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KriPoZ-RR 17/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Redaktioneller Leitsatz:

Trotz einer Verwechselung von Personen ist ein Rücktritt von einem beendeten Versuch weiterhin möglich; hierbei ist auch unschädlich, dass das außertatbestandliche Ziel wie z.B. der Erfolg des konkreten medizinischen Eingriffs eingetreten ist.

Sachverhalt:

Der Angeklagte, Facharzt für Allgemeinchirurgie, behandelte zwei Personen, unter anderem das spätere Opfer, aufgrund eines Leistenbruches. Der Angeklagte sterilisierte ausversehen das 17-jährige Opfer aufgrund einer Personenverwechselung mit dem anderen Patienten, bei dem zeitgleich zu Leistenbruch eine Sterilisation durchgeführt werden sollte. Der Angeklagte erkannte seinen Fehler und informierte unmittelbar nach dem Eingriff die Mutter des Opfers. Die Zeugungsfähigkeit des Opfers konnte zwei Wochen danach durch eine sechsstündige robotisch unterstützte Operation wiederhergestellt werden. Wenig später nahm der Angeklagte mit Einwilligung von dessen Eltern die Sterilisation an dem anderen Patienten vor. Ein Sterilisationsbetreuer (vgl. § 1899 Abs. 2 BGB a.F.) wurde nicht bestellt. Die erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts (vgl. § 1905 BGB a.F.) lag nicht vor.

Das LG hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter schwerer Körperverletzung in Tatmehrheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Entscheidung des BGH:

Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (vgl. § 349 Abs. 4 StPO), ist im Übrigen unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung halte einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.

Die Kammer habe hierbei insbesondere bei der Prüfung der Freiwilligkeit des Rücktritts rechtsfehlerhaft entschieden. Zwar sei dem LG dahingehend zuzustimmen, dass durch das Durchtrennen der beiden Samenleiter des Opfers rechtlich ein beendeter Versuch vorlag. Einerseits sei die Tat noch nicht vollendet gewesen, da die „Langwierigkeit“ der schweren Folge i.S.d. § 226 Abs. 1 StGB nicht dauerhaft eingetreten sei und demnach der Taterfolg nicht vorlag. Andererseits sei der Versuch nicht fehlgeschlagen, weil der Angeklagte die Vollendung der Tat weiterhin für möglich hielt. Die vorherige Erreichung außertatbestandlicher Ziele – hier: die beabsichtigte Sterilisierung des konkreten identifizierbaren Patienten – sei unschädlich, weil ein Rücktritt nur ausgeschlossen ist, wenn allgemeiner die in § 226 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4, Abs. 2 StGB umschriebene Verursachung der Zeugungsunfähigkeit einer Person noch nicht vollendet sei. Diese Wertung wahre auch den Opferschutz, da dadurch einem Täter, der seinen „error in persona“ bemerkt, noch ein Anreiz zur aktiven Verhinderung der Tatvollendung gegeben wird.

Weil der Angeklagte nach seiner Vorstellung mit dem Durchtrennen der Samenleiter des Opfers bereits alles Erforderliche zum Erfolgseintritt getan habe, handele es sich um einen beendeten Versuch. Die Vollendung des Delikts verhinderte der Angeklagte jedoch; dabei sei ein Rücktritt vom beendeten Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts möglich, soweit der Täter das Eintreten der Folge verhindere. Mit der Offenbarung des Irrtums gegenüber der Mutter setzte der Angeklagte eine neue Kausalkette in Gang – und habe damit eine geeignete Rettungsmaßnahme vollzogen.

Jedoch habe das LG bei der Beurteilung der Freiwilligkeit des Rücktritts einen falschen Maßstab angewandt. Die Kammer habe hierbei maßgeblich an den Tatplan angeknüpft, obwohl allein der Rücktrittshorizont nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung maßgeblich sei.  Da das LG keine Feststellungen zur Freiwilligkeit des Rücktritts getroffen hatte, ist dem Revisionsgericht die Nachprüfung verwehrt.

 

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