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KriPoZ-RR, Beitrag 11/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. Die Pressemitteilung ist hier abrufbar.

BGH, Beschl. v. 10.11.2022 – 4 StR 192/22: Von dem Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel ist die „schlichte“ Mehrfachtötung nicht erfasst 

Sachverhalt:

Der Angeklagte wurde vom LG Kassel wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt und die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte sein Fahrzeug mehrmals in den Rosenmontagsumzug gelenkt, um möglichst viele Personen zu töten. Hierbei verletzte der Angeklagte 88 Personen, teilweise wurden diese schwer verletzt. Die Strafkammer ging von einer heimtückischen Begehungsweise aus und bejahte das Vorliegen gemeingefährlicher Mittel. Der Angeklagte erhob Revision gegen die Entscheidung des LG Kassel

Entscheidung des BGH:

Der 4. Strafsenat des BGH verwarf weitestgehend die Revision. Hinsichtlich des Mordmerkmals der gemeingefährlichen Mittel stellt der Senat fest, dass dieses vorliege, „[…] wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat.“ Der Senat knüpft an die bisherige Rechtsprechung an, wonach es nicht nur auf die abstrakte Gefährlichkeit ankomme. Die „[…] Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters“ sei entscheidend. Eine Mehrfachtötung bei der keine Zufallsopfer in Kauf genommen werden, reiche nicht aus. 

So liege es in diesem Fall, weshalb das Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel nicht gegeben sei. Aufgrund der Lenkmanöver ergebe sich, dass sich die Tötungsabsicht des Angeklagten auf die vor ihm stehenden Personen bezog und damit individualisierte. Außerhalb dieses Bereichs, nicht individualisierte getroffene Personen seien für den Angeklagten Zufallsopfer gewesen, die dieser in Kauf nahm. Ferner stellt der BGH fest, dass für das Vorliegen der Voraussetzungen der § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB die körperliche Misshandlung durch den Einsatz des Kfz als Werkzeug ausgelöst worden sein müsse, also ein unmittelbarer Kontakt gegeben sein muss. Nicht abschließend festzustellen sei, worauf die Verletzungen zurückzuführen seien.

Der Senat ändert den Schuldspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entsprechend ab. Die lebenslange Freiheitsstrafe und der Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld bleiben hiervon unberührt. Aufgehoben hat der Senat zudem, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung vorbehalten worden ist.

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