2023, Verlag Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-18764-5, S. 242, Euro 89,90.
Nachdem der Bundestag am 10.11.2023, erstmals über einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „über die Polizeibeauftragte oder den Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag“ (20/9148, Polizeibeauftragtengesetz – PolBeauftrG) beraten hat, bekommt die Arbeit von Seiffarth eine ganz neue Bedeutung. Das neue Gesetz – das der Verfasser in seiner im Juni 2022 abgegebenen Dissertation natürlich nicht berücksichtigen konnte – soll die Grundlagen für das neue Amt eines solchen Polizeibeauftragten für die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und die Polizei beim Deutschen Bundestag schaffen. Insofern sollte im Gesetzgebungsprozess auf jeden Fall die Dissertion Berücksichtigung finden.
In den Mittelpunkt der Untersuchung seiner Dissertation stellt der Verfasser die Etablierung der Institution eines (echten und unechten) Parlamentsbeauftragten (S. 20). Intension ist es, einen „verwaltungswissenschaftlichen Mehrwert in vielfacher Hinsicht zu erzielen (S. 26). Insbesondere soll aufgezeigt werden, wie sich Änderungen des Kontrollparameters der Selbst- und Fremdkontrolle auswirken können. Daneben stehen der Aspekt der Legitimität eines Beauftragten sowie die Frage, wie im Kontext der Kontrolle von Polizeigewalt eine rechtliche und staatsphilosophische sowie eine soziologische Seite des Gegenstandes sachgerecht zusammengefügt werden können (S. 27).
Insofern wird als Grundlegung zunächst dem Begriff der Polizeigewalt nachgespürt, hierzu verschiedene Sichtweisen zusammengetragen und zwischen einem engen und weiten Begriffsverständnis differenziert. Zur Polizeigewalt im engeren Sinne gehöre die rechtswidrige Gewaltanwendung. Polizeigewalt im weiteren Sinne seien sämtliche physische Zwangsanwendungen. Diese Unterscheidung mache es möglich, die Folgen von Polizeigewalt im Hinblick auf Legitimität und Legalität besser erfassen zu können (S. 41).
In einem nächsten Schritt wird sodann das Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol beschrieben. Das Gewaltmonopol könne, so der Verfasser, nie für sich allein betrachtet werden, sondern es bestünden mehrere Korrelate zur Machtbegrenzung. Von Relevanz für die Untersuchung seien vor allem die Korrelate, die ihre Wirkungen primär und unmittelbar im Verhältnis zu dem das Gewaltmonopol ausübenden Staat zeigen. Hier müsse die mit der konkreten Ausübung des Gewaltmonopols verbundene Macht gebändigt werden. Daher wirke die Rechtsschutzgarantie als Korrektiv. Allerdings stehe das Gewaltmonopol auch in einem engen Zusammenhang zum Demokratieprinzip. So müsse sich im Interesse des demokratischen Diskurses das Gewaltmonopol auch im Rahmen dieses Diskurses rechtfertigen lassen, sofern es diesen Diskurs zum Erliegen bringt. Hierzu müsse der durch die Ausübung des Gewaltmonopols unterbrochene Kommunikationsprozess wieder aufgenommen und auf die konkrete Ausübung des Gewaltmonopols erstreckt werden (S. 53).
Anschließend beschreibt der Verfasser die Polizei als Akteur des Gewaltmonopols. Hier sei die Einsicht entscheidend, dass wegen der Cop Culture eine Änderung im Umgang mit Polizeigewalt nicht nur deduktiv, sondern auch induktiv erfolgen müsse. Die Polizeibeamten müssten als relevante Akteure erkannt und in den Diskurs über Polizeigewalt einbezogen werden (S. 62). Wie dies erfolgen sollte, wird an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt. Vielmehr folgen Bewertungsmaßstäbe aufgrund des Gewaltmonopols und der Cop Culture. Der Verfasser identifiziert drei Bewertungsmaßstäbe für Kontrollverfahren, nämlich die Berücksichtigung der Cop Culture, den effektiven Rechtsschutz und die Dialogermöglichung (S. 62).
Konsequent wird daher im nächsten Kapitel der Frage nachgegangen, welches Kontrollverfahren hier die größte Sensibilität aufbringt (S. 66). Eingangs wird die Verortung der Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung beleuchtet. Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis, dass die Weisung das prägendste Merkmal der Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung sei. Für einen Beauftragten sei daher immer sein Verhältnis zur Weisungsgebundenheit gegenüber einem anderen staatlichen Akteur einschließlich der Konnotationen mit der Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung zu klären. Er müsse sich – auch im Falle einer gelockerten oder fehlenden Weisungsgebundenheit – stets in diesen verfassungsrechtlichen Rahmen einfügen (S. 89).
Danach stellt der Verfasser konsequent die Frage nach der konkreten Ausgestaltung der Einfügung des Polizeibeauftragten in den verfassungsrechtlichen Rahmen. Differenzieren lasse sich nach Verwaltungsbeauftragten und (echten und unechten) Parlamentsbeauftragten. Allerdings ließen sich die unechten Parlamentsbeauftragten wie Verwaltungsbeauftragte behandeln. Letztere seien zwischen den Kontrollparametern der Selbstkontrolle und Fremdkontrolle angesiedelt, wenn sie eine Sonderstellung innhätten und nicht nahtlos in die Verwaltungshierarchie integriert wären. Ob die Beauftragten Verwaltungstätigkeiten im materiellen Sinne ausübten, sei eine Frage der ihnen im Einzelfall übertragenen Aufgaben. Aufgrund ihrer Sonderstellung seien sie zudem der Schnittpunkt, bei dem sich Fragestellungen rund um einen weisungsfreien Raum auftun würden (S. 110).
Ein Kernstück der Arbeit bildet dann das Kapitel zu den Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt. Zunächst werden sehr ausführlich die Gesetzesvorhaben in den Blick genommen, die einen Polizeibeauftragten als echten Parlamentsbeauftragten vorsehen (BT-Drs. 19/7928; LT-Drs. NRW 17/6147). Der Verfasser kritisiert diese Vorschläge, da sie hinsichtlich der Berücksichtigung der Cop Culture und der Einbeziehung der Polizisten Regelungen vermissen ließen, die sicherstellen, dass der Polizistenperspektive ausreichend Rechnung getragen würde. Es sei einem externen Beauftragten mangels polizeinahen Wissens schwer möglich, sachgerechte Lösungsvorschläge für den Polizeialltag zu erarbeiten, so dass sich Polizisten eher ab- als zuwenden würden. Auch würde der Beauftragte die Polizisten nicht ausreichend in den demokratischen Dialog einbeziehen, da Regelungen fehlten, die sicherstellten, dass Polizisten auch bei Eingaben und Hinweisen von Bürgern durch den Polizeibeauftragten einbezogen würden. Zudem könne der Beauftragte lediglich einen demokratischen Diskurs anregen, aber ihn nicht selbst führen, was dazu führen könnte, dass seine Gesamtberichte in den parlamentarischen oder gar öffentlichen Dialog einfließen, was wiederum auf Polizisten – die nach den Gesetzentwürfen nicht einbezogen werden können – abschreckend wirkt.
Positiv wertet dagegen der Verfasser, dass die Gesetzentwürfe dem Bewertungsmaßstab des petitionsrechtlichen Dialogs gerecht werden. Allerdings gäbe es noch Optimierungsbedarf hinsichtlich der unvoreingenommenen Prüfung. Zu kritisieren sei zudem, dass die mit der Fremdkontrolle verbundene Distanz des Beauftragen dazu führen würde, dass er seine Aufgabe hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen nicht qualitativ hochwertig erledigen könne.
Aufgrund der festgestellten Defizite kommt Seyffarth dann zu einem eigenen Vorschlag. Seiner Ansicht nach müsse die Polizistenperspektive gestärkt werden, d.h. Regelungen müssten sicherstellen, dass die Polizisten in einen regen Austausch mit dem Polizeibeauftragten treten können, so dass eine Zusammenarbeit ermöglicht wird. Dies fördere sowohl die Berücksichtigung der Cop Culture als auch den demokratischen Dialog. Insofern unterbreitet der Verfasser einen dezidierten Gesetzesvorschlag, der einen Polizeibeauftragen als unechten Parlamentsbeauftragten vorsieht. Der orientiert sich hierbei an dem ausführlich vorgestellten Gesetzentwurf aus BT-Drs. 19/7928 und modifiziert diesen an den Stellen, die kritisch gesehen wurden.
Innovativ wird daher der de lege ferenda-Vorschlag eines eigenständigen Gesetzes (§§ 1-19 BPolBeauftrGV) unterbreitet (S. 182-189). Anschließend werden die wichtigsten Unterschiede im Vergleich zum echten Parlamentsbeauftragten herausgearbeitet und betont, dass der eigene Vorschlag genau an die identifizierten Gesetzesdefizite der bisherigen Gesetzentwürfe anknüpft (S. 211). Das ist sicher richtig und insoweit die Dissertation von Seyffarth ein wichtiger Impulsgeber.
Im abschließenden Kapitel wird das Gesamtergebnis noch einmal komprimiert zusammengetragen und ein Überblick der Thesen gegeben. Über die identifizierten Defizite in den diskutierten Gesetzentwürfen hinaus, die durch de lege ferenda Vorschläge des Verfassers überwunden werden, sind noch zwei weitere Unterschiede auszumachen. Durch den Vorschlag soll zum einen der effektive Rechtsschutz und petitionsrechtliche Dialog gesteigert werden und zum anderen die verkürzte Distanz zur Verwaltung das Einbeziehen der Polizisten ermöglichen. Letzteres erfolgt durch die dogmatische Verschiebung des Beauftragten von einem echten zu einem unechten Parlamentsbeauftragten.
Die de lege ferenda Vorschläge des Verfassers sollten nicht verhallen, sondern in den aktuellen Diskurs um den neuen Gesetzentwurf einbezogen werden. Von daher bleibt zu wünschen, dass die Dissertationsschrift viele Leser findet.