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Anna Isabel Berger: Kooperation oder Korruption? Grenzen der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen im Lichte der §§ 299a, b StGB

von Dr. Momme Buchholz

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 2023, Duncker & Humblot GmbH, Berlin, ISBN: 978-3-428-18777-5, S. 331, Euro 99,90

Das Spannungsfeld zwischen zulässiger, zugunsten von Innovation und Patientenwohl sogar erwünschter Kooperation im Gesundheitswesen einerseits und unzulässiger, Wettbewerb und gegebenenfalls Patientenwohl schadender Bestechung und Bestechlichkeit andererseits war schon vor Einführung der von Berger in ihrer Dissertation thematisierten Normen, §§ 299a, 299b StGB, Gegenstand strafrechtlicher Untersuchung. Nachdem aber der Große Senat für Strafsachen mit Beschluss vom 29.3.2012 – GSSt 2/11 – entschied, dass niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte bei ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit weder als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB) noch als Beauftrage der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB handeln, schien dem Gesetzgeber eine eigenständige Regelung des Konflikts erforderlich. Diese Regelung hat die schwierige strafrechtliche Abgrenzung zwischen Kooperation und Korruption im Gesundheitswesen in Form der §§ 299a, 299b StGB im Jahr 2016 erfahren. Den vielen Fragen, die sich aus den beiden Normen ergeben, widmet sich Berger in der vorliegenden Arbeit. Dabei fällt von Beginn an auf, dass nicht nur auf die detaillierte strafrechtsdogmatische Ausarbeitung sich stellender Auslegungsfragen geachtet wird, sondern auch praktische Handlungsanweisungen und -hinweise für im Gesundheitswesen Tätige gegeben werden. Die Arbeit gibt sich selbst das doppelte Ziel, strafdogmatischer Untersuchung einerseits und – wie Berger prägnant schreibt – durch Handlungsanweisungen an „die Betroffenen“ „Licht in das Dunkel der bestehenden Grauzonen zu bringen.“ (S. 20).

Es wird also bereits in der Einleitung kein Hehl daraus gemacht, dass Berger derartige Hinweise aufgrund der Ausgestaltung der §§ 299a, 299b StGB geboten scheinen: Sie betont die bisher ungeklärte Reichweite der Vorschriften und die – Kooperationen aus Sorge vor Strafverfolgung hemmende – praktische Wirkung bestehender Rechtsunsicherheit (vgl. S. 20). Der Versuch der Arbeit, die Reichweite der noch recht jungen Normen näher zu konturieren, ist bereits aufgrund dieser praktischen Fragen für alle interessant, die sich mit dem Gesundheitswesen aus strafrechtlicher Sicht befassen.

Nach der kurzen Einleitung zeigt sich der umfassende Anspruch der Arbeit an grundlegenden Ausführungen zum Begriff der Korruption mit etymologischer, phänomenologischer und strafrechtlicher Betrachtung (S. 22). Anschließend zeigt Berger auf, dass das Gesundheitssystem bereits aufgrund der besonderen Wirtschaftsbedeutung, der Doppelrolle im Gesundheitswesen Tätiger als medizinisch und zugleich kaufmännisch handelnden Personen und aufgrund komplexer, intransparenter Leistungsbeziehungen im Versicherungssystem eine hohe Anfälligkeit für Korruption besteht (S. 24 f.). Sodann wird die Strafwürdigkeit derartiger Vorgänge dargestellt: Der Wettbewerb, der nicht nur der Verbesserung medizinischer Versorgung, sondern auch dem Lebensunterhalt der im Gesundheitssektor Beschäftigten diene, und das Vertrauen von Patienten in die ärztliche Entscheidungsfindung würden durch Korruption erschüttert. Überzeugend betont Berger aber auch, dass der strafrechtliche Wettbewerbsschutz das Gesundheitswesen nicht vollständig determinieren darf und die Rolle des Strafrechts als ultima ratio zu beachten hat (S. 27).

Damit ist die erste Facette des Konflikts Korruption/Kooperation dargestellt. Nach der komplementären Darstellung der zweiten Facetten, nämlich des Erfordernisses der Kooperation für praktisch tätige Ärzte, aber auch für die medizinische Forschung, betont die Verfasserin das sich hieraus ergebende Spannungsfeld und die Schwierigkeit für Akteure im Gesundheitswesen, den schmalen Grat zwischen Korruption und Kooperation in einer Weise zu treffen, die gemeinsames Handeln ermöglicht, sich aber nicht der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzt (S. 31). Erneut hebt sie die große Verunsicherung im Gesundheitswesen, die aus den strafrechtlichen Normen folge, hervor und weist darauf hin, dass bestehende Kooperationen zurückgegangen seien (S. 32).

Nach dieser zunächst abstrakten Konfliktdarstellung setzt sich die Arbeit in ihrem dritten Kapitel intensiv mit den Tatbeständen §§ 299a, 299b StGB im Einzelnen auseinander. Nach einer umfassenden Darstellung der Entwicklungen, die zur geltenden Regelung geführt haben (S. 33 ff.), widmet sie sich ausführlich der Frage nach dem Schutzgut der Normen (S. 36 ff.). Berger bezweifelt dabei, dass die Normen – wie die Gesetzesbegründung annimmt – ein doppeltes Schutzgut haben. Neben dem Schutz des fairen Wettbewerbs sei das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen nicht geschützt. Aufgrund der Streichung der Pflichtwidrigkeitsvariante im Gesetzgebungsverfahren, die Vorteile für die Verletzung berufsrechtlicher Pflichten betraf, sei ein Vertrauensschutz nicht enthalten. Schon systematisch passe er nicht zu den Straftaten gegen den Wettbewerb, der Wortlaut enthalte kein derartiges Merkmal und es würden Rechtsgüter „vermengt“, die nicht zusammenpassten und „Schwierigkeiten“ auf Rechtsfolge- und Konkurrenzebene zur Folge hätten (S. 42). Aus hiesiger Perspektive sind derartige Schwierigkeiten zu akzeptieren und durch Rechtsprechung und Literatur aufzulösen. Auch ist es nicht per se abzulehnen, wenn ein Straftatbestand mehrere Rechtsgüter zu schützen versucht. Jedoch ist Berger darin zuzustimmen, dass sich im Wortlaut tatsächlich kein Hinweis auf einen Schutz des Patientenvertrauens findet. Dabei nimmt Berger an, das Vertrauen sei reflexartig durch den Wettbewerb mitgeschützt, könne aber als bloßes Ergebnis eines Schutzreflexes keine eigene Auslegungsbedeutung haben (S. 41 f.). Unabhängig davon, ob das von Berger dargestellte Schutzgutverständnis geteilt wird, bleibt zu bemerken, dass die Ausführungen an dieser Stelle sehr tiefschürfend sind. Hier zeigt sich ein roter Faden der sich durch die insgesamt äußerst strukturierte, klare Arbeit zieht: Die anschließenden Auslegungsfragen bedürfen aufgrund oft undeutlichen Wortlauts zu ihrer Klärung häufig starker teleologischer Argumente. Bergers Ansatz, zunächst das Telos der Normen im Einzelnen darzustellen, kann daher vollends überzeugen.

Die anschließende Darstellung des Tatbestands beginnt mit Überlegungen zum Täterkreis (S. 46 ff.). Hier plädiert Berger für eine Ausweitung der Normen de lege ferenda, nämlich für eine Erstreckung des Anwendungsbereichs auf medizinisch-technische Handwerksberufe und Heilpraktiker (S. 47). Dies sei aus Rechtsgütersicht aufgrund der mit Ärzten vergleichbaren Situation geboten. Es erscheint dabei zumindest fraglich, ob nicht vielmehr an den auch von Berger angeführten ultima-ratio-Gedanken (S. 27) zu erinnern ist und die Beschränkung auf Berufe, die den Kern des Gesundheitswesens bilden und bei denen sich dies auch am Erfordernis einer staatlich geregelten Ausbildung zeigt, begrüßenswert ist.

Eine weitere ausführlich besprochene Gruppe bilden die Apotheker. Überzeugend stellt Berger dar, dass diese zwar trotz Streichungen spezieller Vorschriften zunächst taugliche Täter sind, praktisch aber kaum eine der pönalisierten Handlungen der § 299a Nr. 1 bis 3 begehen werden, da ihr Aufgabenbereich diese Handlungen typischerweise nicht umfasst (S. 50 ff.). Auch wenn Berger nicht davon ausgeht, dass sich hinter diesem Umstand eine bewusste kriminalpolitische Entscheidung verbirgt (S. 51), führt sie aus, dass im Bereich des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen aufgrund enger rechtlicher Determinierung ohnehin ein geringes Korruptionsrisiko bestehe und die gesetzliche Regelung somit überzeugen könne. Anders zu beurteilen sei dies jedoch außerhalb dieses Bereichs, dort bestünden Entscheidungsspielräume für Apotheker. Abgabeentscheidungen sollten – so die Verfasserin – de lege ferenda daher wieder dem Tatbestand unterfallen (S. 53).

Sodann wendet sich die Arbeit dem Vorteilsbegriff zu (S. 53 ff.). Dargestellt wird das äußerst weite Begriffsverständnis und die daraus erwachsende Gefahr einer Strafverfolgung auch in Konstellationen, die sich letztlich als nicht strafbar erweisen. Ist schlimmstenfalls jede Abweichung von marktüblichen Preisen ein potentiell strafbarer Vorteil, besteht die Gefahr, dass der freie Wettbewerb nicht geschützt, sondern umgekehrt eine freie Gestaltung gehindert wird.

Anschließend werden die einzelnen Tathandlungen und ihr Berufsbezug untersucht. Wiederum wird deutlich, dass die Arbeit einen umfassenden Anspruch verfolgt und auf sämtliche Gesichtspunkte eingeht. Aus den vielen angesprochenen Fragen sei nur die überzeugende Zurückweisung der gesetzgeberischen Vorstellung herausgegriffen, die Formulierung „bei der Verordnung“ in § 299a Nr. 1 StGB umfasse auch Tätigkeiten, die mit dieser „in einem engen inneren Zusammenhang“ stehen. Bereits das von Berger angeführte Wortlautargument (S. 65) schließt ein solches Verständnis aus. Hingewiesen sei auch auf die dogmatisch tiefe und methodisch präzise Auseinandersetzung mit der Frage, ob Sprechstunden- und Praxisbedarf dem § 299a Nr. 2 StGB unterfällt (S. 67 ff.).

Ausführlich wird anschließend die Unrechtsvereinbarung als Kern des Tatbestands thematisiert (S. 78 ff.). Hingewiesen wird auf die Unbestimmtheit des Begriffs und die Gefahren einer schwierigen Beweislage: Schlimmstenfalls wird letztlich im Vorteil ein Indiz für die Unrechtsvereinbarung gesehen (vgl. S. 79 f.). Auch eine Indizwirkung von Vorteil und Bevorzugung für die Unlauterkeit lehnt Berger an späterer Stelle überzeugend ab (S. 96): Schon der Wortlaut zeige, dass es sich um eigenständige Tatbestandsmerkmale handele, die nicht auseinander abgeleitet werden dürften. Ebenso plausibel lehnt sie es mit Verweis auf das Verschleifungsverbot ab, aus dem Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung auf die Unlauterkeit zu schließen. Die besondere Bedeutung der Unrechtsvereinbarung, die aus der Weite der übrigen Tatbestandsmerkmale und deren Unrechtsneutralität folgt, wird im Laufe der Arbeit mehrfach thematisiert und die Unrechtsvereinbarung überzeugend als wichtigste Weichenstellung benannt. Sie wird gar als „[e]inziges tatbestandsbeschränkendes Merkmal“ bezeichnet (S. 300).

Besonders interessant sind auch die Ausführungen zur Bevorzugung im Wettbewerb, etwa die detaillierte Befassung mit Wettbewerbslagen bei Monopolstellungen (S. 83 ff.). Berger führt hier mit beachtlichen Gründen aus, dass entgegen der Annahme des Gesetzgebers, Monopollagen sehr wohl im Gesundheitswesen nicht nur ganz selten, sondern mit gewisser Regelmäßigkeit vorkommen können. Neben temporalen Monopolen bei Medikamenten (man denke an Patente) weist sie vor allem auf Monopole außerhalb urbaner Räume bei ausgedünnter Versorgungsdichte hin. Berger ist der Auffassung, in Monopollagen bestehe ohnehin kein Wettbewerb, der deliktisch angegriffen werden könne – auch dann nicht, wenn die in Rede stehenden Handlungen gerade dazu dienen, die Monopolstellung abzusichern und einen Wettbewerb in diesem Sinne auch intertemporal zu verhindern.

In ihren Ausführungen zur Unlauterkeit (S. 90 ff.) führt die Verfasserin neben einer Vielzahl anderer Fragen etwa zur Rolle berufs- und sozialrechtlicher Regelungen aus (S. 96 ff.). Sie spricht diesen Regelungen – soweit sie die Kooperation in ihrer konkreten Ausgestaltung betreffen – eine legitimierende Wirkung zu, lehnt aber umgekehrt eine strafbarkeitsbegründende Wirkung unter Verweis auf die nicht unrechtsbezogene Zielrichtung mit Recht ab. Schließlich bietet die Verfasserin einen eigenen Vorschlag zum Verständnis der Unmittelbarkeit an (S. 121 ff.). Der Vorschlag folgt einem Drei-Stufen-Prinzip, nach dem in einem ersten Schritt nach einer gesetzlichen Legitimation gesucht werden soll. Fehlt eine solche Legitimation, sei in einem zweiten Schritt die Sachfremdheit der Entscheidung zu überprüfen. Werden keine die Entscheidung rechtfertigenden Sachkriterien gefunden, sei abschließend in einem dritten Schritt eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zwar dürfte auch dieses Vorgehen kaum geeignet sein, allen Zweifelsfällen zu begegnen, doch liegt in dem Vorschlag eine überzeugende Systematisierung und Hierarchisierung der Kriterien.

Die Ausführungen zu § 299b StGB (S. 133 ff.) können sich weitgehend auf Parallelenbildung zu den bereits zu § 299a StGB angestellten Überlegungen beschränken, sodass nach ihnen sowie den kurzen Abschnitten zu § 300 StGB, Täterschaft und Teilnahme, Rechtfertigung und Entschuldigung, Vollendung, Beendigung und Versuch sowie Konkurrenzen das Herzstück der Arbeit folgt: Die Befassung mit einzelnen Kooperationsformen.

Die Auseinandersetzung mit einzelnen Gestaltungen von Kooperation und möglicher strafrechtlicher Relevanz wird aufgeteilt in die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Krankenhäusern, Unternehmensbeteiligung im Gesundheitswesen, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Industrie, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Hilfsmittelerbringern sowie sonstigen Formen der Zusammenarbeit. Diese Kategorien zerfallen ihrerseits jeweils in eine Vielzahl von einzelnen Konstellationen, die – obgleich die jeweiligen Ausführungen zweifellos Beachtung verdienen – nicht sämtlich in diesem Rahmen dargestellt werden können. Es wird sich daher auf einige wenige Konstellationen beschränkt. Besonders hervorzuheben ist aber das Vorgehen, das für viele dieser Kooperationsformen gewählt wird. Hier – bei der Behandlung einzelner Konstellationen – zeigt sich die oben angeführte doppelte Zielsetzung der Arbeit. Berger schließt an ihre strafrechtsdogmatischen Ausführungen zur jeweiligen Konstellation vielfach den Hinweis an, dass bereits der böse Schein die Gefahr einer Strafverfolgung beinhalten kann (s. nur S. 295) und liefert anschließend konkrete Handlungsempfehlungen, die einen solchen bösen Schein vermeiden (etwa S. 172 f., 216, 227, 233 f.) – insbesondere der Hinweis auf die allgemeine Einhaltung berufsrechtlicher Regelungen, die Orientierung an marktüblichen Konditionen und die Beachtung von Compliance-Vorgaben (vgl. nur S. 284, 294). Hier zeigt sich ein besonderes Maß an Gespür für praktische Bedürfnisse: Es wird nicht nur ein Lösungsvorschlag für juristische Fragen angeboten, sondern auch ein Leitfaden für den Zeitraum gegeben, in dem eine klare Lösung noch nicht gegeben ist.

Die vielfältigen behandelten Konstellationen und Kooperationsformen reichen von Überweisungen bei Ärzten, die bei medizinischer Indikation und Unentgeltlichkeit alltägliches Geschäft, bei entgeltlich bevorzugter Zuweisung aber strafrechtlich relevant sind (S. 155 ff.) bis hin zu spezielleren Konstellationen, wie etwa Unternehmensbeteiligungen, bei denen – nach Herausarbeitung des verfassungsrechtlichen Rahmens (S. 220 ff.) die Möglichkeit zur Beeinflussung des Umsatzes durch eigene medizinische Entscheidungen als wesentlicher Maßstab identifiziert und dargestellt wird (S. 232 f.). Neben knapp (aber dennoch deutlich) untersuchten Konstellationen, wie der Zuleitung von Rezepten durch Ärzte direkt an bestimmte Apotheken (S. 236 f.), befasst sich die Verfasserin immer wieder äußerst ausführlich mit einzelnen Konstellationen, wie etwa dem Phänomen der Laborgemeinschaften (S. 165 ff.). Hier wird die Gefahr dargestellt, dass Laborärzte durch billige Basisuntersuchungen eine Bindung der niedergelassenen Ärzte zu begründen suchen, die ihnen auch Aufträge für – besonders lukrative – Spezialuntersuchungen verschafft (S. 166). Auch die Ausführungen zur Angemessenheit von Vergütungen als Maßstab für das Vorliegen einer verdeckten Zuweiserprämie (S. 177 ff.) bestechen durch das Ausschöpfen verfassungsrechtlicher, teleologischer und auch vergütungsrechtlich-systematischer Argumente. Auch zu dieser Frage folgt aber die (praxisnahe) Warnung, dass durch eine Untersuchung allein der Angemessenheit Strafbarkeitsrisiken nicht ausgeschlossen werden können (S. 191 f.).

Zuletzt sei die Befassung mit der Konstellation sogenannter Berufsausübungsgemeinschaften (S. 169 ff.) hervorgehoben. Überzeugend, aber offenbar anders als der Gesetzgeber nimmt Berger an, dass in Fällen derartiger Zusammenschlüsse bei Zuführungen innerhalb der Berufsausübungsgemeinschaft keine Tathandlung nach § 299a Nr. 3 StGB vorliege, da nicht – wie vom Wortlautlaut vorausgesetzt – eine Zuführung zugunsten eines anderen erfolge: Mit der Berufsausübungsgemeinschaft werde ein einheitlicher Behandlungsvertrag geschlossen (S. 170).

In ihrem Fazit zum vierten Kapitel lässt die Verfasserin nicht nur die angestellten Erwägungen Revue passieren, sondern stellt auch in abstrakter Form noch einmal heraus, dass Kooperationsformen in der Regel nicht ihrer Art, sondern ihrer konkreten Ausgestaltung nach unzulässig sind (S. 295 f.). Außerdem weist sie darauf hin, dass angesichts der komplizierten Fragen und der speziellen zugrundeliegenden Materie des Gesundheitswesens die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften oder Zentralstellen zur Bekämpfung von Kriminalität im Gesundheitswesen begrüßenswert, allerdings erst in vier Bundesländern erfolgt sei (S. 297). Sie beschreibt erneut die ihrer Ansicht nach große Unsicherheit, die aus der aktuellen Rechtslage folge und benennt als mögliche zukünftige Lösung die sukzessive Klärung durch Rechtsprechung und Strafverfolgungsbehörden (S. 298). Bis dahin sei aber „das Risiko eines Ermittlungsverfahrens derzeit permanent gegeben.“ (S. 299).

Dieses Bild zeichnet sie auch in ihrer Schlussbetrachtung. Die erneute Betonung von „Grauzonen“ (S. 302) und großen Unsicherheiten, die sich durch die gesamte Arbeit zieht, dürfte zwar im Ausgangspunkt zutreffen, gleichwohl ist aber auch zu bemerken, dass Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten gerade in speziellen, wirtschaftlich geprägten Bereichen des Strafrechts die Regel sind und auch vor diesem Hintergrund der Vorwurf, die Tatbestände seien „sehr abstrakt“ formuliert (S. 304), zumindest überrascht.

Nichtsdestotrotz gelingt es der Arbeit in prägnanter und umfassender Weise, auf das Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption im Gesundheitswesen hinzuweisen, die Folgen von Unsicherheiten für diejenigen, die sich im Gesundheitswesen auf eine bestimmte Weise verhalten müssen, die nicht strafbar sein darf, aber doch wirtschaftlich tragfähig sein muss, herauszustellen und plausibel begründete, fundierte Rechtsauffassungen zu offenen Auslegungsfragen anzubieten und damit wesentlich zum Diskurs beizutragen. Die Arbeit ist – unabhängig von abweichenden Auffassungen des Rezensenten im Detail – zweifellos jedem zu empfehlen, der sich aus dogmatischer, rechtspraktischer oder beratungspraktischer Sicht oder aus der Perspektive eines Akteurs im Gesundheitswesen mit dem Verhältnis von Korruption und Kooperation befasst.

 

 

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