 17/11673, S. 24.
[101] Zustimmend Schwarz (Fn. 61), S. 3; v. Coelln, Stellungnahme17/3817, S. 6.
[102]   Siehe Stellungnahme der Gewerkschaft ver.di, NRW LT-Drs. 17/3829, S. 10. Zum Grundrechtsschutz derjenigen, die den in einer Versammlung verkündeten Meinungen kritisch oder ablehnend gegenüberstehen und dies in der Versammlung mit kommunikativen Mitteln zum Ausdruck bringen wollen s. BVerfGE 92, 191 (202 f.), ferner die Begr. zu § 7 ME VersG bei Hong/Enders/Hoffmann-Riem/Kniesel/Poscher/Schulze-Fielitz, Arbeitskreis Versammlungsrecht. Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes, S. 27.
[103]   Vgl. v. Coelln (Fn. 102), S. 6 f. mit entspr. Änderungsvorschlag.
[104]   Thiel (Fn. 65), S. 14.
[105]   Dezidiert BVerfG, NVwZ 2001, 3054 (3056): „Drohen Gewalttaten als Gegenreaktion auf Versammlungen, so ist es Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken.“
[106]   Vgl. NRW LT-Drs. 17/12423, S. 59.
[107]   So v. Coelln (Fn. 102), S. 7.
[108]   NRW LT-Drs. 17/12423, S. 59. Vgl. zu § 4 NVersG Nds. LT-Drs. 16/2075, S. 27.
BeckRS 2011, 52931: „Bereits das öffentliche Üben der Verhinderung einer nicht verbotenen Versammlung stellt einen Verstoß gegen § 2 Abs. 2 VersG (heute: § 4 NVersG) dar, der die zuständige Behörde nach § 15 Abs. 1 VersG (heute: § 8 Abs. 1 NVersG) zum Erlass einer diese Übung untersagenden Auflage ermächtigt“ (amtlicher Leitsatz). Krit. zur Entscheidung des OVG Münster auch VG Dresden, Beschl. v. 1.2.2013 – 6 L 35/13, juris.
[110]   Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil II § 2 Rn. 13, 30; Braun (Fn. 33), S. 6. A.A. OVG Lüneburg, BeckRS 2011, 52931; v. Coelln (Fn. 102), S. 7.
[111]   So Achelpöhler in der Expertenanhörung des Innen- und des Rechtsausschusses, APr 17/1406, S. 39.
[112]   So zu Recht NRW LT-Drs. 17/12423, S. 69.
[113]   BVerfGE 69, 315 (347). Vgl. ferner BVerfG, NJW 2001, 2069 (2071).
[114]   Sehr krit. hingegen Arzt (Fn. 92), S. 14.
[115]   So Ullrich in der Expertenanhörung des Innen- und des Rechtsausschusses, APr 17/1406, S. 33.
[116]   BVerfGE 69, 315 (345), Hervorh. durch Verfasser.
[117]   Vgl. zum Begriff der „Polizeifestigkeit“ v. Coelln, NVwZ 2001, 1234; DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, Einl. Rn. 45; Bünnigmann, JuS 2016, 695; Brenneisen, DVBl 2021, 931.
[118]   Vgl. hierzu DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, § 15 Rn. 157 ff.
[119]   Vgl. auch Thiel (Fn. 65), S. 16, der als Beispiel einen Versammlungsteilnehmer anführt, der während der Versammlung ein Messer zieht.
[120]   Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I Rn. 392.
[121]   BVerwGE 129, 142; BVerwG, Beschl. v. 16.11.2010 – 6 B 58.10, BeckRS 2010, 56683 Rn. 6.
[122] § 9 VersG NRW entspricht § 9 ME VersG. Im BVersG findet sich keine entsprechende Vorschrift.
[123]   Braun (Fn. 33), S. 8; vgl. ferner die Kritik zu § 9 ME VersG bei Hong/Enders/Hoffmann-Riem/Kniesel/Poscher/Schulze-Fielitz, Arbeitskreis Versammlungsrecht. Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes, S. 31 f. wo von einer dogmatisch unklaren „Notlösung“ die Rede ist.
[124]   Vgl. BVerfGE 69, 315 (365, 368).
[125]   Siehe nur Schneider, in: BeckOK-GG, Art. 8 Rn. 21; Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 8 Rn. 81; DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, Einl. Rn. 44. Krit. auch Thiel (Fn. 65), S. 17; Brenneisen, Stellungnahme 17/3805, S. 11.
[126]   Vgl. Arzt (Fn. 92), S. 16.
[127]   Vgl. §§ 12a Abs. 1 S. 1, 15 Abs. 1 S. 1 VersG NRW.
[128]   BVerfGE 69, 315 (353).
[129]Vgl. BVerfGE 111 147; BVerfG, NJW 2001, 2069 (2071).
[130]   A.A. OVG Münster, NJW 2001, 2111 (2111): In Bezug auf Versammlungen, die erkennbar ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus beinhalten, müsse der „auf die Abwehr nationalsozialistischer Bestrebungen gerichteten grundgesetzlichen Werteordnung“ bei der Auslegung und bei der Definition des Anwendungsbereichs der öffentlichen Ordnung i.S. des § 15 BVersG die verfassungsrechtlich gebotene Geltung verschafft werden; dies beinhalte auch, dass derartige Versammlungen wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung gem. § 15 Abs. 1 VersG verboten werden könnten. I.d.S. sind wohl auch die Überlegungen in NRW LT-Drs. 17/12423, S. 66, zu werten, das Schutzgut der öffentlichen Ordnung in Bezug auf links- oder rechtsextremistische Plakate und Parolen besonders herauszustellen.
[131]   Vgl. BVerfGE 111, 147 (157 f.).
[132]   DürigFriedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, Einl. Rn. 99.
[133]   Vgl. § 3 Abs. 1, sowie § 16 Abs. 1, 2 des Entwurfs zum VersG NRW.
[134]   Thiel (Fn. 65), S. 12.
[135]   Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR-HdB, 7. Aufl. (2021), Kap. D Rn. 35.
[136]   BVerfG, NJW 2001, 2069 (2071).
[137]   BVerfG, NJW 2001, 2069 (2070 f.).
[138]   Vgl. zum Begriff der „öffentlichen Ordnung“ BVerfGE 69, 315 (352); 111, 147 (156); Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. (2017) § 5 Rn. 1; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. (2007) Rn. 102, eingehend Hill, DVBl. 1985, 88 sowie die Legaldefinitionen in §§ 3 Nr. 2 SOG S-A, § 4 Nr. 2 SächsPolDVG, § 54 Nr. 2 ThürOBG. Grundlegend Drews, Preußisches Polizeirecht, Allg. Teil, 1927, S. 12; PrOVGE 91, 139 (140). I.Ü. hat das BVerfG schon in seinem Brokdorf-Beschluss (BVerfGE 69, 315 (352) klargestellt, dass der Begriff der öffentlichen Ordnung durch das Polizeirecht einen hinreichend klaren Inhalt erlangt hat, sodass eine vermeintliche „Unschärfe des Begriffs“ und die Notwendigkeit hinreichend bestimmter Ermächtigungsgrundlagen im Eingriffsrecht nicht gegen das Schutzgut ins Feld geführt werden kann (so aber Braun (Fn. 33), S. 12).
[139]  Braun (Fn. 33), S. 11.
[140]   Vgl. Gusy/Worms, in: BeckOK-PolR NRW, 20. Ed. (Stand: 1.12.2021), PolG NRW § 1 Rn. 92.
[141]   OVG Münster, DÖV 1996, 1052.
[142]   Ullrich, Stellungnahme 17/3812, S. 7. Selbst dies aber kann mit Blick auf §§ 118, 119 OWiG, die Teile des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit bilden, bezweifelt werden.
[143]   Siehe nur Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. (2021), Rn. 68 ff. mit Begründung u.w.N.
[144]   In das PolG NRW hingegen ist die öffentliche Ordnung, nachdem sie 1989 gestrichen worden war, 2010 wieder aufgenommen worden (GV. NRW. 2010, S. 132).
[145]   So auch Braun (Fn. 33), S. 12.
[146]   Anders hingegen das NVersG, vgl. §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 3, 12 Abs. 2 S. 1. Die Argumente zusammenfassend, die für die Beibehaltung der öffentlichen Ordnung im VersR sprechen, s. Baudewin, Der Schutz der öffentlichen Ordnung, 2. Aufl. (2014), Rn. 724 ff.
[147]   BVerfGE 111, 147 (160).
[148]   Vgl. NRW LT-Drs. 17/15821, S. 3, 6 f.; NRW LT-Drs. 17/15915, S. 17.
[149]   Anders § 18 Abs. 1 ME VersG.
[150]   Abwägend Ullrich (Fn. 143), S. 10.
[151]   So die Bezeichnung des § 18 VersG NRW in der Entwurfsfassung des Gesetzes, NRW LT-Drs. 17/12423.
[152]   Enders, in: Dürig-Friedl/Enders, VersammlungsR, § 3 Rn. 6.
[153]   So spekulierend Braun (Fn. 33), S. 8.
[154]   Vgl. NRW LT-Drs. 17/12423, S. 78.
[155]   Zur „Stadionverbot“-Entscheidung, in der das BVerfG eine mittelbare Drittwirkung aus Art. 3 Abs. 1 GG in spezifischen Konstellationen annimmt, in denen einzelne Personen mittels des privatrechtlichen Hausrechts von Veranstaltungen ausgeschlossen werden und der Ausschluss „für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entscheidet“ siehe         BVerfGE 148, 267 = BVerfG, NJW 2018, 1667.
[156]   Vgl. dazu insgesamt Jobst, NJW 2020, 11.
[157]   Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 8 Rn. 75.
[158]   BVerfGE 69, 315 (343); 128, 226 (250 f.).
[159]   BVerfGE 69, 315 (343).
[160]   BVerfGE 73, 206 (249).
[161]   BayObLG, NJW 1995, 269.
[162]   BVerfGE 128, 226 = NJW 2011, 1201.
[163]   BVerfGE 128, 226 (248).
[164]   BVerfGE 128, 226 (244 f.).
[165]   BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 – 1 BvQ 25/15.
[166]   BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 – 1 BvQ 25/15, Rn. 5.
[167]   BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 – 1 BvQ 25/15, Rn. 6.
[168]   So Arzt (Fn. 92), S. 38; v. Coelln (Fn. 102), S. 25.
[169]   Vgl. hierzu Prothmann, Die Wahl des Versammlungsorts, 2013, S. 245.
[170]   So auch Thiel (Fn. 65), S. 21; Braun (Fn. 33), S. 18 f. Krit. hingegen Schwarz (Fn. 61), S. 4: „Warum private Eigentümer (…) nur unter dem Aspekt der Eröffnung eines Raumes für kommunikativen Verkehr als grundrechtsverpflichtet anzusehen sind, erschließt sich nicht und dürfte (…) die Grundrechte in das Gegenteil ihrer Intention als Abwehrrechte verkehren.“ Das Recht, über Ort und Zeit der Versammlung zu entscheiden umfasse nicht das Recht auf „Usurpation anderer Grundrechte“.
[171]   Vgl. die Begr. zu § 21 in NRW LT-Drs. 17/12423, S. 79.
[172]   BVerfG, Beschl. v. 18.7.2015 – 1 BvQ 25/15, Rn. 7.
[173]   Zu berücksichtigen ist auch, nach § 1 Abs. 1 VersG NRW über Art. 8 Abs. 1 GG hinaus auch Nichtdeutschen das Recht zukommt, sich zu versammeln und Versammlungen zu veranstalten. Sofern es sich nicht um EU-Ausländer handelt, bei denen der Schutzgehalt der Grundrechtsbetätigung aus europarechtlichen Gründen „angehoben“ werden muss (vgl. Art. 16 Abs. 1 AEUV), können Drittstaatsangehörige für sich „nur“ die Allgemeine Handlungsfreiheit ins Feld führen. In diesen Fällen dürfte die Abwägung daher i.d.R. zugunsten des Eigentümers ausfallen.
[174]   Vgl. Gusy, Stellungnahme 17/3778, S. 6.
[175]   So Arzt (Fn. 92), S. 15.

 

 

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