2023, Nomos, ISBN: 978-3-7560-0628-1, S. 963, Euro 289,00.
Dieses fundamentale Werk von knapp 1000 Seiten trägt wirklich alles zusammen, was die Entwicklungsgeschichte der Beziehung von Staatsanwaltschaft und Medien zu bieten hat. Dabei werden die systemischen Grundsatzkonflikte herausgearbeitet, Möglichkeiten und Grenzen de lege lata umschrieben sowie konzeptionelle Leitlinien de lege ferenda entwickelt.
Aufgrund der Ausrichtung der KriPoZ soll der Fokus auf die kriminalpolitischen Überlegungen des Verfassers gerichtet werden. Kurz soll aber auch der historische Abriss referiert werden: Ausführlich beschrieben werden die Anfänge und Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert. Hier wird auch auf populäre Verfahren wie die SPIEGEL-Affäre und die „offensive Informationspolitik“ bei der RAF-Verfolgung eingegangen. Ebenfalls behandelt werden die Problemkreise ab den beginnenden 1980er Jahren, wie bspw. die Vorverurteilungen in den Medien oder die „inoffizielle Strafprozessführung über Medien“ (S. 237).
Im Anschluss wird sich sehr ausführlich der Entwicklung des Verhältnisses im 21. Jahrhundert gewidmet. Aufgrund der rasant voranschreitenden Medienentwicklung kam auch in der Justiz verstärkt der Gedanke auf, sich nicht nur mit Passivität und Reaktivität gegenüber den Medien zu begnügen, sondern proaktiv zu werden. Dies verdeutlicht der Verfasser an der sog. Parteispendenaffäre, aber auch an Fällen wie Becker, Gäfgen, Meiwes, Möllemann oder Mannesmann. Dieser proaktive Umgang mit den Massenmedien führte in Fällen wie Hoyzer, Zumwinkel und dem Holzklotz-Fall zu großer Kritik. Der Verfasser spricht hier teilweise von der Überforderung der Staatsanwaltschaft im Umgang mit den Medien. Tragischer Höhepunkt war dann der Fall Kachelmann.
Aus diesen Lehren entwickelte sich die „postmoderne Schule“, die den „passiv-aktiven Spagat“ versuchte. Drei Fälle standen dabei in den 2010er Jahren im Fokus, nämlich die Fälle Wulff, Edathy und netzpolitik.org. Darauf folgte, so der Verfasser, eine „Gesetzesvorschlags-Konjunktur“ (S. 510 ff.), die ausführlich nachgezeichnet wird. Entgegengesetzt wurde diesen Ansätzen vom BMJV, dass ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf sich nicht aufdränge und die aktuelle Gesetzeslage ausreichend sei (S. 547). Insofern verwundert es Trentmann nicht, dass auch das Hamburger Reformdrängen und die entsprechende JuMiKo-Beschlussvorlage im Jahr 2021 bis auf Weiteres verhallten (S. 574).
Die differenzierten historischen Betrachtungen werden dann in einem weiteren Teil in strukturell-prinzipielle Erkenntnisse, Vertiefungen und Anregungen überführt. Der Verfasser identifiziert drei systemische Grundsatzkonflikte, nämlich den Funktions- bzw. Code-Konflikt, den Systemgeschlossenheitskonflikt und den Realitäts- bzw. Wirklichkeitskonflikt (ausf. S. 577 ff.). Diese systemischen Konflikte intensivierten sich unter anderem deshalb, weil sowohl Staatsanwaltschaft als auch Massenmedien nicht darauf vorbereitet seien bzw. sich nicht darauf einließen, mit den Spielregeln des jeweils anderen Systems adäquat umzugehen. Dies aber sei dringend notwendig, so dass es letztlich um eine Justierung derjenigen Punkte gehe, an denen Staatsanwaltschaft und Massenmedien strukturell gekoppelt seien.
Diese strukturellen Kopplungen seien als Erwartungsstrukturen zu verstehen, die ein System sensibler machten. Insofern sei es – im Gegensatz zu den Diskussionen in den 2000er Jahren – auch keine Frage mehr, ob sich die Staatsanwaltschaft medialisiert, sondern nur noch wo und inwieweit sich die Staatsanwaltschaft an der Operationslogik der Massenmedien orientiert. Hier werden drei Erscheinungsebenen staatsanwaltschaftlicher Medialisierungen vom Verfasser beschrieben. Die erste Erscheinungsebene sei das kommunikative Handeln zu Informations- und Darstellungszwecken gegenüber Medien und Öffentlichkeit. Die zweite Ebene sei der eigentliche Herstellungsprozess staatsanwaltschaftlicher Verdachtsbeurteilung und Verfahrensentscheidungen. Die dritte Ebene sei die Basalebene, die das „Innerste“ der Staatsanwaltschaft beträfe, d.h. das rechtsstaatliche Wesen der Staatsanwaltschaft an sich. Gerade auf zweiter und dritter Ebene würden Medialisierungen häufig besondere Einzelfälle betreffen, die teilweise sogar ersichtlich rechtswidrige Ausfallerscheinungen seien. Auf der ersten Ebene der Medialisierung gehe es dagegen um die staatsanwaltschaftliche Außenkommunikation zu Informations- und Darstellungszwecken, um eine gefestigte strukturelle Kopplung zwischen Staatsanwaltschaft und Massenmedien zu erreichen.
Anschließend nimmt Trentmann eine de lege lata Bewertung vor. Für die reaktive Medienarbeit nach den Landespresse-, Landesmediengesetzen u.a. wird festgestellt, dass in der verengten Auskunftsberechtigung auf journalistisch-redaktionelle Massenmedien derzeit weder eine formalgesetzlich-normative Untermedialisierung liege, noch dass eine entsprechende tatsächliche Untermedialisierung der Staatsanwaltschaft zu erkennen sei. Daneben wird aufgrund von Abgrenzungserwägungen auf weitere Auskunftsanspruchsmöglichkeiten neben den klassischen Presse- und Mediengesetzen geblickt und hier insbesondere auf § 475 StPO eingegangen. Nach Auffassung des Verfassers ist die Norm aber nicht auf journalistisch-redaktionelle Massenmedien anwendbar, sie greift aber für neue Massenkommunikationen, wobei der Nachweis an das Merkmal des „berechtigten Interesses“ herausfordernd sei. Dennoch erkennt der Verfasser hier nicht zwangsläufig Veränderungsbedarf.
Trentmann identifiziert aber eine normative Untermedialisierung der Auskunftsverpflichtung von Generalbundesanwalt und Bundesjustizministerium, allerdings auch hier gleichwohl keinen zwingenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Jedoch konstatiert er, dass weder die alte noch die neue dogmatische Herleitung der Auskunftsverpflichtung von Generalbundesanwalt und Bundesjustizministerium eine für die Bundesrepublik in ihrer Art als Rechtsstaat im Sinne von Gerechtigkeits- und Gesetzesstaat befriedigende Lösung darstelle.
In einem nächsten Schritt ging es im Rahmen der normativen Untermedialisierung um die Abwägungsvorgaben der Auskunftsregelungen in den einschlägigen Pressegesetzen, bzw. um die enumeriert aufgeführten Auskunftsverweigerungsgründe, die das „Herzstück der staatsanwaltschaftlichen Medienarbeit“ darstellten (S. 723). In Anbetracht der Medienentwicklung und der Vielzahl möglicher Einzelfallkonstellationen könne nicht viel mehr als bis dato einfachgesetzlich positiviert werden. Es sei, so der Verfasser, von vorneherein illusorisch, eine inhaltlich trennscharfe und justiziell nachprüfbare Lösung für jeden Einzelfall vorgeben zu können. Dies gelte nicht nur für formalgesetzliche, sondern schließlich auch für richterliche Vorgaben. Es könne immer nur um Ähnlichkeiten und die Herausbildung von Grundsätzen gehen, d.h. von Grundlegendem mit Ausnahmemöglichkeiten. Es müsse auf die konkreten Abwägungsoperationen der Staatsanwaltschaft vertraut werden, also auf eine möglichst treffende Medialisierung der Staatsanwaltschaft durch faktische Direktsteuerungen. Dies ist ein großer Vertrauensvorsprung, der der Staatsanwaltschaft hier eingeräumt wird. Ist Vertrauen zwar gut, aber Kontrolle nicht besser?
Schließlich betrachtet Trentmann die (pro-)aktive Medienarbeit der Staatsanwaltschaft, also solche Medienauskünfte, die gegeben werden, ohne dass sie zuvor an die Staatsanwaltschaft herangetragen wurden. Diese seien in praxi weitgehend anerkannter Usus und würden vermittels der Transponierung der Grundsätze der medienrechtlichen Verdachtsberichterstattung gehandhabt. Allerdings werde umgekehrt teilweise – wie das Beispiel der Hamburger Staatsanwaltschaften zeige – ganz bewusst keine proaktive Medienarbeit mehr betrieben. Es sei hier insofern auch eine negative normative Medialisierung zu erkennen, die nicht zuletzt im Lichte des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens durchaus nachvollziehbar sei. Der Wildwuchs um (pro-)aktive Medienarbeit sei auf eine mangelhafte klare normative Indirektsteuerung staatsanwaltschaftlicher Medialisierungen zurückzuführen, d.h. eine formalgesetzlich-normative Untermedialisierung, die als dringend überarbeitungsbedürftig empfunden wird.
Es sei insbesondere zu differenzieren zwischen mediengesetzlich geregelten Auskunftspflichten und sonstiger Öffentlichkeitsarbeit inklusive Medienarbeit. Schon unter dem Aspekt des positiven und negativen Medialisierungswildwuchses sei der eigentliche Punkt die formalgesetzlich-normativ vollkommen untermedialisierte Antwort auf die Frage nach Recht und Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Öffentlichkeitsarbeit. Da bereichsspezifisch bestimmte proaktive Informationsarbeit trotz entsprechender Diskussionen vom Gesetzgeber nicht geregelt wurde, spricht dies dafür, dass diese eben nicht stattfinden soll und darf. Insofern sollen allein staatliche Reaktionen auf Auskunftsersuchen erfolgen, deren Rechtsgrundlagen für Medien und Bürger in den vergangenen Jahrzehnten auch entsprechend ausgebaut wurden. Weitreichende Informationsarbeit der Staatsanwaltschaft sei dagegen grundsätzlich nicht erlaubt. Es seien aber Ausnahmekonstellationen denkbar, die hoch einzelfallspezifisch seien und in denen es in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG zu Krisen- und Warn- sowie ähnlich schwergewichtigen Konstellationen um extreme Sachkonstellationen ginge, deren Ausnahmecharakter schnell einleuchte. Als Beispiel benennt Trentmann hier den Fall netzpolitik.org, in dem es im Gang an die Medien darum ging, Transparenz zu schaffen und Justiz sowie Rechtsstaat zu schützen.
Der Verfasser empfiehlt aus Klarstellungsgründen eine neue Gesetzesvorschrift in Form einer „regulierten Selbstregulierung“ der Staatsanwaltschaft (S. 749). Hierzu sollte eine formalgesetzliche Regelung in der StPO geschaffen werden, die in den RiStBV ausführlich zu konkretisieren sei. Für die strafprozessuale Rahmenvorschrift seien folgende Grundsätze essenziell:
Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens sollte (endlich) positiviert werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz seien nur infolge formellen Auskunftsbegehrens von Medienvertretern, also als reaktive Medienarbeit möglich. Neben dem Verbot sog. proaktiven Medienarbeit könne das Gebot sog. schlicht aktiver Informationsarbeit in seltenen Ausnahmekonstellationen anerkannt werden. In diesen Ausnahmekonstellationen sei der essenzielle Schutz der Bevölkerung, der Justiz und des Rechtsstaats betroffen. Die Ausnahmenanspruchsberechtigung sei zudem vorerst weiterhin zu begrenzen auf die klassischen, d.h. die journalistisch-redaktionellen Massenmedien. Es ist an dieser Stelle schwer vorstellbar, wie diese Forderungen in eine stimmige Gesetzesvorschrift zu gießen sind, so dass an dieser Stelle ein konkreter de lege ferenda Vorschlag hilfreich gewesen wäre.
Konkretisiert werden dann die im Rahmen der RiStBV anzupassenden Punkte, wobei sich laut Verfasser an den einzelnen Landespresse- und -mediengesetzen orientiert werden könne. Die Regelungen in diesen Gesetzen würden dann obsolet. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Gedanke trägt. Die RiStBV bietet als Richtlinie „Anleitungen für den Regelfall“. Einen Anspruch begründen sie nicht. Insofern sind – trotz Konkretisierungen in der RiStBV – die entsprechenden Gesetze mit ihren Anspruchs- und Ausnahmeregelungen zwingend beizubehalten.
Die RiStBV soll nach dem Vorschlag des Verfassers um ein neues Kapitel 2 im Allgemeinen Teil unter der Überschrift „Informationsarbeit“ erweitert werden. Wie dieses im Einzelnen ausgestaltet wird, bleibt leider offen.
Schließlich – und hier ist dem Verfasser sicherlich recht zu geben – wird eine weitergehende organisatorische, fachliche und persönliche Professionalisierung der staatsanwaltschaftlichen Informationsarbeit gefordert. So sollte der staatsanwaltschaftliche Mediensprecher nicht nur juristisch, sondern auch journalistisch oder informationstechnisch ausgewiesen sein. Zudem sollte Media Readiness aufgebaut und Incident Response Teams gegründet werden, um ein prophylaktisches und akutes Skandalmanagement zu gewährleisten.
Im letzten Abschnitt der Arbeit wurde sich der Medialisierung des eigentlichen Herstellungsprozesses staatsanwaltschaftlicher Verdachtsbeurteilungen und Verfahrensentscheidungen sowie Medialisierungen des rechtsstaatlichen Wesens der Staatsanwaltschaft an sich gewidmet. Hier ging es quasi um Zwangsmedialisierungen von oben wie bspw. in den Fällen Wulff und Edathy. Solche Zwangsmedialisierungsdurchgriffe der Politik seien sehr problematisch und teilweise rechtsstaatswidrig, wie der Fall netzpolitik.org gezeigt habe. Dies sei aber quasi nur eine symptomatische Facette einer viel tiefergehenden Problematik, nämlich der Weisungsarchitektur der Staatsanwaltschaft. Daher seien diese Strukturreminiszenzen ein steter Reibungspunkt auch im Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Massenmedien. Was diesen letzten Punkt betrifft, so ist Bewegung in die Diskussion gekommen, da das Bundesjustizministerium am 2.5.2024 einen Referentenentwurf zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft auf den Weg gebracht hat. Ob dadurch auch die Reibung in Bezug auf Staatsanwaltschaft und Massenmedien abgefedert wird, bleibt abzuwarten.
Die Dissertation von Trentmann bietet gleich mehreres: Einen historischen, sehr ausführlichen, fundierten und mit unzähliger Literatur angereicherten Überblick über die Entwicklung des Verhältnisses von Staatsanwaltschaft und Massenmedien. Daneben aber auch eine facettenreiche Darstellung des Zustands de lege lata sowie der früheren und aktuelleren Diskussionspunkte. Abschließend werden Verbesserungspotentiale de lege ferenda aufgezeigt, über die sich streiten lässt. Doch dies zeichnet gute und gewinnbringende Dissertationen aus: dass sie nicht dabei stehen bleiben, Kompendium von bereits Geschriebenem zu sein, sondern das Geschriebene weiterzudenken. Insofern bietet die Arbeit zweierlei, nämlich einmal ein umfassendes Nachschlagewerk von den Anfängen bis zur Gegenwart der „Reibungspunkte“ zwischen Staatsanwaltschaft und Massenmedien zu sein und zum anderen die Punkte deutlich werden zu lassen, die die Auflösung dieser Reibungen so unbefriedigend machen. Die Reibung weiter aufzulösen und zufriedenstellende Normierungen zu finden, dazu wird es – auch angesichts der immer größer werdenden Bedeutung der Massenmedien – zukünftig gehen. Daneben steht die große Herausforderung, auch dem Umgang mit Socialmedia gerecht zu werden bzw. ihren Einfluss nicht zu groß werden zu lassen.