KriPoZ-RR, Beitrag 03/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19: Anfragebeschluss zum Beginn der Verjährungsfrist bei § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB

Beabsichtigter amtlicher Leitsatz:

Bei Taten gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes zu laufen.

Sachverhalt:

Der Angeklagte ist vom LG Kiel wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte als Geschäftsführer einer Bau GmbH von 2007 bis 2012 Schwarzarbeiter beschäftigt und somit Beiträge zur Sozial- und Unfallversicherung nicht abgeführt sowie Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge verkürzt.

Dabei hatten die Fälligkeitszeitpunkte für Sozialversicherungszahlungen in 17 Fällen zwischen dem 29. Januar 2007 und dem 29. Mai 2008 gelegen, in einem Fall hatte der Angeklagte am 6. Februar 2008 eine unvollständige Meldung an die Berufsgenossenschaft abgegeben und in fünf Fällen waren unrichtige Steuererklärungen von ihm zwischen dem 5. April 2007 und dem 9. April 2008 abgegeben worden.

Der Generalbundesanwalt hat daraufhin beantrag, das Verfahren bezüglich der Steuerhinterziehungstaten wegen Verjährung einzustellen.

Entscheidung des BGH:

Der erste Senat beabsichtigt von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und ebenfalls die Verfahren bezüglich der 17 Fälle mit Fälligkeitszeitpunkten zwischen dem 29. Januar 2007 und dem 29. Mai 2008 sowie den Fall der unterlassenen Meldung an die Berufsgenossenschaft wegen Verjährung dieser Taten einzustellen.

In seiner bisherigen Rechtsprechung vertrat der BGH stets die Ansicht, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Erlöschen der Beitragspflicht zu laufen beginne, was dazu führe, dass eine Verjährung dieser Taten noch nicht in Betracht komme.

Nun ist der Senat allerdings der Ansicht, die Verjährungsfrist bei Taten nach § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB müsse bereits mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes zu laufen beginnen.

Die frühere Rechtsprechung war damit begründet worden, dass § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB echte Unterlassungsdelikte darstellten und damit der für die Verjährungsfrist maßgebliche Beendigungszeitpunkt dieser Taten erst im Wegfall der Handlungspflicht zu sehen sei. Damit liege der Beendigungszeitpunkt bei den verfahrensgegenständlichen Delikten erst im Erlöschen der Beitragspflicht.

Im Gegensatz dazu sei § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB ein Erfolgsdelikt, welches aktiv verwirklicht werden müsse und dessen Beendigungszeitpunkt daher schon im Fälligkeitszeitpunkt der Beiträge zu sehen sei.

An dieser Argumentation möchte der Senat nicht länger festhalten und begründet seine Ansicht zunächst damit, dass die Rechtsgutsverletzung auch in Fällen des § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB schon bei Nichtzahlung im Fälligkeitszeitpunkt irreversibel eingetreten sei. Deswegen sei ein weiteres bzw. fortgeführtes Unterlassen nicht mehr strafbar. Dies führe dazu, dass die strafbewehrte Pflicht zur Abführung der Beiträge mit der Tatvollendung entfalle und somit Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt zusammen lägen.

Unbeachtlich sei, dass die sozialversicherungsrechtliche Zahlungspflicht weiterhin bis zum Erlöschen der Beitragspflicht bestehe, da beispielweise auch bei § 370 AO der staatliche Steueranspruch nach dem Beendigungszeitpunkt fortbestehe.

Zudem ermögliche diese Sichtweise eine Gleichschaltung des Verjährungsbeginns bei § 266a Abs. 2 StGB und § 370 Abs. 1 AO, was aufgrund des häufigen Zusammentreffens beider Delikte sinnvoll sei.

Ebenfalls vorteilhaft sei, dass nun Taten nach § 266a Abs. 1 und Abs. 2 StGB nicht mehr unterschiedlich verjährten.

Auch die „ultima-ratio“-Funktion des Strafrechts wird vom BGH als Argument angeführt.

Gegen die Beibehaltung der früheren Rechtsprechung spreche schließlich auch die mögliche Gesamtverjährungszeit von 35 bzw. 36 Jahren, welche vor dem Hintergrund des Unrechtsgehalts der Tat unangemessen hoch erscheine.

Abschließend greift der BGH ein Argument aus der Literatur auf wonach die alte Rechtsprechung dazu führen könne, dass Einzelunternehmer gegenüber Vertretungsorganen sowie Teilnehmer gegenüber Tätern benachteiligt werden.

Da § 266a StGB ein Sonderdelikt darstelle, das nur von Arbeitgebern verwirklicht werden könne, sei die Tat immer mit dem Entfallen der Arbeitgeberstellung beendet. Dieses Entfallen der Arbeitgeberstellung könne allerdings bei Vertretungsorganen z.B. mit dem Ausscheiden aus einer Gesellschaft, im Gegensatz zu Einzelunternehmern, mutwillig herbeigeführt werden.

Ähnliches gelte für Teilnehmer, sodass es zu Situationen kommen könne, in denen es für Beteiligte günstiger sein könnte als Täter, statt als Teilnehmer eingestuft zu werden, so der BGH.

Aus diesen Gründen fragt der Senat bei den anderen Senaten des BGH an, ob an etwaiger entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten werde.

 

Anmerkung der Redaktion:

Entgegenstehende Entscheidungen anderer Senate finden Sie hier:

BGH, Beschl. v. 27.09.1991 – 2 StR 315/91

BGH, Beschl. v. 17.12.2013 – 4 StR 374/13

BGH, Beschl. v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08

 

KriPoZ-RR, Beitrag 48/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 11.09.2019 – 2 StR 350/19: BGH erweitert Definition der Beendigung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

Leitsatz der Redaktion:

Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist schon dann beendet, wenn alle Bemühungen um einen erfolgreichen Güterumsatz und einen Waren- und Geldfluss endgültig eingestellt worden sind.

Sachverhalt:

Das LG Frankfurt a. M. hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte er sich mit einer Bekannten verabredet, um von ihr angekauftes Marihuana auf dessen Qualität hin zu prüfen. Als Entlohnung war ihm eine kleine Menge des Rauschgifts für den Eigenverbrauch versprochen worden.

Auf Anweisung seiner Bekanntschaft hatte der Angeklagte das Marihuana aus dem Versteck in einer Tiefgarage geholt und in ihre Wohnung gebracht. Dort hatte er die Qualität überprüft und beim anschließenden Verpacken der Drogen geholfen. Nach den Feststellungen des LG hatte er dabei vom Drogengeschäft seiner Bekannten gewusst und dieses auch fördern wollen. Daraufhin war es zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung gekommen bei dem der Beschuldigte verhaftet worden war.

Die Polizei hatte die Wohnung observiert, da die Bekannte des Angeklagten am Tag zuvor selbst bei den Beamten angegeben hatte, dass ein Drogengeschäft in ihrer Wohnung stattfinden werde, um eine Strafmilderung nach § 31 BtMG zu erhalten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf.

Eine Beihilfehandlung könne nur bis zur Beendigung der Haupttat vorgenommen werden. In diesem Fall bestehe jedoch die Möglichkeit, dass die Haupttat im Zeitpunkt der Hilfeleistung durch den Angeklagten schon beendet gewesen sei. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sei nämlich beendet, wenn der erstrebte Erfolg des Güterumsatzes und der Bezahlung eingetreten und der Waren- und Geldfluss zur Ruhe gekommen sei oder wenn alle Bemühungen darum endgültig eingestellt worden seien.

Da die Bekannte des Angeklagten zuvor selbst bei der Polizei angegeben hatte, dass ein Drogengeschäft in ihrer Wohnung stattfinden werde, könnte von einer Einstellung der Bemühungen auszugehen sein, so der BGH.

Zu diesem Komplex habe sich das LG allerdings nicht geäußert, was die Aufhebung des Urteils erfordere.

Anmerkung der Redaktion:

Die bisher ständige Definition der Beendigung des Handeltreibens entwickelte der BGH in diesem Beschluss.

Dass nach dem Waren- und Geldaustausch des Drogenkuriers eine noch offene Forderung des Großhändlers für die Beendigung der Tat keine konkrete Bedeutung hat, entschied der BGH in diesem Urteil.

 

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