Die Entscheidung des BGH zu den K.O.-Tropfen und die prompte Reaktion der Kriminalpolitik 

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

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I. Einführung

Die Entscheidung des BGH ist wenig überraschend und wurde dennoch bereits mehrfach – gerade auch in Ausbildungszeitungen – kommentiert.[1] Zwei Gründe kann man hierfür ins Feld führen. Zum einen argumentiert der 5. Strafsenat lehrbuchmäßig[2] und zwingend[3] anhand der gängigen Auslegungsmethoden, dass K.O. Tropfen sich nicht unter den Begriff des gefährlichen Werkzeugs subsumieren lassen. Zum anderen hat diese Entscheidung sehr schnell zur Reaktion des Gesetzgebers geführt. In seiner 1054. Sitzung beschloss nämlich der Bundesrat am 23.5.2025, den Entwurf eines Gesetzes zur strafrechtlichen Bekämpfung der Verabreichung sogenannter K.O.-Tropfen zur Begehung von Raub- und Sexualdelikten beim Deutschen Bundestag einzubringen.[4] Es scheint sehr wahrscheinlich, dass dieses Gesetz dann auch vom Bundestag entsprechend verabschiedet und somit ein Gleichklang von § 177 Abs. 8 Nr. 2 sowie § 250 Abs. 2 Nr. 2 mit § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB hergestellt wird.

II. Argumentative Grundzüge der Entscheidung

Zunächst stellt der BGH klar, dass sich eine Auslegung, nach der sog. GBL-Tropfen für sich genommen ein Werkzeug i.S. des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB darstellen, nicht mit dem Wortlaut der Norm in Einklang bringen lasse. Nach allgemeinem Sprachgebrauch handele es sich bei Werkzeugen um feste Körper, so dass Flüssigkeiten aber auch Gase keine Gegenstände seien und ihnen mithin auch keine Werkzeugqualität zukommen könnte.[5] Insofern wurden – zum Glück – die ausufernden Tendenzen in der Rechtsprechung wieder eingefangen, nach denen etwa Salzsäure oder Gase aufgrund drohender Strafbarkeitslücken unter den Begriff subsumiert werden konnten;[6] jedenfalls so lange, bis die Tatmodalität des Beibringens von Gift oder anderer gesundheitsschädlicher Stoffe in § 224 StGB noch nicht geschaffen worden war.[7]

Allerdings gilt es zu bedenken, dass diese weite Rechtsprechung durch einen etwas anders gelagerten argumentativen Strang begründet wurde, nämlich den, dass quasi die Behältnisse der Flüssigkeiten oder Gase selbst das Werkzeug sein könnten.[8] Die Pipette, mit der die K.O.-Tropfen in dem vom 5. Strafsenat entschiedenen Fall verabreicht wurden, kann aber nicht als solch ein von außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes potenziell gefährliches Tatmittel angesehen werden. Denn, dies wurde vom Senat völlig zu Recht festgestellt, die Pipette wurde vom Angeklagten lediglich als Dosierungshilfe verwendet und war in der konkreten Verwendungsart lediglich ein völlig ungefährliches Mittel, um ein Getränk mit den Tropfen zu versetzen. Die schädliche Wirkung ging also nicht von der Pipette aus, sondern erst vom Konsum des Getränks.

Mit systematischen Erwägungen verweist der Senat zudem auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem wortlautgleichen § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, nach der solche Mittel, die erst nach einem Stoffwechselprozess im Körper sedierend oder narkotisierend wirken, keine gefährlichen Werkzeuge sein können.[9]

Systematisch wird in der Entscheidung dann auch § 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB in den Blick genommen. Dieser enthält neben der Variante der Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs im Gegensatz zu § 177 Abs. 8 StGB auch die Variante der Tatbegehung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen. Die Entscheidungsgründe legen sehr gut nachvollziehbar dar, warum beide Varianten nicht im Spezialitätsverhältnis zueinanderstehen, also die Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs nicht den Oberbegriff zur Variante der Begehung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen darstellt. Daher fällt eben bei § 177 Abs. 8 StGB, in dem die Variante der Begehung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen fehlt, nicht „automatisch“ das Beibringen von K.O.-Tropfen als gesundheitsschädlicher Stoff oder Gift unter die Tatvariante des gefährlichen Werkzeugs.

Insofern greift der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 8 StGB, der eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vorsieht, im konkreten Fall nicht ein. Allerdings verweist der 5. Strafsenat darauf, dass die Qualifikation des § 177 Abs. 7 StGB durch das Beisichführen der K.O.-Tropfen als Mittel, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, erfüllt ist. Diese Qualifikation ist mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 3 Jahren bedroht. Auch § 224 StGB ist gleich in mehreren Varianten verwirklicht. Während die Beibringung der K.O.-Tropfen so beispielsweise die gefährliche Körperverletzung in der Variante der Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen erfüllt, ist der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 8 StGB ebenso wie § 250 Abs. 2 StGB aufgrund einer vergleichbaren gesetzlichen Regelung nicht verwirklicht.

III. Kriminalpolitische Reaktion

Aufgrund dieser schon zuvor im Rahmen des Raubdelikts aufgezeigten, nun auch für § 177 Abs. 8 StGB festgestellten Strafbarkeitslücke in Bezug auf die Verabreichung von K.O.-Tropfen, wurde gesetzgeberischer Handlungsbedarf gesehen und in den Medien aufgegriffen.[10] Gut drei Monate nach Veröffentlichung der Pressemeldung der BGH-Entscheidung stellte das Land Berlin einen Entschließungsantrag zur Sicherstellung einer schuldangemessenen Bestrafung bei Einsatz psychotroper Substanzen zur Ermöglichung einer Sexualstraftat.[11] Unter diesem sperrigen Titel wurde die Entscheidung des 5. Strafsenats zum Anlass genommen, um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen, dass die Bundesregierung sich dieses Themas annimmt und „einen Gesetzentwurf für eine Vorschrift im StGB vorzulegen, welcher der besonders gefährlichen Begehungsweise der Verabreichung von K.O.-Tropfen und anderer psychotroper Substanzen gerecht wird.“[12]

Der Entschließungsantrag bezog sich aber nur auf Sexualstraftaten. Daher empfahl der federführende Rechtsausschuss im Bundesrat, diesen Antrag auf Raubstraftaten auszuweiten und explizit § 250 Abs. 2 StGB als auch § 177 Abs. 8 StGB den Strafbarkeitsbedürfnissen anzupassen.[13] Dementsprechend wurde am 21.3.2025 ein Beschluss des Bundesrats gefasst.[14] Nur wenige Tage später legte das Land Nordrhein-Westfalen einen Gesetzesantrag zu dem Entwurf eines Gesetzes zur strafrechtlichen Bekämpfung der Verabreichung sogenannter K.O.-Tropfen zur Begehung von Raub- und Sexualdelikten vor.[15] Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des 5. Strafsenats vom 8.10.2024 sowie einer älteren Entscheidung aus dem Jahr 2009 zu einer Verabreichung von K.O.-Tropfen zur Begehung eines Raubdelikts[16] wurde vorgeschlagen, die Straftatbestände des § 250 Abs. 2 StGB sowie § 177 Abs. 8 StGB um das in § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB bereits bestehende Merkmal der Beibringung von gesundheitsschädlichen Stoffen zu ergänzen. In der Begründung heißt es, dass der BGH bereits entschieden habe, dass die Verabreichung von K.O.-Tropfen den Straftatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB erfülle. Insofern werde eine Bestrafung bei Anwendung eines Mindeststrafrahmens von fünf Jahren für Raub- und Sexualstraftaten ermöglicht, bei denen der Täter das Opfer zuvor durch die Verabreichung von K.O.-Tropfen wehrlos gemacht habe.[17]

Am 23.5.2025 fasste der Bundesrat dann den Beschluss, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen.[18] Dabei wird der gesetzgeberische Regelungsbedarf nicht nur anhand der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern auch anhand der gesundheitlichen Risiken erläutert.[19]

Etwas überraschend ist, warum in dem Gesetzentwurf nicht einfach der Gesetzeswortlaut des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB in § 177 Abs. 8 StGB und § 250 Abs. 2 StGB überführt wurde, sondern die Einfügungen etwas abgeändert werden. In dem ursprünglichen Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalens hieß es noch für beide Straftatbestände, dass qualifizierend handelt, wer „die Tat durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen begeht“.[20] Nun soll in § 177 Abs. 8 Nr. 2 StGB „zur Ausführung der Tat dem Opfer Gift oder andere gesundheitsschädliche Stoffe beibringt oder“ und in § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB „zur Ausführung der Tat einer anderen Person Gift oder andere gesundheitsschädliche Stoffe beibringt“ eingefügt werden.[21]

Laut Gesetzesbegründung orientiert sich der Begriff des Opfers in § 177 StGB sowie der Begriff der „anderen Person“ in § 250 StGB an den Begrifflichkeiten innerhalb der betreffenden Vorschriften. Die Formulierung „zur Ausführung der Tat“ orientiert sich an § 243 Abs. 1 Nr. 1 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, wonach der Täter die K.O.-Tropfen zur Ausführung des Raub- oder Sexualdelikts beibringt, wenn er nach seiner Vorstellung bereits bei Beibringung den Vorsatz hat, dadurch eine Raub- oder Sexualstraftat zu ermöglichen.[22] Diese Formulierung dürfte dann die Anforderungen an die Beweisführung deutlich erhöhen. Denn es reicht nicht, wie im Rahmen des § 224 StGB, aus, die Tat durch die Beibringung von K.O.-Tropfen zu begehen, sondern es muss nachgewiesen werden, dass die Verabreichung in der Intention erfolgte, sodann die Raub- oder Sexualstraftat zu ermöglichen. Es stellt sich die Frage, wie dieses Vorsatzerfordernis in der Praxis gerichtlich festgestellt wird. Hier wird man sich vielfach – bei Bestreiten einer entsprechenden Intention durch den Angeklagten – mit Indizien behelfen müssen. Andererseits muss natürlich auch der immensen Strafdrohung von mindestens fünf Jahren im Rahmen des § 177 Abs. 8 StGB und § 250 Abs. 2 StGB Rechnung getragen werden, so dass es sicher angebracht ist, sich über restriktive Tatbestandsmerkmale im Rahmen der Qualifizierung Gedanken zu machen.

IV. Fazit

Die Entscheidung des 5. Strafsenats zeigt einmal mehr, dass Strafbarkeitsbedürfnisse nicht dazu führen dürfen,
vorschnell durch übereifrige Interpretation von Tatbestandsmerkmalen Strafbarkeitslücken zu schließen. Der BGH erliegt dieser Versuchung nicht, sondern stellt lehrbuchmäßig fest, dass der Auslegung – schon dem Wortlaut nach – deutliche Grenzen gesetzt sind. Sieht der Gesetzgeber dann Handlungsbedarf, so muss er Strafgesetze nachjustieren, genau das ist die Aufgabe der Kriminalpolitik. Allerdings muss nicht jede Gesetzeslücke auch geschlossen werden, ob dies geboten und sinnvoll ist, ist Aufgabe einer evidenzbasierten Strafrechtswissenschaft. Was die K.O.-Tropfen betrifft, so gibt schon die Gesetzesbegründung des Beschlussantrags Anlass dafür, darüber nachzudenken, wie Opfer wirkungsvoll geschützt werden können. Denn das Dunkelfeld ist hoch, weil die Substanzen nur für wenige Stunden in Blut und Urin nachgewiesen werden können.[23] Insofern können Studien helfen, die sich mit dem Nachweis solcher Substanzen beschäftigen.[24] Daher sollte nicht einseitig nur nach strafgesetzlichen Lösungen gesucht werden, sondern der Blick neben der Nachweisbarkeitsproblematik auch immer auf die Prävention gerichtet werden.

 

[1]      Vgl. Jäger, JA 2025, 79; Jahn, JuS 2025, 276; Heim/Beukelmann, NJW-Spezial 2024, 762; Lichtenthäler, FD-StrafR 2024, 824459; Deutscher, StRR 2025, 28; Müller, jM 2025, 88; Ruppert, JR 2025, 193.
[2]      Jäger spricht gar von einem „Lehrstück für die Anwendung unterschiedlicher Auslegungsmethoden zur angemessenen Normausfüllung“, was ihn zu der Annahme veranlasst, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Problematik – wenn auch in neuem Gewande – zum Gegenstand des schriftlichen Staatsexamens gemacht würde, ders., JA 2025, 79 (82).
[3]      Müller, jM 2025, 88 (89), nennt es so auch „wenig überraschend“, dass die „konsequente Anwendung des klassischen (Auslegungs-)canons“ zu dem getroffenen Ergebnis führt.
[4]      BR-Drs. 128/25.
[5]      So auch die gängige Kommentarliteratur, vgl. bspw. Hartung, in: MK-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), § 224 Rn. 15; Sternberg-Lieben, in: Tübinger Kommentar zum StGB, 31. Aufl. (2025), § 224 Rn. 14; Paeffgen/Böse/Eidam, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 224 Rn. 14; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 65. Ed. (Stand: 1.5.2025), § 224 Rn. 31.
[6]      BGHSt 1, 4; BGHSt 4, 125.
[7]      Zu den Hintergründen Sternberg-Lieben, in: Tübinger Kommentar zum StGB, § 224 Rn. 14.
[8]      Vgl. BGH, NStZ-RR 2011, 275 im Fall einer mit einem Haushaltsreiniger befüllten Sprühflasche.
[9]      BGH, NStZ-RR 2018, 141; NStZ 2009, 505.
[10]    Nur darstellend und ohne kriminalpolitische Forderung Suliak, K.O.-Tropfen sind kein Holzknüppel, lto v. 13.11.2024, abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-5str38224-ko-tropfen-liquid-ecstasy-sexueller-uebegriff-gefaehrliches-werkzeug (zuletzt abgerufen am 26.5.2025).
[11]    BR-Drs. 28/25 v. 28.1.2025.
[12]    BR-Drs. 28/25, S. 2.
[13]    BR-Drs. 28/1/25.
[14]    BR-Drs. 28/25 (Beschluss) v. 21.3.2025.
[15]    BR-Drs. 128/25 v. 25.3.2025.
[16]    BGH, NStZ 2009, 505.
[17]    BR-Drs. 128/25, S. 2.
[18]    BR-Drs. 128/25 (Beschluss) v. 23.5.2025.
[19]    BR-Drs. 128/25 (Beschluss), S. 3 f.
[20]    BR-Drs. 128/25, S. 1.
[21]    BR-Drs. 128/25 (Beschluss), S. 1 f.
[22]    BR-Drs. 128/25 (Beschluss), S. 7.
[23]    BR-Drs. 128/25 (Beschluss), S. 4.
[24]    So bspw. das länderübergreifende Forschungsprojekt an der TU Chemniz: https://www.tu-chemnitz.de/tu/pressestelle/aktuell/12707 (zuletzt abgerufen am 26.5.2025) oder die Studie am Universitätsklinikum Freiburg: https://www.uniklinik-freiburg.de/presse/pressemitteilungen/detailansicht/4176-sicheres-nachtleben-studie-zum-nachweis-von-ko-mitteln-gestartet.html (zuletzt abgerufen am 26.5.2025).

 

 

 

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