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Gruppenbezogene Herabwürdigungen und der Hybridtatbestand des § 192a StGB

von Jun.-Prof. Dr. Carsten Kusche

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Abstract
Gruppenbezogene Herabwürdigungen sind nicht stets eigenständig und erst recht nicht gesteigert strafwürdig. Sowohl im als auch außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 185-187 dürfte das (jedenfalls) verlangen, dass die Diffamierung einen menschenverachtenden Gehalt aufweist. Die meisten Fälle solcher strafwürdiger gruppenbezogener Herabwürdigungen dürften oft bereits durch die Tatbestände der Volksverhetzung oder Beleidigung erfasst werden. § 192a trägt daher wenig zur Schließung „echter“ Strafbarkeitslücken bei. Statt dessen schafft die Norm vor allem dogmatische Ungereimtheiten in der Systematik der Beleidigungsdelikte.

Group-related disparagement is not always independent and certainly not increased punishable. Both within and outside the scope of application of Sections 185-187, this should (at any rate) require that the defamation has an inhuman content. Most cases of such group-related defamation worthy of punishment are often already covered by the provisions of incitement to hatred or insult. Section 192a therefore does little to close „genuine“ criminal liability gaps. Instead, the norm primarily creates dogmatic inconsistencies in the systematics of insulting offenses.

I. Zur Diskussion um eine etwaige „besondere“ Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen

Gruppenbezogene Herabwürdigungen erscheinen nicht per se als besonders strafwürdig. Zumindest bei der Individualbeleidigung nach den §§ 185-187 kann sich das allerdings ergeben, wenn der Gruppenbezug einer Beschimpfung ihr einen menschenverachtenden Inhalt verleiht.

1. Erhöhter Unrechtsgehalt menschenverachtender Individualbeleidigungen

Eine gruppenbezogene Herabwürdigung menschenverachtenden Inhalts verschafft einer Beleidigung, die eine(n) nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen der §§ 185 ff. StGB hinreichend individualisierten Einzelne(n)[1] betrifft, einen erhöhten Unrechtsgehalt. Wer durch eine gruppenbezogene Diffamierung den (aus der Menschenwürde resultierenden) Anspruch eines anderen negiert, als gleichberechtigtes Gesellschaftsmitglied mit Eigenwert anerkannt zu werden,[2] missachtet dessen aus der Ehre abgeleiteten Anspruch auf Achtung des personalen Geltungswerts besonders intensiv. Von diesem Grundsatz dürften zahlreiche der vom Gesetzgeber bei der Schaffung des Tatbestands der Verhetzenden Beleidigung nach § 192a jüngst ins Visier genommenen Konstellationen gruppenbezogener Herabwürdigungen erfasst werden, da in der vom Täter vorgenommenen Auswahl des Empfängerkreises seiner Äußerung oftmals auch eine Individualisierung der Herabsetzung zu sehen sein wird.[3]

2. Begründungsprobleme der These einer eigenständigen Strafwürdigkeit nicht individualisierbarer gruppenbezogener Herabwürdigungen

Begründungsprobleme treten demgegenüber auf, wenn eine gruppenbezogene Herabwürdigung unabhängig von einer etwaigen – die Verwirklichung der §§ 185-187 StGB nach sich ziehenden – Individualisierbarkeit einzelner Betroffener als eigenständig (oder gar: gesteigert) strafwürdig eingestuft werden sollen. Das betrifft sowohl die Annahme, dass schon die Herabwürdigung einer Gruppe ohne Individualbezug (jetzt: § 192a Alt. 1 StGB) strafrechtliches Unrecht darstelle wie auch die, dass die gruppenbezogene Beschimpfung eines Gruppenmitglieds A – jenseits der Grundsätze der Individualbeleidigung (?) – zugleich auch Gruppenmitglied B (sogar: in erhöhtem Maße, vgl. den Sanktionensprung von § 185 zu § 192a StGB) strafwürdig herabsetze, wenn er von der Beleidigung des A erfährt (jetzt wohl: § 192a Alt. 2 StGB).

a) Unstimmigkeiten einer auf Individualehrschutz gerichteten Rechtsgutskonzeption

Befürwortende Stimmen stützen diese Auffassung oft ebenfalls auf den Ehr- als Individualrechtsgüterschutz und argumentieren meist mit dem Gedanken einer „Durchleitung“[4]  der kollektivbezogenen Herabsetzung auf den (im Fall des § 192a Alt. 2 StGB: anderen) Gruppenangehörigen. Der vermittelnde Faktor soll dann regelmäßig in einer „identitätsstiftenden“ bzw. „identitätsprägenden“ Wirkung der Gruppenzugehörigkeit für den einzelnen Merkmalsträger liegen.[5] Intuitiv dürfte dann eine „Durchleitung“ bei Diffamierungen besonders nahe liegen, die sich gegen aus historischen und soziologischen Erwägungen heraus als besonders „verwundbar“[6] begriffene Gruppen(-angehörige) richten und die als geeignet erscheinen, die Betroffenen aus dem Diskurs zu verdrängen sowie gesellschaftliche Konflikte heraufzubeschwören und eskalieren zu lassen.[7] Abgesehen von den mit einem solchen, auf die Ehre gestützten Strafwürdigkeitskonzept wohl zwangsläufig einhergehenden dogmatischen Unstimmigkeiten im Verhältnis zu den §§ 185 ff. StGB[8] ist wohl vor allem nicht von der Hand zu weisen, dass eine solche Sichtweise mit dem Anspruch aller Menschen auf Achtung ihrer Gleichwertigkeit und Einzigartigkeit in Konflikt geraten könnte.[9] Wollte man deshalb die mit einer gruppenbezogenen Herabwürdigung einhergehende „Entindividualisierung“ als solche stets genügen lassen,[10] liefe man wiederum tendenziell Gefahr, den Garantiegehalt der einer solchen, egalitären Argumentation zugrundeliegenden Menschenwürde zu trivialisieren[11] und das Strafrecht zu weit ausgreifen zu lassen.

b) Hassrede als gesellschaftliches Problem – Schutz des öffentlichen Friedens oder des demokratischen Diskurses?

Deutlicher als durch eine etwaige (Individualrechtsschutzbedürftigkeit indizierende) „Entindividualisierung“ der einzelnen Gruppenmitglieder dürften sich – jedenfalls nicht individualisierte – gruppenbezogene Herabwürdigungen im Übrigen durch ihre überindividuelle Angriffsrichtung auszeichnen.[12] Die Verbreitung von Hate Speech wird regelmäßig darauf zurückgeführt, dass es auf Täterseite zur Konstruktion von sog. „Eigen“- und „Fremdgruppen“ („In- und „Outgroups“) komme und gruppenbezogene Diffamierungen besonders attraktiv erschienen, wenn die „Fremd“-Gruppe als „Bedrohung“ für die eigene wahrgenommen werde.[13] Wenn also dem Denken in gruppenbezogenen Stellungen, Vor- und Nachteilen maßgeblicher Einfluss auf die Tätermotivation zugeschrieben wird, dürfte das tendenziell für einen überindividuellen, gesamtgesellschaftlichen Ursprung des Problems sprechen. Es tritt hinzu, dass selbst ein etwaig individualisiertes Opfer einer gruppenbezogenen Herabwürdigung oft gerade nicht als Individuum, sondern auswechselbarer Repräsentant der Gruppe angegriffen wird.[14] Zugleich weisen die Auswirkungen gruppenbezogener Herabwürdigungen auf das konkrete Opfer jedenfalls auch überindividuelle Bezüge auf. Weil es an seiner Eignung zum Objekt der Herabwürdigung meist nichts ändern kann, erscheint es gerade bei gruppenbezogener Herabwürdigung als plausibel, dass sich das Opfer aufgrund einer als erhöht empfundenen Wiederholungsgefahr in soziale Isolation und damit auch aus dem öffentlichen Diskurs zurückzieht.[15] Das gilt auch für andere Angehörige der Gruppe, weil Hate Speech eine erhebliche Gefahr zugeschrieben wird, dass andere Gruppenangehörige den Angriff so erleben, als ob sie selbst angegriffen worden wären[16] oder zumindest, dass ihnen dies noch bevorstehe. Dieser Gedanke lässt sich nicht nur einer „durchgeleiteten“ Ehrverletzung, sondern ebenso der Gefahr des Rückzugs aus dem Diskurs aus Furcht vor Anfeindungen zuordnen. Zuletzt wird gruppenbezogenen Herabwürdigungen typischerweise auch ein besonderer Aufforderungscharakter gegenüber Gleichgesinnten zugeschrieben, es dem Täter gleich zu tun.[17]

Hate Speech kann demnach als potentiell geeignet angesehen werden, Störungen des „öffentlichen Friedens“,[18] Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit (des Einzelnen) oder gar „des unverfälschten gesellschaftlichen“, „demokratischen“ bzw. „politischen Diskurses“ zu provozieren.

Auch diese meist überindividuellen Schutzgutkonstruktionen sind indes nicht frei von Zweifeln, weil die vorgenannten Auswirkungen gruppenbezogener Herabwürdigung meist nur unter Zuhilfenahme der Figur der kumulierten Tatbegehung als vorstellbar erscheinen. Dass die einzelne Tat für sich kaum je geeignet sein dürfte, die vorgenannten Interessen (konkret) zu gefährden, relativiert das Gewicht, mit dem sie zugunsten der These von einer eigenständigen oder gar gesteigerten Strafwürdigkeit nicht individualisierter gruppenbezogener Herabwürdigungen streiten und erschwerte bei Einstufung als strafrechtsdogmatisches Rechtsgut eine verlässliche teleologische Auslegung einer Hate Speech sanktionierenden Strafvorschrift.[19]

c) Überindividuelle Dimensionen der Menschenwürde?

Wollte man eine eigenständige Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen jenseits der Schutzgutkonzeptionen der §§ 130, 185 StGB begründen, ließe sich angesichts ihrer überindividuellen Prägung schließlich darüber diskutieren, ob sich eine entsprechende Strafvorschrift auf den Schutz einer quantitativen Menschenwürde oder der Menschenwürde als abstraktem Rechtswert stützen ließe.[20] Auch eine solche Rechtsgutskonstruktion ist gewiss problembeladen – schon, weil sie bei einem hier in Rede stehenden, nicht auf Individualrechtsgüterschutz gerichteten Äußerungsdelikt jedenfalls in der Stoßrichtung Gefahr liefe, in einer nach den Ausführungen des BVerfG unzulässigen Weise die Äußerung „unerträgliche[r] Ideen allein wegen der Meinung als solcher [zu verbieten und so] das in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgte Freiheitsprinzip selbst außer Kraft“ zu setzen.[21] Hinzu tritt u.a., dass die Menschenwürde in ihrem strafrechtlichen Gehalt noch kaum umrissen ist und eine inflationäre Berufung auf die Menschenwürde die Gefahr birgt, sie ihrer Tabufunktion zu berauben.[22] Deshalb dürfte sich gerade bei einer solchen Schutzgutskonstruktion jedenfalls eine pauschale Bewertung der eigenständigen Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen verbieten und müsste man wohl zumindest eine ganz besondere Intensität der Diffamierung im Einzelfall verlangen, durch die der Täter die Gleichwertigkeit aller oder den Eigenwert eines jeden Menschen – welcher Gruppe er auch immer angehören mag – negiert.

Nach alledem erscheinen gruppenbezogene Herabwürdigungen jenseits des Anwendungsbereichs der §§ 130, 185 StGB nicht stets als „besonders“ strafwürdig. Man wird eine solche These indes bei Einschränkung der anvisierten Herabwürdigungen vertreten können. Das gilt etwa, wenn man – ähnlich wie nun § 192a StGB – bei einem Tatsachenbezug Wahrheitswidrigkeit und insbesondere (wie auch bei der Individualbeleidigung) verlangt, dass die Diffamierung einen menschenverachtenden Gehalt aufweist. Die meisten Fälle solcher strafwürdiger gruppenbezogener Herabwürdigungen dürften indes oft bereits durch die Tatbestände der Volksverhetzung oder Beleidigung erfasst werden.

II. Unstimmigkeiten der Strafvorschrift des § 192a StGB (Verhetzende Beleidigung)

Die Ausgestaltung des Tatbestands der Verhetzenden Beleidigung nach § 192a StGB lässt sich mit der hier vertretenen Auffassung, nach der eine besondere Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen jedenfalls deren menschenverachtenden Gehalt verlangt, im Ausgangspunkt vereinbaren. Das ergibt sich aus der Einfügung des – indes gewiss konturenbedürftigen – tatbestandlichen Erfordernisses der „Eignung des Inhalts zum Angriff auf die Menschenwürde“ als potentiell strafbarkeitseinschränkendem Korrektiv. Die Vorschrift weist allerdings zahlreiche – nicht immer, aber meist von der Rechtsgutsfrage überschattete – Unstimmigkeiten und Unklarheiten auf, die im Folgenden in Auswahl aufgezeigt werden sollen.

1. Unstimmige Rechtsgutskonstruktion

Dass die Identifikation eines konsistenten Schutzguts einer gruppenbezogene Herabwürdigungen sanktionierenden Strafvorschrift Schwierigkeiten bereiten kann (I.), zeigt sich auch bei einer – von der Begründung der eigenen rechtspolitischen Auffassung zur etwaigen Strafwürdigkeit des Phänomens zu differenzierenden und durch Anwendung der gängigen Auslegungsmethodik zu bewerkstelligenden[23] – Analyse des dem § 192a StGB zugrundeliegenden Rechtsgutskonzepts.

a) (Quantitative?) Ehre (und [quantitative] Menschenwürde?) als Schutzgut der Verhetzenden Beleidigung 

Recht eindeutig schützt § 192a StGB (jedenfalls auch) „die“ Ehre.[24]  Dafür sprechen zuvorderst die gesetzessystematische Verortung bei den Ehrdelikten[25] und das ausdrückliche Bekenntnis des Gesetzgebers zum Schutz der Ehre in der Entwurfsbegründung.[26] Angesichts ihrer Inbezugnahme in Gesetzeswortlaut und Entwurfsbegründung ließe sich neben der Ehre womöglich auch die Menschenwürde als Schutzgut identifizieren.[27] Sowohl in Hinblick auf das Rechtsgut Ehre als auch einen etwaigen Schutz der Menschenwürde ist indes die Bestimmung des geschützten Rechtsgutsträgers nicht widerspruchsfrei möglich.

Ganz überwiegend wird angenommen, dass § 192a StGB klassischen Individualrechtsgüterschutz durch Schutz der Ehre bzw. Würde desjenigenbetreibt, an den die gruppenbezogene Herabwürdigung gelangt (im Folgenden: Adressat).[28] Das ist äußerst plausibel. (Jedenfalls) Methodisch erscheint indes auch ein überindividuelles Ehr- bzw. Würdeschutzkonstrukt als zumindest diskutabel. Zunächst verlangt nämlich der Wortlaut der Vorschrift nicht etwa die Eignung des Inhalts, die Menschenwürde – die Ehre wird im Gesetzestext schon nicht erwähnt – „eines anderen“ anzugreifen, womöglich sogar noch dadurch, dass der Täter den Inhalt „an diesen“ gelangen lässt. Vielmehr genügt es, dass die Herabwürdigung die Menschenwürde „anderer“ zu verletzen geeignet ist. Dazu muss nach dem eigentlich eindeutigen Satzbau der Norm darüber hinaus nicht das „Gelangen-Lassen“ geeignet sein, sondern der „Inhalt“. Der Wortlaut verlangt insoweit auch nicht, dass dem Gruppenmerkmal gerade für den Adressaten eine „identitätsprägende“ Bedeutung zukommt. Die strafbare Menschenverachtung ergibt sich bei einem solchen (Sprach-)Verständnis des § 192a StGB also zuvorderst aus dem Inhalt selbst und nicht (erst) der Kommunikationsbeziehung zwischen Täter und Empfänger. Das wäre auch inhaltlich jedenfalls insoweit plausibel, als dass dem § 192a StGB ein eigenständiger Anwendungsbereich vor allem zukommt, wenn eine Individualisierung des Ehrangriffs auf den Adressaten unter Anwendung der Grundsätze der Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung nicht möglich ist. Dann bleibt indes letztlich nicht viel anderes übrig als ein Normverständnis, nach dem § 192a StGB das „Durchschlagen“ des Angriffs auf den Adressaten schlicht unterstellt.[29] Jedenfalls anhand des Wortlauts der Norm erscheint er als innerhalb des Kreises der Gruppenangehörigen beliebig austauschbar.

Das wirft – falls es bei § 192a StGB nicht um subjektiven Gefühlsschutz gehen soll[30] – die Frage auf, warum gerade bei einer Vorschrift, deren Kernaussage nach wohl überwiegendem Verständnis in der These einer (unterstellten) „Durchleitung“ der Diffamierung liegt, anders als bei den §§ 185-187 StGB – die nicht verlangen, dass der Diffamierte von seiner Herabsetzung erfährt – nur betroffen sein soll, wer den Inhalt „zu Gesicht“ bekommt. Gedanklich erschiene es wohl zumindest als konsequenter, eine Durchleitung gerade auf alle Gruppenangehörigen zu unterstellen. Damit würde dann indes – worin auch gegenüber dem Individualehrschutz nach § 185 StGB ein zumindest teilweise eigener Charakter der Vorschrift zu erblicken wäre – ein Schutzgutkonzept diskutabel, nach dem § 192a StGB als Vorschrift zum Schutz einer bislang gewiss nicht anerkannten[31] quantitativen Ehre oder einer quantitativen Menschenwürde oder der Menschenwürde als abstraktem Rechtswert zu interpretieren wäre. Schon rein methodisch dagegen spricht indes, dass sich in der Entwurfsbegründung keine tragenden Hinweise auf die Schaffung einer etwaigen Neuausrichtung des Schutzkonzepts der Beleidigungsdelikte finden und sich dann auch die tatbestandsausschließende Wirkung nicht erklärte, die der Aufforderung zur Übersendung des verhetzenden Inhalts durch einen einzelnen Gruppenangehörigen (den Adressaten) zukommt.

Wenn man deshalb bei klassischem Individualrechtsschutz verbleibt, schafft § 192a StGB erhebliche dogmatische Unklarheiten in Hinblick auf die Beleidigungsfähigkeit des Einzelnen unter einer Kollektivbezeichnung. Sofern nicht aus dem „Gelangen-Lassen“ an den Adressaten stets auf eine Individualisierung des Ehrangriffs auf diese Person geschlossen werden soll, zieht ein auf die Ehre des Adressaten beschränktes Schutzkonzept Fälle nach sich, in denen man ihn in Hinblick auf die Beeinträchtigung ein- und desselben Rechtsguts als nicht (§ 185) und zugleich gesteigert schutzwürdig (§ 192a StGB, gegenüber § 185 StGB verdoppelte Höchststrafe) einstuft – und dies ohne, dass sich die den Tatbeständen zugrundeliegende Angriffsweise auf das Rechtsgut unterschiede.

b) Schutz des öffentlichen Friedens als Rechtsreflex

An dieser Schiefe ändern wohl auch die potentiellen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen gruppenbezogener Herabwürdigungen nichts, da etwa der Schutz des öffentlichen Friedens nach geltendem Recht nur als Rechtsreflex einzuordnen sein dürfte. Für eine Einstufung als Rechtsgut lässt sich zwar das besonders gewichtige Argument des Wortlauts der Vorschrift anführen. Die tatbestandliche Konturierung des § 192a StGB ist sehr viel deutlicher an § 130 StGB angelehnt als an § 185 StGB.[32] Dass der öffentliche Friede im Gesetzestext keine Erwähnung findet, erschließt sich schon aus dem der Einführung des § 192a StGB zugrundeliegenden gesetzgeberischen Bestrebens der Schließung von Schutzlücken zwischen der bei Herabwürdigungen gegenüber geschlossenen Personengruppen gerade mangels Störungseignung abgelehnten Volksverhetzung und der Beleidigung.[33] Dies kann für sich allein deshalb keine entscheidende Indizwirkung allein für Individualrechts- und gegen (zusätzlichen) Kollektivrechtsschutz entfalten. Durch die weitgehende Übernahme des Gruppenkatalogs des § 130 StGB zeigt sich bei der Verhetzenden Beleidigung eine deutliche Tendenz zur Sanktionierung solcher Diffamierungen, die aus historischen und soziologischen Erwägungen als besonders geeignet angesehen werden, gesellschaftliche Konflikte heraufzubeschwören und eskalieren zu lassen.[34] Die Vorschrift schützt also „im Kleinen“ gerade auch vor bei Bekanntwerden gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit zur Störung des öffentlichen Friedens geeigneten Auswirkungen der Diffamierung – etwa dadurch, dass sie durch den Schutz vor Konfrontation mit gruppenbezogenen Herabwürdigungen das Vertrauen der betroffenen Gruppenangehörigen in den Zustand der Rechtssicherheit und ihr Bewusstsein stärkt, in Ruhe und Frieden leben zu können[35] und das Risiko von Gegenagressionen senkt. Fischer sieht – vielleicht auch deshalb – im Interesse der Allgemeinheit an einem friedlichen Zusammenleben gar das zuvorderst geschützte Rechtsgut des § 192a StGB.[36] Eher dagegen spricht indes die gesetzessystematische Verortung bei den Ehrdelikten und insbesondere, dass sich in der Entwurfsbegründung – anders als in der des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität[37] – keine nennenswerten Erwägungen zum Schutz (des öffentlichen Friedens und gerade auch) des öffentlichen Diskurses finden.

2. Inkonsistente Gruppenauswahl

Auch bei der durch § 192a StGB vorgenommenen Eingrenzung als schutzwürdig erachteter Gruppen spiegeln sich die Schwierigkeiten einer widerspruchsfreien Schutzgutbestimmung wider. Wenn man von Individualrechtsgüterschutz ausgeht und die Durchleitung einer gruppenbezogenen Diffamierung auf den einzelnen Gruppenangehörigen mit der „identitätsprägenden“ Merkmalseigenschaft begründete, hätte die Geschlechtsidentität aufgenommen werden sollen und dürfte insoweit gesetzgeberischer Korrekturbedarf bestehen.[38]

Das Merkmal der „Weltanschauung“ wirkt konturenlos. Fraglich ist etwa, ob es auch Personen erfasst, die zwar selbst keine Angehörige einer anderen genannten Gruppe sind, sich dieser aber verbunden fühlen und für ihre Gleichberechtigung in der Gesellschaft eintreten – also etwa Menschen mit gewissermaßen „pluralistischer Weltanschauung“. Leitete man den Zweck der Norm aus einer „identitätsprägenden“ Gruppenzugehörigkeit her, dürfte das – anders als bei Orientierung am Schutz des demokratischen Diskurses – wohl eher gegen als für[39] die Einbeziehung solcher Personen in den Kreis tauglicher Adressaten sprechen. Schlüssig ist aus dieser Perspektive das Fehlen des Alters und der gesellschaftlichen bzw. sozialen Stellung,[40] wohl aber nicht des Geschlechts.[41]

3. Unschlüssiges Anknüpfen an einen Inhalt i.S.d. § 11 Abs. 3 StGB

Jedenfalls bei Annahme eines Schutzgutkonzepts, das gesamtgesellschaftliche Auswirkungen der Diffamierung ausblendet und sich auf Individualehrschutz beschränkt, ist nicht überzeugend, dass § 192a StGB an den Begriff des Inhalts i.S.d. § 11 Abs. 3 StGB anknüpft.  Wenn etwa T den Empfangsbereich des Zentralrats der Muslime betritt und beginnt, islamfeindliche Äußerungen auszurufen, die in mehreren Büros gut hörbar sind, ist das nicht von § 192a StGB erfasst, weil sein Ausruf nicht i.S.d. § 11 Abs. 3 StGB „mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen“ wird.[42] Dass in der Entwurfsbegründung von der Erfassung von Inhalten in „(fern-)mündlicher Form“ gesprochen wird, deutet wohl – nimmt man den Klammerzusatz ernst – auf ein gesetzgeberisches Versehen hin.

4. Die Beschränkung tauglicher Adressaten des „Gelangen-Lassens“ auf Gruppenangehörige

Zumindest aus Rechtsgüterschutzerwägungen heraus erklärt sich auch nicht, dass der herabwürdigende Inhalt an eine Person gelangen muss, die zu einer der aufgezählten Gruppen gehört.

Wenn man von einem überindividuellen Schutzgut wie etwa dem Schutz des demokratischen Diskurses ausginge, ließe sich die Strafbarkeit auch der Versendung an Außenstehende damit begründen, dass sich bei schon für „Gruppenhass“ Empfänglichen Ressentiments verfestigen können und die Konfrontation mit Hassrede auch die Einstellung von Unbeteiligten beeinflussen kann – und sei es nur in Richtung des Rückzugs aus der „verrohten Diskussion“.[43] Die Beschränkung tauglicher Adressaten der Herabwürdigung auf Gruppenangehörige ist aber auch bemerkenswert, wenn man bei § 192a StGB auf den Schutz der Ehre[44] abstellt. Denn selbst eine Beleidigung i.S.d. § 185 StGB (durch Werturteil) ist nicht nur gegenüber dem Betroffenen, sondern auch Dritten möglich.[45] Sie setzt also nicht voraus, dass der Diffamierte von der Herabsetzung erfährt. Wenn das bei § 192a StGB nun nicht mehr gilt, könnte das auf eine stärkere Ausrichtung der Norm auf den Schutz subjektiver Befindlichkeiten der betroffenen Gruppenangehörigen hindeuten.

Rechtspolitisch ist die getroffene Entscheidung indes schon deshalb vertretbar, weil mit einer „Volksverhetzung in beliebigen Zwei-Personen-Verhältnissen“ eine gegenüber § 130 StGB noch sehr viel weitergehende Strafrechtsausweitung verbunden wäre.

Im konkreten Fallbeispiel bedeutet die Beschränkung tauglicher Adressaten des Gelangen-Lassens auf Gruppenangehörige, dass sich nicht strafbar macht, wer eine    E-Mail mit islamfeindlicher, menschenverachtender Rede an eine Refugee Law Clinic schickt, in der bekanntermaßen zahlreiche Musliminnen arbeiten, wenn die für die E-Mail-Verwaltung zuständige Hilfskraft keine Muslimin ist. Anderes müsste gelten, wenn auch Gruppenangehörige Zugriff auf den E-Mail-Account haben. § 192a StGB verlangt nur ein „Überführen“ in den „Verfügungsbereich“ bzw. den „Gewahrsam“ eines anderen, sodass dieser Kenntnis nehmen kann.[46] Vorsatzprobleme dürften sich dabei nicht stellen, weil der konkrete Empfänger nicht individualisiert sein muss und es deshalb genügen müsste, wenn der Täter es in Kauf nimmt, dass (auch) Gruppenangehörige die Möglichkeit der Kenntnisnahme haben.[47]

5. Ausweitung der Strafbarkeit durch das Merkmal des „Gelangen-Lassens“

Das führt zu einer von diversen Friktionen mit § 185 StGB.[48] Wenn man im vorgenannten Fallbeispiel mit der Übermittlung der Daten an den empfangenden Server Gewahrsam auch der mit Mailzugriff ausgestatteten Gruppenangehörigen annimmt,[49] dürfte sich an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens i.S.d. § 192a StGB nichts mehr ändern, wenn die studentische Hilfskraft die Mail – etwa aufgrund verdächtigen Betreffs – löscht, bevor sie sie selbst liest oder andere Clinic-Mitglieder sie lesen.[50]

Das müsste jedenfalls dann zu systematischen Problemen führen, wenn die E-Mail einen Einzelnen – etwa den Vorstand – wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe diffamiert (§ 192a Var. 2 StGB – § 185 StGB damit tatbestandlich möglich). Während der mit einer Strafdrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe belegte § 185 StGB mangels Kenntnisnahme ausscheidet, wäre der mit verdoppelter Höchststrafe versehene § 192a StGB verwirklicht.

6. Strafbarkeit des Gruppenangehörigen

Die Gesetzesfassung wirft ferner die Frage auf, ob sich auch ein Angehöriger der diffamierten Gruppe selbst strafbar machen kann.[51] Eine Fallvariante könnte darin liegen, dass der (ggf. geschockte) Gruppenangehörige A dem Gruppenangehörigen B eine gruppenbezogene Herabwürdigung übermittelt, die er zuvor von einem Dritten C – seinerseits kein Gruppenangehöriger – zugespielt bekommen hat.

§ 192a StGB verlangt nun als Tathandlung allein ein „Gelangen-Lassen“ und damit keinen Ausdruck eigener Missachtung.[52] Hinzutritt, dass der Schöpfer des Inhalts und der Täter des „Gelangen-Lassens“ nicht identisch sein müssen.[53] Dem Wortlaut der Vorschrift nach ist außerdem bereits strafbar, „wer“ eine gruppenbezogene Herabwürdigung an einen Gruppenangehörigen gelangen lässt. Das spricht grundsätzlich deutlich gegen ein Sonderdelikt für „Außenstehende“. Nach hier vertretenem Sprachverständnis schließt der Wortlaut die Strafbarkeit des Gruppenangehörigen auch nicht dadurch aus, dass die Menschenwürde „anderer“ in Rede steht. Daraus lässt sich nämlich nicht unbedingt entnehmen, dass durch die Herabwürdigung nicht auch die Menschenwürde des Täters tangiert sein kann. Denn zum Angriff auf die Menschenwürde „anderer“ muss nach dem hiesigen Sprachverständnis des Satzbaus der Norm nicht das „Gelangen-Lassen“ geeignet sein, sondern der „Inhalt“. Dann entfällt der herabwürdigende Charakter des von C geschaffenen Inhalts aber auch nicht dadurch, dass (Täter) A ihn nicht billigt.

Gesetzgeberisches Leitmotiv ist die dadurch ins Spiel gebrachte Strafbarkeit des Gruppenangehörigen sicher nicht, geht es doch im Kern um hetzerische Zusendungen unmittelbar durch Dritte. Andererseits soll die Vorschrift ausweislich der Entwurfsbegründung schon vor ungewollter Konfrontation mit gruppenbezogenen Herabwürdigungen schützen.[54] Dann lässt sich indes auch für Strafbarkeit argumentieren, weil die schädlichen Auswirkungen hetzerischer Herabwürdigungen auf den Adressaten des Gelangen-Lassens – hier also B – nicht dadurch entfallen müssen, dass er von ihnen nur auf Umwegen erfährt.

Falls man Tatbestandsmäßigkeit bejaht und Strafwürdigkeit verneint, könnte sich ferner die Frage nach einer etwaigen Rechtfertigung des Gruppenangehörigen ergeben. Die vorliegende Konstellation scheint eine gewisse Ähnlichkeit zur Weiterverbreitung ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen i.S.d. § 186 StGB aufzuweisen, denen der Weiterverbreitende aber ernsthaft entgegentritt. Wenn man in diesen Fällen auf eine Rechtfertigung nach § 193 StGB abstellt,[55] setzt sie voraus, dass die Äußerung in ihrer Gesamtheit im Interesse des dort individuell Verletzten liegt, weil sie geeignet ist, dessen Ehre zu schützen.[56] Das wiederum kommt nur in Betracht, wenn die ehrenrührige Tatsachenbehauptung durch Fakten entkräftet wird.[57]

Eine Übertragung dieser Grundsätze auf § 192a StGB scheint jedenfalls nicht problemlos möglich.[58] Bei der Weiterverbreitung i.S.d. § 186 StGB geht der „eigentliche“ Angriff auf den Ehrträger von einem Dritten aus, dessen Wirkungen der Weiterverbreitende einzudämmen versucht. § 192a StGB schützt nun aber wohl bereits vor bloßer Konfrontation als solcher. Dann aber schafft erst das „Gelangen-Lassen“ durch den anderen Gruppenangehörigen den Angriff und erscheint fraglich, wie dieser zugleich geeignet sein soll, schädliche Auswirkungen der Kenntnisnahme vom menschenverachtenden Inhalt beim Adressaten zu vermeiden. Ein Ausweg könnte im Einzelfall darin liegen, anzunehmen, dass jedenfalls der „schockierte“ Täter A mit der Weitergabe die Wahrnehmung eigener Interessen wie etwa der Aufarbeitung der eigenen Erfahrung bezweckt.

7. Reformoptionen bei §§ 185 ff. StGB als Reaktion auf Schaffung des § 192a StGB

Jedenfalls nach Einführung des § 192a StGB, der wohl kaum sofort wieder gestrichen werden wird und hier deshalb als gegeben vorausgesetzt wird, könnte sich aus systematischen Gründen – auch wenn menschenverachtende Beweggründe bereits über § 46 Abs. 2 StGB bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind – die Einführung einer Qualifikation der §§ 185 ff. StGB anbieten, die an eine nicht mit einer gruppenbezogenen Herabwürdigung zusammenhängende menschenverachtende Beleidigung anknüpft. Dadurch wäre der Einzelne auf Rechtsfolgenseite gleichermaßen vor menschenverachtenden Beleidigungen geschützt – unabhängig davon, ob sich dieser Charakter einer Diffamierung aus seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder anderen Umständen ergibt.[59]

III. Fazit

Gruppenbezogene Herabwürdigungen sind nicht stets eigenständig und erst recht nicht gesteigert strafwürdig. Sowohl im als auch außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 185-187 StGB dürfte das (jedenfalls) verlangen, dass die Diffamierung einen menschenverachtenden Gehalt aufweist.Die meisten Fälle solcher strafwürdiger gruppenbezogener Herabwürdigungen dürften indes oft bereits durch die Tatbestände der Volksverhetzung oder Beleidigung erfasst werden. § 192a StGB schafft erhebliche dogmatische Unklarheiten. Das gilt jedenfalls, wenn man mit dem überwiegend vertretenen Verständnis den Individualehrschutz als von der Norm geschütztes Rechtsgut ausmacht, wird dann doch etwa eine Beschimpfung einer Gruppe, die – mangels Individualisierbarkeit der Betroffenen oder Beleidigungsfähigkeit des Kollektivs zuweilen – keine Beleidigung ist, mit gegenüber § 185 StGB verdoppelter Höchststrafe bestraft, weil sie es „fast“ ist. Womöglich hätte sich hier angeboten, den Ehrbegriff der §§ 185 ff. StGB als solchen anzugehen – z.B. durch gesetzliche Festlegung der bislang eher vagen Kriterien der Beleidigungsfähigkeit von Kollektiven[60] oder Ausweitungen der Beleidigungsfähigkeit des Einzelnen unter einer Kollektivbezeichnung. Zumindest in den meisten der von § 192a StGB anvisierten Fälle ließe sich außerdem ohnehin darüber diskutieren, ob wegen der stereotypen Herabsetzung nicht eben doch wirklich jeder Angehöriger des Kollektivs gemeint sein könnte und die Ausnahme in diesen Fällen gerade nicht miterklärt ist.[61] Das erscheint jedenfalls in Konstellationen als denkbar, in denen die Äußerung nur einem (kleinen,) geschlossenen Empfängerkreis zukommt.

 

 

[1]      Dazu etwa Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), Vorb. §§ 185 ff. Rn. 5 ff.; Hilgendorf, in: LK-StGB, Bd. 10, 13. Aufl. (2023), Vorb. §§ 185 ff. Rn. 28 ff.; Regge/Pegel, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 4. Aufl. (2021), Vorb. § 185 Rn. 45 ff.; Valerius, in: BeckOK-StGB, 56. Ed. (Stand: 1.2.2023), § 185 Rn. 8 ff.; Zaczyk, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), Vorb. §§ 185 ff. Rn. 27 ff.
[2]      BVerfGE 45, 187 (228); Hillgruber, in: BeckOK-GG, 54. Ed. (Stand: 15.2.2023), Art. 1 Rn. 17.
[3]      So auch Beck/Nussbaum sowie Rostalski/Weiss, in diesem Heft.
[4]      Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (339).
[5]      So für einen grundrechtlichen Anspruch auf Schutz vor gruppenbezogener Herabwürdigung Magen, VVdStRL 77 (2018), 67 (88 ff.); in einem gesetzgeberischen Leitfaden zur Schaffung von Gesetzen gegen „Hate Crimes“ im Allgemeinen auch OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (OSZE-BDIM), Gesetze gegen „Hate Crime“, 2011, S. 40, 48; für § 192a StGB Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (337 ff.); im Rahmen einer Forderung nach Schaffung einer gruppenbezogenen Qualifikation des § 185 Großmann, GA 2020, 546 (558); ähnlich Schmidt/Witting, in diesem Heft, S. 192: „Marginalisierung“.
[6]      So Hong, in einem bisher unveröffentlichten Kommentar zu den in diesem Heft veröffentlichten strafrechtlichen Beiträgen zu § 192a StGB. Der Text Hongs wurde wie diese am 28.2.2022 im Rahmen eines Online-Treffens der Autoren des vorliegenden Sonderheftes zum „Hate Speech“ diskutiert.
[7]      Magen, VVdStRL 77 (2018), 67 (81); in diese Richtung auch Beck/Nussbaum und Schmidt/Witting, in diesem Heft.
[8]      S.u. S. 213 ff. m.w.N.
[9]      So auch Rostalski/Weiss, in diesem Heft.
[10]    So Rostalski/Weiss, in diesem Heft, indes mit der ganz maßgeblichen Beschränkung auf Fälle der über §§ 185 ff. StGB erfassten Individualbeleidigung, wodurch die Problematik deutlich entschärft werde
dürfte.
[11]    Warnungen vor einer Trivialisierung der Menschenwürde etwa bei Dreier, GG, 3. Aufl. (2013), Art. 1 Rn. 47.
[12]    Deutsches Forum für Kriminalprävention, Arbeitsgruppe: Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – Endbericht, 2003, S. 8; Schmitt, in: Kaspar u.a. (Hrsg.), Online Hate Speech – Perspektiven auf eine neue Form des Hasses, 2017, S. 51; in diese Richtung auch Valerius, ZStW 132 (2020), 666 (673); für einen Einbezug von Kollektivinteressen bei „vorurteilsbedingten Hasstaten“ im Allgemeinen deshalb Krupna, Das Konzept der „Hate Crimes“ in Deutschland, 2010, S. 80.
[13]    Deutsches Forum für Kriminalprävention, S. 10; Magen, VVdStRL 77 (2018), 67 (79); Schmitt, Online Hate Speech, S. 51 (53); Schwertberger/Rieger, in: Wachs u.a. (Hrsg.), Hate Speech – Multidisziplinäre Analysen und Handlungsoptionen, 2021, S. 53 (56).
[14]    Ohne Beschränkung auf Äußerungsdelikte, sondern für „Hass-“ bzw. „Vorurteilskriminalität“ im Allgemeinen so auch Lang, Vorurteilskriminalität, 2014, S. 344; OSZE-BDIM, Gesetze gegen „Hate Crime“, 2011, S.17; Valerius, ZStW 132 (2020), 666 (672); s. auch die Nachweise bei Krupna, S. 75.
[15]    Schneider, Deutsches Forum für Kriminalprävention, S. 39; s. ferner Universität Leipzig/Forschungsgruppe gdp, Hate Speech – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, 2020.
[16]    Krupna, S. 77; OSZE-BDIM, S. 20.
[17]    Deutsches Forum für Kriminalprävention, S. 9.
[18]    Zu Grundsatzfragen der Strafschutzwürdigkeit eines Rechtsguts des „öffentlichen Friedens“ statt vieler Krauß, in: LK-StGB, § 130 Rn. 1 ff. m.w.N.; s. auch den Beitrag von Rostalski/Weiss, in diesem Heft.
[19]    Näher zu den mit Vagheit und erhöhtem Abstraktionsgrad gesetzgeberischer Rechtsgutskonzepte verbundenen strafrechtsdogmatischen und verfassungsrechtlichen Problemen etwa Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014; Kusche, Die Strafbarkeit des Selbstdopings, 2020, S. 133 ff., 159 ff., 214 ff., 223 ff., 241 ff.; s. ferner Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, 1987, S. 70.
[20]    Konstruktion des Rechtsguts der quantitativen Menschenwürde etwa bei Ostendorf, in: NK-StGB, § 130 Rn. 4 für § 130; die Menschenwürde als abstrakter Rechtswertwird zum strafrechtlichen Rechtsgut etwa bei Lohse, in: SSW-StGB, 5. Aufl. (2020), § 131 Rn. 2 und Hörnle, in: FS Schwind, 2006, S. 337 (346 ff.) für § 131; zum Schutz der Menschenwürde in ihren (über-) individuellen Dimensionen ferner BGH, NJW 2005, 1876 (1878); Knauer, ZStW 126 (2014), 305; Großmann, GA 2020, 546 (556 f.).
[21]    BVerfGE 124, 300 (334 f.); s. auch Hong, in diesem Heft.
[22]    Siehe bereits die Nachweise in Fn. 11.
[23]    Die Ermittlung des von einer Strafnorm geschützten Rechtsguts ist eine Auslegungsfrage, die deshalb nach h.M. auch durch Anwendung der gängigen Auslegungsmethodik zu beantworten ist; so etwa Hefendehl, in: MüKo-StGB, Bd. 5, 4. Aufl. (2022), § 263 Rn. 1; Tiedemann, in: LK-StGB, Bd. 9, 12. Aufl. (2012), Vorb. § 263 Rn. 20; Becker, Rechtsgutsbestimmung und Anwendungsbereich der Beteiligtentäuschung, 1992, S. 102 ff.; allgemeiner zur Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden auf die Zweckermittlung Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, 2005, S. 473 ff.
[24]    Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 2; Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (985); Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (337).
[25]    Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 2; Kubiciel, jurisPR-StrafR 13/2021 Anm. 1.
[26]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[27]    BT-Drs. 19/31115, S. 14; (auch) für den Schutz der Menschenwürde als Rechtsgut Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 192a Rn. 3; Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (337).
[28]    Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 2; Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (338 f.). Im Fall des § 192a Alt. 2 mag man die Verhetzende Beleidigung zugleich als Qualifikation des § 185 und damit als Schutzvorschrift zugunsten des individualisiert Beleidigten ansehen, s. Beck/Nussbaum, in diesem Heft.
[29]    Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (339); anders Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (987), die auf Tatbestandsebene eine teleologische Auslegung dahingehend verlangen, ob der Inhalt „tatsächlich die Herabwürdigung der Person oder allein eine (überzogene) Kritik an der Gruppe bezweckt […] und der Individualadressat lediglich als [..] austauschbarer Adressat […] ausgewählt worden ist […]. Der verbale Angriff gegen Institutionen als solche ohne Durchschlagen auf die dahinter stehenden Personen(-gruppen) wäre nicht tatbestandsmäßig“. Wie man diese Differenzierung bei einem Inhalt vornehmen soll, der nicht auf einen Gruppenangehörigen individualisiert ist (s. § 192a Alt. 1), erschließt sich kaum. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich die Menschenverachtung mit dem hier vertretenen (Sprach-)Verständnis des § 192a zuvorderst aus dem Inhalt selbst und nicht der Kommunikationsbeziehung zwischen Täter und Empfänger ergibt.
[30]    Dazu unten S. 215 f.
[31]    Statt vieler Hilgendorf, in: LK-StGB, Vorb. §§ 185 ff. Rn. 1 ff., 24 ff.
[32]    So auch Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 1.
[33]    BT- Drs. 19/31115, S. 14.
[34]    Magen, VVdStRL 77 (2018), 67 (81).
[35]    Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 130 Rn. 22 zu § 130.
[36]    Fischer, StGB, § 192a Rn. 2.
[37]    BT-Drs. 19/17741, S. 1.
[38]    Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (991); Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (339 f.); im Allgemeinen für die Erfassung der Geschlechtsidentität bei Vorschriften der „Vorurteilskriminalität“ auch Lang, S. 370.
[39]    Aus rechtspolitischer Perspektive für die Erfassung als Schutzobjekt bei Gesetzen gegen Vorurteilskriminalität im Allgemeinen Lang, S. 373; OSZE-BDIM, S. 54.
[40]    Zur denkbaren Erfassung durch Hate Crime-Gesetze s. etwa OSZE-BDIM, S. 47 zu Gesetzesfassungen im Bereich der Hate Crime-Bekämpfung in Kroatien, Russland, Spanien und im District of Columbia (USA).
[41]    Hilgendorf, NJW-aktuell 41/2021, S. 14.
[42]    Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (988).
[43]    In diese Richtung grundsätzlich auch Schwertberger/Rieger, Hate Speech, S. 53 (67).
[44]    Für ein etwaiges Schutzgut der (quantitativen) Menschenwürde ergibt sich nichts anderes.
[45]    Valerius, in: BeckOK-StGB, § 185 Rn. 18.
[46]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[47]    In diese Richtung auch Fischer, StGB, § 192a Rn. 6.
[48]    S. ferner Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (341).
[49]    So für § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB OLG Karlsruhe, MMR 2005, 178; Heidrich/Tschoepe, MMR 2004, 75.
[50]    In diese Richtung für § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 65.
[51]    Die weitgehende Vernachlässigung dieser Frage bei § 130 bemängelt Mitsch, KriPoZ 2018, 198 (200).
[52]    So grundsätzlich auch Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 1.1; Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (997); Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (340).
[53]    Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (341).
[54]    BT-Drs. 19/31115, S. 15; Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (337).
[55]    Hilgendorf, in: LK-StGB, § 186 Rn. 8; bereits für einen Tatbestandsausschluss Rogall, in: SK-StGB, 9. Aufl. (2017), § 186 Rn. 15.
[56]    Hilgendorf, in: LK-StGB, § 186 Rn. 8.
[57]    Hilgendorf, in: LK-StGB, § 186 Rn. 8.
[58]    Wenn man diesen Weg ginge, wäre die Aufnahme des § 192a StGB in § 193 StGB indes nicht überflüssig, wie es Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (999) meinen.
[59]    So etwa auch schon vor Einführung des § 192a StGB Großmann, GA 2020, 546 (558 f.).
[60]    Dafür Hilgendorf, NJW-aktuell 41/2021; s. dazu auch den Vorschlag von Großmann, GA 2020, 546 (563), der der Beleidigungsfähigkeit von Personenmehrheiten in der Sache indes kritisch gegenübersteht.
[61]    Magen, VVdStRL 77 (2018), 67 (93); in diese Richtung womöglich auch BVerfGE 93, 266 (304) – „Soldaten sind Mörder“: „Es ist […] nicht ausgeschlossen, daß auch bei herabsetzenden Äußerungen über große Kollektive die Diffamierung der ihnen angehörenden Personen im Vordergrund steht. Das gilt insbesondere dann, wenn die Äußerungen an ethnische, rassische, körperliche oder geistige Merkmale anknüpfen, aus denen die Minderwertigkeit einer ganzen Personengruppe und damit zugleich jedes einzelnen Angehörigen abgeleitet wird“; zum Grundsatz Hilgendorf, in: LK-StGB, Vorb. §§ 185 ff. Rn. 30 f.

 

 

 

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