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Überobligatorische Erfüllung von Umsetzungspflichten aus supra- und internationalen Übereinkommen am Beispiel der Strafgewalterstreckung auf Auslandskorruption

von Prof. Dr. Osman Isfen

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Abstract
Deutsches Strafrecht ante portas – die Geltung deutscher Strafvorschriften bei Sachverhalten ohne Inlandsbezug wirft vielfältige Grundlagenprobleme auf, die sowohl dogmatische als auch kriminalpolitische Bezüge aufweisen. In jüngerer Zeit häufen sich Fälle der Strafgewalterstreckung auf Auslandstaten, die angesichts der Weite der Ausdehnung den faktischen Wirkungsanspruch der Strafnormen schwächen und mit Blick auf die „lächerlich geringe Sanktionierungsrate“[1] schlicht symbolisches Strafrecht schaffen.[2] Die dadurch bewirkte Verwässerung kann dabei zum einen auf zwingende Vorgaben in supra- und internationalen Übereinkommen und zum anderen auf überobligatorische Erfüllung vom Umsetzungspflichten durch den nationalen Gesetzgeber zurückgehen. Am Beispiel der 2015 erfolgten Reform der Korruptionsvorschriften[3] soll nachfolgend dargelegt werden, wie solche umgreifenden Erweiterungen aussehen können, und welche Perspektiven sich bieten, um etwaigen Auswüchsen zu begegnen, die sich allgemein bei der Erfüllung entsprechender Umsetzungspflichten ergeben. 

I. Umgang des Gesetzgebers mit Vorgaben aus supra- und internationalen Übereinkommen

Eine Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs nationaler Strafvorschriften auf Auslandssachverhalte bei prinzipieller Geltung des Territorialitätsprinzips lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen nachweisen: So führen zum einen tatbestandliche Änderungen dazu, dass weitere Verhaltensweisen mit Auslandsbezug als Unrecht vertypt werden. Ohne ein strafanwendungsrechtliches Pendant ist die Wirkung solcher Erweiterungen grundsätzlich auf Inlandstaten beschränkt. Zum anderen können die Geltungsnormen einen ausgedehnteren Anwendungsbereich für Strafvorschriften vorsehen, die sich nunmehr auf (weitere) Auslandstaten ohne einen inländischen Erfolg im Sinne des § 9 StGB erstrecken. Die tatsächliche Wirkung tatbestandlicher Änderungen korreliert demnach mit einer entsprechenden Spiegelung im Strafanwendungsrecht.[4] Diese auf die gesetzliche Regelungstechnik fokussierte Blickweise offenbart allerdings noch nicht, ob die erfolgte Geltungserweiterung aus freien Stücken des nationalen Gesetzgebers erfolgt ist oder auf zwingende Vorgaben aus supra- und internationalen Verpflichtungen zurückgeht. Soweit Handlungsspielräume auf nationaler Ebene gegeben sind, bestehen wiederum zwei Möglichkeiten: Einerseits kann das Land von bestehenden Vorbehaltsmöglichkeiten keinen Gebrauch machen, so dass es sich umfänglicher verpflichtet als nach dem vertraglichen Minimum unerlässlich. Andererseits ist auch denkbar, dass der nationale Gesetzgeber jenseits konkreter einzuhaltender Vorgaben – bewusst oder unbewusst – (weitere) Ausdehnungen implementiert, die er gelegentlich der Umsetzung vornimmt, ohne dass hierzu ein Bezug zum umzusetzenden Übereinkommen gegeben ist. Die beiden Möglichkeiten gehen oft Hand in Hand.

Bei der letzten Reform der Korruptionsvorschriften lassen sich sämtliche der genannten Erscheinungsformen feststellen. Nachfolgend soll dies an verschiedenen Beispielen näher aufgezeigt werden.

1. Überobligatorische Erfüllung von Umsetzungspflichten

a) Im Gegensatz zu Art. 2 § 1 Abs. 1 EU-BestG[5] a.F. und zum ersten, weitgehend mit der neuen Rechtslage identischen Entwurf zur Reform des Korruptionsstrafrechts aus dem Jahre 2007[6] kommt bei einer Beteiligung von Europäischen Amtsträgern eine Strafbarkeit neuerdings nicht nur wegen Bestechlichkeit und Bestechung, sondern auch – „über die bestehenden Vorgaben hinausgehend“[7]– wegen Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) in Betracht. Diese – tatbestandliche – Erweiterung geht auf die Einfügung des neuen Merkmals des Europäischen Amtsträgers (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB) in §§ 331-334 StGB zurück. Entsprechend der materiell-rechtlichen Seite weist die strafanwendungsrechtliche Seite in § 5 Nr. 15 lit. b StGB eine Erweiterung im Vergleich zu Art. 2 § 2 Nr. 1 lit. b bb) EU-BestG a.F. auf: Demnach wird auch die im Ausland begangene Vorteilsannahme eines ausländischen Europäischen Amtsträgers mit inländischer Dienststelle dem deutschen Strafrecht unterworfen. Entsprechendes gilt für die Vorteilsgewährung eines Deutschen im Ausland an einen Europäischen Amtsträger (§ 5 Nr. 15 lit. a StGB) sowie eines Ausländers gegenüber einem Europäischen Amtsträger mit deutscher Staatsangehörigkeit (§ 5 Nr. 15 lit. d StGB). Nach Ansicht des Gesetzgebers beruht diese überobligatorische Erweiterung „auf der inzwischen noch weiter fortgeschrittenen Integration Deutschlands in die Europäische Union und dient auch der Verbesserung des Schutzes der finanziellen Interessen der Europäischen Union. Sie berücksichtigt zudem, dass Taten von und gegenüber Europäischen Amtsträgern nur in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und nicht von der Europäischen Union selbst unter Strafe gestellt werden können. Dies rechtfertigt es, Taten von und gegenüber Europäischen Amtsträgern in einem etwas weiteren Umfang unter Strafe zu stellen als die Bestechlichkeit und Bestechung von Bediensteten anderer EU-Mitgliedstaaten.“[8]

Eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Anwendung der nationalen Korruptionsvorschriften in Bezug auf EU-Bedienstete bestand zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens[9] nur hinsichtlich §§ 332, 334 StGB, z.B. durch Art. 2, 3, 6 des EU-Protokolls zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften[10] oder Art. 2, 3, 7 des EU-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EG oder der Mitgliedstaaten der EU[11] beteiligt sind, so dass sich Art. 2 § 2 EU-BestG a.F. darauf beschränkte. Das Europarat-Strafrechtsübereinkommen gegen Korruption[12] erfasst zwar in Art. 2, 3 auch pflichtgemäße Diensthandlungen bei Bestechung und Bestechlichkeit und ordnet eine Gleichstellung in Art. 9 für Taten von und gegenüber supranationalen Beamten/Bediensteten an, so dass §§ 331, 333 StGB grundsätzlich auch in Bezug auf Europäische Amtsträger anzuwenden wären.[13] Allerdings sieht Art. 17 keine Begründung der Gerichtsbarkeit bei Auslandstaten vor, wenn die Tat von einem supranationalen Beamten/Bediensteten mit ausländischer Staatsangehörigkeit begangen wurde, sodass die Regelung des § 5 Nr. 15 lit. b StGB in diesem Punkt überschießend ist.[14]

b) Des Weiteren gehören nach der Reform auch außerhalb des Anwendungsbereichs des EU-BestG a.F. liegende Sachverhalte der Bestechlichkeit mit Auslandsbezug zum Unrecht des § 332 StGB, wenn es um eine künftige richterliche Handlung oder eine künftige Diensthandlung geht (§ 335a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. a StGB). Bis dahin war eine diesbezügliche Gleichstellung gemäß Art. 2 § 1 IntBestG[15] a.F. auf Bestechung (§ 334 StGB) beschränkt. Nach Art. 37 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Europarat-Strafrechtsübereinkommen hätte die nicht wahrgenommene Möglichkeit bestanden, hinsichtlich der Amtsträger fremder Staaten diesen Zustand durch einen Vorbehalt weiterhin aufrechtzuerhalten. Vielmehr hat sich Deutschland damit begnügt, durch eine Erklärung nach Art. 36 die Strafbarkeit auf dienstpflichtwidrige Taten zu beschränken.[16]

Als Beweggrund für diesen erweiterten Schutz des öffentlichen Amts fremder Länder durch deutsches Strafrecht führt der Gesetzgeber den Normzweck der Bestechungsdelikte auf, der in der „Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Lauterkeit“ bestehe: „Dies gilt – wenn auch eingeschränkt – auch für internationale Korruptionstaten. Mit diesem Rechtsgut wäre es nicht vereinbar, nur für die (aktive) Bestechung alle Bediensteten ausländischer und internationaler Behörden den inländischen Amtsträgern gleichzustellen und für die Bestechlichkeit Einschränkungen zu machen. Daher soll über die völkerrechtlichen Verpflichtungen hinaus auch die Bestechlichkeit des in der besonderen Pflichtenstellung stehenden ausländischen und internationalen Beamten und Soldaten umfassend unter Strafe gestellt werden.“[17]

Das auf den ersten Blick äußerst ehrgeizige Bestreben, mit Hilfe der neuen Gleichstellungsregel in § 335a Abs. 1 StGB das fremde öffentliche Amt durch deutsches Strafrecht umfänglich zu schützen[18] und dabei insbesondere nicht nur den Tatbestand der Bestechung, sondern auch den der Bestechlichkeit bei ausländischen und internationalen Bediensteten zum Einsatz zu bringen[19], entpuppt sich freilich beim Blick auf die korrespondierenden Strafanwendungsregeln als leere Hülse, denn § 5 Nr. 15 lit. d StGB hat bei den hier relevanten Auslandstaten eines Ausländers nur die Bestechung im Auge, während die Bestechlichkeit auf die sehr seltene Konstellation der Tatbegehung durch einen Deutschen in der Funktion eines ausländischen oder internationalen Bediensteten beschränkt wird (§ 5 Nr. 15 lit. a StGB). Doch auch bei der Bestechung geht es um die ebenfalls seltenen Fälle der Tatbegehung gegenüber einem ausländischen oder internationalen Bediensteten mit deutscher Staatsangehörigkeit (§ 5 Nr. 15 lit. d StGB).

c) Bei der Überführung der alten Regelungen in Art. 2 §§ 1, 2 EU-BestG a.F. und Art. 2 §§ 1, 3 IntBestG a.F. ins Kernstrafrecht durch die neue Gleichstellungvorschrift des § 335a StGB[20] i.V.m. § 5 Nr. 15 StGB offenbart sich eine missglückte Regelungsweise, die weitreichende Konsequenzen nach sich zieht. In § 5 Nr. 15 lit. d StGB finden sich im Zusammenspiel mit § 335a Abs. 1 StGB drei verschiedene Regelungskomplexe mit unterschiedlichen Rechtsgütern, deren Schutz aber der gleichen Systematik folgt: Unionsrechtsgüter, öffentliche Ämter anderer EU-Mitgliedsstaaten und öffentliche Ämter der übrigen ausländischen Staaten bzw. entsprechende Schutzgüter internationaler Organisationen. Es ist offensichtlich, dass dieses Geflecht nach einer angemessenen Abstufung entsprechend der Gewichtigkeit des geschützten Rechtsguts ruft, was insbesondere beim Schutz der öffentlichen Ämter ausländischer Staaten im Verhältnis zu den Unionsrechtsgütern sofort ins Auge fällt. Vor allem erscheint aber mit Blick auf die supranationale Einbettung Deutschlands in die EU eine Binnendifferenzierung innerhalb der „ausländischen Staaten“ angebracht zu sein, an der es allerdings mangelt. Die Form der systematischen Gleichstellung in § 335a Abs. 1 StGB durch eine einheitliche Wortwahl (Mitglied eines „ausländischen Gerichts“ bzw. Bediensteter eines „ausländischen Staats“) sowie die dazu komplementäre undifferenzierte Implementierung in § 5 Nr. 15 lit. d Alt. 2 StGB versperren vielmehr den Weg für eine solche Handhabung.

Daraus folgt: Waren bisher nur die Auslandstaten eines Ausländers, die sich gegen die öffentlichen Ämter der EU-Mitgliedstaaten richteten, auch nach deutschem Recht strafbar, wenn der gleichgestellte Empfänger die deutsche Staatsangehörigkeit hatte (Art. 2 § 2 Nr. 2 Var. 3 EU-BestG a.F.), so sind mit Blick auf die einheitliche Formulierung in § 335a Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB nunmehr[21] auch Taten eines Ausländers dem deutschen Strafrecht unterworfen, der deutsche Richter oder Bedienstete eines ausländischen Staates außerhalb der EU besticht (§ 5 Nr. 15 lit. d Alt. 2 StGB). Dem Gesetzgeber scheint dabei nicht bewusst gewesen zu sein, dass er durch diese Regelungsweise eine weitere überobligatorische Anwendungserweiterung vorgenommen hat, denn diesbezüglich sehen weder Art. 17 Europarat-Strafrechtsübereinkommen noch andere internationale Übereinkommen die Verpflichtung zur Begründung der nationalen Strafgewalt auf Bestechungstaten eines ausländischen Täters im Ausland vor.

2. Überzogene Vorgaben zur Umsetzung in supra- und internationalen Übereinkommen

Die Gleichstellung in § 335a Abs. 1 StGB weist, wie bereits erwähnt, mehrere Erweiterungen auf, zu denen auch der Wegfall des in Art. 2 § 1 IntBestG a.F. noch vorausgesetzten Zusammenhangs des strafrechtlich relevanten Geschehens mit dem internationalen Geschäftsverkehr gehört. Demzufolge gelten §§ 334, 335a StGB beispielsweise für die Zuwendung eines ausgewanderten Deutschen an einen Amtsträger in Togo zwecks Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung (i.V.m. § 5 Nr. 15 lit. a StGB) genauso wie für eine aus Deutschland getätigte Überweisung eines Mongolen an einen ausländischen Amtsträger in Nepal für die Befreiung seines dort lebenden Verwandten von der Zahlung einer Steuerschuld (i.V.m. § 3 StGB). Tatbestandlich erfasst sind aber auch Fälle wie die Bestechung durch humanitäre Hilfskräfte zwecks Ermöglichung der generell untersagten Einreise in ein Katastrophengebiet eines diktatorisch geführten Landes.[22]

Art. 16 Abs. 1 UN-Konvention gegen Korruption[23] enthält zwar für den Bereich der Bestechung eine Beschränkung auf „Tätigkeiten im internationalen Geschäftsverkehr“, die freilich für Bestechlichkeit nicht gilt (Abs. 2). In Art. 5 Europarat-Strafrechtsübereinkommen fehlt es aber gänzlich an einer Eingrenzung auf Fälle des internationalen Geschäftsverkehrs, so dass der Wegfall dieses Zusammenhangs zwingend ist. Darauf beruft sich auch der Gesetzgeber ausdrücklich, räumt aber gleichzeitig ein, dass es an dieser Stelle zu „Extremsituationen … durch diese sehr weitgehende Pönalisierung von Bestechungstaten im Ausland“ kommen kann; er hält diese Schwierigkeiten gleichwohl für nicht unlösbar und verweist dabei pauschal auf Lösungswege „im Rahmen der Rechtswidrigkeit, Schuld und Strafzumessung sowie auf prozessualer Ebene (§ 153c Absatz 1 Nummer 1 der Strafprozessordnung).“[24]

II. Wege zur Vermeidung einer exzessiven Ausweitung nationaler Straf(anwendungs)normen bei der Umsetzung supra- und internationaler Vorgaben

Bereits an anderer Stelle ist ausführlich dargelegt worden, wie schwierig es sich gestaltet, ein kohärentes Konzept des Gesetzgebers bei der erwähnten Geltungserweiterung des deutschen Strafrechts auf Sachverhalte der Auslandskorruption zu erkennen, das sich mit nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Erwägungen an einem dem ultima-ratio-Grundsatz verpflichteten Strafrecht orientiert.[25] Dies soll hier nicht weiter vertieft werden. Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich vielmehr mit der Frage, welche Wege es für die staatliche Gewalt gibt, einer unverhältnismäßigen Ausweitung des Strafrechts im Kontext supra- und internationaler Übereinkommen aktiv entgegenzuwirken, ohne Pflichten aus dem Unions- bzw. Völkerrecht zu verletzen.

1. Überobligatorische Erfüllung durch den nationalen Gesetzgeber

a) Erweiterungen ohne Bezug zu Pflichten aus den Übereinkommen

Vergleichsweise übersichtlich gestaltet sich im Ausgangspunkt die Konstellation, bei der ein Umsetzungsakt vorliegt, der von den betreffenden supra- und internationalen Übereinkommen nicht gefordert war.[26] Dies kann zunächst solche Fälle betreffen, in denen die Erweiterung gelegentlich der Umsetzung erfolgt, also ein Bezug zum betreffenden Übereinkommen nicht besteht. Da diesbezüglich kein Raum für den Vorwurf einer unzureichenden Umsetzung ist, verlagern sich die Überlegungen auf die Grundlagenproblematik, welche Verhaltensweisen der Staat generell unter Strafe stellen darf[27] und speziell für den Bereich des Strafanwendungsrechts: inwieweit er dabei den völkerrechtlichen Nicht-Einmischungsgrundsatz zu beachten hat.Beispielhaft erwähnt sei hier die überschießende Erweiterung des durch deutsche Strafnormen gewährten Schutzes für öffentliche Ämter ausländischer Staaten auf Bestechlichkeit nach § 332 StGB (oben I 1 b): Der Versuch des Gesetzgebers, diesen exzessiv formulierten Schutzanspruch auf deutsche Amtsträger fremder Staaten zu beschränken, wenn es, wie regelmäßig, um eine Auslandstat geht (wie viele solche Fälle wird es in der Praxis je geben?), vermag unter keinem Gesichtspunkt zu überzeugen, denn es macht schlicht keinen Sinn, den vorgegebenen Schutz von der Staatsangehörigkeit des handelnden Amtsträgers abhängig zu machen. Sowohl Amtsträger mit deutscher als auch solche mit ausländischer Staatsangehörigkeit stehen im Dienst des Fremdstaates und haben dieselben Verpflichtungen aus dem Nähe- und Treueverhältnis zu diesem Staat. Hinsichtlich des Schutzes des ausländischen Amtes kommt es nicht darauf an, welcher Staatsangehörigkeit der handelnde Amtsträger ist: Ein deutscher Amtsträger eines fremden Staates unterscheidet sich graduell nicht von einem nicht-deutschen Amtsträger, wenn es darum geht, die Integrität dieses geschützten fremdes Amtes unter Schutz zu stellen.[28] Das aktive Personalitätsprinzip, das die Beziehungen zwischen dem deutschen Täter und seinem Heimatstaat als Anknüpfungspunkt für die Begründung der deutschen Staatsgewalt bei Auslandstaten heranzieht[29], versagt hier offensichtlich, weil ausschließlich das Innenverhältnis zwischen dem fremden Staat und dessen deutschen Amtsträger betroffen ist.[30] Besondere Brisanz erfährt diese Ausweitung auch und vor allem im Hinblick auf den Verzicht auf eine Tatortstrafbarkeit: So kann der deutsche Staat sein Strafrecht auch dort zur Anwendung bringen, wo der Dienstherr des betreffenden Amtsträgers das entsprechende Verhalten als straflos ansieht. Eine solche Einmischung in den persönlichen Kern der Staatlichkeit entfaltet eine besondere Intensität. Wohl an keiner anderen Stelle hat hier der Vorwurf eines „aufgedrängten Strafrechtsschutzes“[31] seine Berechtigung!

b) Verzicht auf Vorbehalte und Erklärungen

Um eine dem Wesen nach ebenfalls überobligatorische Pflichterfüllung geht es auch dann, wenn von bestehenden Vorbehaltsmöglichkeiten kein Gebrauch gemacht wird, denn auch hier bindet sich der Vertragspartner stärker als er es nach den Vorgaben des Vertrags müsste.[32] Vorbehalte in völkerrechtlichen Verträgen[33] verfolgen den Zweck, sich bei vielfältigen, nicht selten konträren Ausgangs- und Interessenlagen historischer, politischer, gesellschaftlicher und rechtlicher Natur auf eine gemeinsame Regelung unter den Vertragsparteien zu einigen und dabei gleichzeitig einen Freiraum für einzelne Staaten bei der Umsetzung zu schaffen; dadurch wird es allen Beteiligten ermöglicht, trotz offen zutage getretener und nicht ausräumbarer Meinungsunterschiede Vertragsparteien zu werden.[34]

Im Bereich des Strafanwendungsrechts sehen supra- und internationale Übereinkommen vielfach mehrere Pflichten vor, die allerdings – durchgehend mit Ausnahme der Strafgewaltbegründung für Inlandstaten – mit Vorbehalten versehen werden können. So verfährt auch Art. 17 Europarat-Strafrechtsübereinkommen, der in Absatz 1 verschiedene Fallgruppen zur Begründung der Gerichtsbarkeit aufstellt, deren Anwendung jedoch gemäß Absatz 2 mit Ausnahme des Territorialitätsprinzips in unterschiedlicher Weise modifiziert oder gänzlich ausgeschlossen werden kann.[35] Für die materiell-rechtlichen Vorschriften existieren ähnliche Vorbehalts- und Erklärungsmöglichkeiten, die eine eingeschränkte Umsetzung ins nationale Recht ermöglichen. Eine ausgiebige Inanspruchnahme solcher Vorbehaltsmöglichkeit schafft in der Tat die Gelegenheit, die Ausweitung des nationalen Strafrechts in Grenzen zu halten. Ein Blick auf die – zahlreich – abgegebenen Vorbehaltserklärungen zum Europarat Strafrechtsübereinkommen[36] fördert zu Tage, dass sich die allermeisten Einschränkungen auf die Regelungen zur missbräuchlichen Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung (Art. 12) beziehen; nennenswert sind daneben Vorschriften zur Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Sektor (Art. 7 und 8) sowie zur Verweigerung der Rechtshilfe bei politischen Straftaten (Art. 26). In Bezug auf das materielle Recht fällt auf, dass lediglich die Schweiz und Deutschland eine Erklärung nach Art. 36 abgegeben haben, wonach bei Bestechlichkeit ausländischer oder internationaler Amtsträger nur eine Handlung unter Verletzung der Dienstpflichten strafbar sein soll.[37] Auffällig sind des Weiteren die Vorbehalte aus Italien nach Art. 37 Abs. 1, wonach Art. 5 (Bestechung und Bestechlichkeit ausländischer Amtsträger), soweit es um Bestechlichkeit geht, mit Ausnahme der EU-Bezüge überhaupt nicht umgesetzt wird. Mehrere Staaten wie Dänemark, das Fürstentum Monaco, Frankreich, die Schweiz, Schweden oder Spanien haben sich für unterschiedliche Konstellationen vorbehalten, die Begründung ihrer Strafgewalt vom Bestehen einer Tatortstrafbarkeit abhängig zu machen.[38] Schließlich hat Großbritannien mehrere fallbezogene Vorbehalte in Bezug auf Art. 17 erklärt und beispielsweise, wie auch Frankreich, die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 lit. c (Straftaten gegenüber den Amtsträgern) gänzlich ausgeschlossen.

Bemerkenswert bei diesen Vorbehalts- und Erklärungsmöglichkeiten ist der Umstand, dass die Übereinkommen regelmäßig einen breiten Spielraum einräumen, der ausgeschöpft werden kann. So erlaubt z.B. Art. 17 Abs. 2 Europarat-Strafrechtsübereinkommen („Die Vorschriften über die Gerichtsbarkeit … insgesamt oder teilweise nicht oder nur in bestimmten Fällen oder unter bestimmten Bedingungen anzuwenden“)[39] einen äußerst ausdifferenzierten Regelungsmechanismus, der eine jeweils spezifische Normierung gerade bei der Vielzahl der geschützten Rechtsgüter im Kampf gegen die internationale Korruption ermöglicht. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass die Anwendungsnormen nicht in zentralen Vorschriften wie §§ 5 Nr. 15, 335a StGB zusammengefasst, sondern in einzelnen Umsetzungsgesetzen (wie zuvor EU-BestG oder Int-BestG) niedergelegt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dagegen, wie bereits dargelegt, bei der letzten Reform des Korruptionsstrafrechts von einer nivellierenden, vereinheitlichenden Regelungsweise leiten lassen, die der zwingend erforderlichen Abstufung zwischen den geschützten Rechtsgütern (Rechtsgüter der EU, der EU-Mitgliedstaaten und ausländischer Staaten) nicht gerecht werden kann. Das etwaige Ziel, im Sinne einer praktischen und womöglich „ästhetischen“ Übersichtlichkeit die in unterschiedlichen Gesetzen zerstreuten Regelungen in einer vom „Perfektionsstreben“[40] beherrschten Art nunmehr im Strafgesetzbuch und dort gar in einer einzigen Vorschrift zu bündeln[41], kann selbstredend nicht das Gießkannen-Prinzip rechtfertigen, mit dem der Gesetzgeber bei der Erweiterung des Schutzes deutscher Strafvorschriften auf Auslandssachverhalte – teils sogar aufdrängend – vorgegangen ist.

2. Verweigerung der Umsetzung nicht-vorbehaltsfähiger Vorgaben aus den Übereinkommen?

Wie sollte sich der deutsche Gesetzgeber verhalten, wenn er aufgefordert ist, einem supra- oder internationalen Übereinkommen zuzustimmen und dieses umzusetzen, das eine überzogene Ausweitung der deutschen Strafvorschriften vorsieht und es keine diesbezüglichen Vorbehaltsmöglichkeiten existieren? In dieser grundsätzlichen Frage kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Zum einen wird das Übereinkommen überhaupt nicht ratifiziert, so wie es etwa von Schünemann im Zusammenhang mit der erwähnten Reform des Korruptionsstrafrechts nahegelegt wurde.[42] Zum anderen könnte überlegt werden, das Vertragswerk in einer über die bestehenden Vorbehaltsmöglichkeiten hinaus „gereinigten“ Form umzusetzen. In diesem Sinne ist etwa Gaede zu verstehen, der hinsichtlich der exzessiven tatbestandlichen Erweiterung bei der Strafbarkeit der Auslandskorruption (oben I 2) eine „vom Europarat-Übereinkommen abkehrende Anknüpfung an den internationalen geschäftlichen Verkehr“ empfahl.[43]

Der von Schünemann favorisierten totalen Verweigerungshaltung stünde das Völkerrecht nicht im Wege, denn allein aus der Unterzeichnung eines Übereinkommens resultiert keine völkerrechtliche Pflicht des Staates, dieses auch zu ratifizieren.[44] Andernfalls liefe der Sinn des Erfordernisses einer Ratifikation als Generalvorbehalt der unterzeichnenden Exekutive in Bezug auf die kontrollierende, teilhabende und umsetzende[45] Mitwirkung der Gesetzgebungskörperschaften zum ausgehandelten Übereinkommen ins Leere.[46] Es ist demnach eine (rechts-)politische Frage, welche Signale man auszusenden bereit ist, ein internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der weltweiten Korruption nicht zu ratifizieren, obwohl man es bereits zu einem frühen Zeitpunkt unterzeichnet hatte.

Nun sollte man den Appell von Schünemann nicht in der Weise zu verstehen haben, dass er die Korruptionsbekämpfung auch und gerade mit ihren internationalen Bezügen für überflüssig halte. Ihm geht es vielmehr offensichtlich um „überzogene Punitivität“ durch „verfehlte Forderungen“, die „das in der Bundesrepublik selbstverständliche Rechtsstaatsniveau preisgeben“.[47] In diesem Punkt könnte mit Gaede daran gedacht werden, einzelne nicht-vorbehaltsfähige Vorgaben bei der Umsetzung ins nationale Recht zu modifizieren, um die mit einer ausufernden Ausweitung des deutschen Strafrechts verbundenen, vor allem verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Doch einem solchen Schritt stehen unüberwindbare Hindernisse im Weg: So dürfen Bundestag und Bundesrat die Zustimmung nur zu dem Vertrag als Ganzem (en bloc) erteilen oder verweigern; ihnen ist es verwehrt, im Wege von Änderungsanträgen einzelne Vorschriften des Übereinkommens abzuändern und somit inhaltlich Einfluss auf den Vertragsinhalt zu nehmen (vgl. § 81 Abs. 4 S. 2 sowie § 82 Abs. 2 GOBT). Auf diese Weise lässt sich verhindern, dass das einmal ausgehandelte Einverständnis unter den unterzeichnenden Parteien durch den Bundestag und Bundesrat in Frage gestellt wird und die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung dadurch beeinträchtigt wird, dass sie einen bereits unterzeichneten Vertrag erneut aushandeln muss.[48] Möglich ist allenfalls, die Zustimmung an die Bedingung zu knüpfen, dass bei der Ratifikation des Vertrags ein bestimmter, völkerrechtlich zulässiger Vorbehalt im Sinne der Art. 19 ff. WVK erklärt wird.[49]

Es zeigt sich: Das Verfassungsrecht hat für etwaige Modifikationen über die bestehenden Vorbehaltsmöglichkeiten hinaus feste Regeln vorgesehen, die ein widersprüchliches Verhalten auf dem Parkett des Völkerrechts verhindern sollen („venire contra factum proprium“). Dies gilt selbst dann, wenn schwerwiegende innerstaatliche Bedenken gegen einzelne Regelungen des Übereinkommens bestehen. Im Kern wird hier – bereits auf der Vorfeldebene der Ratifikation – auch dem Rechtsgedanken des Art. 27 WVK entsprochen, wonach eine Vertragspartei sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen kann, um die Nichterfüllung des Vertrags zu rechtfertigen („pacta sund servanda“, Art. 26 WVK). Als einziger Ausweg bleibt in diesen Fällen das gänzliche Absehen von der Ratifikation des Vertragswerks übrig – mit allen damit verbundenen politischen Folgen eines solchen Schrittes.

III. Ausblick

Die Lehren aus der jüngsten Umsetzung verschiedener supra- und internationaler Übereinkommen zur Bekämpfung der weltweiten Korruption fördern folgende Erkenntnisse zu Tage:

  1. Viele grundlegende, später nicht mehr abänderbare Weichenstellungen für die anschließende Umsetzung ins nationale Recht werden in der Phase der Verhandlungen über das Vertragswerk gelegt. Bereits zu diesem Zeitpunkt muss daher die breite Diskussion über die rechtspolitischen und -dogmatischen Konsequenzen der geplanten Änderungen eingeleitet werden. Die Exekutive ist demgemäß aufgefordert, nicht erst nach der Unterzeichnung, sondern deutlich früher die beteiligten Kreise ins Boot zu holen, um auf diese Weise noch Einfluss auf den Ausgang der Verhandlungen zu nehmen, sprich: zumindest auf die Vereinbarung entsprechender Vorbehalte hinzuwirken, die eine flexible, an das hierzulande herrschende rechtsstaatliche Niveau angepasste Umsetzung ermöglichen.
  2. Die regelmäßig vorgesehenen Vorbehalte in supra- und internationalen Übereinkommen erlauben eine ausdifferenzierte Regelungsweise, die rege in Anspruch genommen werden sollte. Bei vielschichtigen Sachverhalten wie der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Korruption mit verschiedenen Akteuren und zu schützenden Rechtsgütern kann es nicht darauf ankommen, im Sinne einer praktischen und/oder „ästhetischen“ Übersichtlichkeit vereinheitlichende Regelungen zu schaffen, die die bestehenden Unterschiede nivellieren. Notfalls muss in Kauf genommen werden, dass eine Umsetzung nicht an einem zentralen Ort, sondern in mehreren Gesetzen erfolgt. Außerdem sollte nach Möglichkeit Abstand davon genommen werden, tatortrechtsunabhängige Strafgewaltbegründungen vorzunehmen. Vielmehr ist vermehrt auf Lösungen mit bestehenden Tatortstrafbarkeiten hinzuarbeiten, um dem völkerrechtlichen Nicht-Einmischungsgrundsatz besser gerecht zu werden.
  3. Die supra- und internationalen Übereinkommen der letzten Jahre mit strafrechtlicher Relevanz folgen dem allgemeinen Trend und zeichnen sich nicht durch Restriktion, sondern durch stetige Erweiterung aus. Vor diesem Hintergrund erfordert die rechtspolitische Vernunft, gerade von überobligatorischen Ausdehnungen insbesondere des Anwendungsbereichs deutscher Strafvorschriften abzusehen. Es ist verfehlt, bei ausgedünnten praktischen Kapazitäten weitgehend inhaltsgeleerte Schutzziele mit globaler Stoßrichtung zu formulieren und Lenkungsansprüche aufzustellen, die mittlerweile in Teilen aufdrängenden Charakter haben. Weniger ist hier deutlich mehr.

 

 

[1]     Schünemann, ZRP 2015, 68 (71). Zur nationalen und internationalen Verfolgungspraxis bei Auslandskorruption siehe Hoven, Auslandsbestechung. Eine rechtsdogmatische und rechtstatsächliche Untersuchung, 2018, S. 355 ff.
[2]     „Strafgesetzgebung und Strafrechtsanwendung als Bluff“, so die einprägsame Charakterisierung des symbolischen Strafrechts durch Hassemer, NStZ 1989, 553 (559).
[3]     BGBl. I 2015, S. 2025; BT-Drs. 18/4350 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung), BT-Drs. 18/6389 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz). Dazu ausführlich Isfen, JZ 2016, 228 ff. Der Änderungsbedarf ergab sich maßgeblich aus der Umsetzung des Strafrechtsübereinkommens des Europarats gegen Korruption vom 27.1.1999 (ETS Nr. 173, BT-Drs. 18/9234, S. 7) und des Zusatzprotokolls zum Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption vom 15.5.2003 über Bestechung von in- und ausländischen Schiedsrichtern sowie Geschworenen und Schöffen (ETS-Nr.191, BT-Drs. 18/9234, S. 25). Zu den weiteren internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Korruption zählen das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17.12.1997 (umgesetzt mit dem IntBestG vom 10.9.1998, BGBl. II, S. 2327, BT-Drs. 13/10428) sowie die UN-Konvention gegen Korruption vom 31.10.2003 (BGBl II 2014, S. 762, in Kraft getreten am 14.12.2005, von Deutschland ratifiziert am 12.11.2014). Auf europäischer Ebene sind zu nennen: EU-Protokoll vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der EG (ABl. C 313 vom 23.10.1996, S. 1; BGBl. II 1998,  S. 2342; aufgehoben und ersetzt durch die Richtlinie [EU] 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug, ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29) sowie das EU-Übereinkommen vom 26.5.1997 über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EG oder der Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind (ABl. C 195 vom 25.6.1997, S. 1; BGBl. II 2002, S. 2727); beide umgesetzt mit dem EU-BestG vom 10.9.1998, BGBl. II, S. 2340, BT-Drs. 13/10424.
[4]     Instruktiv zum Strafanwendungsrecht bei Auslandskorruption Weigend, in: Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Das Verbot der Auslandsbestechung, 2016, S. 109 ff.
[5]     BGBl. II 1998, S. 2340.
[6]     BT-Drs. 16/6558, S. 6.
[7]     BT-Drs. 18/4350, S. 13.
[8]     BT-Drs. 18/4350, S. 23. Zustimmend Walther, WiJ 3/2015, 152 (154); ablehnend Brockhaus/Haak, HRRS 5/2015, 218 („abwegig“).
[9]     Inzwischen verzichtet die neue Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29) in Art. 4 Abs. 2 auf das in der aufgehobenen Richtlinie (Fn. 10) in Art. 2 und 3 enthaltene Merkmal „unter Verletzung seiner Dienstpflichten“. Diese Streichung hatte die Europäische Kommission seinerzeit proaktiv betrieben: „Die nationalen Gesetze zur Umsetzung des Übereinkommens zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften von 1995 und seiner Protokolle sowie die einschlägige Rechtsprechung legen nahe, dass die Definition von ‚Bestechung‘ und ‚Bestechlichkeit‘ weiter gefasst werden muss. Im Gegensatz zum Übereinkommen setzt der Korruptionstatbestand keine Verletzung von Dienstpflichten voraus.“, Vorschlag der Kommission für die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug, COM(2012) 363 final, S. 10, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2014_2019/documents/com/com_com(2012)0363_/com_com(2012)0363_de.pdf, zuletzt abgerufen am 28.12.2018). Demnach wäre die Einbeziehung der §§ 331, 333 StGB bei Europäischen Amtsträgern nunmehr eine unionsrechtliche Notwendigkeit. Allerdings vertritt der Regierungsentwurf zur Umsetzung dieser Richtlinie vom 19.12.2018 (abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/GE_Umsetzung_RL-EU-2017-1371.pdf (zuletzt abgerufen am 28.12.2018) die überzeugende Ansicht, allein aus dem Wegfall des Merkmals der Dienstpflichtwidrigkeit folge noch nicht die Zuordnung der im Raum stehenden Taten zu §§ 331, 333 StGB. Vielmehr ergebe sich aus dem zusätzlichen Merkmal der Schädigung oder Gefährdung der finanziellen Interessen der Europäischen Union, dass dieses einer Dienstpflichtverletzung gleichstehe, näher S. 11 f.
[10]   ABl. C 313 vom 23.10.1996, S. 1; BGBl. II 1998, S. 2342.
[11]   ABl. C 195 vom 25.6.1997, S. 1; BGBl. II 2002, S. 2727.
[12]   ETS Nr. 173, in Kraft getreten am 1.7.2002, von Deutschland unterzeichnet am 27.1.1999. Das Zustimmungsgesetz erfolgte knapp 18 Jahre später am 14.12.2016 (BGBl. II 2016, S. 1322; BT-Drs. 18/9234) und die Ratifikation am 10.5.2017.
[13]   Im Grunde erstreckt sich der von Deutschland nach Art. 36 abgegebene Erklärung, wonach die Umsetzung in Bezug auf Art. 9 in der Weise erfolgen wird, dass eine Strafbarkeit nur bei einem dienstpflichtwidrigen Verhalten gegeben sein wird, nicht nur auf internationale, sondern auch auf supranationale Beamten. Jedoch hat der Gesetzgeber von dieser Einschränkungsmöglichkeit lediglich einen partiellen Gebrauch gemacht und das modifizierende Merkmal der Dienstpflichtwidrigkeit nur bei den internationalen Beamten vorgesehen. In diesem Sinne erfasst die Gleichstellung in § 335a Abs. 1 StGB allein die Taten nach §§ 332, 334 StGB.
[14]   Anders könnte sich die Rechtslage nach der neuen Richtlinie EU 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug darstellen, wenn man mit der Europäischen Kommission davon ausginge, dass bezüglich der einschlägigen Taten eine Dienstpflichtwidrigkeit nicht mehr verlangt werde und daher eine Anwendung der §§ 331, 333 StGB zwingend wäre (vgl. Fn. 9). Unabhängig davon kommt es bei der Begründung der Gerichtsbarkeit gemäß Art. 11 Abs. 2 der genannten Richtlinie bei Taten eines ausländischen Unionsbeamten neuerdings nicht mehr wie früher auf den inländischen Dienstsitz an. Ohne einen nach Art. 11 Abs. 2 S. 2 zulässigen Vorbehalt in Form des Festhaltens am inländischen Dienstsitz verstieße § 5 Nr. 15 lit. b StGB insoweit gegen das Unionsrecht. Es ist beabsichtigt, einen solchen Vorbehalt zu erklären, vgl. Regierungsentwurf (Fn. 9), S. 23.
[15]   BGBl. II 1998, S. 2327, BT-Drs. 13/10428.
[16]   BT-Drs. 18/9234, S. 33.
[17]   BT-Drs. 18/4350, S. 24. Diese Tendenz zeigt sich auch in der allgemeinen Stoßrichtung des Europarat-Strafrechtsübereinkommens, vgl. Nr. 49 des Erläuternden Berichts: „Die Botschaft ist eindeutig: Korruption ist eine schwere Straftat, die von allen Vertragsparteien und nicht nur von dem Staat verfolgt werden kann, dem der korrupte Amtsträger angehört … Auch hier (d.h. bezüglich des Wegfalls der bestimmten Zielrichtung bei Bestechung oder Bestechlichkeit, Anm. des Verfassers) sollen nicht nur der freie Wettbewerb, sondern auch das Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen und die Rechtsstaatlichkeitgeschützt werden.“ (Hervorhebung durch den Verfasser).
[18]   Zum Rechtsgut des § 335a StGB siehe Böse, ZIS 2018, 119 ff.; Kubiciel, in: Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Das Verbot der Auslandsbestechung, 2016, S. 45 (47 ff.); Hoven (Fn. 1), S. 501 ff.
[19]   Ablehnend Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. (2019), § 335a Rn. 8.
[20]   Kritisch Gaede, in: Leitner/Rosenau Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 1. Aufl. (2017), § 335a Rn. 1 f.
[21]   Insofern sah Art. 2 § 3 Nr. 1 IntBestG a.F. eine Strafbarkeit wegen Bestechung nur für Deutsche vor; und dies lediglich dann, wenn die Tat im Zusammenhang mit dem internationalen geschäftlichen Verkehr stand. Diese Einschränkung ist mit der Reform weggefallen, dazu sogleich im Text.
[22]   Zu Versuchen, in vergleichbaren Fällen eine Straflosigkeit anzunehmen, etwa durch korrigierende Verneinung des Merkmals „pflichtwidrige Diensthandlung“, siehe Bösem, ZIS 2018, 119 (125 ff.); Hoven (Fn. 1), S. 83 ff.
[23]   BGBl. II 2014, S. 762, in Kraft getreten am 14.12.2005, von Deutschland ratifiziert am 12.11.2014.
[24]   BT-Drs. 18/4350, S. 24. Kritisch Eisele, in: Schönke/Schröder (Fn. 19), § 335a Rn. 7.
[25]   Isfen, JZ 2016, 228 (233 ff.). Instruktiv zur Entstehung von Binnendissonanzen durch die Umsetzung europäischer Vorgaben in das deutsche Strafgesetzbuch siehe Brons,Binnendissonanzen im AT. Die Vorfeld- und Beteiligungsstrafbarkeit nach dem StGB im Spannungsfeld zwischen europäischen Vorgaben und deutscher Strafrechtsdogmatik, 2014, S. 165 ff.
[26]   Vgl. oben I 1 a und c.
[27]   Dazu instruktiv Duttge, in: FS für Weber, 2004, S. 294 ff. an einem anderen Beispiel einer überschießenden Erfüllung von unionsrechtlichen Vorgaben (§ 263a Abs. 3 StGB).
[28]   Isfen, in:FS für Imme Roxin, 2012, S. 232 im Kontext des EU-BestG.
[29]   Vgl. nur BGH, NStZ 2009, 640 (644); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2012), Vor § 3 Rn. 234 ff.
[30]   Isfen, JZ 2016, 228 (234).
[31]   Schünemann, ZRP 2015, 68 (71).
[32]   Ein weiteres aktuelles Beispiel für eine solche überschießende Erfüllung von Vorgaben aus internationalen Übereinkommen findet sich § 5 Nr. 9a lit. b StGB. Die Anwendung des § 226a StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien) bei Taten gegen Frauen, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten, geht zurück auf Art. 44 Abs. 2 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11.5.2011 (Istanbuler-Konvention), BGBl. II 2017, S. 2016. Die Vertragsstaaten waren zur Implementierung eines solchen passiven Personalitätsprinzip in Form des Domizilprinzips nicht verpflichtet, sondern sollten sich (lediglich) darum „bemühen“, so ausdrücklich im Vertragstext.
[33]   Legaldefiniert in Art. 2 Abs. 1 lit. d Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), BGBl. II 1985, S. 927: „Eine wie auch immer formulierte oder bezeichnete, von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder bei dem Beitritt zu einem Vertrag abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern“.
[34]   Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl. (2017), § 6 Rn. 74.
[35]   Ebenso die Systematik in Art. 6 EU-Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der EG (Fn. 10) und Art. 7 EU-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EG oder der Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind (Fn. 11). Um eine faktische Straflosigkeit wegen des Verbots der Auslieferung eigener Staatsangehöriger (Art. 16 Abs. 2 GG) zu verhindern, besteht bei solchen Vorbehaltserklärungen regelmäßig die Verpflichtung der Vertragspartei, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, „um ihre Gerichtsbarkeit über die aufgrund dieses Übereinkommens umschriebenen Straftaten in den Fällen zu begründen, in denen sich eine verdächtige Person in ihrem Hoheitsgebiet befindet und sie sie, nachdem ein Auslieferungsersuchen gestellt worden ist, nur deshalb nicht an eine andere Vertragspartei ausliefert, weil sie ihre Staatsangehörige ist“ , so beispielsweise Art. 17 Abs. 3 Europarat-Strafrechtsübereinkommen. Einer solchen Verpflichtung kommt Deutschland regelmäßig bereits nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach.
[36]   Abrufbar unter: https://www.coe.int/de/web/conventions/search-on-treaties/-/conventions/treaty/173/declarations?p_auth=St26IdRe (zuletzt abgerufen am 28.12.2018).
[37]   Der Umstand, dass die allermeisten Vertragsstaaten die Anwendung des Art. 5 in Bezug auf Bestechlichkeit nicht, wie Italien, gänzlich ausgeschlossen haben oder eine Erklärung nach Art. 36 zur Beschränkung auf dienstpflichtwidrige Handlungen nicht, wie die Schweiz und Deutschland, abgegeben haben, ist mit der konsequenten Annahme verbunden, dass sie bereits die Vorteilsannahme ausländischer Amtsträger (!) nach Art. 5 ihrem innerstaatlichen Strafrecht unterwerfen. Es darf gleichwohl angezweifelt werden, ob ein diesbezügliches Bewusstsein bei allen Vertragspartnern vorgelegen hatte und überall eine entsprechende Rechtslage besteht bzw. eine Umsetzung erfolgt ist.
[38]   Auf dieser Linie bewegt sich auch der Regierungsentwurf zur Umsetzung der Richtlinie EU 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug, vgl. Fn. (9), S. 22 f.
[39]   Wortgleich Art. 11 Abs. 2 Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (Fn. 9), Art. 6 Abs. 2 EU-Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der EG (Fn. 10), Art. 7 Abs. 2 EU-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EG oder der Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind (Fn. 11) und Art. 78 Abs. 2 Istanbuler Konvention (Fn. 32). In internationalen Übereinkommen wird gewöhnlich zunächst der obligatorische Teil der Strafgewaltbegründung erwähnt, um anschließend die fakultativen Erweiterungsmöglichkeiten aufzuzählen, so etwa Art. 42 Abs. 2 UN-Konvention gegen Korruption (Fn. 23) („kann seine Gerichtsbarkeit auch begründen“) oder Art. 44 Abs. 2 Istanbuler Konvention („Die Vertragsparteien bemühen sich…“).
[40]   Gaede, Gutachten zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption (BT-Drs. 18/4350), S. 27.
[41]   Vgl. BT-Drs. 18/4350, S. 15: „Es werden im Bereich des Korruptionsstrafrechts Vorschriften aus dem Neben- in das Kernstrafrecht (§ 335a StGB) überführt, um eine bessere Übersichtlichkeit und Vereinheitlichung der Regelungen sicherzustellen.“
[42]   Schünemann, ZRP 2015, 68 (71): „Ein mit verfehlten Forderungen gespicktes Übereinkommen braucht schlichtweg nicht ratifiziert zu werden.“
[43]   Gaede (Fn. 40), S. 25.
[44]   Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (Fn. 34), § 5 Rn. 61.
[45]   Zu diesen drei Funktionen des Art. 59 Abs. 2 GG siehe Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.) Grundgesetz-Kommentar, 84. EL (2018), Art. 59 Rn. 93. Näher dazu Hettsche, Die Beteiligung der Legislative bei Vorbehalten zu und Kündigung von völkerrechtlichen Verträgen, 2018, passim
[46]   Allerdings begründet das Zustimmungsgesetz keine Verpflichtung der Regierung zur Ratifikation des Übereinkommens, siehe Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. (2014), Art. 59 Rn. 63.
[47]   Schünemann, ZRP 2015, 68 (71).
[48]   Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Fn. 45), Art. 59 Rn. 75; Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Fn.46), Art. 59 Rn. 87.
[49]   Will, Jura 2015, 1164 (1171) Rn. 72; Pieper, in: BeckOK-Grundgesetz, 39. Ed. 15.11.2018, Art. 59 Rn. 34.1; Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Fn. 46), Art. 59 Rn. 87. m.w.N.

 

 

 

 

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