KriPoZ-RR, Beitrag 33/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 09.07.2019 – 3 StR 155/19: Abschiebung nach Einlegung der Revision begründet kein Prozesshindernis

Leitsatz der Redaktion:

Eine Abschiebung des Angeklagten nach Einlegung der Revision und vor Zustellung des tatgerichtlichen Urteils stellt kein Prozesshindernis nach § 206a Abs. 1 bzw. § 205 Satz 1 StPO dar.

Sachverhalt:

Das LG Osnabrück hatte den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Nach Einlegung der Revision aber noch vor Zustellung des angefochtenen Urteils ist der Angeklagte in den Libanon abgeschoben worden. Dies stelle ein Prozesshindernis dar, welches im Hinblick auf ein faires Verfahren (§ 6 Abs. 1 MRK) und das Recht auf Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK) die Einstellung des Verfahrens gebiete, so die Revision.

Entscheidung des BGH:

Der BGH verwarf die Revision des Angeklagten, da eine Abschiebung nach Einlegung der Revision kein Prozesshindernis darstelle.

Dies begründete der Senat damit, dass eine Abschiebung den Fortgang des Revisionsverfahrens, aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung und Zielsetzung desselben, nicht hindere. Es sei Aufgabe des Tatgerichts, die Aufklärung des Sachverhalts zu betreiben und eine gerechte Strafe auszusprechen. Auf dieses Verfahren könne der Beschuldigte massiv selbst einwirken und so auch die Überzeugung des Richters von der eigenen Schuld oder Unschuld beeinflussen. Im Revisionsverfahren hingegen solle das Instanzurteil allein auf Rechts- oder Verfahrensfehler hin überprüft werden, was die Mitwirkungsmöglichkeiten des Angeklagten auf die Einlegung und Rücknahme des Rechtsmittels beschränke. Andere Prozesshandlungen könne der Beschuldigte meist nur durch seinen Verteidiger vornehmen (vgl. § 344 StPO). Der Inhaftierte Angeklagte habe schon kein Recht auf Teilnahme an der Revisionsverhandlung, diese stehe im Ermessen des Revisionsgerichts (§ 350 Abs. 2 Satz 3 StPO).

Soweit der durch einen Verteidiger vertretene Angeklagte zumindest mit seinem Verteidiger Kontakt haben könne, um zu entscheiden, ob die Revision weiterverfolgt oder zurückgenommen werden solle, sei dies auch unproblematisch, so der BGH.

Gleiches gelte bei Abschiebungen. Ein Prozesshindernis komme daher nur in Betracht, wenn der Angeklagte nicht mehr in der Lage sei mit seinem Verteidiger Kontakt aufzunehmen, was aufgrund der modernen Kommunikationsmittel unwahrscheinlich sei. Auch die durch die Abschiebung vereitelte Möglichkeit des Angeklagten, seine Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle zu begründen, stelle bei anwaltlicher Vertretung keine erhebliche Einschränkung dar, zumal der Verteidiger mit großer Wahrscheinlichkeit rechtskundiger als sein Mandant sei.

Anmerkung der Redaktion:

Ähnlich hatte der BGH bereits zu Fällen der Verhandlungsunfähigkeit entschieden. Es genüge, wenn der Angeklagte derart gesund sei, dass er über die Einlegung des Rechtsmittels verantwortlich entscheiden könne und sporadisch über dessen Aufrechterhaltung oder Rücknahme mit seinem Verteidiger entscheiden könne (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 – 4 StR 527/16).

 

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