KriPoZ-RR, Beitrag 47/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 23.06.2020 – 1 BvR 1716/17: Verletzung der Pressefreiheit durch strafrechtliche Verurteilung

Leitsatz der Redaktion:

Bei der unverpixelten Weitergabe eines Fotos an eine Presseredaktion mit dem Ziel einer späteren Veröffentlichung trifft den Fotografen keine strafrechtliche Verantwortung für etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzungen, wenn er der Redaktion alle für eine Unkenntlichmachung relevanten Umstände mitgeteilt hat.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erhoben, mit der er sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung in dritter Instanz durch das OLG Köln (vorausgehend LG Aachen und AG Aachen) wegen eines Verstoßes gegen §§ 22 f., 33 KunstUrhG wendet.

Die Fachgerichte hatten ihn wegen der Weitergabe einer unverpixelten Bildaufnahme einer Person an eine Presseredaktion einer überregionalen Zeitung zum Zwecke der Veröffentlichung verurteilt. Auf dem Bild war ein Mann im Wartebereich einer Klinik abgebildet gewesen, bei dem ein Ebola-Infektionsverdacht bestanden hatte. Die Aufnahme war im Kontext der internationalen Ebola-Pandemie im Jahr 2015 entstanden, die mit einer erheblichen öffentlichen Beachtung einhergegangen war. Nach Ansicht des Fotografen hatte das Bild die mangelnden Hygienemaßnahmen des Krankenhauses im Umgang mit möglichen Ebola-Patienten dokumentieren sollen. Die unverpixelte Aufnahme war mit der Überschrift „Ebola Panne in NRW? – Virus-Verdächtiger musste auf Klinik-Flur warten“ in der Online-Präsenz der Zeitung veröffentlicht worden.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gab ihr statt.

Die Verurteilungen der Fachgerichte wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses verstießen gegen die Pressefreiheit des Fotografen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

Das Grundrecht schütze die Pressetätigkeit in sämtlichen Aspekten von der Sammlung von Informationen über die Vorbereitung bis hin zur Veröffentlichung, was die Anfertigung von Fotografien zur Bebilderung von Artikeln einschließe, so der Senat.

Dabei fände das Grundrecht der Pressefreiheit seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, welche die §§ 22 f., 33 KunstUrhG darstellten.

Bestimmtheitsbedenken im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG am Tatbestand des § 33 KunstUrhG seien nicht in substantiierter Weise vorgetragen worden und daher nicht zu prüfen gewesen, auch wenn es verfassungsrechtlich nicht unproblematisch erscheine, dass die Strafbarkeit von einer im Ausgang ungewissen Abwägungsentscheidung nach §§ 22 f. KunstUrhG abhängig gemacht werde.

Diese Abwägungsentscheidung müsse von den Fachgerichten unter Berücksichtigung der besonderen grundrechtlich geschützten Interessen vorgenommen werden und unter anderem eine Auseinandersetzung mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf der einen und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der anderen Seite erkennen lassen.

Im zu entscheidenden Fall habe das AG Aachen schon den Grad des Informationsinteresses der Öffentlichkeit verkannt, indem es das Bild nicht in den Bereich der Zeitgeschichte eingeordnet habe. Gerade im Kontext einer Pandemielage müsse es für die Presse zulässig sein über, ihrer Meinung nach, mangelhafte hygienische Zustände in öffentlichen Krankenhäusern zu berichten. Das Verkennen dieses Umstandes durch das AG schließe schon jede Abwägungsentscheidung von vornherein aus und habe daher die Pressefreiheit verletzt.

Das LG Aachen habe diesen Aspekt zwar zutreffend bejaht, sei aber bei der dann getroffenen Abwägungsentscheidung von einem falschen Bezugspunkt ausgegangen, indem es auf die unverpixelte Veröffentlichung des Fotos abgestellt habe, so das BVerfG. Diese sei dem Fotografen aber nicht strafrechtlich vorzuwerfen, da sich seine Handlung in der Weitergabe des Fotos an die Redaktion erschöpft habe.

Das OLG habe in seiner Abwägungsentscheidung zwar an die Weitergabe des Fotos angeknüpft, dabei jedoch die Arbeits- und Verantwortungsstrukturen in der Pressearbeit nicht genügend berücksichtigt. Aus dem Verhalten des Fotografen könne nicht auf einen Verstoß gegen journalistische Sorgfaltspflichten geschlossen werden. Eine Verpixelung von Bildmaterial vor der Weitergabe an eine Redaktion könne nicht verlangt werden, da es gerade Aufgabe einer Redaktion sei, das eingereichte Material umfassend zu prüfen und selbstverantwortlich über eine (verpixelte) Veröffentlichung zu entscheiden.

Etwas Anderes könne nur angenommen werden, wenn der Fotograf der Redaktion maßgebliche Umstände nicht mitteile, die für eine korrekte Bewertung des Materials unverzichtbar gewesen wären. Andernfalls liege es in der Verantwortung der jeweiligen Redaktion die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten zu wahren.

 

Anmerkung der Redaktion:

Den Beschluss des OLG Köln finden Sie hier.

Das Urteil des AG Aachen finden Sie hier.

 

 

 

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