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Wissenschaft oder Heuchelei? – eine Antwort auf Hoven, KriPoZ 3/2021, 182

von Prof. Dr. Gunnar Duttge

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Abstract
Die Kritik an Rezensionen ist so alt, wie es Rezensionen gibt – und sie ist aus Autorensicht leicht nachzufühlen: Denn wer hat sich als Verfasser[1]eines Werkes nicht selbst schon einmal falsch gedeutet gesehen und sich nicht über manche Zuschreibung und Bewertung geärgert? Manchen mag dabei im Augenblick „heiligen Zorns“ vielleicht sogar Goethes Rezensenten-Spruch[2] übermannt (oder überfraut?)[3] haben. Meist haben sich die Gemüter jedoch schnell wieder beruhigt – nicht selten durch das Erscheinen weiterer, aber „gefälligerer“ Rezensionen. Neuerdings wird die Literaturgattung jedoch als solche, aus Anlass zweier Rezensionen[4], innerhalb der Strafrechtswissenschaft[5] des organisierten Machtmissbrauchs verdächtigt und deshalb wenigstens ihre Zensur, wenn nicht gar Abschaffung empfohlen. Dieses Ansinnen kann nicht unwidersprochen bleiben.

The criticism of reviews is as old as reviews themselves. It is easy to understand it from the author’s point of view: Who, as an author, has not seen himself misinterpreted and has not been upset by some attribution and evaluation? Some, in a moment of “holy anger”, may even have been overwhelmed like the persona in Goethe’s poem “Rezensent”. In most cases, tempers have calmed down quickly, often because of further, but more “pleasing” reviews. On the occasion of two recent reviews, however, the literary genre as such is suspected of organized abuse of power within the criminal law science community. Thereof arise recommendations of censorship, if not abolition, of the genre. This request cannot go unchallenged.

I. Was ist das Problem?

Gewiss: Die Anforderungen an eine „gute“ Rezension sind hoch, und nicht alle, die geschrieben worden sind oder noch geschrieben werden, sind in gleicher Weise lesenswert. Schon der im rezensionsverliebten ausgehenden 18. Jahrhundert wirkende Enzyklopädist J.G. Krünitz wusste, dass für eine wirklich lesenswerte Rezension „viel Scharfsinn, viel Uebung des Verstandes, viel Erfahrung und viel Unparteylichkeit“ erforderlich ist, und dass es manchem Rezensenten womöglich „bald an dem einen oder dem anderen …, bald gar an allem zu fehlen pflegt“[6]. Vom Soziologen Frank Bardelle stammt mit Blick auf die „subjektiven Gestaltungs- und Verunstaltungsmöglichkeiten“ eine Typologie zum jeweiligen „rezensiven Habitus“ des Rezensenten, die vom Typus „Hase und Igel“ (der Rezensent weiß es immer besser), „Knock-out“, der „Verbeugung vor dem Mandarin“ bis zur „Verlegenheitsrezension“ reicht:[7] Hier bleibt dem Leser auch nach der zweiten oder dritten Lektüre schlechterdings unklar, ob das besprochene Werk nun „als genial oder als ausgemachter Unsinn“ angesehen werden sollte; der Rezensent wusste also offenbar nicht, was er von dem Buch halten soll – und dem Leser geht es mit der Rezension ebenso.[8] Was bei dieser Typologie allerdings fehlt und heute, drei Jahrzehnte später, unbedingt hinzuzufügen wäre, ist der Typus „piep piep, wir haben uns alle lieb“: Dem Autor wird mit überbordender (oberflächlicher) Freundlichkeit „großer Fleiß“ und „große Belesenheit“ (und manches mehr, was ohnehin selbstverständlich wäre) bescheinigt, hinter der die eigentlich notwendige Kritik an der Sache zwecks Schonung des Autors gut versteckt, wenn nicht gar nahezu unsichtbar wird.

Man könnte meinen, dass solche Rezensionen, die nach hiesiger Beobachtung (jedenfalls im Bereich des Strafrechts)[9] inzwischen keineswegs selten vorkommen, immerhin keinen Schaden anrichten: Denn der Autor kann sich über Lob und an der Illusion erfreuen, dass ihm doch – da unwidersprochen – offenbar ein wahrlich „großer Wurf“ gelungen sei, und der Rezensent muss nicht darüber grübeln, ob er einem Kollegen – mit u.U. unerfreulichen Folgen für die eigene Person – auf die Füße getreten sein oder einem hoffnungsfrohen Talent die anvisierte akademische Karriere erschwert haben könnte. Doch bei Weitem gefehlt: So wenig, wie es Aufgabe eines Arztes ist, die „Selbstbestimmung“ oder gar „Selbstverwirklichung“ seiner Patienten zu befördern,[10] ist es Aufgabe des Rezensenten, die Schwächen vor seinem lesenden Auge als wahrer Gentleman „höflich“[11] mit dem Mantel des Schweigens zu bedecken. Rezensionen sind vielmehr – neben anderen Publikationsformen – essentieller Teil des „institutionalisierten Skeptizismus“[12] jedweder Form von wissenschaftlicher Wissenserzeugung, ein Instrument der „kritischen“ Prüfung im „Geist der Aufklärung“[13]. Das zuvor methodisch Erarbeitete, schriftlich Verfasste und durch öffentliche Publizität mit einem wissenschaftlichen Geltungsanspruch versehende Werk verlangt geradezu nach kritischer Prüfung innerhalb der Science Community, sofern nicht allgemeiner Stillstand Einkehr halten soll, und die Rezension ist die unmittelbarste literarische Form, um ein neues Werk eben dieser Gemeinschaft zur Kenntnis zu bringen, nach Maßgabe des bisherigen Standes der Erkenntnisse einzuordnen und – natürlich – hinsichtlich ihrer Ergebnisse, ihrer Argumentation und ihrer sonstigen Qualitätsmerkmale zu bewerten.

Insofern ist der Rezensent zweifelsohne ein „Zensor“ (lat. recēnsio) und nicht etwa ein Repetitor oder gar Produktverkäufer – aber einer, der in hohem Maße begründungspflichtig und sich dessen aufgrund seines eigenen namentlichen Auftretens auch sehr bewusst ist. „Verrisse“ coram publico sind daher – so auch die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von Helmut F. Spinner – weit seltener zu erwarten als in anonymen Fachgutachten.[14] Eine mögliche Interpretation dieses Befundes – und gewiss nicht die unschlüssigste – ist die Annahme, dass die unverstellte Aufrichtigkeit in Rezensionen, die sich eben auf das Werk eines ganz konkreten, namentlich benannten Autors bezieht, aus mitmenschlicher „Milde“ mitunter leidet. Sich jedoch in dieser Weise vom eigentlichen Auftrag ablenken und in seinem ungetrübten Urteil beeinflussen zu lassen, ist ganz gleichgültig, ob dies zu Gunsten oder durch sachfremde Erwägungen auch zu Lasten des Autors geschieht, eine spezifische Form der Selbstkorrumpierung aus falscher Loyalität.

II. Drei (schwere) Irrtümer

Der erste von drei Irrtümern Hovens liegt also darin, die Verantwortungsbeziehung eines Rezensenten in Richtung der Autoren rezensierter Werke zu verorten: Gewiss gewinnt auch der Autor des Werkes aus einer kritischen Rezension konkrete Aufschlüsse, um – soweit willig – hinzuzulernen. Eine „Verantwortung gegenüber Nachwuchswissenschaftlern“[15] hat der Rezensent jedoch nicht (und ebenso wenig gegenüber anderen Werkautoren), sondern einzig und allein eine Verpflichtung als Mitglied der Science Community: Ihr gegenüber steht er in der Verantwortung, eine in jeder Hinsicht seriöse, fachkundige, differenzierte, verlässliche Buchbesprechung zu präsentieren, die insbesondere darüber aufklärt, inwieweit bisher für „richtig“ Gehaltenes durch das neue Werk womöglich zu hinterfragen, zu bezweifeln und ggf. neu zu denken ist. Es geht also um nicht weniger als um die fundamentale Basis wissenschaftlicher Kommunikation und ggf. wissenschaftlichen Fortschritts durch Falsifikation oder – einstweilen fortbestehende – „Bewährung“[16] der bisherigen Annahmen. Daher ist der Rezensent als „Stimme seiner Wissenschaft“ einzig „dem Ethos dieses Amtes“ verpflichtet.[17] Und nur soweit ihm dies auch tatsächlich gelingt, hat sein Votum Gewicht. Die Sorge, dass unrichtige, das Werk entstellende oder gar diffamierende Zuschreibungen zum bleibenden Stigma innerhalb der gesamten Wissenschaftsgemeinde mutieren könnten, lässt sich aus der Warte aufstrebender Nachwuchswissenschaftler oder junger Kollegen bestens mitfühlen; in der Sache ist dieser Sorge jedoch eine maßlose Überschätzung des Einflusses eines Rezensenten inhärent, vor allem aber eine nicht geringere Unterschätzung des wissenschaftlichen Ethos aller Fachkollegen – sofern diesen nicht gar ein ausgeprägter Hang zur Bequemlichkeit beim Gebrauch des eigenen Verstandes unterstellt wird.[18]

Mit dem ersten hängt der zweite Irrtum unmittelbar zusammen: Wissenschaft ist ein perpetuum mobile fortlaufend miteinander kommunizierender Röhren. Jede wissenschaftliche Publikation enthält die Verheißung auf evtl. neue Ideen und Impulse zum kritischen Weiter- oder Überdenken (sonst wären sie gänzlich uninteressant); bei Qualifikationsschriften, die bekanntermaßen (auch Rezensenten bekannt) mit hohem, mitunter die Grenzen der Zumutbarkeit überschreitendem Aufwand verfasst wurden, spricht gerade deshalb prima vista in besonderer Weise eine Vermutung für Innovation und geistige Erhellung. Die Forderung, sich hiermit nicht „kritisch-negativ“ (Subtext: gerne aber wohlwollend-zustimmend) auseinanderzusetzen, wäre daher ein kapitaler Selbstwiderspruch, weil mit eben diesem Anspruch auf Teilhabe am wissenschaftlichen Diskurs jeder wissenschaftliche Text zuvor publiziert wurde. Kein wissenschaftlicher Text hat daher Anspruch auf einen unangefochtenen Geltungsanspruch und ausbleibenden Widerspruch – und dies selbstredend ganz unabhängig davon, ob die Buchbesprechung in herkömmlich gedrucktem oder einem online-Format veröffentlicht wurde.[19] Nun bestreitet Hoven aber auch nicht die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung überhaupt, sondern sieht eben nur Rezensionen nicht als sonderlich geeignetes Format hierfür: Diese Annahme erstaunt schon mit Blick auf die bekannten Fachjournale des Strafrechts (man denke etwa an die tiefschürfenden Buchbesprechungen der ZStW oder den umfangreichen, nicht weniger anspruchsvollen Rezensionsteil der GA), mehr noch mit Rücksicht auf andere Fachdisziplinen.[20] Von Gerd Roellecke stammt sogar eine „Wissenschaftsgeschichte in Rezensionen“[21]. Aus Hovens Geringschätzung[22] mögen daher berechtigte Zweifel an der jüngeren Entwicklung hin zu verknappten, inhaltlich ausgedünnten, möglichst auch für Werbezwecke geeignete Rezensionen sprechen, sie trifft aber mitnichten die Literaturgattung als solche (und im Übrigen schon gar nicht die bemakelten beiden Rezensionen,[23] die sich ausnehmend detailliert, ja geradezu akribisch mit den besprochenen Werken auseinandersetzen).

Daraus folgt zugleich: Die Qualität von Rezensionen lässt sich nicht beurteilen, ohne zugleich ihren Bezugsgegenstand in den Blick zu nehmen. Denn sie antworten auf eine „Provokation“ (in Buchform), an der sie sich „messen, aber auch messen lassen müssen“[24]. Zeichnet sich das besprochene Werk durch eine massierte Zahl von schwerwiegenden Mängeln aus, oder kann es den selbst erklärten hohen (mitunter überhöhten) Anspruch eindeutig nicht einlösen, so ist es die hehre „Amtspflicht“ eines Rezensenten, diesen Befund nicht für sich zu behalten, sondern unmissverständlich auszusprechen und – je negativer der Befund, um so detaillierter – zu begründen. Dass der Autor des besprochenen Werkes dem wehrlos ausgeliefert sei, weil dem Rezensenten eine der objektiven Vernunft nahekommende Machtposition zukomme,[25] ist der dritte Irrtum: Kein Mitglied der Science Community verkennt, dass auch der Rezensent – wie sollte es denn anders sein? – kraft eigener Vorverständnisse urteilt, und dies um so parteiischer, je mehr er zu dem betreffenden Thema bereits selbst einen wissenschaftlichen Standpunkt begründet hat: „Rezensent zu sein heißt einzutreten in den Kreis der wissenschaftlichen Öffentlichkeit“[26]. Eben in diesem Sinne wird er in eigener Urheberschaft, was durchaus mitunter geschieht, auch in nachfolgenden Publikationen zitiert (deren Verf. sonst eine Verletzung der Grundsätze „guter wissenschaftlicher Praxis“ wegen Zitation eines „unwissenschaftlichen“ Textes vorzuwerfen wäre). Jedem kritisierten Autor ist es unbenommen, die Herausforderung einer kritischen Rezension anzunehmen und auf die Einwände zu replizieren. Anders als Hoven (mit anderen) meint, ist niemand auf eine Fürsprache anderer Kollegen angewiesen. Wenn Redaktionen dennoch zurückhaltend agieren, ist dies durch die Sorge einer eskalierenden unsachlichen Auseinandersetzung motiviert; dem lässt sich am ehesten begegnen, indem die Replik von vornherein der Sache und nicht der Rezension gilt – mit der Aussicht, dass Rezension und Replik dann auch von der Science Community als eine im Kern (trotz der „persönlichen Note“) wissenschaftliche Auseinandersetzung um der Sache willen aufgenommen werden.[27]

Nur mehr ergänzt sei, dass Rezensionen um so wichtiger und notwendiger werden, wenn die betreffende Fachdisziplin – wie die Rechtswissenschaften – kein Peer-Review-Verfahren kennt. Denn es ist dann das einzige Verfahren, in welchem das (verlagsmäßig angepriesene) Werk einer gezielten „Feuerprobe“ durch einen Repräsentanten der Fachgemeinschaft zugeführt wird; alle anderen wissenschaftlichen Publikationsformen gewährleisten dies nicht, weil immer der Ausweg des Verschweigens besteht. Je mehr daher Zweifel an einer effektiven Qualitätssicherung in juristischen Promotions-, vielleicht aber auch Habilitationsverfahren bestehen, bedarf es um so eher eines ausgebauten – natürlich selbst qualitätsgesicherten – Rezensionswesens. Es darf an dieser Stelle in Erinnerung gerufen werden, dass der Plagiats-Vorwurf um die Dissertation des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor Frhr. zu Guttenburg erst durch eine Rezension ausgelöst worden ist.[28] Rezensionen kommt daher eine im Zeitalter der Massenproduktion von Promotionen und allgemein von Fachliteratur nicht zu unterschätzende reinigende Wirkung zu. Im Gegensatz zu Peer-Reviews ist das Verfahren jedoch vollständig transparent, in seinen Inhalten jederzeit nachprüfbar und insofern gegenüber den Autoren weit fairer als die Methode der (mitunter willkürlich anmutenden) Vorzensur nach der Devise: „müssen wir mit Bedauern mitteilen…“[29].

III. Das eigentlich Neue…

Neu ist zweifelsohne nicht, dass Rezensionen mitunter auch – jedenfalls in der Summe ihrer Aussagen – eine (sehr) unfreundliche „Botschaft“ adressieren, über die der betroffene Autor verständlicherweise „not amused“ ist. Blickt man allerdings in die weitere Vergangenheit zurück, so finden sich unschwer Texte, die nach heutigen Maßstäben noch weit brüskierender erscheinen dürften. Aber das ist selbstredend auch nicht der relevante Bezugspunkt, ebenso wenig wie sich aus der aktuellen Skandalisierung etwa ein allgemeiner „Sittenverfall“ im Rezensionswesen deduzieren ließe.[30] Was sich vielmehr in der Zwischenzeit verändert hat, ist zweierlei: ein um sich greifender Eindruck, dass die Qualität der sog. Qualitätsschriften in der Grundtendenz nicht mehr gesichert ist,[31] und eine neue Verletzlichkeit der Werkautoren – samt der Bereitschaft, das Urteil eines Anderen nicht mehr einfach hinnehmen oder gar selbstkritisch akzeptieren zu wollen. Zu Letzterem findet sich in der Gegenwarts-Soziologie ganz in diesem Sinne eine spezifisch moderne „Dialektik der Sensibilität“ diagnostiziert, in der die eigentlich positive Kraft der Achtsamkeit und Empathie zerstörerisches Potential für den sozialen Raum zu entfalten droht – indem sie nur noch die für das eigene Selbstverständnis „passenden“ Ereignisse für „zumutbar“ hält und „versucht, Negativität und Ambivalenz auszuschließen“[32].

Das effektivste Mittel hierfür ist die Emotionalisierung und „Hypermoralisierung“, die sich mit dem Zeigefinger anschickt, im Namen eines „wir“ Regeln für alle („man“) zu dekretieren. Der Philosoph Alexander Grau spricht von einer „Leitideologie unserer Zeit“, die ihren Ausgang in der „individualistischen Emanzipation“ nimmt, aber Gefahr läuft, am Ende ins „Autoritäre“ abzugleiten.[33] Denn wenn dem jeweiligen Autor keine negativ beurteilende Rezension mehr zumutbar ist (und bei Online-Besprechungen  künftig  vermehrt  mit  Klagedrohungen  zu rechnen ist), dann stirbt der kritische wissenschaftliche Dialog, der im Kontext der Rechtswissenschaften nicht ohne Wertungen vorstellbar ist. Dabei sollte bei nüchterner Betrachtung eigentlich auf der Hand liegen, dass unsachliche, persönlich-diffamierende Teile einer Rezension von der Science Community justament als solche wahrgenommen werden. Dass nicht mehr hierauf vertraut werden könne, dafür ist keinerlei Grund ersichtlich. Das Rezensionswesen ist de facto ein autopoietisches System, das seine Standards fortlaufend selbst (implizit) setzt, ggf. erneuert und keiner pädagogischen Intervention bedarf. Im Gegenteil: Jede „erzieherische Maßnahme“ ließe sich gar nicht anders denn als Versuch einer „dirigistischen Einflussnahme“ verstehen und würde somit – in den Worten des Soziologen Bardelle – als „asozialer Störfaktor“ wirken, „der mehr Unordnung anrichtet, als er zu beheben verspricht“[34]. Am Ende werden mehr denn je erfahrene Rezensenten mit dem nötigen Mut zu klaren Aussagen gebraucht; das schließt selbstredend neue Formate, etwa literarische Themenschwerpunkte mit mehreren Besprechungen zu denselben Thesen und einer Antwort des Autors (etwa nach dem Vorbild der Zeitschrift „EWE – Erwägen – Wissen – Ethik“), keineswegs aus.

 

 

[1]      Selbstredend sind hier wie im Folgenden nicht allein männliche Autoren gemeint. Geradezu befreiend hierzu: Puppe, ZIS 2021, 348 Fn.*.
[2]      J.W. v. Goethe, in: Claudius` Wandesbecker Bothen vom 9. März 1774 – nach Marcel Reich-Ranicki freilich das „dümmste“ aller Goethe`schen Gedichte: FAZ v. 20.1.1990 („Frankfurter Anthologie“).
[3]      https://uepo.de/2012/03/31/political-correctness-soll-das-deutsche-von-der-burde-der-textverdoppelungen-befreit-werden/ (zuletzt abgerufen am  3.9.2021).
[4]      Die beiden konkreten Anlässe sind hinlänglich bekannt: Kuhlen, ZIS 2010, 327 ff.; Stuckenberg, ZIS 2021, 279 ff.; in der allgemeinen Aufregung bislang allenthalben übersehen: Haas, ZfL 2020, 355 ff.
[5]      Wie Weigend zutreffend berichtet (KriPoZ 2021, 185 ff.), sind die Auffassungen hierzu unter den Mitgliedern des Kriminalpolitischen Kreises durchaus geteilt.
[6]      Krünitz, Artikel „Kritik“, in: Oeconomische Enzyclopädie, Bd. 53, 1791, online abrufbar unter: www.kruenitz1.uni-trier.de/xxx/k/kk
07098.htm (zuletzt abgerufen am 3.9.2021).
[7]      Bardelle, Zeitschrift für Soziologie 18 (1989), 54 (56 ff., 63).
[8]      Wulff/Kaczmarek, MEDIENwissenschaft 2014, 173 (176): „zurück bleibt besten[fall]s ein Druckfehlerverzeichnis als Nachweis geleisteter Arbeit“.
[9]      Der Autor kann andere Teilbereiche des Rechts – das Medizinrecht und die Rechtsphilosophie ausgenommen – oder gar andere Fachdisziplinen natürlich nicht überblicken.
[10]    Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts ist vielmehr (nur) ein zu beachtender „Behandlungsgrundsatz“ auf dem Weg zur Zielverfolgung: das Leben zu erhalten, Gesundheit wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten, siehe einerseits § 1 Abs. 2, andererseits § 7 Abs. 1 MBO-Ä.
[11]    Hoven, KriPoZ 2021, 182 (183).
[12]    Merton, Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen, 1985, S. 99: „organisierter Skeptizismus“.
[13]    Dimbath/Böschen, Journal für Wissenschaft und Bildung 24 (2015), 158 (160).
[14]    Spinner, Soziologie. Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Vol. 1 (1984), 49 ff.
[15]    Hoven, KriPoZ 2021, 182 (183).
[16]    Zur „begründeten Bevorzugung“ kraft einstweiliger „Bewährung“ grdl. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 7. Aufl. (1992), Bd. 2, S. 460 ff.; ebenso ders., Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf, 4. Aufl. (1984), S. 83 ff.; treffend Gardenne, in: ders./Wendel (Hrsg.), Rationalität und Kritik, 1996, S. 57, 77: „Vorziehen … sollten wir die bestgeprüfte Theorie…., die am strengsten geprüfte, nicht falsifizierte, bestbewährte“; prägnante Erhellung von Hilgendorf, in: FS R.-Merkel, Teilbd. I, 2020, S. 213 ff.
[17]    Dimbath/Böschen, Journal für Wissenschaft und Bildung 24 (2015), 158 (161).
[18]    In diesem Sinne aber offenbar Hoven, KriPoZ 2021, 182: „Deutungshoheit“.
[19]    Zutreffend bereits Gärditz, ZIS 2021, 413 (416).
[20]    Für die Bereiche von Medizinrecht und Medizinethik, die der Verf. einigermaßen überblickt, sei etwa statt anderer nur die „Zeitschrift für medizinische Ethik“ erwähnt, für Grundlagenthemen des Rechts beispielhaft die „Rechtswissenschaft“ oder die „Rechtsphilosophie“.
[21]    Erschienen unter dem gleichnamigen Titel im Jahr 2013 (hrsg. von Patrick Bahners).
[22]    Offenbar hauptsächlich resultierend aus Beobachtungen und einer einzigen – allerdings umfangreichen – Sammelbesprechung aus dem Jahr 2013.
[23]    Oben Fn 4.
[24]    Bardelle, Zeitschrift für Soziologie 18 (1989), 54 (55).
[25]    Vgl. Hoven, KriPoZ 2021, 182: „objektiver Betrachter der Arbeit“.
[26]    Wulff/Kaczmarek, MEDIENwissenschaft 2014, 173 (175).
[27]    So beispw. in Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 5. Aufl. (2021), § 24 Rn 47 f. m. Fn. 88.
[28]    Vgl. Fischer-Lescano, Kritische Justiz 2011, 112 ff.
[29]    Dazu parodistisch Umberto Eco, Platon im Striptease-Lokal, 1990, S. 130 ff.
[30]    Eine parallele Debatte wie aktuell im Strafrecht kennt bspw. auch die Soziologie: Dort wurde die Forderung nach einer „institutionellen Korrektur in Form von Ombudsstellen“, nach „durchgesetzten ethischen Standards“ oder gar nach „vollständigem Verzicht auf Rezensionen“ aber weithin zurückgewiesen, vgl. dazu (m.w.N.) Dimbath/Böschen, Journal für Wissenschaft und Bildung 24 (2015), 158 (161 f. m. Fn 7).
[31]    Vgl. dazu Mitsch, ZIS 2020, 522 f. unter Verweis auf Kuhlen, ZIS 2020, 327 ff.
[32]    Reckwitz, Philosophie-Magazin 6/2919, S. 56; von der Philosophin Flaßpöhler ist für Oktober das Buch angekündigt: Sensibel: Über moderne Empfindlichkeit und die Grenze des Zumutbaren.
[33]    Grau, Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung, 5. Aufl. (2020).
[34]    Bardelle, Zeitschrift für Soziologie 18 (1989), 54 (64).

 

 

 

 

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