Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
Redaktioneller Leitsatz:
Ist der Täter in einer Lage, die von einem großen inneren Druck geprägt ist, so kann dies dazu führen, dass dieser nicht selbstbestimmt handelt und ein freiwilliger Rücktritt ausgeschlossen ist.
Sachverhalt:
Der sozial weitgehend isoliert lebende und intelligenzgeminderte Angeklagte entwickelte zum Ende des Jahres 2021 eine Neigung zu dem Konsum gewalttätiger Pornographie mit nekrophilen Inhalten. Am Tattag, seinem 28. Geburtstag, ist er mit einem Arbeitskollegen zum Austausch eines Fensters zur Wohnung der 27-jährigen Nebenklägerin gefahren. Nachdem er kurzzeitig mit der Nebenklägerin alleine in der Wohnung war, überkamen ihn sexuelle Gewaltphantasien. Er entschloss sich nun, die Nebenklägerin zu töten und mit ihr sodann den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Nachdem die Nebenklägerin dem Angeklagten das Fenster im Bad zeigte und diese vor dem Angeklagten aus dem Bad tat, schlug der Angeklagte dieser mit der stumpfen Schlagseite des Hammers wuchtig auf den Kopf. Die Nebenklägerin stürzte auf den Boden; beim Versuch, zu entkommen, hielt der Angeklagte diese fest und schlug ihr mittels elf Hammerschläge weiter auf den Kopf. Angesichts des massiven Verletzungsbildes ließ seine sexuelle Erregung jedoch nach und er entschloss sich gegen die Vornahme sexueller Handlungen.
Nun wurde dem Angeklagten die Aussichtslosigkeit seines Verhaltens bewusst. Er ging aus der Wohnung raus und lief ziellos vor dieser entlang; er fürchtete hierbei erheblich um seine Zukunft. Ihm kam spontan die Idee, den Tatverdacht auf einen vermeintlichen Einbrecher zu lenken und dessen Verfolgung vorzutäuschen. Er forderte zwei Zeuginnen auf, für die Nebenklägerin Hilfe zu holen. Zudem sprach er eine weitere Zeugin an, um vor dieser weiter seine Suche nach dem Einbrecher vorzutäuschen. Beim Eintreffen des Notarztes wies er die eintreffenden Polizei- und Rettungskräfte vor Ort ein. Die Nebenklägerin konnte gerettet werden.
Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Entscheidung des BGH:
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
Die Strafkammer hat einen strafbefreienden Rücktritt vom beendeten Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StGB abgelehnt. Für einen beendeten Versuch i.S.d. § 24 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StGB sei anerkannt, dass ein Rücktritt nur möglich ist, wenn der Täter überzeugt ist, dass der Erfolg noch herbeigeführt werden könne. Jedoch wirke der Rücktritt nicht strafbefreiend, wenn der Täter sich infolge übermächtiger Angst, eines Schocks, einer psychischen Lähmung oder einer vergleichbaren seelischen Erschütterung praktisch außerstande sehe, eine weitere auf die Tatbestandsverwirklichung ausgerichtete Handlung vorzunehmen. Entscheidend sei hierbei, ob ein Umstand für den Täter ein „zwingendes Hindernis“ sei. Diese Maßstäbe seien grundsätzlich auch bei dem beendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB anzuwenden. Entscheidend sei, ob der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ bliebe. Daran könne es im Ausnahmefall fehlen, wenn gerade die seelische Erschütterung des Täters ein zwingender Grund für die Verhinderung des Erfolgseintritts war.
So sei es im vorliegenden Fall. Nach der Auffassung des Senats befand sich der Angeklagte zum Zeitpunkt, als der Angeklagte die Zeugen ansprach, in einer Situation geprägt von großem innerem Druck, sodass er hierbei zu selbstbestimmtem Handeln nicht mehr in der Lage gewesen sei.