Gesetzentwürfe:
- Gesetzentwurf der Fraktion der AfD: BT-Drs. 21/652
Am 30. Juni 2025 hat die Fraktion der AfD einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des § 188 StGB – Stärkung der Meinungsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz auf den Weg gebracht (BT-Drs. 21/652). Im Jahr 2018 wurde nach dem Schmähgedicht Böhmermanns die „Majestätsbeleidigung“ (§ 103 StGB) abgeschafft. § 103 StGB habe eine Sonderstellung für ausländische Staatsrepräsentanten vorgesehen, die aus Sicht des Gesetzgebers nicht mehr zeitgemäß gewesen sei. Auch der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas habe betont, dass solche Strafvorschriften aus einer überholten Epoche stammten und nicht mehr in ein modernes Strafrecht passten. In der Folge der Corona-Pandemie sei jedoch ein gegenläufiger Trend beobachtet worden: Kritiker hätten darauf hingewiesen, dass mit der Reform des § 188 StGB eine neue Form der Sonderstellung für politische Amtsträger geschaffen worden sei. Die Bundesregierung habe im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität eine Verschärfung des § 188 StGB vorgenommen, mit dem Ziel, insbesondere öffentliche Personen des politischen Lebens vor Hassrede im Internet zu schützen. „Bei der Beleidigung geht es nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen. Da Beleidigungen gegenüber Politikern aus der Natur der Sache heraus häufig mit Kritik an politischen Entscheidungen und Entwicklungen verbunden sind, die der betreffende Politiker zu verantworten hat, steht dieser neue Tatbestand von vornherein im Spannungsfeld mit dem Recht auf zulässige Meinungsäußerung im demokratischen Diskurs“, so die Fraktion. Problematisch sei insbesondere, dass die Tat als Offizialdelikt auch ohne Antrag verfolgt werden könne und der Personenkreis erheblich ausgeweitet worden sei. Die vielen Hausdurchsuchungen seien nicht erforderlich und unverhältnismäßig. § 188 StGB schaffe ein Sonderrecht „zugunsten mächtiger Personen“ und verletze den Gleichheitsgrundsatz. Es sei erforderlich, dass in einer Demokratie Amtsträger einer intensiveren öffentlichen Kontrolle unterlägen. „Sie müssen sich stärkerer Kritik aussetzen, was ein strengerer Schutz der Privatsphäre oder Ehre an dieser Stelle systemwidrig erscheinen lässt.“ Daher sei die Abschaffung des § 188 StGB geboten, „um die Gerechtigkeit im Sinne einer freien, gleichberechtigten Gesellschaft wiederherzustellen.
Dem Antrag der AfD ist entgegenzutreten. Menschen, die ein politisches Amt übernehmen, verdienen mehr Schutz, auch im Strafrecht. Beschädigt wird nicht nur die Person des Amtsinhabers, sondern auch das Amt selbst. Die Gesellschaft hat ein Interesse daran, dass Bürger sich auf kommunaler, Länder- und Bundes-Ebene in die Politik begeben und Ämter übernehmen. Dabei betreten sie ein Gebiet mit erhöhtem Risiko des Angegriffenwerdens. Daher ist die Qualifikation des § 188 StGB richtig. Folgen müßten Strafrechtsverschärfungen (neue Qualifizierungsmerkmale) zumindest im Bereich der Körperverletzungs- (§ 224 StGB) und Tötungsdelikte (§ 211 StGB). Regelungstechnisch könnte dies auch auf strafzumessungsrechtlicher Ebene verankert werden und damit für alle Typen von Straftatbeständen anwendbar sein.
Die Begründungen in dem AfD-Papier sind falsch. § 103 StGB hatte eine andere ratio. Der Gleichheitssatz ist nicht verletzt, weil Politiker tatsächlich einen Sonderstatus haben, der einen Sonderschutz rechtfertigt. Sie sind angreifbarer als „normale“ Bürger. „Intensive öffentliche Kontrolle“ ist etwas anderes als Beleidigung. Man kann jemanden kontrollieren und kritisieren, ohne ihn zu beleidigen. Zudem gibt es für den Einzelfall den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB. Das Grundecht auf Meinungsfreiheit schützt die Freiheit zur Meinungsäußerung, nicht die Freiheit zur Beschimpfung anderer Personen. Wenn unverhältnismäßige Hausdurchsuchungen durchgeführt werden, liegt der Fehler nicht beim Gesetz, das den Anlass zu dieser Maßnahme gibt, sondern bei denjenigen, die eine Hausdurchsuchung anordnen. Auch eine nicht erforderliche oder unverhältnismäßige Hausdurchsuchung wegen Mordes ist rechtswidrig, ohne dass jemand daran die Forderung nach Abschaffung des § 211 StGB knüpfen würde.
Dass der Tatbestand des § 188 StGB kein Strafantragserfordernis hat, ist auch richtig. An der Verfolgung derartiger Taten besteht immer ein besonderes öffentliches interesse.