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Regierungsentwurf zur weiteren Digitalisierung der Justiz

Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12. Juli 2024: BGBl. I 2024, Nr. 234

Gesetzentwürfe: 

 

Am 10. April 2024 hat die Bundesregierung ihren Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz in den Bundestag eingebracht. Dort war er am selben Tag bereits Teil in der Debatte „zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ und wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Die Regierung sieht im Bereich der Straf- und Zivilverfahren einen weitergehenden Reformbedarf. Im Bereich der Strafverfahren gab es bereits in der 19. Legislaturperiode einige Modernisierungen, wie das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2121) oder das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I, S. 2099). Durch zusätzliche Rechtsanpassungen soll nun der elektronische Rechtsverkehr sowie die elektronische Aktenführung in der Zukunft weiter gefördert werden. Insbesondere soll die Strafantragstellung erleichtert und die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung per Videokonferenz eingeführt werden.

Die Vorschläge zur weiteren Digitalisierung der Justiz umfassen konkret:

  • „die Einführung einer Hybridaktenführung in allen Verfahrensordnungen für geheimhaltungsbedürftige Aktenbestandteile, für vor der verpflichtenden Einführung der elektro-nischen Aktenführung in Papier begonnene Akten sowie – während der Pilotierungsphase – für elektronisch begonnene Akten;
  • die Möglichkeit für Bevollmächtigte, (gesetzliche) Vertreter und Beistände (für die Strafprozessordnung beschränkt auf professionelle Verfahrensbeteiligte), auch Scans von schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen der Naturalbeteiligten oder Dritten formwahrend elektronisch an das Gericht zu übermitteln;
  • die Einführung einer Formfiktion für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die in elektronisch bei Gericht eingereichten Schriftsätzen enthalten sind;
  • die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten für Verteidigerinnen und Verteidiger sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Straf- und Bußgeldsachen;
  • Erleichterungen bei der Strafantragstellung;
  • die Abschaffung des Unterschriftserfordernisses für schriftliche Erklärungen von Bürgerinnen und Bürgern bei entsprechender Dokumentation durch die Strafverfolgungsbehörden;
  • die Möglichkeit, in der Revisionshauptverhandlung die physische Anwesenheit von Verfahrensbeteiligten durch eine Zuschaltung im Rahmen einer Videokonferenz zu ersetzen;
  • eine Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung bei Verschlusssachen;
  • die Einführung der Textform für die anwaltliche Vergütungsberechnung;
  • Ausnahmen von der elektronischen Aktenübermittlung bei umfänglichen Akten;
  • die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung einheitliche technische Standards für die Übermittlung von elektronischen Akten zwischen Behörden und Gerichten – insbesondere den Verwaltungs- und Sozialgerichten – festzulegen, sowie
  • die beschränkte Zulassung des Identifizierungsverfahrens ELSTER im elektronischen Rechtsverkehr.“

Zahlreiche Verbände haben bereits zum Referentenentwurf Stellung genommen. Eine Übersicht der Stellungnahmen finden Sie hier

Am 26. April 2024 beschäftigte sich der Bundesrat erstmals mit dem Regierungsentwurf und nahm entsprechend der Empfehlungen der Ausschüsse Stellung dazu. 

Am 15. Mai 2024 fand im Rechtsausschuss eine Öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Expert:innen bewerteten den Gesetzentwurf in den Einzelheiten unterschiedlich. Dr. Angelika Allgayer, Richterin am BGH, begrüßte die vorgeschlagenen Änderungen hinsichtlich des weiteren Ausbaus des elektronischen Schriftverkehrs, insbesondere auch zur Aufnahme von Strafanträgen. Kritisch sah sie die vorgeschlagene Änderung der StPO hinsichtlich der regelhaften digitalen Teilnahme an einer Revisionshauptverhandlung. Ihrer Ansicht nach sollte die als „Herzstück“ des Strafverfahrens weiterhin regulär in Präsenz stattfinden. Prof. Dr. Wilfried Bernhardt vom Deutschen EDV-Gerichtstag erklärte, dass eine Modernisierung der Prozessordnungen unumgänglich sei, damit einerseits komplexe Verfahren sowie Massenverfahren besser bewältigt werden und andererseits eine bürgernahe moderne Justiz geschaffen werden könne. Jacqueline Sittig vom DJB begrüßte insbesondere die im Entwurf enthaltenen strafprozessualen Aspekte. Ein niedrigschwelliger Zugang zur Strafverfolgung sei in Fällen digitaler Gewalt unabdingbar. Die Maßnahmen zur elektronischen Anzeigeerstattung seien im Entwurf jedoch ausbaufähig. Dem stimmte Franziska Benning von HaitAid zu. Dr. Jana Zapf vom Deutschen Richterbund betonte, dass der Erfolg der Digitalisierung letztlich von der Ausstattung der Justiz abhänge. Die Änderungen der StPO bewertete sie als keinen wirklichen Mehrwert für die Angeklagten. Der Richterbund habe insbesondere Bedenken hinsichtlich einer Schwächung der Revisionshauptverhandlung sowie hinsichtlich des elektronischen Strafantrags.

Am 12. Juni 2024 hat der Rechtsausschuss den Regierungsentwurf  in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU bei Ablehnung von AfD und BSW und Enthaltung der Gruppe Die Linke beschlossen. Am 14. Juni 2024 hat die Bundesregierung den Entwurf in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 20/11557) angenommen. Am 5. Juli 2024 verzichtete der Bundesrat auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses und billigte den Entwurf ebenfalls. Das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz wurde am 16. Juli 2024 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat bereits überwiegend am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

 

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