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Das „Donaulied“ – strafwürdige Verharmlosung sexueller Übergriffe oder sozialadäquate Traditionspflege?

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

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Abstract 
In der niederbayerischen Metropole Passau sowie einigen weiteren Städten der Region ist gegenwärtig in der Bevölkerung eine heftige Auseinandersetzung über ein Lied im Gang, das regelmäßig auf Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen aufgeführt und gesungen wird. Es handelt sich um das „Donaulied“, das die Initiatoren einer Petition – Studenten der Universität Passau – wegen sexistischer Textpassagen verbieten lassen wollen, während es ihre Widersacher als Ausdrucksform bayerischer Volkstümlichkeit für unantastbar erklären. „Weg mit dem Donaulied“ und „Hände weg vom Donaulied“ könnte man die konträren Standpunkte propagandistisch zugespitzt etikettieren. Die Trumpfkarte des Strafrechts wird in diesem Streit von den Gegnern des Liedes zur Bekräftigung ihrer Forderungen offenbar noch nicht ausgespielt. Das kann daran liegen, dass diese Karte (noch) nicht sticht, weil das Strafrecht in Bezug auf diesen Gegenstand seine vielgepriesene Fragmentarität zeigt, also eine Strafbarkeitslücke aufweist. Angesichts des Bestrafungseifers, mit dem die Politik in den letzten Jahren das Strafrecht vielfältig zur Bekämpfung sexuell konnotierter Übergriffe – z.B. zuletzt „Upskirting“ – ertüchtigt hat, wäre das ein überraschender Befund. Aber die Analyse des geltenden Strafrechts wird bestätigen, dass hier tatsächlich noch eine strafrechtsfreie Nische existiert. Die nunmehr öffentlich wahrgenommene Anstößigkeit des Donaulieds könnte also im wahrsten Sinne des Wortes Anstoß sein zu einer Gesetzgebungsinitiative. Ob es dieser aber wirklich bedarf, sollte gründlich überlegt werden. 

In the Lower Bavarian metropolis of Passau as well as in some other cities in the region, there is currently a fierce debate among the population about a song that is regularly performed and sung at folk festivals and similar events. It is the „Donaulied“, which the initiators of a petition – students of the University of Passau – want to have banned because of sexist lyrics, while their opponents declare it to be inviolable as an expression of Bavarian folklore. „Away with the Donaulied“ and „Hands off the Donaulied“ you/one could label the opposing positions propagandistical pointedly. The trump card of criminal law is apparently not played out yet in this dispute by the opponents of the song in support of their demands. This may be due to the fact that this card does not sting (yet), because criminal law shows its much-vaunted fragmentary character with regard to this subject, that means there is a gap in punishability. In view of the eagerness with which politics has used criminal law in recent years in various ways to combat sexual assaults – e.g., most recently „Upskirting“ – this would be a surprise finding. But an analysis of the existing criminal law will confirm, that there is still a niche here that is free of criminal law. The offensiveness of the Donaulied, which is now perceived publicly, could be the impuls for a legislative initiative. If this is really necessary, should be thoroughly considered.

I. Einleitung

Es sind nur wenige Zeilen, die das simple und im Übrigen harmlose Liedchen zum Skandalon machen und möglicherweise sogar in den Fokus des Strafrechts rücken. Von manchen Interpreten wird das Lied mit einem stellenweise abgewandelten, an den entscheidenden Stellen weichgespülten Text vorgetragen. Das mag mit ein Grund dafür sein, dass ein Teil der Bevölkerung die Aufregung für übertrieben hält und der Initiative der Passauer Studenten ablehnend oder gleichgültig gegenübersteht. In der härtesten im Umlauf befindlichen Fassung jedoch berichtet der männliche Ich-Erzähler von einem Spaziergang am Donauufer, bei dem er auf ein schlafend am Strand liegendes „Madel“ traf. Über diese Frau, die ihre Beine „weit von sich gestreckt“ hatte, „machte“ sich der Spaziergänger „her“. Wenig Phantasie bedarf es sich vorzustellen, dass dies die Schilderung eines Geschlechtsverkehrs ist, in den die Frau nicht eingewilligt hat. So etwas nennt man „Vergewaltigung“ und so bezeichnet eine derartige Handlung auch das StGB in § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1. Die Tat, bei der die schutzlose Lage der Frau ausgenutzt wird, ist ein Verbrechen, das mit bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Wenn also – was tatsächlich passiert – dieses Lied zum Beispiel auf einem großen Volksfest vor hunderten mitsingenden Zuschauern zum Vortrag gebracht wird, darf die Frage nach der strafbaren Qualität dieses Geschehens gestellt werden. Da es bislang wohl keine strafrechtlichen Ermittlungen gegeben hat, wird die Prüfung nach der lex lata wahrscheinlich auf das Ergebnis der Straflosigkeit hinauslaufen (unten II.). Daher besteht anschließend Anlass zu der Überlegung, ob hier ein strafwürdiges und strafbedürftiges Verhalten vorliegt, das de lege ferenda pönalisiert werden sollte (unten III.).

II. Strafbarkeit nach geltendem Recht

1. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

Der Liedtext hat eine Tat zum Gegenstand, die nach geltendem Strafrecht als qualifizierter sexueller Übergriff in einem besonders schweren Fall (Vergewaltigung) gem. § 177 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5, Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB Verbrechensqualität hat. Gewiss wird sich nie nachweisen lassen, dass irgendein Täter eines realen straftatbestandsmäßigen Angriffs auf die sexuelle Selbstbestimmung einer Frau durch dieses Lied bzw. seine Vorführung vor Publikum oder auf Tonträger zu seiner Tat inspiriert worden ist. Zudem ist allen an der Produktion, Verbreitung oder Darbietung des Liedes beteiligten Personen zugute zu halten, dass sie Folgen dieser Art natürlich nicht wollen, also keinen diesbezüglichen Vorsatz haben. Daher kommt eine Strafbarkeit wegen vollendeter Anstiftung zum qualifizierten sexuellen Übergriff (§§ 177 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5, Abs. 6, 26 StGB) nicht in Betracht. Auch eine versuchte Anstiftung (§ 30 Abs. 1 StGB) zur Begehung eines solchen Verbrechens kann niemandem ernsthaft vorgeworfen werden. Entsprechendes gilt für die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB.

Weniger fernliegend erscheint eine Strafbarkeit wegen psychischer Beihilfe. Insbesondere als Teil eines gruppendynamischen Prozesses im subkulturellen Vatertags-Milieu mag das gemeinsam gegrölte Lied zusammen mit der Wirkung in großen Mengen genossenen Alkohols eine eskalierende Dynamik entfalten, die sich in der kollektiven Vergewaltigung einer jungen Frau durch enthemmte junge Männer entlädt. Dieses Muster ist nicht zufällig beliebtes Plot von Kriminalromanen oder -filmen,[1] denn es kommt in der Realität wohl vor. Indessen dürfte auch hier der forensische Nachweis eines konkreten Förderungszusammenhanges einschließlich des erforderlichen Vorsatzes kaum zu führen sein. Eventuell hilft hier aber § 184j StGB.

Nach der legislativen Systematik gehören auch Pornographiedelikte (§§ 184 ff StGB) zu den „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ (Dreizehnter Abschnitt des BT). Da über das Alter des betroffenen „Madels“ in dem Lied keine Mitteilung gemacht wird, existiert für eine Einordnung in die Kategorien kinder- oder jugendpornographischer Schriften (§§ 184b, 184c StGB) keine tragfähige Grundlage. Auch wird man in der Vergewaltigung einer schlafenden Frau zwar einen Akt der „Gewalt“, nicht aber „Gewalttätigkeit“ i.S.d. § 184a S. 1 StGB sehen können. Gewalttätigkeit setzt ein größeres Maß an aggressiver Eingriffsintensität gegen den Körper des Opfers voraus als Gewalt.[2] Davon abgesehen begründet nicht jeder Sexualbezug einer Darstellung deren pornographischen Charakter.[3] Dabei kommt es nicht allein darauf an, „was“ beschrieben wird, sondern auch „wie“ dies geschieht: „der Ton macht die Musik“. Essentiell für Pornographie – zumal strafwürdige – ist somit ein erhebliches Maß an Derbheit, Grobheit, Dreckigkeit. Davon ist das Donaulied bei aller geschmacklichen Fragwürdigkeit weit entfernt. Wäre dem anders, hätten die zuständigen Behörden des Freistaats Bayern längst eingegriffen und das inkriminierte Liedgut aus dem Verkehr gezogen. Immerhin versichert die Verfassung des Freistaats in Artikel 110 Abs. 2, dass die Bekämpfung von „Schmutz und Schund“ Aufgabe des Staates und der Gemeinden sei.

Meines Wissens noch nicht erörtert wurde im Zusammenhang mit dem neuen Straftatbestand „sexuelle Belästigung“, ob Instrument einer „körperlichen Berührung“ i.S.d. § 184i Abs. 1 StGB auch Schallwellen sein können.[4] Dass Lautstärke ab einem bestimmten Pegel körperliche Schmerzen verursachen und daher Körperverletzung sein kann, steht außer Frage.[5] Folglich muss damit der Körper des Opfers berührt werden. Man könnte also erwägen, dass das laute Absingen des Liedes vor allem durch männliche Wesen in Anwesenheit von Frauen für diese eine sexuelle Belästigung sein kann. Aber Lautstärke also solche verleiht dem Deliktstypus „sexuelle Belästigung“ nicht seine prägenden Akzente. Entscheidendes Kriterium der Tatbestandsmäßigkeit ist die „sexuell bestimmte Weise“ der Berührung. Der Sexualbezug ergibt sich aus dem Inhalt des Liedes und dieser wird dem Opfer nicht körperlich vermittelt.[6] Eine „sexuell bestimmte“ Körperberührung findet also nicht statt.

2. Straftaten gegen die Ehre

Wäre das „Madel“ eine real existierende Frau, würde diese durch das Lied und seine Wiedergabe in ihrer Ehre verletzt werden. Man stelle sich einmal vor, ein verschmähter Verehrer rächt sich für die Zurückweisung durch „Lieschen Müller“, indem er diese identifizierbar als Opfer der Vergewaltigungsszene in dem Donaulied abbildet. Eine Beleidigung i.S.d. § 185 StGB wäre das allemal. Denn der geschilderte Umgang mit dem Körper der schlafenden Frau würdigt diese zum Objekt herab, an dem ein Lustmolch seine sexuelle Gier wie an einer Gummipuppe ausleben kann. Im Verfassungsrecht wird bekanntlich zur Konkretisierung der Verletzung  der „Menschenwürde“ auf die „Objektformel“ abgestellt.[7] Die Würde des Menschen als Person wird verletzt, wenn er/sie zum bloßen Objekt degradiert, also wie eine leblose Sache behandelt wird.[8] Genau das passiert mit einer Frau, die im Schlaf von einem Mann vergewaltigt wird. Verletzung der Menschenwürde ist mehr als Verletzung der persönlichen Ehre, schließt diese mit ein. Nun ist die schlafende Frau des Liedes eine fiktive anonyme Person weiblichen Geschlechts. Strafbarkeit wegen Beleidigung kommt also allenfalls in Form einer Kollektivbeleidigung aller Frauen oder jeder individuellen Frau „unter einer Kollektivbezeichnung“ in Betracht. Eine Frau, die das Lied hört, könnte sich einem Personenkreis zugehörig fühlen, deren Mitglieder von Männern ungehindert als Objekte sexueller Triebbefriedigung benutzt werden, was nicht etwa Empörung hervorrufen würde, sondern im Gegenteil auf Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zur Belustigung des Publikums öffentlich propagiert wird. Frei nach der Devise: „Mit Frauen kann man so etwas machen – denn sie wollen es ja!“. Wie demütigend ist das! Aber die Dogmatik der Ehrverletzungsdelikte lässt hier weder das Urteil einer Beleidigung „der Frauen“ als Gruppe (Beleidigung des Kollektivs)[9] noch einzelner Frauen als Teil des Kollektivs zu. Denn der erforderliche „Bezug auf bestimmte, individualisierbare Personen, die deutlich aus der Allgemeinheit hervortreten“[10] ist hier nicht gegeben. Eine Strafbarkeit aus §§ 185 ff. StGB ist also auch nicht zu begründen.

3. Straftaten gegen die öffentliche Ordnung

An dem Lied und der Art seiner Präsentation in der Öffentlichkeit nehmen gewiss nicht nur Frauen Anstoß, die das Thema mit feministischem Impetus in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang vor dem Hintergrund systematischer Benachteiligung und sexistischer Insultierung – z. B. im Beruf – sehen und  verständlicherweise als wirkliche oder potentielle Betroffene ein unmittelbares Interesse haben. Denn das Rechtsgut, um dessen möglicherweise strafwürdige Beeinträchtigung es geht, kann man als ein Interesse der Allgemeinheit an einem sozialen Klima definieren, in dem Gewaltfreiheit, Friedlichkeit und gegenseitiger Respekt als Maximen zivilen Zusammenlebens einen so hohen Stellenwert und Anerkennungsgrad haben, dass die Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen nicht von Kriminalitätsfurcht und der Last viktimologisch fundierter Abschottung und Einigelung verengt werden. Jeder einzelne soll sich frei und sicher fühlen können und nicht ständig auf der Hut davor sein müssen, Räubern oder Vergewaltigern in die Hände zu fallen. Durch Strafdrohung die Entstehung und Verfestigung einer feindseligen aggressiven Atmosphäre zu verhindern, bedeutet letztendlich Schutz individueller Freiheit, weil Menschen, die Angst haben, sich nicht frei im öffentlichen Raum bewegen, sondern in ein Schneckenhaus zurückziehen, um nicht verletzt zu werden. Strafrechtlicher „Klimaschutz“ – Schutz eines kollektiven „Zwischenrechtsguts“ – ist letztlich mediatisierter Individualgüterschutz.[11] Das Strafrecht kennt eine Vielzahl von Delikten, deren Angriffsrichtung rechtsgutstheoretisch schwer fassbar durch den Begriff „öffentlicher Frieden“ gekennzeichnet ist. Eines dieser Delikte, das dem Phänomen „Donaulied“ recht nahekommt, ist die Belohnung und Billigung von Straftaten gemäß § 140 StGB. Zu den einschlägigen Bezugstaten gehören auch die qualifizierten Formen des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 4 bis 8 StGB. Pönalisiert ist die Belohnung oder zur Friedensstörung geeignete öffentliche Billigung solcher Taten. Strafbarkeitsvoraussetzung ist allerdings eine tatsächlich begangene vollendete oder zumindest versuchte Vortat[12], woran es beim Donaulied natürlich fehlt. Aber dennoch zeigt § 140 StGB die Richtung an, in die gesetzgeberische Initiativen sich bewegen könnten.

4. Nebenstrafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht

Sind Gewalt, Sexualität und die Kombination von beiden Inhalte von Medien, können aus Gründen des Jugendschutzes Verbote und Sanktionen veranlasst sein. Die Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien (§ 18 JuSchG) zieht vielfältige Umgangsverbote (§ 15 JuSchG) und diese flankierend Strafbarkeit (§ 27 JuSchG) nach sich. Von den in § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG exemplarisch genannten Kriterien für die Indizierung kommt hier allenfalls das Prädikat „unsittlich“ in Betracht. Aber insgesamt dürfte das Donaulied den für staatliche Intervention erforderlichen Gefährlichkeitsgrad deutlich unterschreiten. Tatsächlich ist die Bundesprüfstelle bis jetzt nicht eingeschritten, woran sich trotz Petition gewiss nichts ändern wird. Da also eine Strafbarkeit des Umgangs mit Donaulied-Trägermedien nicht begründet ist, besteht auch kein Strafbarkeitsrisiko bei Verbreitung des Liedes mittels Rundfunk oder Telemedien gemäß § 23 JMStV. Am Ende der Suche nach geeigneten Anknüpfungspunkten im geltenden Strafrecht bleibt somit das Fazit, dass mehr als ordnungswidriges Verhalten nach § 118 OWiG den Verteidigern des Donauliedes gegenwärtig nicht vorgeworfen werden kann.[13]

III. Strafbarkeit de lege ferenda

Das Donaulied und die typischen Begleitumstände seiner Interpretation in „lockerer“, „angeheiterter“ Atmosphäre vor einem vergnügungssuchenden alkoholaffinen Publikum in Bierzelten und ähnlichen Örtlichkeiten, verharmlosen die Begehung einer fiktionalen Tat, die jemandem, der sie tatsächlich ausführte,  eine mehrjährige Freiheitsstrafe einbringen würde. Dass damit weder explizit noch unterschwellig eine Aufforderung zur Tatbegehung kommuniziert wird, wurde oben schon eingeräumt. Verharmlosende Darstellung eines Objekts, das alles andere als harmlos ist, pönalisiert das Strafrecht in § 131 Abs. 1 StGB. Dies ist die einzige Strafvorschrift, in der Strafwürdigkeit mit diesem Begriff in Verbindung gebracht wird. Eine rationale Erklärung für das vom Gesetzgeber behauptete Bestrafungsbedürfnis zu formulieren, fällt schwer. Dass Verherrlichung oder Verharmlosung von Brutalitäten auf nachahmungsbereite Personen stimulierend wirken könnte, wird für möglich gehalten. Jedenfalls ließen sich solche Effekte nicht ausschließen und dies genüge, um der Strafvorschrift verfassungsrechtliche Legitimität zu verschaffen.[14] Das ist allerdings kein sehr stabiles Fundament. Wenn § 131 StGB die „Messlatte“ für eine Pönalisierung kriminalitätsverharmlosender Äußerungen darstellt, hat dies die Konsequenz, dass das Donaulied und vergleichbare Texte bei der Strafwürdigkeitsprüfung „durchfallen“. Wer die im Lied geschilderte Behandlung des schlafenden „Madels“ als schlimm und geschmacklos empfindet, ist weder prüde noch überempfindlich, sondern einfach nur anständig und vernünftig. Aber bei der gebotenen nüchternen Betrachtung sine ira et studio ist auch zuzugeben, dass die Szene weder Grausamkeit noch Unmenschlichkeit präsentiert. Unter Berücksichtigung der erstaunlich milden Strafdrohung des § 131 StGB bleibt somit für eine Pönalisierung verharmlosender Darstellungen von Verbrechen, die weder grausam noch unmenschlich sind, allenfalls ein minimaler Spielraum. Diesen gesetzgeberisch so auszufüllen, dass dadurch keine schwierigen Konflikte der Strafvorschrift selbst und ihrer einzelfallbezogenen Anwendung mit Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 GG heraufbeschworen werden, wäre ein Kunststück.

IV. Schluss

Strafrecht ist das letzte Mittel zur Verteidigung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder gegen nicht hinnehmbare Angriffe auf ihre Rechtsgüter. Wo der Schutzbedarf durch nichtstrafrechtliche Instrumente der Rechtsordnung oder gar unjuristisch befriedigt werden kann, ist für das Strafrecht kein Platz. Wie eine Gesellschaft ihre im Verborgenen liegenden Selbstreinigungskräfte mobilisiert und dadurch möglicherweise einem Missstand abhilft, bevor  eine kriminalpolitische Debatte zu dem Thema anhebt, dafür könnte der Streit um das Donaulied ein Lehrstück sein. Dabei zeigt sich vielleicht, dass die größere Gefahr für die friedliche Atmosphäre im Land nicht von denjenigen Akteuren ausgeht, die ein solches Lied produzieren und vor Publikum zur Aufführung bringen, sondern von denen, die ihnen feixend und schenkelklopfend applaudieren und die gegen die couragierten jungen Aktivisten  pöbeln. Dagegen ist aber kein strafrechtliches Kraut gewachsen, sondern da hilft nur kluge und mutige politische Überzeugungsarbeit. Möge also das Strafrecht das Donaulied in Ruhe lassen. 

 

[1]      Die meisten Leser werden zu jung sein, um die denkwürdige ARD-Tatort-Folge „Himmelfahrt“ mit dem großartigen Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke am 13.8.1978 gesehen zu haben.
[2]      Hörnle, in: MüKo-StGB, Band 2/2, 2005, § 184a Rn. 5.
[3]      Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 21.
[4]      Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 184i Rn. 4: Die Berührung kann auch „über einen vom Täter eingesetzten Gegenstand vermittelt sein“.
[5]      Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 223 Rn. 4.
[6]      Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184i Rn. 4: Sexualbezogene Bemerkungen werden allenfalls von § 185 erfasst.
[7]      BVerfG, NStZ 1993, 75 (76).
[8]      Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 131 Rn. 11.
[9]      Rengier, Strafrecht BT II, 21. Aufl. (2020), § 28 Rn. 9 ff.
[10]    Rengier, Strafrecht BT II, § 28 Rn. 14.
[11]    Zutreffend Hohmann, in: MüKo-StGB, § 140 Rn. 2 zum Schutzzweck des § 140 StGB, der nach der h.M. die „Allgemeinheit vor der Schaffung eines psychischen Klimas, in dem neue Delikte dieser Art gedeihen können“ (so Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 140 Rn. 1) schütze.
[12]    Hohmann, in: MüKo-StGB, § 140 Rn. 6.
[13]    Vgl. die „Einzelfälle“ bei Senge, in: KK-OWiG, 5. Aufl. (2018), § 118 Rn. 20a: Absingen anstößiger Lieder, Äußerungen unzüchtigen Inhalts.
[14]    Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 131 Rn. 1.

 

 

 

 

 

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