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BGH, Beschl. v. 04.05.2022 – 1 StR 3/21: BGH bestimmt Voraussetzungen zur Strafbarkeit des sog. AGG-Hopping
Amtlicher Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei vorgespiegelten Bewerbungen auf diskriminierende Stellenangebote zur Erlangung von Entschädigungsansprüchen (sog. AGG-Hopping).
Sachverhalt:
Das Landgericht München I hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen fassten der Angeklagte und sein Bruder den Entschluss, Scheinbewerbungen zu verschicken mit dem Ziel, Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend zu machen. Kein Unternehmen kam der Forderung des Angeklagten nach. Das LG hat in dem Versenden der Schreiben eine Täuschungshandlung gesehen. Durch das Einfordern der Entschädigung werde konkludent die Ernsthaftigkeit der Bewerbung behauptet, über die der Angeklagte täuschte. Der Angeklagte legte gegen die Entscheidung Rechtsmittel ein.
Entscheidung des BGH:
Die Revision hat Erfolg. Ein vollendeter Betrug liege mangels Täuschungshandlung in den vom LG München I angenommen Fällen nicht vor. Zwar könne eine Täuschung i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB grundsätzlich auch konkludent erfolgen. Für den Inhalt der Erklärung seien die Verkehrsanschauung und der rechtliche Rahmen maßgeblich. In den vorliegenden Fällen fehle es jedoch durch das Versenden der Schreiben durch den Angeklagten an einer konkludent erklärten unwahren Tatsachenbehauptung. Der Angeklagte habe nicht über die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung getäuscht.
Zum einen fehle es an einer gefestigten Rechtsprechung zur Behandlung von Entschädigungsklagen bei Scheinbewerbern. Zum anderen ließe sich nicht begründen, die Bewerbung des Angeklagten sei nicht ernst gemeint. Der Senat verweist darauf, dass im AGG nicht normiert sei, dass „[…] die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig ist, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich sind […].“ Hier liege ein entscheidender Unterschied zum UWG.